Attacke mit dem Gartenschlauch: 2.000 Euro Strafe

von Andreas Milk
Immerhin: In einem Punkt stimmten die Angaben beider Seiten überein – und zwar, dass es seit rund 20 Jahren Zoff zwischen ihnen gebe. Eine schier endlose Bergkamener Nachbarschaftsfehde beschäftigte heute den Strafrichter am Amtsgericht Kamen. Angeklagt: Der 36-jährige Markus A. (Namen geändert), der laut Staatsanwaltschaft mehrfach eine Frau von nebenan, die 58 Jahre alte Stefanie P., beleidigt und bedroht hat – etwa, indem er sie „asoziale Nutte“ nannte und sich mit dem Zeigefinger die Kehle entlang fuhr. Das sei Unsinn, sagte Markus A. – einen anderen Anklagepunkt gab er dagegen zu: Am 4. Juli 2019 habe er Stefanie P. eine Dusche mit dem Gartenschlauch verpasst, um sie sich vom Leib zu halten. Sie habe damals nämlich eine Abstandsvereinbarung missachtet.

Die Sache mit dem Schlauch war der einzige Vorwurf, für den es so etwas wie einen objektiven Nachweis gab: Ein damals zum Tatort gerufener Polizist erinnerte sich auf Nachfrage des Richters, die Frau sei nass gewesen.

Was sich sonst so alles zwischen den Familien A. und P. abgespielt hat und abspielt – das wissen am Ende nur sie selbst. Nimmt man die Schilderungen von Markus A., seiner Mutter sowie eben von Stefanie P. zusammen, dann haben sich da die Richtigen gefunden – oder vielmehr: leider die völlig Falschen. „Ich will eigentlich nur meine Ruhe“, sagt Stefanie P. – während die Anwältin ihres Widersachers Markus A. überzeugt ist: „Sie will ihn unbedingt im Knast sehen.“

Da muss er – trotz ein paar Vorstrafen vor einigen Jahren – aber nicht hin. Der Richter verurteilte ihn wegen der Nummer mit dem Schlauch zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen à 40 Euro. A. habe sich der Beleidigung und Bedrohung schuldig gemacht. Der Urteilsverkündung folgte ein Appell, sich zu besinnen, einander aus dem Weg zu gehen und es vielleicht mal mit der Hilfe eines erfahrenen Schiedsmannes zu versuchen.

Besonders optimistisch wirkte der Richter nicht.

 




Revolver, Pistolen, Flinten: Ex-Waffenbesitzer zahlt für Orang-Utans

von Andreas Milk
Er ist 81 Jahre alt, hat sich im Leben nie strafbar gemacht – und saß jetzt wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz als Angeklagter vor dem Richter in Kamen: Der Bergkamener Walter P. (Name geändert) hatte bis Januar zwei Dutzend Revolver, Pistolen, Flinten unerlaubt in seinem Besitz. Ein Waffennarr? Von wegen.

Ursprünglich gehörten die Waffen P.s Vater. Der hatte sie schon während der Weltkriege gesammelt. 1980 starb er; bereits fünf Jahre vorher war die Sammlung der alten „Schätzchen“ beim Kreis registriert worden. Gut vier Jahrzehnte sollte es dauern, bis der Kreis sich bei Sohn Walter nach dem Verbleib der väterlichen Waffen erkundigte. P. gab zu, er habe sie noch. Weil das nicht in Ordnung war, versuchte er sie zu verkaufen. Aber keiner wollte die „asbach-uralten“ (Walter P.) Dinger haben, auch nicht der Büchsenmacher im Schießsportzentrum Overberge. Und Walter P. selbst wollte sie am allerwenigsten: Er möge keine Waffen, sei statt beim „Bund“ beim THW gewesen, und einem Schützenverein habe er auch nie angehört.

P.s Fehler: Er kümmerte sich nicht weiter um die Angelegenheit, ließ Fristen, die der Kreis ihm setzte, verstreichen. Dann reichte es dem Kreis. Am 22. Januar dieses Jahres schickte er die Polizei zu Walter P. – die Beamten nahmen das Waffenarsenal mit. Ein Strafverfahren folgte.

Letztlich profitieren nun Tiere davon. Genauer: Orang-Utans. Denn der Richter entschied mit Zustimmung Walter P.s und des Staatsanwaltes: Das Verfahren wird eingestellt gegen Zahlung einer Buße von 750 Euro an den Verein „Borneo Orangutan Survival Deutschland“. Dieser Verein kümmert sich darum, kranke und verletzte Tiere auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten und auszuwildern.




Nach Unfall getürmt – Sachen geklaut: Einmal Mist gebaut – und dafür gerade gestanden

von Andreas Milk
Was die Bergkamenerin und der Bergkamener getan haben, war strafbar – ihr Verhalten vor dem Kamener Strafrichter dagegen mustergültig: Kein Drumrumreden, kein Beschönigen, stattdessen Geständnisse. Worum ging’s? Um eine Unfallflucht und einen Diebstahl bei Kaufland.

Renate L. (58, Name geändert) war am Morgen des 15. September rückwärts aus einer Einfahrt an der Bambergstraße gefahren. Dabei demolierte sie den geparkten Wagen eines Kameners. Statt sich drum zu kümmern, fuhr sie weg: Sie musste ihre Enkelin, die mit im Auto saß, zur Mutter zurückbringen. Leider wusste außer Renate L. niemand, dass sie gleich danach – vielleicht 20 Minuten später – an den Unfallort zurückkommen würde. Da war längst die Polizei da. Es gab ein Strafverfahren.

„Ich hab‘ eine falsche Entscheidung getroffen“, sagte Renate L. nun vor Gericht. Bei dem Zusammenstoß habe sie sehr wohl den Knall gehört – aber eben auch gedacht: Ich bin ja sowieso gleich zurück. Das Urteil für die Verkäuferin: eine Geldstrafe von 1.000 Euro, dazu vier weitere Monate ohne Führerschein. Renate L., bisher ohne Vorstrafe, akzeptierte, der Staatsanwalt ebenso.

Martin M. (49, Name geändert) hatte am Abend des 16. Oktober bei Kaufland zugelangt: In seinem Rucksack schmuggelte er Wodka, Tabak und ein Grünkohlgericht im Gesamtwert von 25,08 Euro an der Kasse vorbei und geriet an einen Detektiv. Er habe kein Geld gehabt, sagte der Hartz-IV-Bezieher dem Richter. Und: „Strafe muss sein.“ Auch er hat keine Vorstrafe, auch er akzeptierte das Urteil: 200 Euro Geldstrafe. „Keine große Sache“, meinte der Richter zu dem Fall – „aber eben eine Straftat.“




Prozess vor dem Landgericht gegen Serieneinbrecher beginnt: Einen Hausbewohner sogar mit einem Elektroschocker bedroht

Vor dem Dortmunder Landgericht startet am kommenden Montag der Prozess gegen Ndrc L. Dem 26-Jährigen wirft die Staatsanwaltschaft vor, von November 2016 bis Ende Januar 2017 einen schweren Raub und in acht Fällen gewerbsmäßigen Wohnungseinbruchdiebstahl mit wechselnden Mittätern begangenen zu haben. Haupttatort ist Bergkamen. Zur Verhandlung wird der Beschuldigte aus der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Dortmund vorgeführt.

So soll der Beschuldigte am 2. Dezember 2016 und 13. Januar 2017 versucht haben in ein Wohnhaus in Bergkamen eingebrochen zu haben. Ein paar Tage später erbeutete er bei zwei Einbrüchen 12 Stangen Zigaretten, elektronische Geräte und Schmuck im Gesamtwert von 2800 Euro sowie bei einem weiteren Einbruch in Bergkamen Schmuck gestohlen. Diese Serie in Bergkamen endete am 25. Januar, als er versuchte, in ein Einfamilienhaus zu gelangen. Ihm gelang es allerdings nicht, die Schließanlage der Haustür zu überwinden.

Breiten Raum in der Verhandlung, die am 13. Und 25. Mai fortgesetzt wird, werden vermutlich zwei Einbrüche in Werne Mitte Dezember 2016 einnehmen. Beim ersten Einbruch entdeckten er und seine Mittäter im Keller des Wohnhauses einen Tresor. Wenige Stunden später kehrte er dann zurück, um den Tresor zu stehlen. Allerdings stieß er dann auf den Hausbewohner und bedrohte ihn mit einem Elektroschocker. Trotzdem gelang es dem Hausbewohner, den Einbrecher in die Flucht zu schlagen.
Schließlich sollen er und seine Mittäter bei einem Einbruch in Hamm Bargeld und elektronische Geräte gestohlen haben.




Corona „infiziert“ auch Justitia

von Andreas Milk
Die Corona-Pandemie hat Folgen für die Rechtsprechung. Mehrere Verhandlungstermine im Kamener Amtsgericht – zuständig auch für Bergkamen – sind schon aufgehoben worden. Und solche, die noch nicht aufgehoben sind, stehen in Frage. Strafrichter Martin Klopsch hätte eigentlich am Mittwoch allerhand Fälle zu entscheiden gehabt. Aber: Es hätten schon einige Prozessbeteiligte abgewunken, sagte Klopsch – also dürften Termine platzen. Zeugen, die nicht zu einem Termin kommen, müssen in gewöhnlichen Zeiten mit Ordnungsgeldern in dreistelliger Höhe rechnen. In Coronazeiten müssten sie das nicht, sagte Klopsch.

Was selbstverständlich klingt, ist so völlig selbstverständlich nicht. Denn: In manchen Fällen des Strafrichters geht es um Menschen, die in Haft sind und über deren mutmaßliche Vergehen zügig entschieden werden muss. Aktuell gilt das in Kamen aber nur für einen Fall: Morgen ist ein Mann angeklagt, der in U-Haft ist, weil er einen früheren Termin ignoriert hatte. Er wird also zum Gericht gebracht werden – und die Sache wird verhandelt oder zumindest „anverhandelt“, der Haftbefehl vermutlich aufgehoben.

Heikel ist Corona für die Juristerei gerade auch, weil sie viel mit Fristen zu tun hat. Die Justizministerien der Länder denken über Lösungen nach. Und speziell fürs Kamener Amtsgericht gilt: Offene Sprechzeiten sind fürs erste gestrichen – alles, was ein persönliches Vorsprechen erfordert, muss vorher telefonisch oder schriftlich verabredet werden.




Ohne Geld ins Taxi: „Bin Arsch gewesen“

von Andreas Milk
Es läuft viel schief bei dem Bergkamener Timo P. (48, Name geändert). Seine Drogensucht hat ihn schon oft vor Gericht gebracht: ellenlang das Vorstrafenregister, vor allem Diebstahlsdelikte, also Beschaffungskriminalität. Weil er seinen letzten Termin vor dem Strafrichter geschwänzt hatte, wurde er diesmal aus der Untersuchungshaft vorgeführt.

Wieder ging es um Diebstahl – zwei Kopfhörer bei Kaufland in Rünthe -, außerdem um einen Betrug. Die Vorgeschichte: P. hatte sich vergeblich um Aufnahme ins Dortmunder LWL-Krankenhaus bemüht für eine Entgiftung mit Methadon. Weil kein Platz für ihn war, musste er irgendwie zurück nach Bergkamen. Er stieg in ein Taxi – ohne Geld. Knapp 60 Euro sollte die Fahrt kosten. Als P. nicht zahlen konnte, ließ der Fahrer sich seinen Ausweis geben und zeigte ihn an.

Er sei dem Taxifahrer gegenüber „ein Arsch gewesen“, gab P. zerknirscht zu. Er selbst wiederum war nach eigenen Angaben zu der Zeit schlicht „am Boden“, „total auf Entzug“.

Der Richter ahndete die beiden Straftaten mit einer Geldstrafe: 140 Tagessätze à 15 Euro. Ein Zehntel davon ist durch das Absitzen von 14 Tagen U-Haft abgegolten. P. ist wieder in Freiheit.




Katze auf der Schulter – Alkohol im Blut

von Andreas Milk
Einigermaßen merkwürdig muss ausgesehen haben, was eine Zeugin aus Oberaden in einem Strafprozess vor dem Kamener Amtsgericht beschrieb. Martina D. (Name geändert), ihre Nachbarin, sei auf dem Parkplatz vorm Haus in ihr Auto gestiegen, mit einer Katze auf der Schulter. Plötzlich sei sie „losgebrettert“ – und zwar direkt hinein in den Wagen der Zeugin, die von ihrer Wohnung aus zusah. „Mir ist alles aus der Hand und aus dem Gesicht gefallen.“

Martina D. war angeklagt wegen Trunkenheit im Verkehr und Beleidigung. Als die Geschichte auf dem Parkplatz passierte, hatte sie 1,38 Promille Alkohol im Blut. Und sie soll ihre Nachbarin, als die aus dem Haus gerannt kam, beschimpft haben. Wobei bis zuletzt offen blieb, ob sie die Frau nun „Schlampe“ nannte (wie von der Beschimpften zur Anzeige gebracht) oder „Schlammkuh“ (wie von Martina D. behauptet).

Nicht im Detail zu klären war auch die Rolle der Katze – präziser gesagt: des Katers. Martina D. hatte Futter für das Tier im Auto liegen lassen und war nur deshalb überhaupt nochmal eingestiegen; vorher hatte sie sich im Haus ein paar Gläser genehmigt. Und weil ein Reifen des Autos ungünstig auf einem Ast stand, beschloss sie spontan, den Wagen umzusetzen.

Keine gute Idee: Der Schaden am Auto der Nachbarin war vierstellig. Das gilt nun auch für die Geldstrafe, die Martina D. zahlen muss: 80 Tagessätze à 15 Euro – macht 1200 Euro.




Hartnäckig und uneinsichtig ohne „Lappen“: Nach Haft-Premiere wieder Bewährung

von Andreas Milk
„Hartnäckig und unverbesserlich“ habe der Angeklagte gehandelt, sagte der Richter – verurteilte den 37-jährigen Darius P. (Name geändert) aber trotzdem zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten. Denn P. sitzt sowieso seit sieben Monaten erstmals in Haft. Und diese Premiere könnte sein Verhalten wohl ändern, hofft der Richter. Die Staatsanwältin hatte acht Monate beantragt – ohne Bewährung.

Es ging um Fahren ohne Führerschein. P.ist seine Fahrerlaubnis seit zehn Jahren los. In der Nacht zum 22. Februar 2019 war er auf der A 2 bei Bergkamen hinterm Steuer eines Opel erwischt worden. Sechs Vorstrafen wegen solcher Schwarzfahrten hat er schon. Ertappt wurde er auch am 21. (!) Februar in Norddeutschland. Dieses Verfahren stellten die Ermittler aber ein, als das Verfahren zum 22. Februar in Gang kam.

Vor Gericht schilderte P. die Vorgeschichte jener Nacht. Ein Freund habe ihn gebeten, ihm den Opel – zugelassen auf P.s Frau – zu leihen. Das habe er erst nicht gewollt, dann aber zugestimmt unter der Bedingung, mitkommen zu können. Am Ziel in Bönen habe der Freund überraschend erklärt, nicht wieder zurück zu fahren. Konsequenz: Er selbst – P. – habe fahren müssen.

Nach Meinung des Richters ließ P. es an Einsicht fehlen. Stattdessen rechtfertige er sein strafbares Tun. „Sie hätten schon viel früher ins Gefängnis gemusst.“ Zum 1. März soll P. aus seiner laufenden Strafhaft entlassen werden. Unter Tränen versicherte er, dass er aus dem JVA-Aufenthalt gelernt habe. Auch seine Familie habe gelitten. Als Bewährungsauflage muss er 1.000 Euro an die Gerichtskasse zahlen. Daneben wurde eine Führerscheinsperre über zwei Jahre verhängt.




Jungen an Hochstraße geboxt: 1.800 Euro Strafe

von Andreas Milk
Um zu einer hohen Geldstrafe verurteilt zu werden, braucht ein Angeklagter nicht unbedingt selbst vor dem Richter zu erscheinen. Der 30-jährige Bergkamener Tobias M. (Name geändert) hatte im vergangenen Mai einem Jungen auf der Hochstraße mehrfach mit der Faust gegen die Brust geschlagen. Dafür erließ ein Richter in Kamen heute einen Strafbefehl über 120 Tagessätze à 15 Euro – macht 1.800 Euro.

Tobias M. hatte schon oft mit dem Gericht zu tun, unter anderem wegen Gewaltdelikten. Mehrere Bewährungsstrafen sind noch offen, „gesessen“ hat er aber auch schon. Die Sache an der Hochstraße war noch vergleichsweise harmlos. M. soll am 15. Mai 2019 mitbekommen haben, dass ein paar Jungs – alle um die elf, zwölf Jahre – herumgealbert und sich gegenseitig auf die Fahrbahn geschubst haben, sodass eine Radfahrerin stoppen musste. M., selbst mit dem Rad auf der Gegenseite unterwegs, hielt an und glaubte wohl, für „Ordnung“ sorgen zu müssen.

Der Junge, den er sich vornahm, hat einen türkischen Migrationshintergrund. Zusammen mit seinem Vater saß er nun als Zeuge im Gerichtssaal. Zu einer förmlichen Vernehmung kam es nicht – es gab ja keinen „richtigen“ Prozess, weil Tobias M. nicht da war. Der Junge erzählte kurz von den Faustschlägen. Sie seien schmerzhaft, aber nicht so schlimm gewesen, dass er Verletzungen erlitten oder zum Arzt gemusst hätte.

Der Vater des Jungen sprach von der Notwendigkeit, geltendes Recht zu respektieren. Er fand befremdlich, dass Tobias M. trotz etlicher Vorstrafen mit einer Geldstrafe davon kommen soll. Der Richter erklärte den Hintergrund: In Abwesenheit hätte M. allenfalls zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt werden können – was ihm vermutlich egal gewesen wäre. Für eine Haftstrafe ohne Bewährung bräuchte es einen neuen, aufwendigen Termin.

Die Geldstrafe in Abwesenheit dagegen kann dazu führen, dass M. letztlich doch ins Gefängnis geht – und zwar, wenn er die Strafe nicht bezahlen kann oder will. Aus 120 Tagessätzen würden vier Monate Knast. Weitere Möglichkeit: M. legt gegen die Geldstrafe Einspruch ein. Dann macht das Gericht einen neuen Termin. Kommt M. wieder nicht, wird die Geldstrafe rechtskräftig.




Prügel für Ex-Mann der Verlobten: 15 Monate Haft

von Andreas Milk
Der Bergkamener Michael K. (42, Name geändert) hat Mitte September am Hauptfriedhof den Ex-Mann seiner Verlobten verprügelt – dafür muss er ins Gefängnis. Das hat der Kamener Amtsrichter entschieden. Er verurteilte den vielfach vorbestraften K. zu 15 Monaten Haft. Neben der Körperverletzung ist darin die Strafe für das Fahren eines Mofas enthalten, das deutlich schneller war als 25 km/h. Darum ging es aber nur am Rande.

Sehr viel schwieriger war die Wahrheitsfindung in Sachen Prügelei. Es gab zwei widersprüchliche Versionen. Michael K. sagt: Er habe dem Ex seiner zukünftigen Frau bloß das Handy aus der Hand geschlagen. Denn mit diesem Handy habe er dauernd Nachrichten an seine geschiedene Frau geschickt. Dagegen sagt der Ex: Er habe an jenem Nachmittag mit seiner Exfrau telefoniert, nach einigen Minuten sei Michael K. auf seinem Mofa angefahren gekommen und habe ihm Faustschläge und Tritte zugefügt. Mutmaßliches Motiv: K. habe nicht verkraftet, dass seine Verlobte zum Ex immer noch Kontakt gehabt habe – auch sexuellen.

Sowohl der Staatsanwalt als auch der Verteidiger Michael K.s zweifelten die Prügel-Version des Ex an. Der mutmaßliche Schläger Michael K. sei kleiner und weniger kräftig als das angebliche Opfer. Der Richter allerdings erklärte seine „persönliche Überzeugung“, dass K. sehr wohl zugeschlagen und zugetreten habe.
K.s Vorgeschichte als Straftäter begann 1995 mit einem Jugendarrest wegen gefährlicher Körperverletzung. Es folgte eine Vielzahl von Delikten samt Gefängnisaufenthalten. Der letzte war gerade acht Tage her, als die illegale Mofafahrt aufflog. Nach der Verurteilung in Kamen kann K. nun noch per Berufung vor dem Landgericht Dortmund versuchen, einen weiteren JVA-Aufenthalt abzuwenden.




Eher harmlos – trotzdem: Gefängnis

von Andreas Milk
Auch vergleichsweise harmlose Straftaten können Gefängnis bedeuten – je nach dem, wie die Vorgeschichte der oder des Angeklagten aussieht: Eine Erfahrung, die ein Mann und eine Frau aus Bergkamen diese Woche vor dem Kamener Amtsgericht machen mussten.

Die Frau (47) war in Kamen auf einem Roller erwischt worden. Der fuhr schneller als die führerscheinfreien 25 Kilometer pro Stunde – und das war das Problem: Einen Führerschein besaß sie nicht. Ein Polizist stoppte sie bei einer Kontrollaktion. Im Prozess sagte er als Zeuge aus. Er halte so ziemlich jeden Roller an – und die „Trefferquote“ gebe ihm recht. Allein 2019 habe er rund 90 Anzeigen geschrieben, weil mit Fahrer und/oder Gefährt etwas nicht stimmte. Zurück zu der erwischten Frau: Die Liste ihrer Vorstrafen ist lang – unter anderem wegen Eigentumsdelikten. Aus Berlin sei sie hergezogen, sich ein neues Leben aufzubauen, erklärte sie dem Richter. Dass sie den Roller nicht fahren durfte, habe sie nicht gewusst; inzwischen habe sie ihn verkauft. Das Urteil: drei Monate Haft, ohne Bewährung.

Von einem neuen Leben sprach auch der angeklagte Mann (39). Sein Vergehen: Online-Verkauf von Pokémon-Karten, die er gar nicht hatte – für die er aber im April 2019 eine dreistellige Summe kassierte. Der geprellte Käufer erstattete Anzeige. Wieder gab es eine Vielzahl von Vorstrafen. Heute kriege er sein Leben anständig auf die Reihe, beteuerte der Bergkamener: Er habe seine Drogensucht besiegt, einen neuen Job, werde bald heiraten und Vater sein. Und trotzdem: wieder drei Monate Haft, wieder ohne Bewährung. Der Angeklagte rede zwar davon, dass alles anders werde, so der Richter. Etwas Handfestes unternommen habe er aber noch nicht – zum Beispiel, den Schaden wieder gut zu machen.

Letzte Chance für beide Angeklagte: Berufung einlegen vor dem Landgericht Dortmund. Bis dann dort verhandelt wird, vergehen in der Regel wenigstens zwei bis drei Monate: Zeit, sich um Argumente für eine mildere Strafe zu kümmern.