von Andreas Milk
Wirklich blöd war dieser Strafprozess um einen Vorfall an einer Bergkamener Tankstelle für einen 14-Jährigen aus Kamen. Er rückte gemeinsam mit seiner Mutter für eine Zeugenaussage an, verpasste deshalb eine Klassenarbeit, die er nun nachschreiben muss, und kam im Prozess noch nicht mal zu Wort. Denn die Aussage der Mutter genügte dem Richter schon.
Angeklagt: Der 23-jährige Djamal M. aus Lünen. Der Vorwurf: Unfallflucht. Es geschah am Abend des 22. März auf einem Tankstellengelände an der Werner Straße. Von der „Tat“ gibt es ein Video. Die Überwachungskamera nahm auf, wie Djamal M. – als Beifahrer – eine Autotür öffnete. Sie knallte gegen die Fahrertür am Wagen der Frau. Die war gerade auf der anderen Seite ihres Autos mit dem Betanken beschäftigt. Im Wagen saß ihr Sohn. Er berichtete ihr später, das Auto habe regelrecht gewackelt. Zu dem Zeitpunkt waren Djamal M. und der Fahrer des „gegnerischen“ Wagens längst weg. Geblieben war ein Schaden von rund 2.000 Euro.
Djamal M. beteuert: Dass er mit dem Öffnen der Beifahrertür Schaden angerichtet habe, sei ihm entgangen. Denn im selben Moment sei ihm etwas aus der Hand gefallen, das ebenfalls ein lautes Geräusch verursacht und seine Aufmerksamkeit gefordert habe. Die Videoaufzeichnung bestätigt das: Zu sehen ist, wie sich die Frau und Djamal M. kurz unterhalten, nachdem offenbar beiden ein lautes Geräusch aufgefallen war. Dabei macht M. einen völlig entspannten Eindruck.
Der Schaden ist längst reguliert. Ein Gutachten zur Frage, ob Djamal M. den ungewollten Türstoß zwangsläufig bemerkt haben muss, wäre wohl ähnlich teuer. Kostengünstigere Lösung: Das Verfahren wurde wegen geringer Schuld M.s eingestellt.
Schreckschuss-Attacke: Kein Wort vom Angeklagten – Haft auf Bewährung
von Andreas Milk
Wer oder was den 36-jährigen Bergkamener Pascal H. (Name geändert) zu seiner Schreckschuss-Attacke getrieben hat, bleibt nach seinem Prozess vor dem Strafrichter in Kamen die Frage. Er sagte kein einziges Wort zur Anklage und zum Geschehen am späten Abend des 27. Dezember 2024 vor einer Garage in Bergkamens Hochstraße. Das musste er auch nicht. Die Aussagen einer Zeugin und eines Zeugen genügten dem Richter für sein Urteil.
Die Zeugin – das ist Pascal H.s Ex-Freundin. Der Zeuge – das ist ein Mann, den sie an jenem Abend in der Garage besucht hatte. Er trug zum Glück eine Brille, als H. mit einer Pistole gegen das Garagentor hämmerte und, als ihm geöffnet wurde, gut einen Meter vor dem Gesicht des Mannes die Waffe drei, vier Mal abfeuerte. Der Mann wiederum bekam eine Dose mit Pfefferspray zu fassen und zielte damit auf seinen Angreifer. Dabei kriegte er selbst etwas von dem Reizstoff ab. Auch H.s Augen mussten später von Sanitätern mit Wasser ausgespült werden.
Die Polizei fand vor der Garage Geschosshülsen. Ein Reizgas hatten die Patronen in H.s Waffe wohl nicht enthalten – sie machten „nur“ ohrenbetäubenden Krach. Das Landeskriminalamt wertete Rückstände an H.s Händen aus: eindeutig Schmauchspuren, so das Ergebnis.
H. hat eine eher unerhebliche Vorstrafe wegen Strafvereitelung. Das Urteil diesmal: sechs Monate Haft auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung. Daneben muss H. 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Der Richter ist sicher: Hätte H.s Opfer nicht die Brille getragen, wäre das Ganze schlimmer ausgegangen. Im wesentlichen hatte der Mann eine Gesichtsrötung erlitten.
Bedürfnis zu klauen: Freizeitarrest für Rossmann-Besuch
von Andreas Milk
Am Nachmittag des 18. April nahm die inzwischen 21 Jahre alte Bergkamenerin Mandy H. (Name geändert) bei Rossmann im Dortmunder Hauptbahnhof Sachen für 68 Euro mit: Pflegeartikel und Kosmetika. An der SB-Kasse hatte sie aber bloß einen Billigartikel für einen Bruchteil der Summe eingescannt. Vor dem Kamener Jugendrichter mit dem Anklagevorwurf des Diebstahls konfrontiert, antwortete sie jetzt denkbar knapp: „Das stimmt.“
Seit Jahren habe sie das Bedürfnis zu klauen: Kleptomanie sei bei ihr diagnostiziert worden, außerdem eine Borderline-Störung. Am 18. April sei es ihr mies gegangen. Sie bemühe sich um eine Therapie. Zum 1. Oktober will die junge Frau, die ohne Schulabschluss ist, einen Teilzeitjob antreten. Sie wohnt noch bei ihren Eltern.
Im November 2024 war sie wegen Beleidigung verurteilt worden. Sie erhielt die Auflage, einen Präventionskurs gegen Gewalt zu absolvieren und 40 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. Aus beidem ist – zehn Monate danach – noch nichts geworden. Die Sache mit der gemeinnützigen Arbeit scheiterte laut Mandy H. an einer Krankschreibung nach Arbeitsstunde Nummer fünf.
In ihrem Leben sei „noch keine Sortierung erkennbar“, fand der Vertreter der Staatsanwaltschaft. Was ihre Diebstahlsneigung angeht, scheint Mandy H. bisher schlicht Glück gehabt zu haben: Geschnappt und verurteilt wurde sie wegen Diebstahls jedenfalls noch nicht. Für die Tat bei Rossmann verhängte der Richter nun einen Freizeitarrest: Ein Wochenende wird Mandy H. in Unfreiheit verbringen müssen.
Anonyme Spurensicherung im Fokus Kreisweite Fachveranstaltung in Bergkamen stärkt Vernetzung
Gesine Ickert. Foto: Frauenforum
Unter großer Beteiligung fand am Donnerstag, den 11. September in der VHS Bergkamen, eine Fachveranstaltung zum Thema „Anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftat“ (ASS) statt. Eingeladen hatte die Arbeitsgruppe ASS des Runden Tisches gegen häusliche Gewalt des Kreises Unna. Ziel der Veranstaltung war es, Fachkräften aus psychosozialen Arbeitsfeldern sowie weiteren Interessierten einen umfassenden Einblick in die Bedeutung und Herausforderungen der Anonymen Spurensicherung zu geben. Durch die Veranstaltung führte die fast 100 Teilnehmenden Britta Buschfeld, Geschäftsführerin des Frauenforums im Kreis Unna e.V.
Den Einstieg in die Vorträge machte Silvia Gosewinkel, Mitglied des Landtags NRW. Sie hob die Wichtigkeit der Anonymen Spurensicherung als Teil des Hilfesystems hervor und betonte, dass jede dritte Frau in Deutschland im Laufe ihres Lebens körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt. Eine standardisierte Spurensicherung mit anschließender Vermittlung weiterführender Hilfen ist derzeit jedoch nur nach Erstattung einer Anzeige möglich. Gosewinkel forderte einheitliche Standards sowie eine breitere Bekanntmachung der Möglichkeit der Anonymen Spurensicherung.
Ariane Raichle vom Frauenforum im Kreis Unna e.V. stellte im Anschluss das Modell der Anonymen Spurensicherung vor. Sie informierte über aktuelle Entwicklungen und den Stand im Kreis Unna und ging auch auf bestehende Herausforderungen ein. Ziel der ASS sei es, Betroffenen sexualisierter Gewalt die Möglichkeit zu geben, gerichtsverwertbare Spuren sichern zu lassen – ohne sich sofort zu einer polizeilichen Anzeige entscheiden zu müssen. Dies verschaffe den Betroffenen Zeit, um über weitere Schritte nachzudenken, ohne dass wichtige Spuren verloren gehen. Raichle betonte, dass ASS keine Konkurrenz zur anzeigeabhängigen Spurensicherung sei, sondern eine wichtige Ergänzung im Hilfesystem, insbesondere für Frauen, die (noch) keine Anzeige erstatten möchten.
Elina Jaques, Fachberaterin im Frauenforum Unna, erläuterte eindrücklich die psychosozialen Aspekte der Unterstützung nach sexualisierter Gewalt. Viele Betroffene seien nach einer solchen Erfahrung zunächst ohnmächtig, hätten keine Worte und seien kaum handlungsfähig. Der massive Kontrollverlust stelle eine große Belastung dar. Daher sei es essenziell, im Beratungsgespräch Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und die Selbstbestimmung der Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen. „Es geht darum, die Kontrolle zurückzugeben – nicht darum, sie zu etwas zu drängen“, betonte Jaques.
Abschließend beleuchtete Rechtsanwältin Gesine Ickert in ihrem Fachvortrag die Chancen der Anonymen Spurensicherung aus rechtlicher Perspektive. Aus ihrer langjährigen Erfahrung als Opferanwältin berichtete sie von der hohen Zahl an Verfahrenseinstellungen in Fällen sexualisierter Gewalt – rund 80 Prozent, wie auch mehrere anwesende Juristinnen bestätigten. Ickert wies darauf hin, welche weitreichenden und auch belastenden Konsequenzen eine Strafanzeige für Betroffene haben kann sowie, dass eine einmal gestellte Anzeige nicht rücknehmbar sei. Trotz bestehender Herausforderungen zog Ickert ein positives Fazit: Opferschutz und effektive Strafverfolgung schließen sich nicht aus – im Gegenteil: Für manche Betroffene könne eine Anzeige ein wichtiger Schritt in der Aufarbeitung des Geschehenen sein.
Die Veranstaltung zeigte eindrücklich, dass die Anonyme Spurensicherung ein bedeutendes Instrument im Umgang mit sexualisierter Gewalt ist – jedoch nur in Kombination mit guter Beratung, rechtlicher Unterstützung und politischem Rückhalt seine volle Wirksamkeit entfalten kann. Trotz vorhandener Strukturen seien weiterhin umfassende Informationsarbeit und strukturelle Verbesserungen notwendig, um Betroffenen wirklich gerecht zu werden.
Britta Buschfeld zog für die Veranstalter ein positives Fazit: „Die große Resonanz auf die Veranstaltung zeigt, wie hoch das Interesse ist, Betroffenen nach sexualisierter Gewalt zeitnah und professionell helfen zu können. Mit unserem gemeinsamen Engagement können wir das Bewusstsein weiter schärfen, Hürden abbauen und Betroffenen mehr Sicherheit und Perspektiven geben.“
Weitere Informationen zur Anonymen Spurensicherung gibt das Frauenforum im Kreis Unna unter Telefon 0 23 03 / 82 202 oder per E-Mail an a.spurensicherung@frauenforum-unna.de
Betrug aus Nachlässigkeit: Geldstrafe
von Andreas Milk
Nachlässigkeit kann einen zum Betrüger machen: So war es im Fall des 27-jährigen Bergkameners Amir U. (Name geändert). Der bezog von Mai bis Juli vorigen Jahres Geld vom Jobcenter: insgesamt 2.364 Euro. Dieses Geld floss, obwohl er selbst genug Geld zum Leben verdiente. Aber „das Amt“ wusste das nicht.
Das lag wohl – wie sich jetzt vor dem Amtsgericht in Kamen zeigte – daran, dass ein Umzug U.s nach Bottrop den Schriftverkehr mit der Behörde ausbremste. U. jedenfalls erklärte, er habe bei einem Brief ans Jobcenter eine falsche Adresse benutzt. Folge: Die Post sandte das Schreiben wieder zu ihm nach Hause. Aber da war er schon nicht mehr; der Brief blieb erst einmal liegen. Und irgendwie flog erst in der Folgezeit auf, dass U. eben längst keine Leistungen mehr hätte beziehen dürfen.
Das Urteil: eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 20 Euro wegen Betrugs. Der Neu-Bottroper zeigte sich einsichtig. Er sah ein: Irgendwie hätte er sich bemerkbar machen müssen – und zwar flott -, als er merkte, dass es das Jobcenter etwas zu gut mit ihm meinte.
Frau vom Pflegedienst begrapscht: Geldstrafe
von Andreas Milk
Wegen sexueller Belästigung einer Pflegedienst-Mitarbeiterin muss der Bergkamener Djamal K. (27, Namen geändert) zahlen. Der Kamener Strafrichter verurteilte den erwerbslosen jungen Mann zu einer Geldstrafe von 900 Euro (60 Tagessätze à 15 Euro). Es gebe keinen Zweifel, dass die Frau die Wahrheit gesagt habe.
Die Tat geschah am Vormittag des 7. April. Die 40-jährige Sonja G. war nicht zum ersten Mal im Haushalt von K.s Familie – bestehend aus ihm, seiner Schwester und der Mutter. Sonja G.s Aufgaben: vor allem Putzen und Einkäufe erledigen. Djamal K. sei am Anfang sehr nett und freundlich zu ihr gewesen, sagte Sonja G. Aber das schlug bei späteren Einsätzen um in Aufdringlichkeit. Am 7. April schließlich – K.s Mutter und Schwester waren nicht daheim – sollte sie sich zu ihm auf die Couch setzen: Er wollte ihr ein Handyvideo zeigen von der Hochzeit eines Freundes. Eher widerstrebend ging sie zu ihm. Und da habe er die Arme um sie gelegt, ihre Brüste berührt, sie auf den Hals und in den Nacken geküsst, trotz klarer Ansage, dass sie das nicht wolle. Später, im Auto, habe sie ihre Teamchefin angerufen, erzählte Sonja G. unter Tränen. Die Chefin stand zu ihrer Mitarbeiterin. Sie habe ihr gesagt, sie solle zur Polizei fahren – und den Vertrag mit Familie K. fristlos gekündigt.
Im Prozess sagte Djamal K. nicht allzu viel. Die Vorwürfe gegen ihn seien „krass“ und stimmten nicht, behauptete er. Seine Verurteilung fand er unfair: Schließlich habe doch Aussage gegen Aussage gestanden. Der Richter klärte ihn auf: Wenn die eine Aussage vollkommen glaubhaft sei und die andere aber mal so gar nicht, dann stehe einem Strafurteil nichts entgegen. K. kann jetzt beim Landgericht Dortmund Berufung einlegen.
„Falsche Polizisten“ waren echt: Verfolgungsfahrt nach Panik-Anfall
von Andreas Milk
Pech für den 37-jährigen Dortmunder Malik T. (Name geändert): Die vermeintlich falschen Polizisten waren echt. Weil er in seinem Ford Focus am 29. März auf der A1 in Panik Reißaus vor ihnen genommen hatte, saß er jetzt im Kamener Amtsgericht. Die Anklage: Beleidigung und illegales Autorennen.
Und der Richter gab zu: Aus dieser Anklage hatte sich erst mal ein anderes Bild von T. ergeben als das, was im Gerichtssaal zum Vorschein kam. Da hockte ein zurückhaltender, höflicher Mann. Vorstrafen? Keine. Aus Reflex habe er an jenem Samstag im Frühling Mist gebaut, erklärte er.
Die beiden Polizisten – damals in Zivil unterwegs – hatten zunächst mehrere Spurwechsel von T. bemerkt. Und: T. hantierte am Steuer mit einem Handy. Also setzten sie sich neben ihn, machten Gesten, die signalisieren sollten: Weg mit dem Telefon. T. verstand das wohl als Drohung. Er reagierte mit Ausstrecken des Mittelfingers: „Es kam einfach“, erinnert er sich. Aber natürlich ließ der Mittelfinger das Ganze erst richtig eskalieren. Die Polizisten zückten die Kelle – T. gab Gas, im Irrglauben, Kriminelle hätten es auf ihn abgesehen und wollten ihn ausrauben.
Seine Flucht führte über die A1 und später die A2 durch Bergkamen und Kamen. Dass er tatsächlich von einer Bedrohung ausging, belegt das Telefonat mit einem Bekannten T.s. Dieser Bekannte ist im Kreis Unna gut vernetzt und im Umgang mit Behörden erfahren. Diesen Mann – der nun im Prozess als Zeuge auftrat – rief T. in seiner subjektiv empfundenen Not an und bekam den Rat, vorsichtshalber einen belebten Platz anzusteuern. Nach ein paar Kilometern in hohem Tempo inklusive zweier überfahrener roter Ampeln endete die Fahrt im Bereich der Lünener Straße. Die Polizisten legten einem zitternden Malik T. Handfesseln an.
Verletzt wurde bei der ganzen Aktion niemand. Und das war Glück. Das Urteil gegen T. fiel milde aus: eine Geldstrafe „auf Bewährung“ – 50 Tagessätze à 60 Euro muss er nur zahlen, falls in den kommenden zwei Jahren noch etwas passiert. Davon geht aber wohl niemand aus. Unabhängig davon muss er als Buße 1.800 Euro an eine gemeinnützge Einrichtung zahlen: Das Geld geht an die Westfälischen Kinderdörfer. Seinen Führerschein braucht T. nicht abzugeben.
Wirrwarr um Kindesunterhalt: Vater vor Gericht
von Andreas Milk
„Es ist kompliziert“ – was für manchen Beziehungsstatus gilt, trifft wohl auch auf das Verhältnis zwischen dem 42-jährigen Lars T. (Name geändert) und dem Bergkamener Jugendamt zu. Klare Verhältnisse lieferte jetzt ausgerechnet ein Strafprozess am Kamener Amtsgericht. Den hatte T. sich eingehandelt, weil er Zahlungen für den Unterhalt seines heute neun Jahre alten Sohns schuldig geblieben war.
Rund 3.600 Euro habe T. zwischen Juni 2023 und Mai 2024 nicht gezahlt, hieß es in der Anklage. Die Unterhaltsvorschusskasse beim Jugendamt sprang ein. In der Folgezeit, so sagt T., habe er das Amt ausführlich über seine berufliche und – damit verbunden – finanzielle Lage informiert, sei auch bereit gewesen, das vorgeschossene Geld in Raten zurück zu zahlen. Aber: „Wenn die sich nicht melden, ist das doch nicht mein Problem!“ Mit der berühmten Düsseldorfer Tabelle – Richtschnur für die Festsetzung von Unterhaltszahlungen – habe er sich schwer getan, gab T. zu. Es ging viel Papierkram hin und her, und in seinem Frust soll T. eines Tages im Jugendamt angerufen und erklärt haben, wenn er die Unterhaltsforderungen bedienen müsse, lohne es sich für ihn nicht mehr, arbeiten zu gehen. Dass er zu jener Zeit tatsächlich einen Aufhebungsvertrag beim (Noch-) Arbeitgeber unterschrieb, lag seinen Angaben nach aber daran, dass er einen neuen, zukunftsichereren Job annehmen wollte. Das klappte nicht. Denn am selben Tag zog er sich eine Verletzung zu. Folge: wochenlange Arbeitsunfähigkeit.
Kurz: Es lief schief, was schief laufen konnte. Und T.s Bringschuld – die Unterhaltszahlungen – blieb liegen.
Vorstrafen hat T. nicht. Das Urteil: eine Geldstrafe auf Bewährung. 40 Tagessätze à 40 Euro muss er an die Landeskasse zahlen – jedoch nur, wenn er nicht künftig mindestens 80 Euro pro Monat ans Bergkamener Amt überweist, bis die Schuld getilgt ist. „Nebenbei“ wird schon seit einer Weile monatlich ein Betrag von T.s Arbeitslosengeld I zu Gunsten der Unterhaltsvorschusskasse abgezweigt. Dass das so ist, erfuhr Umschüler Lars T. erst jetzt in der Verhandlung. Die entsprechende schriftliche Mitteilung darüber muss irgendwie an ihm vorbei gegangen sein.
Hochzeitsmusiker springt ab: Betrugsanklage
von Andreas Milk
Im November 2024 sollte Emir K. (27, Name geändert) – damals in Bergkamen ansässig, heute in Witten – auf einer Hochzeit als Musiker auftreten. Kostenpunkt: 250 Euro. 150 davon überwies ihm die Braut vorab aufs Konto. Aber dann kam K. etwas dazwischen. Er sagte den Auftritt ab und bot einen Ersatzmann an. Der rückte dann auch tatsächlich zur Hochzeit an – gegen gesonderte Abrechnung. Die 150 Euro blieben ohne Gegenleistung bei Emir K.
Nun saß K. wegen Betrugs im Kamener Amtsgericht. Er hat zwar in seinem jungen Leben schon ein bisschen Mist gebaut: versuchte Geldwäsche, Fahren ohne Fahrerlaubnis. Aber handfester Betrug zu Lasten eines glücklichen Paares? Das sei nicht sein Ding, und das könne er sich auch gar nicht leisten. Er arbeite in einer Branche, in der jeder jeden kennt. Engagements leiert K. unter anderem über seine Instagram-Seite an.
Selbstverständlich, versicherte er, sei er bereit, die 150 Euro zurück zu zahlen. Warum das nicht schon längst passiert sei, wollte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft wissen. Anwort: Viel Stress in letzter Zeit.
Dass K. für die Hochzeit einen Ersatzmann besorgt hatte, sprach aus Sicht des Richters ohnehin gegen eine Betrugsabsicht. Er stellte das Verfahren ein, verbunden mit der Auflage, als Buße 150 Euro an die Westfälischen Kinderdörfer zu zahlen. K. versprach dem Richter, der könne sich „100 Prozent drauf verlassen“, dass das Geld rausgeht.
Auch so was gibt’s: Betrunken am Steuer – Freispruch
von Andreas Milk
Betrunken hinter dem Steuer seines Autos zu sitzen, ist völlig in Ordnung – so lange das Auto sich nicht bewegt. So soll es gewesen sein im Fall eines Bergkameners, der schon vor zwei Wochen einen Verhandlungstermin beim Kamener Amtsrichter hatte. Weil es aber widersprüchliche Aussagen gab, lud der Richter einen weiteren Zeugen vor. Und der erklärte nun beim Fortsetzungstermin: Nein, er habe nicht gesehen, dass der Angeklagte gefahren sei. Folge: Freispruch. Großzügig verzichtete der Betroffene darauf, für einen erlittenen einmonatigen Führerscheinverzicht eine Entschädigung zu verlangen.
Auch eine weitere Verkehrsangelegenheit an diesem Verhandlungstag ließ sich schnell abhaken – was vor allem auch daran lag, dass der Angeklagte nicht aufgetaucht war. Der Vorwurf: Fahren ohne Fahrerlaubnis. Das Besondere an dem Fall: Das „Tatwerkzeug“ – ein Auto – hatte er erst kurz vorher in Kamen von einem anderen Mann gekauft, dann den Wagen aber nicht umgemeldet, sodass plötzlich der Vorbesitzer Knöllchen wegen Falschparkens bekam, die er verständlicherweise nicht zahlte. Vielmehr wandte er sich an die Behörden. Die rückten dem Autokäufer auf die Pelle. Und der hat gar keinen Führerschein – bloß Vorstrafen. Drum bekam er jetzt per Strafbefehl vier Monate Haft auf Bewährung, plus 500 Euro Geldauflage sowie ein Jahr Sperre für den Erwerb einer Fahrerlaubnis. Sollte er gegen diesen Strafbefehl Einspruch einlegen, gäbe es einen zweiten Gerichtstermin.
Kratzbaum-Klau, ICE-Schwarzfahrt: Bergkamener vor Gericht
von Andreas Milk
Es braucht manchmal nicht viel, um vor Gericht zu landen: Das machen die Fälle von zwei Männern aus Bergkamen deutlich. Bei dem einen ging es um einen Staubsauger, einen Kratzbaum und zwei Auffahrrampen für Rollstühle – bei dem anderen um ein nicht vorhandenes ICE-Ticket für knapp 33 Euro.
Den Staubsauger, den Kratzbaum und die Rampen soll ein 26-Jähriger beim Auszug aus einer Wohnung an der Otto-Wels-Straße geklaut haben. Gewohnt hatte er dort gerade mal zwei Wochen. Die Sachen hatten einen Gesamtwert von 330 Euro. Im Kamener Gerichtssaal blicken ließ sich der junge Mann nicht. Sieben Vorstrafen hat er im Register. In Abwesenheit erließ der Richter einen Strafbefehl: 90 Tagessätze à 30 Euro soll der Büroangestellte zahlen. Möglich, dass er Einspruch einlegt – gegenüber der Polizei jedenfalls hatte er die Tat bestritten.
Das fehlende ICE-Ticket für 32,90 Euro beschäftigte das Gericht im Fall eines 35-jährigen Georgiers. Seit zwei Jahren lebt er in Deutschland, spricht allerdings kein Deutsch. Er hat Asyl beantragt – erfolglos. Im November 2024 war er von einem Zugbegleiter zwischen Nürnberg und Würzburg ohne Fahrkarte erwischt worden. Er habe in Bayern dringend einen Freund besuchen müssen, aber kein Geld gehabt, erklärte er in der Verhandlung über eine Dolmetscherin. Gerade vier Monate vor der Fahrt war er am Amtsgericht Düren zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen gemeinschaftlichen schweren Diebstahls verurteilt worden. Trotzdem kam er jetzt in Kamen nochmal mit einer Geldstrafe davon – seines Geständnisses und des geringen Schadens wegen: 50 Tagessätze à 15 Euro. Der Richter machte ihm klar: Noch eine Straftat – und er werde wohl ins Gefängnis gehen.