Mutter gegen Tochter – und Tränen vor Gericht

von Andreas Milk
Die Familie war gerade aus dem Griechenland-Urlaub in ihre Bergkamener Wohnung zurückgekehrt, da gab es Streit zwischen Mariana M. (46, Namen geändert) und ihrer 16-jährigen Tochter Daria. Zu befassen hatte sich damit jetzt der Strafrichter in Kamen: Mariana M., so die Anklage, zog das Mädchen an den Haaren und schlug es gegen den Oberarm – ein Fall von Körperverletzung.

Die Familie lebt inzwischen nicht mehr zusammen: Mariana M. wohnt in Kamen, ihr Ex-Mann und die Kinder sind weiter in Bergkamen. Streit oder böse Worte gibt es nach Auskunft des Mannes nicht mehr. „Es ist alles so unsinnig“, kommentierte Mariana M. – aus heutiger Sicht – den Prozess.

Bei dem Streit mit der Tochter am 30. Juli 2023 in Bergkamen ging es um einen E-Scooter. Der war neu, aus Griechenland mitgebracht, und noch nicht angemeldet. Tochter Daria wollte trotzdem damit auf Tour. Mutter Mariana ist von Beruf Lastwagenfahrerin. Sie weiß also besser als viele andere Leute, dass eine solche Fahrt keine gute Idee ist.

Nach der Attacke der Mutter wurde Daria psychologisch betreut; äußerlich verletzt war sie nicht. Frühere Verfahren wegen ähnlicher Vorwürfe gegen Mariana M. waren eingestellt worden. Im neuen Fall soll das erst passieren, wenn sie eine Buße an eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt hat: 300 Euro an die Deutsche Kinderhospiz- und Familienstiftung. Da brach sie vor Gericht erst einmal in Tränen aus: Die Tochter eines Bekannten sei kürzlich an Krebs gestorben, erklärte sie den Gefühlsausbruch. Und fügte hinzu, dass sie bereit sei, für die Hospizarbeit auch freiwillig und regelmäßig Geld zu spenden.




Rumäne angeklagt: Verwirrung um Schein- und Schwarzarbeit

von Andreas Milk
Wenn vor dem Amtsgericht in Kamen Betrugsfälle verhandelt werden, die mit dem Jobcenter zu tun haben, liegt das meist daran, dass jemand die Aufnahme einer Arbeit verschwiegen hat – einfach, um weiter Unterstützung zu kassieren. Diesmal war es anders. Der Bergkamener Eugen F. (52, Namen geändert) soll gegenüber dem Jobcenter Kreis Unna ein Arbeitsverhältnis vorgetäuscht haben, das es gar nicht gab. Hintergrund: F. war mit seiner Familie aus Rumänien nach Deutschland gekommen. Er brauchte Geld für sich, seine Frau, seine drei Kinder. Um in Deutschland anspruchsberechtigt zu sein, benötigte er erst mal den Nachweis einer Arbeitsstelle. Rund 10.000 Euro – so die Anklage – bezog Eugen F. zu Unrecht von November 2017 bis Februar 2018.

In der Sache erging im September 2023 ein Strafbefehl: sechs Monate Haft auf Bewährung, dazu Einziehung der Schadenssumme. F. legte Einspruch ein. So kam es jetzt zu dem Verhandlungstermin beim Kamener Strafrichter. Er habe sehr wohl gearbeitet, versicherte F. – so lange, bis ein Krankenhausaufenthalt und eine Bauch-OP ihn daran hinderten.

Den mutmaßlich falschen Arbeitsvertrag soll F. gegen ein Entgelt von einem Mann ausgehändigt bekommen haben, gegen den die in Bochum ansässige NRW-Schwerpunktstaatsanwaltschaft für solche Delikte inzwischen ein Hafturteil erwirkt hat. Es handelt sich um den 62-jährigen Bauunternehmer Heinz T., der seine Strafe in der JVA Remscheid absitzt. Bis Dezember 2025 soll das dauern. Im Kamener Prozess gegen Eugen F. sagte er als Zeuge aus. F. habe keinen Vertrag bei ihm gehabt, erklärte er – wohl aber sei F.s Frau als Reinigungskraft bei ihm tätig gewesen. Verwirrend: Es existiert ein Vertragsformular mit einem Namen, der in Deutschland als Frauenname gebräuchlich ist, in Rumänien als Männername. Alles ein Missverständnis? „Ich bin davon ausgegangen, dass ich einen Vertrag mit der Frau gemacht habe“, sagte Heinz T. dem Gericht.

Nach einer langwierigen Befragung war klar, dass nicht wirklich viel klar war. In dem Komplex scheint es sowohl Scheinarbeitsverträge als auch klassische Schwarzarbeit gegeben zu haben. Die Staatsanwältin aus Bochum, eigens für den Termin nach Kamen gereist, war am Ende einverstanden, auf die Einziehung der 10.000 Euro zu verzichten, wenn Eugen F. die Bewährungsstrafe akzeptiere – weil sie ihren „guten Tag habe“, so die Juristin. F., der ursprünglich freigesprochen werden wollte, nahm an. Die kommenden drei Jahre muss er „sauber“ bleiben – sonst droht Vollstreckung der sechsmonatigen Haftstrafe.




Erst geprügelt, dann geweint: Ausraster im Vollrausch

von Andreas Milk
Knapp fasste der Kamener Jugendrichter ein wichtiges Ergebnis der Beweisaufnahme zusammen: „Sie waren hackenstramm.“ Vor ihm saß als Angeklagter der 20-jährige Bergkamener Marvin G. (alle Namen geändert). Bei dem gelernten Elektriker brannten am 26. Februar 2023 sozusagen die Sicherungen durch.

Er attackierte ausgerechnet seinen Kumpel Tobias T., mit dem er vorher ausgiebig getrunken hatte: Nach dem gemeinsamen Kneipenbesuch gab es eine Keilerei auf der Oberadener Jahnstraße. Marvin G. schlug und trat auf Tobias T. ein. T. erlitt unter anderem zwei Fingerbrüche, einen Biss in den Oberschenkel, wurde am Ende bewusstlos. Es war noch ein dritter junger Mann dabei. Er wollte schlichten, scheiterte aber und rief die Polizei. Ein Autofahrer auf dem nächtlichen Heimweg nach Lünen hielt an, stieg zusammen mit einem Beifahrer aus, wollte sich Marvin G. vornehmen. Aber G. war nicht zu stoppen. Er biss dem Mann in den Finger, schlug ihm gegen den Kopf, demolierte anschließend dessen Auto – Sachschaden: rund 8.000 Euro. Kurz danach, erzählte der Mann, „fing er an zu weinen“.

Marvin G. – nüchtern – wirkt ganz und gar nicht wie einer, vor dem jemand Angst haben müsste. Eine Erinnerung an das Geschehen in Oberaden habe er nicht, sagt er. Eine Blutprobe zwei Stunden nach dem Ausraster ergab 1,68 Promille. Bier und Schnaps habe er intus gehabt, erklärte er. Der Hauptgeschädigte Tobias T. war nicht beim Prozess: Er ist derzeit bei der Bundeswehr unabkömmlich. Der Richter merkte an, mit ein bisschen Pech hätten ihn die Ereignisse vor knapp einem Jahr auch in den Rollstuhl bringen können.

Marvin G. versicherte, er sei bei der Suchtberatung gewesen. Seinen Alkoholkonsum habe er reduziert. Dringender Rat vom Richter: die Schnäpse weglassen! Ein Urteil gab es natürlich auch: 80 Stunden Freizeitarbeit wegen fahrlässigen Vollrausches. Dieser Straftatbestand schließt eine zumindest teilweise Schuldunfähigkeit ein. Alternative wäre eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gewesen. Marvin G. muss außerdem an einem Präventionskurs gegen Gewalt teilnehmen. Kommt er dem nicht nach, droht Arrest.

 




„Bist du schwul?“ – Berufsschüler für sexuelle Belästigung verurteilt

von Andreas Milk
Auf dem Weg zur Bushaltestelle Dortmunder Straße in Lünen wurde es am 15. März 2023 unangenehm für den Berufsschüler Timon M. (alle Namen geändert). Es kam zu einer Begegnung, die eine Anklage für die beiden Bergkamener Brüder Adil und Enis B. zur Folge hatte – und zwar wegen sexueller Belästigung. Verhandelt wurde darüber jetzt vor dem Jugendrichter am Amtsgericht Kamen.

Adil und Enis B. waren damals 17 und 18 Jahre alt. Ihr Mitschüler Timon M. ist homosexuell. Er macht daraus auch kein Geheimnis. An besagtem Tag vor knapp einem Jahr sollen die Brüder ihn zunächst – noch einigermaßen harmlos – gefragt haben, ob er schwul sei. M., der die Erfahrung gemacht hat, dass hinter solchen Fragen echtes Interesse stecken kann, bejahte. Und dann ging’s los. Neben Fragen zu sexuellen Praktiken setzte es Berührungen „an allen möglichen Körperstellen“, erinnerte sich Timon M. im Gerichtssaal – wenn auch „nur“ oberhalb der Kleidung. Er sei schließlich weggegangen, hin zu einer Gruppe von Schülerinnen, und habe dort auf seinen Bus gewartet.

Teilweise ist das Geschehen per Handy auf Video dokumentiert. Sehr wahrscheinlich hatte Adil B. einen anderen Jungen aufgefordert, das Ganze für ihn aufzunehmen – vielleicht zur späteren Belustigung im kleinen Kreis, vielleicht auch, um das Video online zu stellen. Körperliche Übergriffe sind nicht in dem Video zu sehen – und auch nicht Adils älterer Bruder Enis. Weil auch Timon M. sich nicht zweifelsfrei an eine Beteiligung Enis‘ erinnerte, wurde der letztlich freigesprochen. Der jüngere Adil gab zwar seine penetrante Fragerei zu – und entschuldigte sich bei Timon M. dafür -, nicht aber die Handgreiflichkeiten. Weil es von denen auch kein Video gibt, forderte Adil B.s Verteidiger einen Freispruch auch für seinen Mandanten.

Aber der Richter hatte keinerlei Zweifel an dem körperlichen Übergriff: Er verurteilte Adil B. zu 40 Stunden Freizeitarbeit. Schon das – strafrechtlich eher unbedeutende – Belästigen Timon M.s durch die Fragerei sei widerlich gewesen. Dass Adil B. auch handgreiflich wurde, stehe für ihn außer Frage, so der Jurist – zumal Timon M. im Prozess fast den Eindruck erweckt habe, heute tue ihm die Anzeige gegen Adil B. leid. Belastungstendenz? Keine. Eher eine Entlastungstendenz zugunsten des mittlerweile volljährigen Adil B., der den Prozess über weite Strecken grinsend verfolgt hatte.




Zwei Mal verkauft – null Mal geliefert: 19-Jährige angeklagt

von Andreas Milk
Mitte April 2023 verkaufte die Bergkamenerin Chantal F. (19, Name geändert) über den Internetdienst Ebay-Kleinanzeigen ein Paar Schuhe der Marke Nike. Und zwar gleich zweifach – an eine Kundin für 65 Euro, an eine weitere für 40 Euro. Verschickt hat sie die zwei Mal verkauften Schuhe dagegen null Mal – was ihr eine Betrugsanklage und einen Prozess vorm Kamener Jugendrichter einbrachte.

Konkret erinnern könne sie sich nicht – sie habe seinerzeit mehrere Schuhpaare loswerden wollen. Denn sie habe Geld gebraucht für ein neues Bett, berichtete die junge Frau, die noch bei ihren Eltern wohnt. Als die Sache mit den Nike-Schuhen schief gelaufen sei, habe sie das Geld zurückschicken wollen – doch seien plötzlich ihre Accounts sowohl bei den Ebay-Kleinanzeigen als auch bei Paypal gesperrt gewesen. Das sei wohl nicht ohne Grund so gewesen, vermutete der Richter. Dem kam obendrein merkwürdig vor, dass Chantal F. nirgends unter Klarnamen auftrat, sondern sich bei ihren Handelsaktivitäten im Netz Anna nannte.

Mit dem Gericht hatte sie schon mal zu tun: wegen Diebstahls. Der Richter brummte ihr nun einen Präventionskurs auf mit dem Ziel, weitere Eigentumsdelikte zu verhindern. Außerdem werden die Justizbehörden bei Chantal F. 105 Euro einziehen und dieses Geld an die beiden geschädigten Kundinnen weitergeben.




Fake-Bestellung für 40 Euro – Geldstrafe: 1.800 Euro

von Andreas Milk
Für genau 40,39 Euro bestellte der Bergkamener Tim F. (Name geändert) im August vorigen Jahres Lebensmittel bei der Firma Flaschenpost: Cola, Chips, Joghurt und andere Dinge. Weil er zum Bezahlen die Kontonummer seiner damaligen Freundin nutzte, die aber keine Ahnung davon hatte, platzte die Abbuchung. F. saß jetzt als Angeklagter vorm Kamener Strafrichter.

Aussage stand gegen Aussage: Sie wusste Bescheid, sagt Tim F. – ich wusste es nicht, sagt die Exfreundin. Die junge Frau hatte seitenweise Aufzeichnungen dabei über die missglückte Beziehung, gespickt mit Beispielen dafür, wie Tim F. sie ausgenutzt habe. Für sie sei es Liebe auf den ersten Blick gewesen – und er habe es immer wieder geschafft, sie um den Finger zu wickeln. Allerdings sei es eine On-Off-Geschichte gewesen – so „richtig“ zusammen gewesen seien sie nie.

Tim F., 24 Jahre alt, hat eine bewegte Vorgeschichte. Sie umfasst unter anderem eine Jugendstrafe von drei Jahren und elf Monaten wegen einer ganzen Latte von Delikten – darunter Einbruch, Raub, Körperverletzung. Ein Rest der größtenteils verbüßten Strafe ist noch zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungsfrist endet im Sommer 2025.

Mittlerweile hat F. einen Job – und einen Sohn, um den er sich laut seiner Bewährungshelferin auch kümmert. Es gibt hohe Schulden. Genaues Ausmaß? Unklar.

Der Richter verurteilte F. zu einer Geldstrafe. 60 Tagessätze à 30 Euro muss er für den Betrug zahlen. Und die 40,39 Euro für die Flaschenpost sind inzwischen auch schon rausgegangen.




Prozess: Der Vater, der Sohn und die 100.000-Euro-Frage

von Andreas Milk
Vater und Sohn hätten auf der Anklagebank sitzen sollen im Kamener Amtsgericht – und zwar als mutmaßlich Verantwortliche für illegales Automatenglücksspiel in einem Lokal an der Bergkamener Ebertstraße. Das Ordnungsamt hatte vor längerer Zeit einen Tipp bekommen und dem gesetzwidrigen Tun ein Ende gemacht. Dass nun der Gerichtstermin ohne handfestes Ergebnis blieb, lag aber nicht allein an der Abwesenheit der beiden Hauptpersonen, sondern auch an der Staatsanwaltschaft Dortmund.

Der Hintergrund: Gegen das Vater-Sohn-Gespann läuft noch ein etwas größeres Verfahren um Machenschaften, die den beiden 100.000 Euro gebracht haben sollen. Diese Summe jedenfalls wird in der betreffenden Anklage genannt. Das Problem dabei: Wie die Staatsanwaltschaft auf eben diesen Betrag kam, ließ sie offen. Der zuständige Richter sah deshalb seinerzeit noch Ermittlungsbedarf und sandte die Akte an die Dortmunder Strafverfolgungsbehörde zurück. Das war im März 2023. Seitdem herrscht Funkstille. Der Richter geht davon aus, dass das LKA mit der Sache befasst ist. Eine Sachstandsmeldung von der Staatsanwaltschaft bekam er nicht.

Eben diese Staatsanwaltschaft beantragte jetzt, das neue Verfahren mit der 100.000-Euro-Sache zu verbinden und eine polizeiliche Vorführung der beiden Männer zu einem späteren, neuen Prozesstermin zu veranlassen. Der Richter winkte ab: Ohne Wiederauftauchen der alten Akte auch keine Zusammenführung mit der neuen. Vorläufiges Resultat: Das neue Verfahren ist fürs erste eingestellt – und das alte läuft und läuft. Und läuft.




„Das war doof“: Online-Einkauf zu Lasten der Lünener Stadtwerke

von Andreas Milk
Im Oktober 2022 kam der Bergkamener Tobias K. (Name geändert) auf eine eher schlechte Idee: Er bestellte bei einem Internetversand Ware für 72,95 Euro – und gab als Konto für die Lastschrift eine Bankverbindung der Stadtwerke Lünen an. „Ich geb‘ zu, das war doof“, bekannte der 38-Jährige nun vor der Kamener Strafrichterin. Selbstverständlich scheiterte die Abbuchung. Dem Versandunternehmen war die ganze Sache nicht so wichtig, dass es Anzeige erstattet hätte. Zum Verfahren wegen Betrugs kam es aber eben doch.

Größtes Problem dabei: K.s Vorstrafenregister. Es hat 15 Eintragungen; schon im Jugendalter ging es bei ihm los. Meist waren es Betrugsdelikte. K. verbüßte sowohl Jugendarrest als auch „erwachsene“ Haftstrafen. Zur Zeit des Vorfalls mit dem Stadtwerke-Konto stand er unter Bewährung.

Allerdings gab es etwas, das seine Verteidigerin Hoffnung schöpfen ließ: Die Tatabstände seien in den letzten Jahren größer geworden. Und: Ihr Mandant sei inzwischen Vater, sei sich seiner Verantwortung für den Nachwuchs bewusst. Das Urteil: eine Geldstrafe. 60 Tagessätze à 40 Euro muss Tobias K. zahlen. Derzeit lebt er von Arbeitslosengeld.

 




Betrunken über die „Lünener“: Mildes Urteil für Muster-Angeklagten

von Andreas Milk
Es sah so aus, als würde Torben T. (30, Name geändert) seinen Führerschein noch im Verhandlungssaal zurückbekommen. Der Bergkamener trat vor der Kamener Strafrichterin nach einer Trunkenheitsfahrt über die Lünener Straße als Muster-Angeklagter auf – und zwar glaubhaft. Auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft war der Ansicht, das Verfahren könne gegen Zahlung einer Buße an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt werden. Aber sie durfte als Referendarin nicht darüber entscheiden. Das tat ihr Ausbilder in Dortmund nach telefonischer Rücksprache. Er sagte: Nein.

12. Juli 2023, morgens gegen zwei Uhr. Torben T. wird in seinem Wagen von einer Polizeistreife gestoppt. Ein Bluttest ergibt später 1,18 Promille. Dazu kommt: Statt mit den erlaubten 70 Kilometern pro Stunde soll T. zeitweise mit Tempo 130 gefahren sein.

Das ist übel, keine Frage. Der Richterin erklärte er, dass er in jener Nacht mit Arbeitskollegen Bier getrunken habe. Ihm sei nicht bewusst gewesen, wie viel. Ungewöhnlich und mustergültig ist, was T. im Anschluss tat. Er holte sich psychologische Hilfe, trank keinen Tropfen Alkohol mehr, belegte das auch mit Screening-Nachweisen. Alkoholkonsum habe für ihn heute „nichts Positives mehr“, sagt er. Einen „bereichernden Kurs“ habe er absolviert und viel über sich gelernt – etwa, dass sich Unruhe und überschüssige Energie sinnvoll in Sport kanalisieren lassen.

Und natürlich sind das Vorstrafen- und das Verkehrssündenregister leer. Die Richterin sprach – da nun mal die Verfahrenseinstellung am Nein aus Dortmund gescheitert war – das denkbar mildeste Urteil: eine „Geldstrafe auf Bewährung“ in Höhe von 30 Tagessätzen à 70 Euro, zu zahlen nur, wenn wieder was passiert. Wovon bei Torben T. wohl niemand ausgeht.

Lässt die Staatsanwaltschaft sieben Tage nichts von sich hören, wird das Urteil rechtskräftig. Und dann kann Torben T. auch seinen Führerschein wiederhaben. Der Ingenieur wartet dringend drauf: Mobilität wird in seinem Job von ihm erwartet.

 




Die „Ex“ im Auto verfolgt: Letztes Wiedersehen vor Gericht

von Andreas Milk
Es war längst aus zwischen Rico M. (Name geändert) und seiner Freundin. Trotzdem lauerte er der Oberadenerin noch auf. Am 28. Februar 2023 stand er vor dem Fitnessstudio, das sie besucht hatte. Er drohte, ihr Auto anzuzünden. Als zehn Tage später ein Kontaktverbot gemäß Gewaltschutzgesetz ausgesprochen wurde, gab er immer noch keine Ruhe. Per Mail schickte er seiner früheren Freundin einen „Abschiedsbrief“. Weitere sechs Wochen danach folgte er ihr in seinem Wagen von Hamm nach Bergkamen.

Nun saß er vor der Strafrichterin im Kamener Amtsgericht. Vor Verhandlungsbeginn hatte er auf dem Gerichtsflur einige Meter Abstand gehalten von seiner Exfreundin und deren Mutter. Beide waren als Zeuginnen geladen. Dass sie nicht auszusagen brauchten, lag am Geständnis von Rico M.: Ja, es stimme alles, was in der Anklage der Staatsanwaltschaft steht. „Ich war verliebt“, „ich war in einer Scheiß-Situation“, erklärte der 37-Jährige. Neben der Beziehung hatte er damals wohl auch seine Unterkunft verloren. Unter Tränen versicherte er, sein Verhalten tue ihm leid – auch die Drohung, das Auto anzustecken. „Man sagt einiges, wenn man verletzt ist.“

In seinem Vorstrafenregister sind 13 Einträge, vorwiegend Eigentumsdelikte. Ein notorischer Stalker ist er also nicht. Und: Die letzte strafbare Tat war 2017; seitdem war Ruhe. M. hat einen Sohn mit einer anderen Frau.

Das Urteil jetzt: eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 15 Euro. Im Moment hat M. keinen Job. Ende Dezember lief sein Arbeitsvertrag aus. Er hofft, bald einen neuen zu bekommen als Anlagenmechaniker. Die Strafe will er in Raten abstottern: „Ich möchte nicht, dass mein Sohn mich im Gefängnis besuchen muss.“ Kontakt zu der Frau aus Oberaden besteht nicht mehr.

 




Zwei Männer, zwei Frauen – zwei kaputte Nasen

von Andreas Milk
Kurioser Zufall am Kamener Amtsgericht. Gleich zwei junge Männer aus Bergkamen sollten sich an diesem Vormittag verantworten, weil sie – laut Anklage – die Nasen ihrer früheren Freundinnen malträtiert hatten: der eine beißend, der andere per Kopfstoß.

Der mutmaßliche Beißer kam nicht zu seinem Termin. Sein Verteidiger war aber da. Er überreichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seines Mandanten. Im vergangenen Frühjahr wollte der Angeklagte wohl seine Sachen in der Wohnung der „Ex“ abholen. Es gab handfesten Streit. Abgesehen vom Nasenbiss habe er ihr Handy, ein iPhone 14, vor die Wand geschleudert, wirft die Staatsanwalschaft ihm vor. Der Nasenbiss stimme – die Sache mit dem Handy nicht, erklärte der Anwalt. Letztlich erließ der Richter einen Strafbefehl: Wegen Körperverletzung muss der Mann eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 10 Euro zahlen, und in puncto Handywurf wird das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Der zweite Fall wurde dann in Anwesenheit des Angeklagten verhandelt. Auch diese Tat geschah in der Wohnung der Verflossenen. Er sagt: Er wollte von ihr die Schlüssel für seine Wohnung zurück, es sei zum Streit gekommen, dabei habe er sie an den Schultern gepackt und geschüttelt – und quasi aus Versehen ihre Nase mit seiner Schädelpartie getroffen. Sie sagt: Der Kopfstoß sei kein Versehen gewesen, aber egal – heute wolle sie „alles, was mit ihm (dem Exfreund) zu tun hat, vergessen“. Er solle aber wissen, dass er keine Frau schlagen darf. Das Urteil: eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 60 Euro. Darin enthalten ist noch eine Verurteilung für eine fahrlässige Trunkenheit im Verkehr, begangen vor knapp einem Jahr. Weil es auch dafür eine Geldstrafe gegeben hatte, wird nun beides in einer Gesamtgeldstrafe zusammengefasst.

Für die Geldstrafen gilt: Die Zahl der Tagessätze orientiert sich am Maß der Schuld – die Höhe eines Tagessatzes spiegelt das ungefähre tägliche Einkommen des Angeklagten wider.