Junge Männer vor Gericht: E-Scooter und „blaue Schlümpfe“

von Andreas Milk
Sie sind handlich, wendig, in den falschen Händen leider auch mal nervig – und sie schaffen Anlässe für Strafverfahren: E-Scooter. Gleich zwei junge Männer aus Bergkamen und Kamen standen diese Woche vor dem Kamener Jugendrichter.

Der 20-jährige Kamener stammt aus Syrien, hat einen zweijährigen Heimaufenthalt in der Türkei überstanden, sich in Deutschland eine Existenz samt Job und einer eigenen Familie aufgebaut – und hatte nun Ärger wegen Verstoßes gegen das deutsche Pflichtversicherungsgesetz. Der Roller, auf dem er Anfang September die Kamener Bahnhofstraße befuhr, war nicht haftpflichtversichert. Dass er nichts von der Versicherungspflicht wusste, glaubten ihm Richter und Staatsanwalt – verwiesen aber auch darauf, dass er sich halt zu erkundigen habe. 150 Euro muss er an die Kreisverkehrswacht Unna überweisen, dann ist die Sache erledigt.

Der Bergkamener ist 19 Jahre alt und soll bereits am 19. November 2023 – gerade volljährig geworden – eine Polizeistreife beleidigt haben, die – aus Gründen – den Auftrag hatte, seinen Roller einzukassieren. Die beiden Beamtinnen mussten sich von ihm die Bezeichnung „blaue Schlümpfe“ anhören. Anderswo in der Akte ist verwirrenderweise auch von „blauen Hurensöhnen“ die Rede – aber das ergäbe für zwei Polizistinnen nun so gar keinen Sinn mehr. Jedenfalls: Der Angeklagte entschuldigte sich bei einer Beamtin, die als Zeugin gekommen war. Sie erwiderte schlicht: „Okay.“ Fairerweise ist zu sagen, dass wohl auch die Polizei seinerzeit etwas übers Ziel hinaus schoss. Sie unterzog den (noch) 18-Jährigen wegen angeblichen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte einer erkennungsdienstlichen Behandlung. Seine Verteidigerin erklärte im Gerichtssaal: „Das hört sich für mich ein bisschen nach Gängelei an.“ Ihr Mandant sei schockiert gewesen. „Etwas fragwürdig“ fand selbst der Vertreter der Staatsanwaltschaft das Procedere der Polizei. Das Urteil wurde nach Jugendrecht gesprochen: Der Bergkamener muss 300 Euro zahlen an den Verein zur Förderung der Kinderhospizarbeit.

 




Erst Prügelopfer – jetzt Verlobte: Hoffen auf Happy End

von Andreas Milk
Im Juni 2024 bezog Melanie H. (Namen geändert) Prügel von dem Bergkamener Erdal K. – und nun, seit Silvester, ist sie mit ihm verlobt. Das hatte zur Folge, dass sie vor Gericht nicht gegen ihn aussagen musste: Die junge Frau machte von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Verurteilt wurde K. am Kamener Amtsgericht trotzdem.

Rückblende: Im Mai vorigen Jahres hatte sich das Paar getrennt. Genauer: Melanie H. hatte Schluss gemacht. Anfang Juni sollte es nochmal ein Gespräch geben. Melanie H. saß dazu in K.s Auto. Es gab rasch wieder Streit; K. steuerte den Parkplatz der Kamener Gesamtschule an, um nicht beim Fahren weiter mit seiner „Ex“ aneinander zu geraten. Fest steht, dass er ihr bei der Auseinandersetzung mit dem Ellbogen in die Rippen stieß. Es soll auch einen Tritt gegeben haben. Er selbst brachte Melanie H. später ins Krankenhaus – erstes Anzeichen einer Art Reue. In den Folgetagen soll es noch eine Drohung K.s gegen Melanie H. gegeben haben sowie eine Attacke beim Einkaufen samt Zerstörung ihres iPhones.

Aufklären ließen sich diese beiden Punkte nicht – eben wegen Melanie H.s Aussageverweigerung. Für den Ellbogenstoß dagegen genügte ein (Teil-)Geständnis Erdal K.s seinerzeit gegenüber der Polizei: Ein Beamter vermerkte es damals im Protokoll.

Trotz der Verlobung eine Woche vorm Gerichtstermin also kein Freispruch für Erdal K. – stattdessen eine Geldstrafe auf Bewährung: 45 Tagessätze à 30 Euro drohen, falls K. in den kommenden zwei Jahren nochmal ausrastet. Zwischen ihm und seiner Frischverlobten gebe es kein „böses Blut“ mehr, versicherte er. „Sie hat mir verziehen.“ Ein Hochzeitstermin steht noch nicht fest – wohl aber eine baldige Familiengründung.




Zoff in Notunterkunft: Strafe für Kopfstoß

von Andreas Milk
Menschen verschiedener Nationalität und Wesensart teilen sich lange Zeit eine Wohnung: Dass da Konflikte entstehen, liegt nah. Der handfeste Streit in der Nacht zum 27. April 2023 in einer Notunterkunft an der Erich-Ollenhauer-Straße führte jetzt zu einem Termin vor dem Kamener Strafrichter. Bachodur R. (26, Namen geändert) war angeklagt wegen Körperverletzung und Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung. Geschädigter war damals Dmitri W. – fast doppelt so alt wie R., deutlich stabiler und kräftiger.

Möglich, dass er Bachodur R. eine Weile genervt und schikaniert hatte – zum Beispiel, weil R. in der gemeinsam genutzten Küche mal das Licht an ließ. So soll es auch am späten Abend des 26. April 2023 gewesen sein. Laut Anklage beleidigte R. seinen Widersacher daraufhin mit den Worten, W. sei „kein Mensch“. Dazu verpasste er ihm einen Kopfstoß. Was aber schwerer wiegt: R. soll noch zwei Freunde auf Dmitri W. angesetzt haben. Die tauchten im Laufe jener Nacht auf, klopften sehr bestimmt bei W. an die Tür und verprügelten ihn, nachdem er aufgemacht hatte. Folgen waren unter anderem ein Riss in der Wange und ein lädierter Gesichtsknochen. Er sei auch gewürgt worden, berichtete Dmitri W.: Zeitweise habe er keine Luft mehr gekriegt. Irgendwann verschwanden die Schläger. W. rief die Polizei. Bachodur R. und Dmitri W. wohnten nach dem Zwischenfall noch einige Monate in der Unterkunft. Es passierte aber nichts Gravierendes mehr.

Nicht nachzuweisen war im Prozess der Anklagepunkt der Anstiftung zur Gewalt: Immerhin könnte es sein, dass R. seine beiden Freunde nur gebeten hatte, Druck auf W. auszuüben, damit der ihn künftig in Ruhe ließe. Die Polizei um Hilfe zu bitten, schien für R. keine Option: Er sagt, er habe nicht als Verräter dastehen wollen. Verurteilt wurde er letztlich „nur“ für den Kopfstoß: 40 Tagessätze à 20 Euro wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Denn auch wenn Dmitri W. ihn wohl manches Mal gepiesackt habe: In einer Notwehrsituation sei Bachodur R. nicht gewesen, befand der Richter.

 




„Zimtzicke“ zur Polizistin: Geldstrafe nach Trunkenheitsfahrt

von Andreas Milk
„Zimtzicke“, „Miststück“ – das ausgerechnet zu einer Polizistin im Dienst zu sagen, ist keine gute Idee. Nadine B. (41, Name geändert) hatte rund 1,4 Promille Alkohol im Blut, als sie sich am frühen Abend des 19. Juli nahe ihrer Wohnung in Bergkamen-Weddinghofen dazu hinreißen ließ. Sichtlich unangenehm war es ihr jetzt, vor dem Kamener Strafrichter zu sitzen. Sie sei damals gerade „ein bisschen wütend auf mich selbst“ gewesen. Das habe sie an anderen Menschen ausgelassen.

Die Vorgeschichte: Nadine B. hatte einen Unfall gebaut, mit knapp 8.000 Euro Schaden: Beim Zurücksetzen mit ihrem Auto demolierte sie die Vorderseite eines anderen Fahrzeugs. Der Unfallgegnerin zeigte sie den ausgestreckten Mittelfinger, wenig später beschimpfte sie eben die Polizeibeamtin. „Das stimmt so“, bestätigte sie im Gerichtssaal umstandslos die Vorwürfe aus der Anklageschrift.

Anders als viele andere in solch einer Situation, zog Nadine B. Konsequenzen. Sie entschuldigte sich persönlich oder telefonisch bei ihren „Opfern“. Und noch im selben Monat begann sie, eine Selbsthilfegruppe des Blauen Kreuzes zu besuchen. In ihrem Leben habe es Probleme gegeben – „Alkohol war meine Bewältigungsstrategie“, erklärte Nadine B., die einem kräftezehrenden Job im Gesundheitswesen nachgeht. Vorstrafenregister und Flensburger Punktekonto sind leer.

Für fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs sowie Beleidigung veurteilte der Richter sie zu einer Geldstrafe: 80 Tagessätze à 50 Euro. Im Führungszeugnis wird das später nicht stehen – dafür bräuchte es mehr als 90 Tagessätze. Daneben wurde eine Führerscheinsperre verhängt: Frühestens in einem halben Jahr darf Nadine B. wieder ans Steuer gelassen werden.

Nochmal gut gegangen, fand der Richter: Es hätte am 19. Juli sehr viel mehr passieren können als ein Sachschaden.

 

 




BMW-Fahrer zu schnell: Verletzte Frau Heiligabend im Krankenhaus

von Andreas Milk
Mateo K. (Namen geändert) in seinem BMW hatte es viel zu eilig am späten Abend des 23. Dezember 2023 auf der Erich-Ollenhauer-Straße. Die Folge: Leyla M. verbrachte Heiligabend im Krankenhaus. Am 25. Dezember wurde sie nach Hause geschickt. Der Fall beschäftigte jetzt den Strafrichter am Kamener Amtsgericht. Am Ende stand ein Urteil wegen fahrlässiger Körperverletzung in Folge missachteter Vorfahrt – und die Erkenntnis: Das hätte weit schlimmer enden können.

Fest steht: Mateo K. war mit mehr als den erlaubten 50 Kilometern pro Stunde in Fahrtrichtung Oberaden auf der „Ollenhauer“ unterwegs. Wie viel mehr genau – das bleibt offen. Im Kreisverkehr kam es zum Zusammenstoß mit dem Auto, das von Leyla M.s Mann gelenkt wurde. Mit an Bord: die drei kleinen Kinder des Paars. Die Familie hatte gerade eine Cousine besucht. K. sah den Wagen der M.s im Kreisel zu spät. Sein BMW krachte in die Seite des anderen Fahrzeugs. Die Aufprallgeschwindigkeit muss laut einem Gutachter bei etwa 45 km/h gelegen haben.

Eine Zeugin – selbst an dem Abend im Auto unterwegs – kümmerte sich um die Unfallgeschädigten. Das sei doch selbstverständlich gewesen, erwiderte die examinierte Krankenschwester jetzt im Prozess auf die lobenden Worte des Richters. Leyla M. hatte es  am Kopf erwischt. Ein Auge war geschwollen, bis heute hat sie Kopfschmerzen. Eins der Kinder musste sich übergeben. Die beiden übrigen und der Vater blieben unversehrt. Das Auto war hinüber – was auch für den BMW von Mateo K. galt.

Der entschuldigte sich bei der Familie und zeigte sich zerknirscht. An jenem Abend sei er gerade von einer Notdienstapotheke gekommen. Er habe Medizin für seinen schwerkranken Vater geholt. Daneben habe er Stress mit der Freundin und im Job gehabt. Keine Spur also von vorweihnachtlicher Freude.

Inzwischen hat K. eine verkehrspsychologische Beratung absolviert. Schon in der Vergangenheit gab es Tempoverstöße. Der Richter verhängte eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 50 Euro. Dazu kommt ein dreimonatiges Fahrverbot.

 




Jogger prügelt Frau: Geldstrafe für Angriff auf Zechenbahntrasse

von Andreas Milk
Ein Kamener Amtsrichter hat einen gewalttätigen Jogger aus Bergkamen zu einer Geldstrafe verurteilt. Tatort war am Vormittag des 7. März die Trasse der früheren Klöcknerbahn – eine beliebte Lauf-, Spazier- und Fahrradstrecke. Das Opfer: die 36-jährige Lena H. (Namen geändert). In Höhe der Danziger Straße in Kamen führte sie gerade den Hund ihrer Mutter spazieren. Es kam – buchstäblich – zum Zusammenstoß mit Daniel M. (45). Der war dabei, sein Training zu absolvieren.

Obwohl auf dem Weg reichlich Platz gewesen sei, habe M. sie angerempelt, sei gar „in mich reingesprungen“ – und dann unbeeindruckt weitergerannt, sagte Lena H. dem Richter. Bis zu diesem Punkt hätte das Verhalten des Mannes vielleicht noch als grob rücksichtslos durchgehen können – möglich, dass er die Frau zu spät gesehen hatte. Sie sagt, sie habe ihm „Arschloch!“ hinterher gerufen. Da habe er gestoppt und sei zu ihr zurückgekommen. Mehrfach habe er ihr die Faust in die Seite gestoßen mit dem Ziel, sie in den Graben neben der Trasse zu stoßen. Es gelang ihm nicht ganz. Schließlich trabte er davon. Und Lena H. verfolgte ihn, nahm mit ihrem Handy ein Video auf: „Stehenbleiben! Bleiben Sie sofort stehen!“ ruft sie ihm beim Rennen hinterher; er setzt seinen Weg fort und ist irgendwann verschwunden. Ermitteln konnte ihn die Kamener Polizei später anhand seiner Laufbekleidung. Auf dem Rücken war der Name eines Vereins abgedruckt – das genügte.

Lena H. erlitt Zerrungen und eine Thorax-Prellung. „Die erste Nacht konnte ich kaum liegen.“ Eine Woche hielten die Beschwerden an. Sie sei stolz, dass sie die Gewalttat des  Mannes nicht hingenommen habe, sagt sie heute. Im Alltag komme die Situation immer noch zu ihr zurück – einfach, weil der Vorfall auf der alten Bahntrasse so völlig aus dem Nichts geschehen sei.

Und Daniel M.s Version? Die gibt es nicht. Er bestätigte, dass er auf Lena H.s Video zu sehen sei. Aber er habe ihr nichts getan. Darum wolle er einen Freispruch. Vorstrafen? Nicht vorhanden. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragte eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 10 Euro. Der Richter ging noch deutlich darüber hinaus: 90 Tagessätze à 15 Euro lautete das Urteil für den Bergkamener Bürgergeldbezieher. Er kann Berufung einlegen. Der Fall würde dann am Landgericht Dortmund nochmal verhandelt.

 




Falsche Daten für VKU und Vodafone: Haft auf Bewährung für zwei Frauen

von Andreas Milk
Zwei Frauen – eine 42-Jährige aus Kamen, eine 34-Jährige aus Bergkamen – haben im Juli vorigen Jahres die Kontodaten einer EC-Karte für das Erteilen von Einzugsermächtigungen genutzt. Problematisch dabei: Die Karte gehörte ihnen nicht. Wegen Betrugs saßen sie jetzt im Kamener Amtsgericht auf der Anklagebank.

Die rechtmäßige Eigentümerin hatte es seinerzeit versäumt, den Verlust der Karte zu melden. Und die beiden Frauen, die nun angeklagt waren, hatten keine Bedenken, als ihnen ein Bekannter die Karte überließ. Die Kamenerin „bezahlte“ damit Abos bei der VKU – das kommunale Verkehrsunternehmen buchte unter anderem fürs Deutschlandticket rund 700 Euro ab, komischerweise für mehrere Monate alles auf einen Schlag -, die Bergkamenerin setzte die Kartendaten beim Abschluss eines Handyvertrags mit Vodafone ein – gut 200 Euro wurden eingezogen.

Beide Frauen haben Vorstrafen: die Kamenerin wegen versuchten Betrugs und Betäubungsmittelbesitzes, die Bergkamenerin wegen Diebstahls, Betrugs und anderer Delikte. Beide zeigten sich reumütig: Sie wisse nicht, was sie geritten habe, sagte die eine – sie sei bereit, ihr Leben zu ändern, erklärte die andere. Das Urteil: Jeweils eine Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung – sechs Monate für die Kamenerin, acht für die Bergkamenerin. Außerdem müssen beide je 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Sie werden einen Bewährungshelfer bekommen. Der soll sie dabei unterstützen, ihren Alltag straffrei auf die Reihe zu kriegen. Hintergrund bei beiden Frauen: Es gab Probleme mit dem Konsum von Drogen. In der Sache mit den missbrauchten Kartendaten erkannte der Richter durchaus schon eine Gewerbsmäßigkeit – heißt: Die Frauen hatten wohl vor, über einen längeren Zeitraum einen Teil ihres Lebensunterhalts damit zu bestreiten.




Freundin geschlagen: Richter verhängt sechs Monate Haft

von Andreas Milk
In der Nacht zum 26. August 2023 wurde Deniz F. (31, Namen geändert) gewalttätig gegen seine Freundin Nadine T. (22). In der Wohnung der jungen Bergkamenerin soll er ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Ein Zahn ging kaputt. Laut Anklage warf er auch einen Blumentopf nach ihr. Nebenbei trat er in ihren Fernseher. Die Polizei kam. Sie habe Deniz F. nach dem Vorfall rausgeschmissen, erklärte Nadine T. jetzt dem Kamener Strafrichter. Inzwischen ist er wieder da: Das Paar wohnt zusammen. Geht es nach dem Richter, ändert sich das bald – und zwar wenigstens für ein halbes Jahr: Wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung verurteilte er Deniz F. zu sechs Monaten Haft.

Nach Verlesung der Anklageschrift hat der Angeklagte in einem Strafprozess die Möglichkeit, etwas zu den Vorwürfen zu sagen. Er muss das aber nicht tun. Deniz F. tat es nicht. „Ich sag‘ einfach gar nichts“ – Ende der Einlassung. Nadine T. als Zeugin hatte eine Pflicht auszusagen. Sie tat es sichtlich ungern. Die Anzeige gegen F. habe sie zurückgezogen, alles sei so lange her, „dass ich fast gar nichts mehr weiß“, Deniz F. sei „extrem alkoholisiert“ gewesen und die Sache mit dem Zahn gewiss nicht seine Absicht. Im Zuhörerraum saß Nadine T.s Schwester. Sie warf ein, Nadine T. sei emotional von Deniz F. abhängig. Es habe mittlerweile eine neue Attacke gegeben, bei der er sie gewürgt habe.

Deniz F. hat Vorstrafen in Fülle. Schwerpunkt: Gewaltdelikte. Seit seiner Jugend geht das so. Keine Chance auf Strafaussetzung zur Bewährung also – zumal er eben keinerlei Reue gezeigt hatte. Ein Geständnis von F. hätte es für Nadine T. leichter gemacht, so der Richter. Für sie stelle sich die Frage, ob sie ihr Leben so weiter führen wolle.

Deniz F. kann gegen das Hafturteil in Berufung gehen. Der Fall würde dann am Landgericht Dortmund neu verhandelt.

 




Klau bei Rossmann: Vier Monate Knast

von Andreas Milk
Dass die Bergkamenerin Simone H. (58, Name geändert) schwerwiegende gesundheitliche Probleme hat, ist offensichtlich. Sie hat aber auch ein Vorstrafenregister mit zehn Einträgen, Schwerpunkt Eigentumsdelikte. Für einen Diebstahl bei Rossmann im Kamen Quadrat Mitte Januar – Parfüm, Schmuck, Theaterschminke – soll sie nun ins Gefängnis: Vier Monate Haft, so lautet die Entscheidung des Richters. Eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung wäre „fast sowas wie Rechtsbeugung“ gewesen, fand er – auch wenn es in dem Fall nur um eher geringwertige Sachen ging. Eine frühere Bewährungsfrist aus einer anderen Verurteilung war zum Zeitpunkt des Klaus bei Rossmann noch nicht abgelaufen. Und: Im Herbst dieses Jahres soll Simone H. schon wieder zugelangt haben, angeblich wieder bei Rossmann, diesmal allerdings in Bergkamen.

Ihren Verteidiger hatte sie im Prozess eine Art Gesamtschau ihres Lebens vortragen lassen. Simone H. ist körperlich und psychisch schwer angeschlagen. Stichworte: Herz-OP, Knie-OP, Borderline, ADHS. „Mein Krankheitsbild macht mich wahnsinnig.“ Ein täglicher Medikamentencocktail gehöre zu ihrem Alltag. Sie wird ambulant betreut.

Im Januar in der Kamener Rossmann-Filiale wurde sie von einem Ladendetektiv erwischt. Sie saß in einem Elektrorollstuhl und soll diversen Kleinkram unter Decken oder in der Kleidung versteckt haben. Sie selbst sagt: Sie habe die Sachen schlicht vergessen, weil sie auf ein Telefonat konzentriert gewesen sei. Zwischen Kassenzone und Eingang sprach der Detektiv sie an. Später wurde die Polizei dazugeholt. Es gab Streit: Simone H. sagt, der Detektiv sei vor ihren E-Rollstuhl gesprungen und habe ihn beschädigt; der Detektiv sagt, H. habe den Rollstuhl auf ihn zu gesteuert und sei gegen eine Wand gefahren. So oder so: Die Reparatur soll 700 Euro gekostet haben.

Gegen das Urteil des Kamener Amtsrichters kann Simone H. Berufung einlegen. Das Landgericht Dortmund würde den Fall dann neu aufrollen. Noch unklar ist, was es mit dem mutmaßlichen späteren Diebstahl in der Bergkamener Rossmann-Filiale auf sich hat.




Schüchterne Betrügerin: Geldstrafe für 20-Jährige

von Andreas Milk
Die Bergkamenerin Marie H. (Name geändert) ist 20 Jahre alt, Auszubildende im Pflegebereich und hat mehrmals mit dem Gericht zu tun gehabt. Wegen Betrugs waren schon zwei Strafbefehle gegen sie ergangen – in Abwesenheit, weil sie die Ladung zum Prozess am Kamener Amtsgericht jeweils ignoriert hatte. Diesmal nun war sie erschienen: Für 100 Euro soll sie übers Internet einen Reitsattel verkauft, aber nicht an die Käuferin übersandt haben. Wieder mal Betrug also. Es sehe fast nach Gewerbsmäßigkeit aus, fand der Vertreter der Staatsanwaltschaft.

Marie H. wirkte leise, ein bisschen schüchtern. Ja, sie habe sich schuldig gemacht, gab sie zu. „Es war halt schwierig.“ Was konkret denn da schwierig war oder noch immer schwierig ist, hätte den Richter durchaus interessiert. Doch er kam bei Marie H. nicht weiter: Die junge Frau hatte dicht gemacht.

Am Ende gab es eine Geldstrafe, 75 Tagessätze à 20 Euro. Marie H. akzeptierte sofort. Beim nächsten Mal, mahnte der Richter, werde es bei einer Geldstrafe nicht bleiben können. Daneben muss Marie H. die 100 Euro für den nicht gelieferten – und wohl auch nie vorhandenen – Sattel ersetzen. Der Schaden für die enttäuschte Käuferin sei einerseits nicht allzu hoch gewesen, erklärte der Richter. Andererseits sei sie aber womöglich nicht gerade reich. Sonst hätte sie sich schließlich einen neuen Sattel im Handel zulegen können.




Rassismus am Bahnhof: Bergkamenerin (20) verurteilt

von Andreas Milk
Einen ganzen Schwall rassistischer und sexistischer Beleidigungen hatte die Bergkamenerin Aline K. (20, Name geändert) am Nachmittag des 17. März 2024 hören lassen – in der Öffentlichkeit, am Bahnhof in Kamen. Gerichtet waren die Äußerungen aus der untersten Schublade an ein schwarzes Mädchen (14) und dessen Mutter. Alle drei sahen sich jetzt vor dem Kamener Jugendrichter wieder. Bevor es zum Urteil kam, nutzte Aline K. die Gelegenheit, sich per Handschlag bei den beiden Geschädigten zu entschuldigen. Und genau diese Entschuldigung, erklärte später der Richter, habe Aline K. vor einem Arrest bewahrt.

Begonnen hatte alles mit einer Busfahrt. Mit dem R81 waren die Beteiligten am Kamener Bahnhof angekommen. Aline K. wollte mit dem Zug weiter nach Dortmund, ihren Großvater besuchen. Er habe im Sterben gelegen, sagt sie. Es war also ein mieser Tag. Und in dieser Situation gab es obendrein Stress im oder vor dem Bus. Draußen stand eine Frau mit Kinderwagen. Sie wollte einsteigen. Aline K., die aussteigen wollte, kam der Frau irgendwie in die Quere, womöglich unabsichtlich: Sie sei gegen den Kinderwagen geschubst worden, behauptet sie. Das Mutter-Tochter-Gespann nahm etwas anderes wahr: einen absichtsvollen Anrempler. Jedenfalls: Es wurde laut und unschön auf dem Weg vom Bussteig zum Bahnsteig. Laut Anklage versetzte Aline K. der Mutter gar einen Kniestoß in den Bauch und der Tochter einen Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht.

Gravierende Verletzungen hatte das nicht zur Folge. Drum konzentrierte sich das Verfahren auf die Beleidigungen. Die gab Aline K. auch unumwunden zu. „Das war nicht korrekt, dass ich so hochgefahren bin.“ Die Aufforderung an die schwarzen Frauen, dorthin zurück zu gehen, wo sie her gekommen sind, war wohl noch das mit Abstand Freundlichste. Ein Mann aus Aachen, am 17. März zufällig am Bahnhof, bekundete in seiner Zeugenaussage, er sei „schockiert gewesen“ über das Ausmaß und den unerfreulichen Einfallsreichtum von Aline K.s rassistischen Äußerungen. Die Freundin des Aacheners lief damals zur benachbarten Polizeiwache. Beamte kamen rüber und holten Aline K. aus dem abfahrbereiten RE3.

Die Bergkamenerin ist vorbelastet: Beleidigung, Körperverletzung und Bedrohung tauchen im Bundeszentralregister auf. Für den Vorfall am Bahnhof lautete nun das Urteil: 40 Stunden Freizeitarbeit, dazu die Teilnahme an einem Präventionskurs gegen Gewalt. „Wenn Sie einen schlechten Tag haben, kriegt’s Ihre Umgebung ab“, so der Eindruck des Richters – das müsse sich ändern. Aline K. nahm das Urteil an.