Knall im Kreisel: Fahrer wegen Unfallflucht verurteilt

von Andreas Milk
Ein Autounfall mit zwei Beteiligten – und beide sagen: Sie haben den anderen gar nicht gesehen. So etwas soll sich abgespielt haben am Vormittag des 10. November 2020 im Kreisverkehr Erich-Ollenhauer-/Hubert-Biernat-Straße. Wolfgang T. (70, Namen geändert) saß jetzt wegen Fahrerflucht im Amtsgericht Kamen auf der Anklagebank – Martina E. (62), die Unfallgegnerin, war als Zeugin geladen.

Wolfgang T., pensionierter Kommunalbeamter, unbescholten, gab an, er habe einen Knall gehört und eine Erschütterung gespürt. Weil er kein anderes Fahrzeug gesehen habe, sei er zu dem Schluss gekommen, wohl gegen einen Bordstein geprallt zu sein. Dann sei eine Kontrolllampe im Cockpit angesprungen: Leck im Kühlsystem – Grund genug, das Auto auf dem nahen Haldenparkplatz abzustellen und zu Fuß nach Hause zurück zu gehen. Als er am Kreisverkehr vorbei marschierte, sei dort niemand gewesen.

Auch Martina E. berichtete, einen Stoß wahrgenommen zu haben – „wie aus dem Nichts“. Ihr Körper habe mit Zittern und einer Art Schockstarre reagiert. Zur Polizei fuhr sie erst am frühen Abend – rund sieben Stunden später. Ihr Corsa war hinüber: Totalschaden.

Der Verteidiger von Wolfgang T. beantragte einen Freispruch für seinen Mandanten. Übereinstimmend hätten die Beteiligten erklärt, es sei nichts zu sehen gewesen. Und hätte Wolfgang T. die Polizei informiert, wären die Rollen vor Gericht womöglich vertauscht gewesen.

Der Richter sah das anders. Denn aus den Unfallschäden an beiden Autos lasse sich ableiten: Dass Martina E. den Wagen von Wolfgang T. nicht sah, sei nachvollziehbar. Dass Wolfgang T. Martina E. nicht sah, könne dagegen nicht sein: Er habe sie im Blickfeld gehabt, war der Richter überzeugt. T. habe sich nicht durchringen können, das zuzugeben, und sich eine Schutzbehauptung zurechtgelegt.

Er verurteilte T. zu einer Geldstrafe von 2.800 Euro. T.s Führerschein bleibt eingezogen; für die Ausstellung eines neuen besteht eine Sperre von sechs Monaten. T. kann gegen die Entscheidung Berufung vor dem Landgericht oder Revision einlegen.




Ärztin in Notaufnahme geboxt: Sechs Monate auf Bewährung

von Andreas Milk
Der 64-jährige Manfred H. (Name geändert) aus Lünen ist vom Kamener Amtsrichter zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. In der Notaufnahme des Hellmig-Krankenhauses hatte er einer Ärztin einen Faustschlag in die Rippen versetzt.

Passiert war das in der Nacht zum 10. Dezember 2020. Der Rettungsdienst hatte den Mann quasi von der Straße aufgelesen und zum Kamener Krankenhaus gebracht. Erst mal verschwand er einfach wieder, erinnerte sich die Ärztin im Zeugenstand. Später sei er wieder da gewesen – und zwar „sehr laut“. Im Protokoll des Rettungsdienstes stand etwas von Schmerzen in den Beinen. Als die Medizinerin dem näher auf den Grund gehen wollte, versetzte H. ihr den Schlag: „Das hat wirklich weh getan“ – ein Kollege bescheinigte später eine Prellung.

Manfred H. bestand darauf, das könne alles nicht sein. „Ich habe noch nie jemandem etwas getan“, sagte er: „Wollt ihr mich bekloppt machen, oder was?“ Sein Vorstrafenregister allerdings hat knapp ein Dutzend Eintragungen, unter anderem in Zusammenhang mit dem Gewaltschutzgesetz; dazu kommen Widerstand und Beleidigungen. Geahndet wurde all das mit Geldstrafen.

Zeit für eine Haftstrafe, fand der Richter – wenn auch, weil es H.s erste ist, zur Bewährung ausgesetzt. Der Hartz-IV-Empfänger, der nach eigenen Angaben nicht lesen kann, soll außerdem als Auflage 300 Euro an die Justizkasse zahlen. Er hat eine Woche Zeit, gegen die Entscheidung Berufung oder Revision einzulegen.

 




Polizei wild beschimpft: Geldbuße für wilde Tiere

von Andreas Milk
Die Anklage gegen Lukas F. (Name geändert) aus Rünthe klang heftig – vor dem Kamener Amtsrichter erwies sich der 46-Jährige aber als ganz netter Kerl: Mit dem Coronagruß (Faust an Faust) entschuldigte er sich am Ende des Prozesses bei einem jener Polizisten, die er in der Nacht zum 21. März wüst beschimpft hatte. „Was wollt ihr Wichser“, „Verpisst euch“, „Arschlöcher“, „Scheißpolizei“: Im Einsatzbericht und später in der Anklage war alles festgehalten worden. „Stimmt alles so“, erklärte F. dem Richter. Es tue ihm leid. „Ich war halt betrunken.“

Eine entnervte Nachbarin hatte die Polizei wegen Ruhestörung verständigt. Es wummerte Musik – kurz vor ein Uhr nachts. Als die Streife eintraf, sah sie sich einem gut zwei Meter hohen Grundstückszaun gegenüber. Ein Beamter stieg auf eine Bank, sah über den Zaun. Und Lukas F. zeterte los. Dass es sich um einen Polizeibeamten handelte, habe er nicht gleich erkannt. Seine Frau beruhigte ihn schließlich, teilte den Beamten auch die benötigten Personalien mit, damit sie die Anzeige gegen den tobenden Gatten schreiben konnten.

Was geschehen sei, habe er erst am nächsten Tag richtig begriffen, erklärte F. vor Gericht. Sein Verhalten sei „asozial“ gewesen. Es wäre wohl nicht so übel gelaufen, hätten die Beamten an der Haustür geklingelt, statt über den Zaun zu spähen.Aufrichtige Reue plus leeres Vorstrafenregister: Das ließ den Richter von der ursprünglich anvisierten Geldstrafe absehen. Stattdessen zahlt F. nun eine Geldbuße – nicht an den Staat, sondern an eine gemeinnützige Einrichtung: 1.500 Euro fließen an die Deutsche Wildtierstiftung. F. hat zur Zahlung sechs Monate Zeit. Ist das Geld überwiesen, wird das Verfahren eingestellt. Das Vorstrafenregister bleibt sauber.




1250 Euro Geldstrafe: Hasch vom besten Freund und Nachbarn

von Andreas Milk
Seit Jahrzehnten sind Martin B. und Thomas M. (Namen geändert) beste Freunde. In Weddinghofen wohnen die Männer Tür an Tür. Was sich zwischen August 2019 und April 2020 in Thomas M.s Wohnung abspielte, brachte Martin B. jetzt im Kamener Amtsgericht auf die Anklagebank: B. kaufte bei M. dutzendfach kleine Mengen Marihuana, meist für einen Zehner. Den Stoff konsumierte er ausschließlich selbst.

Verkäufer Thomas M. ist inzwischen vom Unnaer Schöffengericht zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden. Dass er nun im Prozess gegen seinen Freund Martin B. nicht auszusagen brauchte, lag an der klaren Haltung B.s: Der wollte reinen Tisch machen. „So, da gehen wir jetzt durch“: Diese Richtung habe sein Mandant ihm vorgegeben, berichtete B.s Anwalt. B., Anfang 40, sei keiner, der sich gehen lasse: Er hat einen festen Job als Lagerarbeiter, sorgt für seine Familie. Vorstrafen: null. Die Anklage sei richtig. Wie viele Marihuanakäufe es exakt gegeben habe, lasse sich aber nicht mehr sagen. Weil beide Männer dauernd miteinander zu tun hätten, gerate die Erinnerunng an Zeiträume und Mengen schon mal etwas durcheinander.

Der Staatsanwalt forderte eine Geldstrafe – B.s Verteidiger regte an, von einer Strafe abzusehen: Stichworte Eigenbedarf, geringe Mengen, keine Vorratshaltung. Im übrigen: „Ich halte Alkohol für gefährlicher.“ Am Ende gab es doch die Geldstrafe: 50 Tagessätze à 25 Euro. Der Richter zum Abschied: „Ich würde mich freuen, wenn wir uns hier nicht wiedersehen.“




Der Schaffner – ein „Schweinehund“: 1.500 Euro Strafe

von Andreas Milk
Was er getan hat, weiß er nicht mehr genau – dass er etwas getan hat, bestreitet er nicht. „Ich bin Alkoholiker“, sagte der 40-jährige Adam W. (Name geändert) dem Kamener Amtsrichter, als er sich wegen Schwarzfahrens mit der Bahn und Beleidigung verantworten musste. Ein Zugbegleiter im RE6 hatte seinetwegen am 3. August 2020 die Polizei gerufen.

W., der inzwischen in Iserlohn lebt, war an dem Tag von Düsseldorf in Richtung Dortmund unterwegs: ohne Ticket und ohne eine Maske zu tragen. Er wollte wohl zu seiner Wohnung in Bergkamen. Als der Schaffner ihn aufforderte, eine Maske aufzusetzen, soll W. ausfallend geworden sein und den Mann von National Express mehrfach „Schweinehund“ genannt haben.

Der Schaffner war als Zeuge zum Gerichtstermin geladen worden, allerdings nicht gekommen: macht 200 Euro Ordnungsgeld, ersatzweise vier Tage Haft. Dafür war aber ein Polizist erschienen, der sich gut an den Tag vor einem Jahr erinnerte. Aggressiv sei Adam W. gewesen. Auch den „Schweinehund“ bestätigte der Beamte.

Ein Alkoholtest ergab bei Adam W. seinerzeit 2,2 Promille. Er wolle sich für sein Verhalten entschuldigen, erklärte er dem Richter: Nicht nur, dass er alkoholkrank sei – er habe damals auch die frische Trennung von seiner Freundin verkraften müssen.

17 Eintragungen stehen in seinem Vorstrafenregister. In den letzten paar Jahren allerdings war weitgehend Ruhe. Für sein Benehmen im Regionalexpress verurteilte der Richter ihn nun zu einer Geldstrafe von 1.500 Euro. W. nahm die Entscheidung an.




Undank für Bürgernähe: Polizist als „Bulle“ beleidigt

von Andreas Milk
Der Polizeibeamte Markus B. (Namen geändert) war mit dem Dienstrad bewusst langsam unterwegs am 27. Januar 2020 in einer Bergkamener Siedlung: Es ging ihm um Bürgernähe, er wollte ansprechbar sein, mit Bewohnern ins Gespräch kommen. Der 23-jährige Justin K. machte von dieser Gelegenheit auf unschöne Weise Gebrauch: „Oh, ein Bulle auf’m Fahrrad!“ rief er dem Polizisten hinterher. Der empfand das als „sehr beleidigend“ und erstattete Anzeige.
Folge war jetzt ein Prozess vor dem Kamener Strafrichter. Justin K. war aus der JVA Bielefeld zu dem Termin gebracht worden. Er verbüßt eine Haftstrafe. Sein Vorstrafenregister hat sieben Eintragungen, unter anderem wegen Diebstahls, Sachbeschädigung und Einbruchs. Vor allem aber hat er ein Drogenproblem.

Als es zu dem Zusammentreffen mit dem Polizisten kam, war Justin K. kurz vorher aus dem Gefängnis frei gelassen worden: Er sollte eine Therapie antreten. Der „Bulle“ tue ihm leid, erklärte er nun dem Richter. Das Wort sei ihm im Rausch rausgerutscht. Cannabis und Kokain habe er seinerzeit konsumiert. Dass das mit der Therapie schief gegangen sei, liege unter anderem daran, dass er „oft verschlafen habe und solche Dinge“.

Das Urteil: eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen à 10 Euro. Fürs erste ging es nach der Verkündung zurück ins Gefängnis. Nach derzeitigem Stand muss Justin K. bis April nächsten Jahres dort bleiben.

 




Anklagevorwurf: Vermieter-Terror per Paketflut

von Andreas Milk
Immer wieder hat die Bergkamenerin Heidrun M. (58, Namen geändert) Pakete bekommen. Das Problem: Sie hatte diese Pakete nicht bestellt. Bis zu sieben an einem Tag seien es gewesen und insgesamt im Laufe der Zeit wohl weit über 100, erzählte sie jetzt im Kamener Amtsgericht. Dort saß ihr Vermieter Jochen T. (52) auf der Anklagebank: Ihn verdächtigt sie, hinter der Paketflut zu stecken. Denn er wolle sie aus dem Haus haben.

Der Knatsch ging anscheinend schon vor einigen Jahren los, als Jochen T. die Immobilie gekauft hatte. Sie sollte einen neuen – teureren – Mietvertrag unterschreiben, sagt Heidrun M. Aber sie habe sich geweigert.

Jochen T. nennt das Verhältnis „angespannt“. Und er sagt: Mit den Paketen habe er nichts zu tun. Laut Ermittlungen der Polizei ist es allerdings so: Es wurden Bestellungen über ein Kundenkonto aufgegeben, das mit einer bestimmten E-Mail-Adresse verknüpft ist. Und diese Adresse wiederum lässt sich dem Anschluss von Jochen T. zuordnen.

T. glaubt, die Adresse könnte von einem Dritten gekapert worden sein, um Heidrun M. zu tyrannisieren. Die bekam nicht nur Dildos und Reizwäsche geliefert – „es war grauenhaft“ -, sie bekam auch Stress mit DHL. Der Paketdienst der Post hatte schlicht keine Lust mehr, haufenweise Pakete anzuliefern, nur um sie nach verweigerter Annahme wieder mitzunehmen. Konsequenz: Heidrun M. wurde nicht mehr beliefert – also auch nicht mit Sachen, die sie tatsächlich bestellt hatte.

Auch zivilrechtlich hat das Kamener Gericht mit dem verkorksten Mietverhältnis schon allerhand zu tun gehabt. Strafrechtlich geht es jetzt in ein paar Monaten weiter. Bis dahin sollen Polizei und Staatsanwaltschaft rausfinden, ob es tatsächlich sein könnte, dass Jochen T.s Mailadresse für massenhafte Paketbestellungen missbraucht wurde.

 




Pflegeversicherung betrogen: Geldstrafe

von Andreas Milk
In Zusammenhang mit Leistungen der Pflegeversicherung hat es schon reichlich Gerichtsprozesse gegeben – unter anderem gegen eine Frau, die im großen Stil falsche Beurteilungen abgegeben haben soll mit dem Ziel, für ihre „Kunden“ einen höheren Pflegegrad anerkannt zu bekommen und damit Anspruch auf mehr Geld. Sozusagen als Nebenprodukt dieses Verfahrens gab es jetzt einen Prozess gegen ein Bergkamener Ehepaar vor dem Kamener Amtsgericht.

Erstens, so die Anklage, habe das Paar für den Mann Depressionen, Antriebslosigkeit und Wahnvorstellungen behauptet – Krankheitsbilder, die es tatsächlich gar nicht gegeben habe. Folge war eine Einstufung in Pflegegrad 4 (vorher: 2). Zweitens hätten sich die Eheleute 2.400 Euro für eine so genannte Verhinderungspflege überweisen lassen – und dieses Geld dann für sich behalten, statt es dem Pfleger zu geben, der zur Entlastung der Ehefrau eingesprungen war.

Das alles ist drei bis vier Jahre her. Das Ehepaar lebt von winzigen Renten und Grundsicherung. Die beiden stammen aus der Türkei – genau wie der Mann, der bei der Pflege geholfen hatte und kein Geld dafür kriegte. Er habe es eben nicht annehmen wollen, sagte der angeklagte Ehemann. Man habe sich schon früher gegenseitig geholfen, ohne auf die Idee zu kommen, dafür könne ein Entgelt nötig sein.
Es half nichts: Einfach selbst behalten dürfen hätten die Eheleute die 2.400 Euro nicht, machte der Richter klar. Wegen Betrugs wurden beide zu Geldstrafen von jeweils 500 Euro verurteilt. Was die Sache mit der falschen Einstufung angeht: Da wurde das Verfahren eingestellt.




Sexuelle Belästigung in Arztpraxis: Urteil wegen falscher Aussage

von Andreas Milk
Vor knapp einem Jahr hatte das Kamener Amtsgericht festgestellt: Ein Arzt in Bergkamen hat weibliche Auszubildende in seiner Praxis sexuell belästigt. Es gab eine Haftstrafe von acht Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Jetzt ist eine junge Frau von einem anderen Richter für eine falsche Zeugenaussage in dem Prozess verurteilt worden. Sie war zu dem Zeitpunkt noch bei dem Arzt angestellt; vor Gericht machte sie eine Aussage, die ihren Chef entlastete. Dass diese Aussage nicht der Wahrheit entsprach, wurde damals rasch mit Hilfe eines Handyvideos nachgewiesen.

Reumütig äußerte sich die 24-jährige Nora H. (Name geändert) nun in ihrem eigenen Prozess. Sie bestätigte, auch ihr sei der Arzt „unters T-Shirt gegangen“. Sie habe sich unwohl gefühlt – aber auch nicht widersprochen. Da hakte der Richter ein: „Nicht Sie haben Fehler gemacht. Sie sind das Opfer.“ Und anscheinend hat der Mediziner das Abhängigkeitsverhältnis mehr als ein Mal ausgenutzt. Als sein Gerichtstermin nahte, habe er sie immer wieder gefragt, „was ich denn da sagen will“, erzählte Nora H. Ihr Anwalt kommentierte das so: Es gebe „subtile Formen, wie man jemandem mitteilt, was man von ihm hören möchte“.

Üblich sind für bewusst falsche Aussagen vor Gericht Freiheitsstrafen. Denn ohne verlässliche Aussagen „können wir den Laden dicht machen“, so der Richter im Verfahren gegen Nora H. Er sprach gegen sie allerdings nur eine Verwarnung unter Vorbehalt einer Geldstrafe aus – also eine „Geldstrafe auf Bewährung“. Dass die Ex-Arzthelferin nur eine solch milde Strafe bekam, habe mit den Umständen zu tun – und der Tatsache, dass Nora H. sich besonnen habe. „Sie haben das gerade gerückt – das hat Format.“

Das Ganze ist noch nicht ausgestanden. Vor dem Landgericht Dortmund hat der Bergkamener Arzt Berufung gegen die Haft auf Bewährung eingelegt. Vor dem Kamener Amtsgericht sagte er seinerzeit, seine Azubis hätten ihn mit Freizügigkeit provoziert. Der Richter glaubte ihm nicht; zwei Ex-Azubis des Arztes sprach er je 3.000 Euro als Wiedergutmachung zu. Das Landgericht wird zum Berufungsprozess wohl auch Nora H. wieder als Zeugin laden – gemeinsam mit den früheren Kolleginnen.

 




Stromdieb kam mit Knast-Gepäck: Vier Monate Haft

von Andreas Milk
In doppelter Hinsicht ungewöhnlich war dieser Termin vor dem Kamener Strafrichter: Dem Angeklagten wurde ein eher seltenes Delikt vorgeworfen – und aus der Wohnung eines Freundes in Bergkamen, bei dem er derzeit lebt, hatte er gleich seine Grundausstattung fürs Gefängnis mitgebracht. Und tatsächlich verurteilte der Richter ihn zu vier Monaten hinter Gittern wegen „Entziehung elektrischer Energie“ – sprich: Stromklau – in Tateinheit mit Hausfriedensbruch.

Wladimir M. (Name geändert) hatte um den Jahreswechsel herum mehrere Monate in der Wohnung seiner Mutter in Kamen-Methler verbracht. Das Problem: Wegen unbezahlter Rechnungen klemmten die GSW den Strom ab. M. half sich selbst – auf illegale Weise. Er zapfte im Keller erst die Leitung eines Nachbarn an, später machte er sich am Gemeinschaftsstrom zu schaffen. Der Nachbar erstattete Anzeige; die Wohnungsgesellschaft LEG verhängte gegen Wladimir M. ein Hausverbot, das er aber ignorierte.

Der Schaden durch den Stromdiebstahl dürfte nicht allzu groß gewesen sein. Das provisorische, durch eine Decke in die Wohnung von M.s Mutter geführte Kabel reichte für Kühlschrank und Fernseher, das war’s. Ärgerlich für den Nachbarn war, dass M. ein Schloss zerlegt hatte, um sich am Stromanschluss des Mannes bedienen zu können.

M.s größtes Problem vor Gericht waren seine Vorstrafen. Als der Stromklau passierte, stand er unter Bewährung. Er hat auch schon mal „gesessen“ – es ging um Diebstahl und um Betrug. Die vier Monate ohne Bewährung, die nun dazu kamen, muss er nicht auf der Stelle antreten. Das Knast-Gepäck ging also fürs erste wieder zurück nach Bergkamen. M. kann Berufung gegen das Urteil einlegen. Lässt er das, wird es rechtskräftig – und erst dann kommt nach einer Weile von der Staatsanwaltschaft die Aufforderung, die Strafe anzutreten. Entschieden werden muss auch noch, ob und wie sich die neue Strafe auf die frühere Bewährungsstrafe auswirkt.




Einsatz am Wasserpark – Anklagevorwurf: Polizisten „Rassisten“ genannt

von Andreas Milk
Es war die Nacht zum 29. August 2020, die Inzidenz lag niedrig, viele Leute waren unterwegs – und die Polizei hatte mal wieder einiges zu tun, erinnerte sich ein Beamter jetzt in einem Prozess vor dem Kamener Amtsgericht. Es ging um einen Vorfall in Bergkamen am Wasserpark: Jamal A. und Aljoscha F. (Namen geändert), beide Ende 20, sind angeklagt wegen Beleidigung. Als „Nazis“, „Rassisten“, „Schwanzlutscher“ und „Schmalzlocken“ soll A. Beamte bezeichnet haben – F. werden in der Anklageschrift die Ausdrücke „Spastis“ und „Hurensöhne“ angelastet.

Zu einem Urteil kam es noch nicht. Drei Polizisten hatten als Zeugen ausgesagt. Doch was sie vortrugen, war dem Richter zu wenig konkret, als dass es für eine Verurteilung der beiden jungen Männer gereicht hätte. Übereinstimmend erzählten die Beamten von Pöbelei und aggressivem Verhalten. Aber sie konnten aus dem Gedächtnis nichts mehr zum Wortlaut sagen. Das liege wohl auch daran, erklärte einer, dass derlei Dinge im Polizeialltag nicht außergewöhnlich seien.

Fest steht: Am Bergkamener Wasserpark war es Anwohnern zu laut in jener Nacht. Die Polizei kam und sprach Platzverweise aus. Jamal A. fand das nicht in Ordnung. „So laut war das eigentlich gar nicht“, sagte er vor Gericht. Ja, zugegeben, er selbst habe die Polizei zwar angeschrien – aber niemanden beleidigt. Trotzdem sei er gepackt und zu Boden geworfen worden – und das nur, so vermutet er, weil er keinen Ausweis dabei hatte. Sein Gesicht sei in den Asphalt gedrückt worden. Er habe sich an den Fall George Floyd in den USA erinnert gefühlt. Sein Begleiter Aljoscha F. wies die Einsatzkräfte darauf hin, dass A. frisch am Bein operiert sei – das wurde vor Gericht auch so von einem Beamten bestätigt. Aljoscha F. gab zu, einen Polizisten „sehr provokant“ gefragt zu haben: „Deine Mutter ist keine Hure, oder?“

Die Nacht endete damals für Jamal A. und Aljoscha F. im Gewahrsam – nicht zuletzt zum Ausnüchtern. Blutuntersuchungen ergaben 1,4 (A.) und 1,9 (F.) Promille.

Voraussichtlich im Herbst wird es einen neuen, aufwendigeren Prozesstermin geben. Dann will der Richter noch sechs weitere beteiligte Polizisten – insgesamt dann also neun – befragen. Und: Jamal A. hat angedeutet, er werde zwei Zeugen zu seiner Entlastung benennen.