Laut geworden beim Arzt: Strafanzeige wegen Beleidigung

von Andreas Milk
Wohl rund die Hälfte des Teams aus einer Bergkamener Arztpraxis erschien am Mittag des 8. Juli 2021 auf der Polizeiwache. Grund für den ungewöhnlichen „Betriebsausflug“: Ein Patient – genauer: der Vater zweier kleiner Patienten – war pampig geworden. Jetzt stand der Mann wegen Beleidigung vor dem Kamener Strafrichter.

Als „Nutten“ und „Huren“ soll er die Frauen in der Praxis beschimpft haben. So jedenfalls stand es in der Anzeige. Vor Gericht gab er freimütig zu: „Ich war laut.“ Beleidigt habe er aber niemanden.

Und für seine Lautstärke gab es durchaus eine Erklärung: reichlich Stress. Die beiden Kinder hatten nachts Fieber gehabt. Um mit ihnen zum Doktor zu gehen, wechselte der Vater – von Beruf Altenpfleger – die Schicht. In der Praxis funktionierte dann die Versichertenkarte nicht, weil die Familie kurz vorher die Krankenkasse gewechselt hatte. Die Arzthelferinnen stellten obendrein fest: Die Kinder hatten kein Fieber (mehr). Darum gebe es auch keine Notfallbehandlung, sondern allenfalls einen Termin für später.

Kurz: Die Lage war angespannt. Er habe wohl etwas gesagt im Sinne von „Sie werden noch von mir hören“, erinnerte sich der angeklagte Familienvater. Tatsächlich beschwerte er sich damals bei der Ärztekammer über die (Nicht-) Behandlung in der Bergkamener Praxis.

Die Frau des Arztes, selbst dort beschäftigt, sprach auf dem Zeugenstuhl von ausländerfeindlichen Parolen. Der Angeklagte selbst ist allerdings ebenfalls nichtdeutscher Herkunft. Noch zwei weitere Frauen aus dem Praxisteam sagten als Zeuginnen aus. Klare Erinnerungen an handfeste Beleidigungen: Fehlanzeige. Es wurde deutsch geredet, es wurde türkisch geredet, es wurde sehr aufgebracht geredet – Ende. Es passierten noch schlimmere Sachen in solch einer Arztpraxis, berichtete eine junge Frau dem Richter.

Für eine Verurteilung des – nicht vorbestraften – Vaters gab es letztlich keine Grundlage. Er wurde freigesprochen.




Corona-Party-Gäste im Badezimmer versteckt – Polizisten attackiert: Bewährungsstrafe

von Andreas Milk
Es war eine unvergessliche Geburtstagsparty – im negativen Sinn. Als Konstantin T. (24, Name geändert) Anfang 2021 mit ein paar Freunden in seiner Wohnung feierte, kam am Ende die Polizei. Was die Beamten bei diesem Einsatz wegen Ruhestörung in der Kamener Innenstadt erlebten, war teils komödiantisch, teils ärgerlich. Ein Wiedersehen mit T. gab es jetzt im Amtsgericht.

Der junge Mann hatte damals ein paar Gäste: zwei Männer, eine Frau. Sie produzierten nicht nur Lärm, sie verstießen auch gegen die geltende Coronaschutzverordnung: keine Masken, kein Abstand. Ein Polizist erinnerte sich: Als er mit seinen Kollegen in das Mehrfamilienhaus kam, seien die Partygeräusche abrupt verstummt. Konstantin T. habe seine Wohnungstür erst nicht geöffnet, schließlich aber doch auf das Klingeln reagiert und sich übertrieben schläfrig präsentiert, „so’n bisschen geschauspielert“. Party? Nein, bei ihm sei keine Party! Aber auf dem Tisch standen Gläser mit Getränkeresten, und hinter der Badezimmertür war Gekichere zu hören.

Bis zu diesem Punkt war das Ganze bloß eine Ordnungswidrigkeit. Aber als die Polizisten die Corona-Geburtstagsparty auflösten und T.s Gäste nach Hause schickten, rastete T. wohl regelrecht aus. Er beschimpfte die Beamten – „Hurensöhne“ war dabei laut Anzeige noch der familientauglichste Begriff -, schlug und trat um sich. Einem hustete er ins Gesicht – ohne Mund-Nasen-Schutz und aus wenigen Zentimetern Entfernung. Zu viert schleppten ihn die Polizisten letztlich durchs Treppenhaus: pro Arm und Bein je ein Uniformierter. Endstation: Gewahrsam auf der Wache am Kamener Bahnhof.

All das kann kaum glauben, wer T. im Gerichtssaal erlebt hat. Da saß er zerknirscht, entschuldigte sich bei den Polizisten, bedauerte, dass alles „komplett eskaliert“ sei. Er trinke sonst so gut wie keinen Alkohol, habe an jenem Abend aber ausgerechnet Wodka – ein Geburtstagsgeschenk – konsumiert. Ein Alkotest ergab später 1,8 Promille. T. begann nach dem Vorfall eine Therapie. Schon einmal, vor ein paar Jahren, hatte er von sich aus Hilfe gesucht aus Sorge, nach frühem Abnabeln von der Familie sein Leben nicht allein in den Griff zu kriegen. Eine Frau kümmert sich um ihn im Rahmen des ambulanten betreuten Wohnens, getragen vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe. T. hat einen festen Job. Das Vorstrafenregister ist leer.

Der tätliche Angriff auf die Polizisten hatte vor Gericht eine Haftstrafe zur Folge: sechs Monate – ausgesetzt zur Bewährung. Hintergrund ist eine Strafrechtsverschärfung. Mit Geldstrafen ist es nicht mehr getan, wenn Polizeibeamte attackiert werden. Zahlen muss T. jedoch auch: Als Bewährungsauflage soll er 1.300 Euro an die Gerichtskasse überweisen. Das entspricht bei ihm ungefähr einem Monatseinkommen.




Entflohenen Gefangenen im Bettkasten aufgespürt

von Andreas Milk
Der Gesuchte hatte sich im Bettkasten versteckt. Als die Polizei am 7. März 2021 an der Wohnungstür von Pia L. (29, Name geändert) in der Nähe der Mergelkuhle in Bergkamen-Mitte schellte, ging es um einen entflohenen Strafgefangenen. Zwei Jahre wegen Raubes sollte der Ex-Freund von Pia L. absitzen, aber er war abgehauen. Eine Nachbarin hatte den Fahndern gesteckt, dass Pia L. oft einen männlichen Gast habe. Verdächtig! Pia L. erklärte den Polizisten, nein, bei ihr sei niemand. Ob sie denn mal hereinkommen dürften, fragte eine Kriminaloberkommissarin. Pia L. hatte nichts dagegen, erinnerte sich die Beamtin jetzt im Prozess vor dem Kamener Amtsgericht. „Da bewegte sich ein Fuß“ – und so flog das Bettkastenversteck auf. Der gesuchte Mann wurde wieder in die JVA gebracht.

Pia L. handelte sich durch ihr Verhalten eine Anklage wegen versuchter Strafvereitelung ein. Zwar war sie nicht verpflichtet gewesen, den getürmten Ex von sich aus zu melden, wenn er gelegentlich bei ihr aufkreuzte. Die Polizei hatte sie vor dem 7. März mehrmals darum gebeten – aber das war eben nur eine Bitte; verpflichten konnte die Polizei sie nicht. Doch sie hätte eben auch nicht lügen dürfen, als die Polizei vor ihrer Tür stand.

Pia L., Hausfrau und Hartz-IV-Bezieherin, muss nun eine Geldstrafe zahlen: 1.200 Euro verhängte der Richter.




Macheten-Mann niedergestreckt: Verfahren eingestellt

von Andreas Milk
Vorsichtig ausgedrückt: Das Verhältnis zwischen zwei Nachbarn in der Nähe des Nordbergstadions ist nicht gerade von Harmonie geprägt. Am Abend des 8. Mai 2021 gab es wieder einmal Streit. Er führte zu einem Strafprozess vor dem Kamener Amtsgericht.

Auf der Anklagebank saß Tobias D. (54, alle Namen geändert). Der Vorwurf: Körperverletzung. D. war an jenem Abend zum Fußballgucken bei seinem Schwager Klaus M. Dass der öfter mal Probleme mit dem Nachbarn Thorsten K. hatte, wusste er. Und so gab es auch an diesem Maiabend Knatsch. Per Handy und Facebook-Messenger sollen Beschimpfungen losgelassen worden sein. Im Detail wurde das letztlich nicht geklärt – fest steht: Thorsten K. tauchte plötzlich bei den Fußballguckern auf, mit einer Machete in der Hand. Bei Tobias D. muss in dem Moment die berühmte Sicherung durchgebrannt sein: Er verpasste dem Macheten-Mann einen Kinnhaken; später – Thorsten K. lag da schon am Boden – soll D. ihm noch einen Tritt in die Rippen gegeben haben. „Ich habe nur meine Familie beschützen wollen“, erinnerte sich Tobias D. vor Gericht, sichtlich bewegt und den Tränen nah. Ein Alptraum sei das gewesen. „Ich habe den Tod vor Augen gehabt“ – und psychologische Hilfe in Anspruch nehmen müssen.

Machetenbesitzer Thorsten K. wiederum war fünf Wochen krank geschrieben, trug nach eigenen Angaben einen Tinnitus davon. Er habe die Machete bei sich gehabt, weil er sich mehreren Gegnern gegenüber wähnte – was nicht der Fall war, denn bei seinen vermeintlichen Widersachern war das Interesse am Fußball eigentlich größer als das Interesse an ihm. „Wir sind uns einig: Is‘ scheiße gelaufen“, fasste der Richter zusammen. Wenigstens die Partnerinnen der zerstrittenen Männer blieben ruhig, versuchten zu deeskalieren.

Mittlerweile sei die Stimmung ganz okay, erklärte Thorsten K. Strafrechtlich ist die Sache nun unkompliziert beendet worden: Das Verfahren gegen Tobias D. wurde eingestellt. Die Kosten trägt das Land.

 




Busfahrerin im R11 beleidigt: Vier Monate Haft

von Andreas Milk
Wegen Beleidigung einer Busfahrerin soll der 46-jährige Bergkamener Kemal B. (alle Namen geändert) vier Monate in Haft. Das hat ein Strafrichter am Amtsgericht Kamen entschieden. B., der zur Tatzeit unter Bewährung stand, hatte den Anklagevorwurf bestritten – und sogar erklärt, es sei die Busfahrerin, die angeklagt gehöre.

Es ging um einen Vorfall am 6. Oktober 2021 auf der Linie R11 von Bergkamen-Oberaden nach Lünen. Hinterm Steuer saß Serap K., und sie hatte an diesem Tag ein paar Minuten Verspätung. Das störte Kemal B.; er sprach sie darauf an, fragte nach dem Grund. Sie habe aggressiv reagiert, behauptet Kemal B. Er selbst sei ein ruhiger Mensch. Andere zu beleidigen, sei überhaupt nicht sein Stil.

Aber sowohl Busfahrerin Serap K. als auch eine Rentnerin, die im Bus war, sagten da etwas völlig anderes. Serap K. erinnerte sich, dass Kemal B. nach dem Einsteigen an der Cheruskerstraße wieder und wieder auf sie eingeredet habe, laut und pampig geworden sei. Als arrogant habe er sie beschimpft, weil sie nicht auf ihn eingegangen sei, sondern sich eben auf das Fahren konzentriert habe. Vor allem aber habe er sie mit seinen Worten „unter der Gürtellinie“ getroffen – indem er zum Beispiel sagte, sie müsse „durchgevögelt werden“, um wieder zu wissen, wo es lang gehe. Viele seiner Pöbeleien seien auf Türkisch gekommen. Er sei sich wohl nicht bewusst gewesen, dass das auch ihre Muttersprache sei. Deutsche Flüche waren aber auch zu hören – was die Rentnerin bestätigte: Allein das Wort „Fotze“ sei vier, fünf Mal gefallen. Serap K. sei ruhig geblieben. Und auch auf das Verhalten der übrigen Fahrgäste darf die VKU ein bisschen stolz sein: Nachdem Serap K. die Polizei gerufen und zur nächsten Haltestelle gebeten hatte, machten die Leute im Bus dort nicht etwa von der Möglichkeit umzusteigen Gebrauch, sondern stärkten „ihrer“ Fahrerin den Rücken – sie blieben. Serap K.: „Sie haben mich nicht allein gelassen.“ Ein Fahrgast rief noch einen mitfahrenden Jungen zu sich, damit der vor dem pöbelnden Kemal B. geschützt sei.

B. ist nach den Worten des Richters „vorbestraft bis zur Unkenntlichkeit“: 37 Einträge seit 1997. Schwerpunkt: Betrug und Diebstahl. Gegen die vier Monate Haft kann B. nun Berufung einlegen. Dann muss das Landgericht Dortmund entscheiden. Freigesprochen wurde er übrigens von einem zweiten Vorwurf: Er soll ohne Ticket mit dem Zug von Bielefeld nach Minden gefahren sein. Aber die Schaffnerin konnte sich vor Gericht nicht konkret an ihn erinnern. Angeblich hatte kurz vorher jemand seine Krankenversichertenkarte gestohlen und könnte sie bei der Kontrolle im Zug als Ausweis missbraucht haben.




Schlag vors Kinn als Antwort auf Hup-Aktion: Geldstrafe für Rentner

von Andreas Milk

Hat der 56-jährige Bergkamener Rentner Erkan M. (Namen geändert) dem 24-jährigen Azubi Patrick G. aus Dortmund eine gelangt? Oder hatte der junge Mann am Nachmittag des 4. Februar auf der Schulstraße einen Anderen vor sich? Letztlich dürfte die Frage nun beim Landgericht Dortmund landen. Der Amtsrichter in Kamen verurteilte Erkan M. zwar wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 600 Euro und einem viermonatigen Fahrverbot. Doch M.s Verteidiger hatte auf Freispruch plädiert: Sein Mandant sei nicht der Täter gewesen. Eine Berufung am Landgericht ist also höchst wahrscheinlich.

Die Ausgangslage: An jenem Februarnachmittag war Azubi Patrick G. mit seinem Wagen auf dem Heimweg. Das Auto von Erkan M. kam vor ihm aus der Ausfahrt einer Tankstelle – nach G.s Einschätzung etwas zu abrupt. G. hupte. Daraufhin soll Erkan M. seinen grünen Opel Astra verlassen haben, zu G. gegangen sein und ihm durchs geöffnete Fenster einen Schlag gegen das Kinn versetzt haben. Patrick G.s Lippe begann zu bluten – nicht dramatisch, aber: „Ich stand sehr unter Schock.“

Und nun wird es kompliziert. Denn Erkan M. sagt: „Ich kenne den Mann gar nicht.“ Sein grüner Astra habe damals zum Verkauf gestanden, einige Interessenten hätten Probefahrten gemacht, wahrscheinlich sei es einer von denen gewesen, der Patrick G. geschlagen habe. Der Richter wollte wissen, warum M. das denn nicht schon früher bei der Polizei im Ermittlungsverfahren angegeben habe. Leider habe er eine Frist verpasst, erwiderte Erkan M. – danach sei die Angelegenheit schon zur Staatsanwaltschaft gegangen.

Mit absoluter Sicherheit erkenne er Erkan M. nicht als den Schläger wieder, gab Patrick G. zu. Aber: Die Größe, die Statur, der Akzent, die Haarform – das komme schon hin. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft war sogar überzeugt von M.s Schuld. Der Autoverkauf und die Probefahrten seien wohl eine Schutzbehauptung. Deshalb: Verurteilung. M.s Anwalt sagte, er glaube an den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“. Deshalb: Freispruch. Es gebe deutliche Abweichungen zwischen den Angaben von Patrick G. damals bei der Polizei und seinen Erinnerungen im Gerichtssaal.
Erkan M. als Angeklagter hatte das letzte Wort vor der Urteilsfindung – und wurde plötzlich aufbrausend: Ob er bestraft werden solle, weil er Erkan heiße und nicht Erich? „Ich rede besser deutsch als der junge Mann. Der lügt von vorn bis hinten!“ Gerade auch dieser Ausbruch zum Schluss ließ dem Richter einen Ausraster M.s im Straßenverkehr gar nicht mal so unwahrscheinlich vorkommen. Und: Seit 2019 hatte Erkan M. schon fünf Punkte in Flensburg gesammelt.




5.000 Euro statt 5 Euro: Strafe für „Hure“ und fliegendes Teeglas vertausendfacht

von Andreas Milk
5 Euro hätte er ursprünglich noch zahlen sollen für den Ausraster gegenüber einer Nachbarin in Bergkamen-Oberaden. Jetzt ist das Tausendfache draus geworden – ein Strafbefehl in dieser Höhe ist vor dem Kamener Amtsgericht gegen Sedat F. (Name geändert) ergangen.

F. soll die Nachbarin wüst beschimpft haben: „Verpiss dich, du alte Hure“ – diese Worte fielen laut Anklage der Staatsanwaltschaft. Außerdem habe er von seinem Balkon aus ein Teeglas nach der Frau geworfen. Dabei zielte er eher mittelmäßig. Das Glas blieb in einem Baum hängen – die Frau blieb unverletzt. Ihr Sohn schritt ein. Es kam zur Strafanzeige gegen Sedat F..

Die unschöne Geschichte beschäftigt die Justiz inzwischen rund zwei Jahre. Es wurde ein – erster – Strafbefehl erlassen über 750 Euro. Sedat F. begann, die Summe häppchenweise zu bezahlen – stoppte aber bei 745 Euro, ganz knapp vor dem Ziel. Folge der 5-Euro-Zahlungslücke war ein weiterer Termin vor Gericht. Der Richter schlug eine Verfahrenseinstellung vor – eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft, noch in der Ausbildung, ließ sich nicht darauf ein. Es erging ein weiterer Strafbefehl: 100 Tagessätze zu 50 Euro, 5.000 Euro also unterm Strich.

Diesen Strafbefehl bekam Sedat F. – der wieder mal nicht zum Gerichtstermin erschienen war – per Post zugestellt. Wie es sein gutes Recht ist, legte er Einspruch ein. Darüber sollte nun diese Woche im Gerichtssaal verhandelt werden. Wer erneut nicht kam, war Sedat F. – das Ergebnis: Einspruch verworfen, F. muss die 5.000 Euro zahlen.




„Angst um sein Leben“: Prozess nach Polizeieinsatz

von Andreas Milk
Ist der Bergkamener Boris K. (32, Name geändert) im März dieses Jahres auf dem Parkplatz am Haldenweg letztlich ohne triftigen Grund von Polizeibeamten angegangen worden – oder hatten sie völlig zu Recht eine Trunkenheitsfahrt verhindert und wurden dafür von K. attackiert? – Diese Frage hat das Amtsgericht in Kamen zu klären. K. ist wegen Trunkenheit im Verkehr und Widerstandes angeklagt. Beim Prozessauftakt gab es einen Eklat zwischen Verteidiger und Staatsanwalt: K.s Anwalt äußerte Zweifel an der Neutralität des Anklagevertreters. Der solle doch lieber mit seinem Vorgesetzten darüber reden, sich austauschen zu lassen.

Die Anklage geht von folgendem aus: Der betrunkene K. sei mit seinem Motorrad gestürzt. Als die Polizei ihn zu fassen versuchte, habe er einen Fluchtversuch gemacht. Dabei biss er einem Beamten heftig in den Finger; eine Kollegin erlitt Schürfwunden am Arm.

K.s Verteidiger legte dar, was aus seiner Sicht im Prozess bewiesen werden soll: Dass sein Mandant zwar die betreffende Person gewesen sei, das Motorrad aber nicht gefahren, sondern geschoben habe. Dabei sei er gestürzt – nicht der Trunkenheit, sondern örtlicher Gegebenheiten wegen. Die beiden Polizisten hätten ihn am Boden fixiert, durch ihre Knie im Rücken und im Halsbereich von Boris K. – weshalb der „Angst um sein Leben“ bekommen, ja sich sogar eingekotet – und sich eben in seiner Panik mit allen Mitteln gewehrt habe.

Was den Verteidiger nun mit Blick auf den Staatsanwalt so in Rage brachte: Der Staatsanwalt hatte geschildert, was seiner Einschätzung nach drohen könnte, falls K. bei der Notwehr-Version bleibe und kein Geständnis ablege. Und zwar: Haft – ohne Bewährung. Mit Geständnis käme dagegen eine Bewährungschance in Frage. Das ließ K.s Verteidiger mutmaßen, sein Kollege von der Gegenseite sei voreingenommen und unterstelle von vornherein, dass Polizisten stets korrekt handelten und die Wahrheit sagten.

Im Januar wird weiter verhandelt. Zu dem Fortsetzungstermin soll – auf Antrag des Verteidigers – ein Zeuge bestätigen, dass Boris K. nicht auf dem Motorrad gefahren ist. Diesen Zeugen hatte Boris K. selbst benannt. Und sein Anwalt betonte: Er würde sein Mandat nicht ausüben, wenn er den Eindruck hätte, dass K. jemanden dazu bringen wolle, für ihn zu lügen.

 




Arzt belästigt Azubis: Urteil aus 2020 rechtskräftig

von Andreas Milk
Im August vorigen Jahres hatte das Amtsgericht in Kamen einen Bergkamener Arzt wegen sexueller Belästigung seiner weiblichen Auszubildenden verurteilt: Acht Monate Haft auf Bewährung, dazu die Zahlung von je 3.000 Euro an die betroffenen beiden Frauen und 2.000 Euro an die Justizkasse. Der Arzt legte Berufung ein. Heute, knapp 16 Monate danach, verhandelte das Landgericht Dortmund darüber. Der Prozesstag endete mit einer Überraschung: Nach weitschweifigen Erklärungsversuchen des Mediziners und einer Reihe von Beweisanträgen seiner Anwältin ließ er die Verteidigerin erklären, er nehme die Berufung zurück. Damit ist das Kamener Urteil rechtskräftig.

Dass der Arzt sich zum Rückzug durchrang, hat mutmaßlich mit seiner Approbation zu tun. Der Vorsitzende Richter in Dortmund hatte ihn darauf hingewiesen, im Kamener Urteil stehe nichts, was darauf schließen lasse, dass von den Vorgängen in seiner Praxis das Verhältnis zwischen ihm und seinen Patienten berührt gewesen wäre. Genau dies könnte sich aber nach tiefer gehender Beweisführung im Dortmunder Gerichtssaal ändern. Mögliche Konsequenz: Aberkennung der Zulassung als Arzt.

Die Strategie des Mediziners für den Berufungsprozess war klar: Er wollte darlegen, dass nicht er die jungen Frauen belästigt hatte – sondern vielmehr sie ihn nicht in Ruhe ließen. „Ich bin ja auch bloß ein Mann… ein Mensch.“ Die Rede war davon, eine habe sich „auf meinen Schoß geschmissen“, mit Männergeschichten geprahlt, ihm ein Buch mit Liebesgedichten geschenkt, mit dem Freund einer Kollegin gechlafen – und, und, und. Unwahre Aussagen über ihn hätten sie abgesprochen. Wenn etwas zwischen ihm und seinen Azubis passiert sei, dann sei es einvernehmlich passiert, behauptete er.

Es war also etwas passiert – und der Richter in Kamen war seinerzeit zu der Überzeugung gekommen: gegen den Willen der Frauen. Die hatten von aufgedrängten Berührungen, Küssen, von Griffen ans Gesäß und an die Brust erzählt. Schon bei Abschluss des Ausbildungsvertrages habe es einen Kuss auf die Wange gegeben, schilderte eine – „da habe ich mir noch nichts bei gedacht“. Belästigungen seien später Teil ihres Praxisalltags gewesen. „Manchmal habe ich mich dann vorne hingesetzt und geweint.“

In der Dortmunder Berufungsverhandlung brauchten die früheren Azubis nicht mehr auszusagen. Die Erleichterung war groß, als der Richter sie hereinrufen ließ und ihnen mitteilte, dass der Ex-Chef das erstinstanzliche Urteil nun doch akzeptiere.

Hinfällig waren damit auch die Beweisanträge der Verteidigerin: Sie wollte unter anderem eine DNA-Analyse an dem Band mit den Liebesgedichten vornehmen lassen, als Nachweis, dass eine der Frauen es in der Hand gehabt hatte.

 




77 Tage für Amazon gefahren – aber ohne Führerschein

von Andreas Milk
Sein Job als Auslieferer für Amazon hat dem 24-jährigen Bergkamener Adil M. (Name geändert) eine Art Rekord-Anklage vor dem Kamener Amtsgericht eingebracht: 77 Fälle von Fahren ohne Führerschein hatte die Staatsanwaltschaft aufgelistet. Diese Liste ergab sich aus Amazons Dienstplan für die Monate Oktober 2020 bis Januar 2021. In dieser Zeit war M. für den Online-Riesen im nördlichen Kreisgebiet regelmäßig unterwegs – ohne dass er hätte fahren dürfen.

Zwar besaß M. einen Führerschein seines Heimatlandes Syrien und hatte diesen Führerschein sogar durch den Erwerb eines internationalen Führerscheins ergänzt – in dem Glauben, damit kriege er auf deutschen Straßen kein Problem. Das war ein Irrtum. Schon im Sommer 2020 belehrte ihn die Polizei über die Nicht-Gültigkeit der Papiere; Anlass war eine Fahrerflucht, die M. nach einem Unfall begangen hatte. Dass er trotzdem später den Job bei Amazon annahm, lag schlicht daran, dass er keine andere Möglichkeit sah, Geld zu verdienen.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragte eine Haftstrafe auf Bewährung. Der Richter beließ es bei einer Geldstrafe – allerdings einer happigen: 200 Tagessätze à 15 Euro, 3.000 Euro also unterm Strich. Er berücksichtigte in seinem Urteil zu M.s Gunsten, dass M. beim Auffliegen seiner Schwarzfahrten für Amazon noch keine Verurteilung für die Unfallflucht vom Sommer des Vorjahres bekommen hatte. Neben der Geldstrafe wurde eine Sperre von einem Jahr für die Ausstellung eines Führerscheins verhängt.

 




Mieses Betriebsklima: Faustschlag gegen Kollegen – 6.000 Euro Strafe

von Andreas Milk
Das Betriebsklima war mies in einer Bergkamener Lackierwerkstatt am 29. März dieses Jahres, kurz nach der Frühstückspause. So mies, dass vor dem Amtsgericht Kamen jetzt der 40-jährige Igor K. (Name geändert) wegen Körperverletzung angeklagt war. Es ging konkret um einen Faustschlag mit weitreichenden Konsequenzen.

Diesen Schlag hatte an jenem März-Tag ein Kollege abbekommen – und zwar wohl vollkommen unerwartet. Die beiden Männer hatten kurz vorher gestritten; eigentlich schien die Sache ausgestanden. Aber dann soll K. seinen Widersacher, der auf einem niedrigen Hocker saß, plötzlich doch noch von der Seite attackiert haben.

K. gab das vor Gericht auch zu: Er habe den Kollegen erst geschubst und dann geschlagen. Alles sei schnell gegangen, er habe nicht groß nachgedacht. Noch am selben Tag habe er sich entschuldigt. Der geschlagene Kollege erinnerte sich auf dem Zeugenstuhl, ihm sei damals plötzlich schwarz vor Augen geworden. Beim Arzt zeigte sich später: Ein kleiner Knochen hinterm Auge war gebrochen. Die Folge: Der Mann sieht doppelt, wenn er nach unten schaut. Das Risiko einer Operation möchte er lieber nicht eingehen. Per Anwalt versucht er, von Igor K. Schmerzensgeld zu bekommen.

Strafrechtlich wird die Körperverletzung nun mit einer hohen Geldstrafe geahndet: 150 Tagessätze à 40 Tagessätze muss Igor K. an die Justizkasse zahlen.