Respekt vor roter Karte: Ex-Schiri dankbar für Strafurteil nach Unfallflucht

von Andreas Milk
Manfred H. (Name geändert) ist 81 Jahre alt, Bergmann im Ruhestand, sein Vorstrafenregister ist so leer wie sein Flensburger Punktekonto. Zum ersten Mal saß er jetzt auf der Anklagebank: Es ging um Unfallflucht, begangen am 28. September in Bergkamen auf der Heinrich-Mann-Straße. Wobei „Unfall“ fast schon übertrieben ist. H. hatte beim Losfahren nicht gemerkt, dass die hintere rechte Tür seines VW noch geöffnet war. Sie schlug gegen ein geparktes Auto. H.s Frau stieg aus und schloss sie. Das Ehepaar fuhr weiter.

Das Blöde war: Die Tür hatte an dem Nachbarauto einen Schaden von rund anderthalbtausend Euro angerichtet. Möglich, dass das nicht so ohne weiteres zu erkennen war – aber was das Entfernen vom Unfallort angeht, ist der Gesetzgeber nun mal pingelig. Sprich: Manfred H. hätte bleiben, abwarten und notfalls die Polizei informieren müssen.
Dass er es nicht tat, löste einen Strafbefehl aus: 1500 Euro Geldstrafe für die Unfallflucht, 35 Euro Buße für den Unfall als solchen (kann passieren und ist eben keine Straftat) – und sechs Monate ohne Führerschein.

Diese sechs Monate waren es, die H. am meisten zusetzten: Er legte Einspruch ein. Dem Richter machten er und sein Verteidiger die schwierige Situation deutlich: Seine Frau sitze nur äußerst ungern am Steuer, er selbst sei körperlich schwer beeinträchtigt und aufs Auto angewiesen – „wenn ich keinen Wagen habe, hab‘ ich keine Beine mehr“. Der Richter in Kamen hatte Verständnis: die sechs Monate Fahrverbot halbierte er auf drei, und die sind inzwischen rum. H. durfte seinen Führerschein wieder an sich nehmen. Für das Urteil bedankte er sich. Als früherer Fußballschiri respektiere H. rote Karten, hatte schon sein Anwalt im Plädoyer angemerkt.




Girokarte abgefischt: Haft auf Bewährung

von Andreas Milk
Es war ein ausgesprochen kurzer Prozess nach einer langen Vorgeschichte: Gut eine Viertelstunde beschäftigte der Fall des Bergkameners Alexander H. (Name geändert) an diesem Freitag den Strafrichter in Kamen. Denn H. gab zu, dass er Mist gebaut hatte, und akzeptierte nun doch einen schon früher ergangenen Strafbefehl. Das heißt für ihn: ein Jahr Haft auf Bewährung.

Im August und September 2020 hatte H. laut Akte mehrfach Geldbeträge an Automaten abgehoben oder es zumindest versucht – mit einer Girokarte, die ihm nicht gehörte und die er entweder aus der Post gefischt oder aus der Wohnung des rechtmäßigen Besitzers gestohlen haben muss. Das Gleiche gilt für den separaten Brief mit der PIN. Fünf Mal ging H. mit der Karte los: In Lünen zog er insgesamt mehr als 2.000 Euro; ein Versuch, dort weitere 2.000 Euro abzuheben, scheiterte, ebenso seine Abhebeversuche in Kamen (1.000 Euro) und Werne (1.000 Euro). Überwachungskameras dokumentierten die Taten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass H. gewerbsmäßig handelte – also kein Gelegenheitsbetrüger war, sondern von seinem kriminellen Tun seinen Lebensunterhalt bestreiten wollte.

Die letzten paar Wochen – seit Ende Februar – hat Alexander H. in einer JVA verbracht: Einen Gerichtstermin Anfang Januar hatte er ignoriert, Folgen waren der Erlass eines Haftbefehls und schließlich H.s Festnahme. Zurück ins Gefängnis musste er jetzt nach dem neuen Gerichtstermin nicht. Und wenn er sich in nächster Zeit nichts mehr zuschulden kommen lässt, bleibt die einjährige Haftstrafe ihm erspart. Als Bewährungsauflage hat er allerdings 120 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten.




Angetrunken Strommast geschrottet: Geldstrafe

von Andreas Milk
Ein Sekundenschlaf von Sedat K. (Name geändert) am 3. Oktober 2021 auf der Buckenstraße führte zur Schrottung eines Strommasten der Gemeinschaftsstadtwerke: 11.145 Euro und 68 Cent sollten die GSW später für die Wiederherstellung abrechnen. Das Wichtigste aber: Niemand wurde bei dem Unfall verletzt. Darüber war K. sichtlich froh. Und: „Ich kann mich nur entschuldigen“, sagte er jetzt vor dem Kamener Strafrichter.

Da saß er, angeklagt wegen Trunkenheit im Verkehr und wegen Verkehrsgefährdung. 0,71 Promille – so lautete seinerzeit das Ergebnis seiner Blutprobe. K. sagt, er sei von einer Geburtstagsfeier in einer Dortmunder Kleingartenanlage gekommen. Auf gerader Strecke rauschte er im familieneigenen Mercedes in den Grünstreifen und in den Mast. Der war danach „unbrauchbar zerstört“, heißt es in der Akte der Staatsanwaltschaft. Und der Mercedes war auch ziemlich lädiert. „Ich dachte, ich bin gestorben“, gab K. seine Erinnerung an den Moment nach dem großen Crash wieder.

„Nie wieder“ werde so etwas passieren, versprach er. 2017 war er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Sonst hat der 50-Jährige keine Vorbelastungen. Der Richter verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 15 Euro. Dazu kommt eine 18-monatige Führerscheinsperre.




„Sch***-Ausländer“: Geldbuße für Ausraster im Zorn

von Andreas Milk
Der Bergkamener Martin M. (61, Name geändert) scheint ein ganz angenehmer Mensch zu sein. Sein Auftreten vor dem Kamener Amtsrichter lässt sich als freundlich beschreiben. Aber: „Scheiß-Ausländer“ soll er einen Mann genannt haben, der als Gärtner auf dem Grundstück des Mietshauses an der Finkenstraße arbeitete, wo Martin M. lebt. M. soll den Gärtner auch aufgefordert haben, sich aus Deutschland „zu verpissen“. Folge dieses Vorfalls am 18. August 2021: Es erging ein Strafbefehl. Gegen den legte M. Einspruch ein. Denn er – arbeitslos, Hartz-IV-Bezieher – sollte eine Summe zahlen, die ihm zu hoch erschien.

„So bin ich nicht“, kommentierte er jetzt das Geschehen an jenem ausgesprochen hitzigen Bergkamener Sommertag. Im Zorn sei er ausgerastet – und zwar im Zorn darüber, dass nach einem Eigentümerwechsel allerhand schief gelaufen sei in dem Mehrfamilienhaus. Das schließe den beschimpften Gärtner ein: Der habe seinen Job einfach nicht richtig gemacht. „Die Grünanlagen sahen schrecklich aus.“ Mit Ausländern generell habe er – M.- dagegen keinerlei Probleme, versicherte der Angeklagte. Sein Verhältnis zu Nachbarn aus anderen Ländern sei stets gut gewesen, er reise viel herum, ja, er habe sogar Aleppo-Seife gekauft, um Syrer zu unterstützen.

Das Resultat der Gerichtsverhandlung: Martin M. muss keine allzu hohe Geldstrafe mehr zahlen – sondern eine moderate Geldbuße: 180 Euro in sechs Monatsraten – und dieses Geld kriegt nicht der Staat, sondern es fließt an das Lebenszentrum in Unna-Königsborn.




Ich und kein Holz: Prozess um 31 Kubikmeter Buche

von Andreas Milk
„Ich und mein Holz“ – ein beliebtes Partylied. Und eine schöne Überschrift für einen Termin vor dem Kamener Amtsgericht. „Ich und kein Holz“ würde sogar noch besser passen. Denn das Holz, das der Bergkamener Murat T. (34, Name geändert) für rund 21.400 Euro verkauft hatte, kam nie beim Kunden an. Was aber wohl nicht an T. lag.

Zurück zum Anfang. Im Mai 2021 verkaufte T. via Internet 31 Kubikmeter Buchenschnittholz an einen Mann aus Bayern. Mit Holzhandel war gutes Geld zu verdienen, erinnerte sich T. vor Gericht. Und er konnte auch nachweisen, dass er schon reibungslos Verkäufe zur allseitigen Zufriedenheit abgewickelt hatte. Bloß mit dem Holz für den bayerischen Abnehmer gab es Schwierigkeiten. Die Lieferung sollte aus der Türkei kommen – kam aber nicht. 16.000 Euro waren als Anzahlung auf ein türkisches Konto geflossen. Als die Ware ausblieb, wurde der Mann aus Bayern zunehmend sauer. Das ließ er Murat T. und die türkische Lieferfirma wissen. Das Ganze platzte: Als das Holz endlich in Richtung Deutschland rollte, hatte der Mann den Kauf schon storniert.

Nicht nur der Bayer fühlte sich jetzt angeschmiert. Auch Murat T. war enttäuscht: Er ging frustriert zur Bergkamener Verwaltung und meldete sein Gewerbe wieder ab. „Betrüger haben mich beklaut“, schrieb er aufs Formular.

Dass er selbst den Bayern betrügen wollte, glaubten Staatsanwalt und Richter am Ende nicht mehr: Murat T. wurde freigesprochen. Es war womöglich einfach der Zusammenprall zweier Mentalitäten schuld: Ein – zufriedener – Kunde T.s jedenfalls, etwas versierter im Holzgeschäft, wusste aus Erfahrung, dass man türkische Lieferanten nicht drängen dürfe, die würden sonst schnell zickig. „Bayerische Maßstäbe“ in puncto prompte Belieferung müsse man da einfach mal beiseite schieben.




Erst verunglückt – dann versichert: Prozess um Betrug

von Andreas Milk
Der Mann, der wohl sehr viel dringender auf die Anklagebank gehört hätte, fehlte: ein Vermögensberater, der dem gelernten Bergkamener Garten- und Landschaftsbauer Ramazan M. (45, Name geändert) eine Unfallversicherung vermittelt hatte – und zwar nach (!) einem schweren Unfall. Nun saß Ramazan M. allein da; der Versicherungsmakler hatte die Ladung des Amtsgerichts Kamen ignoriert.

Anfang Januar 2020 stürzte Ramazan M. beim Säubern einer Dachrinne ab. Er erlitt üble Verletzungen, hat eine Vielzahl von Krankenhausaufenthalten, Operationen und Therapien hinter sich. Im Krankenzimmer unterschrieb er am 12. Januar 2020 den Versicherungsantrag. Da war der Unfall schon rund eine Woche her. Der Antrag trug das Datum: 1. Januar.

Dass das Formular in der EDV der Versicherung erst am 12. Januar erzeugt wurde, steht fest. Es lässt sich laut Angabe eines Mitarbeiters aus der IT-Abteilung klar belegen. Eine weitere Merkwürdigkeit: Eingereicht wurde der Schaden – also der Absturz am Dach – erst im Spätsommer 2020, etwa acht Monate danach. 23.360 Euro wurden ausgezahlt.

Nach umfangreicher Beweisaufnahme deutet sich an, dass ein dubioser Versicherungsmakler ein krummes Ding abgezogen hat. Ramazan M. versicherte glaubhaft, er habe zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht viel von der Welt mitbekommen: Starke Schmerzen, starke Schmerzmittel inklusive Morphin, da könne es gut sein, dass er etwas unterschrieben habe, ohne zu begreifen, was. Und seine Frau, die damals mit dem Makler in Kontakt stand, spricht kein Deutsch. Drum war sie auch kaum in der Lage zu verstehen, was Gegenstand des Versicherungsvertrags gewesen sein könnte. Der Makler kassierte von ihr laut Ramazan M. 3.500 Euro Gebühr.

Von den erhaltenen 23.360 Euro zahlte das Ehepaar M. schon rund die Hälfte zurück, der Rest wird in Monatsraten abgestottert. Im April gibt es nun einen neuen Gerichtstermin. Bis dahin soll die Polizei einen WhatsApp-Chatverlauf zwischen Ramazan M. und dem Makler gesichert haben. Und besagter Makler soll als Mitangeklagter neben M. Platz nehmen: Der Richter lässt ihn polizeilich vorführen.




Zugedröhnt über die A2: Geldstrafe

von Andreas Milk
Der Fahrstil von Anna D. (45, Name geändert) am Abend des 25. Juli 2020 auf der A2 war auffällig: Schlangenlinien, dazu abruptes Bremsen und Beschleunigen. An der Abfahrt Kamen/Bergkamen machte die Autobahnpolizei dem Ganzen ein Ende. Und abgeschlossen ist die Sache nun auch juristisch: Anna D. wurde vor dem Kamener Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 1.500 Euro verurteilt. Sie akzeptierte.

Angehende Krankenschwester sei sie, hatte sie dem Richter erzählt. Gegenüber der Polizei, so erinnerte sich jetzt eine Beamtin im Zeugenstand, habe sie als Beruf „Prostituierte“ angegeben. Die Erklärung für die riskanten Fahrmanöver: Cannabis und Kokain – beides wurde per Blutprobe nachgewiesen. „Wir hatten Sorge, dass sie uns in den Streifenwagen fährt“, berichtete die Polizistin. Auf dem Pendlerparkplatz an der Lünener Straße machte Anna D.s Wagen ein letztes Mal einen Satz nach vorn – dann hatte sie den Motor abgewürgt. Über rund fünf Kilometer hatte die Polizei sie vorher verfolgt, sich schließlich vor sie gesetzt und zum Anhalten gebracht. „Gottseidank“, sagte Anna D., froh, dass niemand zu Schaden kam. Schon bei Rheda-Wiedenbrück soll sie an jenem Abend einem anderen Autofahrer aufgefallen sein.

Was unklar bleibt: Wozu hatte Anna D. einen Karton voller Flügelkanülen im Auto? Diese Kanülen kommen in der Medizin zum Einsatz, sollen aber auch bei bestimmten sexuellen Dienstleistungen eine Rolle spielen.




Vor Gericht blau gemacht: Haftbefehl statt Polizei-Taxi

von Andreas Milk
Wegen Fahrens ohne Führerschein, dazu noch unter Drogeneinfluss, sollte an diesem Freitag gegen einen Bergkamener vor dem Amtsgericht Kamen verhandelt werden. Zwei Anklagen lagen vor. Aber: „Es scheint ihn nicht zu interessieren“, stellte der Richter fest. Der Mann aus Bergkamen, mehrfach vorbestraft, fehlte. Und auch sein Verteidiger war nicht zu sehen: Er hatte das Gericht vor dem Termin wissen lassen, schon eine Weile keinen Kontakt mehr zu seinem Mandanten zu haben.

Richter, Protokollführerin, eine wissbegierige Praktikantin, ein Referendar von der Staatsanwaltschaft Dortmund: Alle waren da, und es war der einzige Strafprozesstermin des Vormittags. Angeklagte können zwar durchaus auch in Abwesenheit zu Geldstrafen oder bis zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt werden. Hier allerdings war etwas mehr zu erwarten. Deshalb kam der Erlass eines solchen Strafbefehls nach Aktenlage nicht in Frage.
Also griff der Richter zum Telefon und bat die Polizei um Hilfe: Die möge doch bitte zur Wohnung des Mannes fahren und ihn nach Kamen bringen, wenn es sein müsse, auch mit Gewalt: Keine Einladung wurde hier ausgesprochen, sondern ausdrücklich ein Vorführbefehl. Die Polizei fuhr los. Die Verfahrensbeteiligten im Saal machten Pause.

Die Rückmeldung aus Bergkamen war schließlich enttäuschend: Kein Angeklagter aufzutreiben – nur Angehörige, die den Beamten überrascht versicherten, ihrer Kenntnis nach sei doch der Gesuchte zum Kamener Amtsgericht gefahren…?

Schließlich erließ der Richter gegen den Bergkamener einen Haftbefehl. Sollte die Polizei ihn also zu Gesicht bekommen, würde er in eine JVA gebracht – und müsste dort sehr wahrscheinlich bis zum nächsten Verhandlungstermin „sitzen“.




Prügel für die „Ex“: Zehn Monate Haft

von Andreas Milk
Sie wollte sich von ihm trennen – er war damit nicht einverstanden. Das Ende einer Beziehung beschäftigte den Kamener Strafrichter. Konkreter Auslöser: Das, was am Nachmittag des 30. Juli 2021 in einer Wohnung in Oberaden passiert war.

Diese Wohnung gehört der 40-jährigen Susanne M. (Namen geändert). Als sie an jenem Tag nach Hause kam, saß ihr Exfreund Simon T. (36) auf der Treppe, betrunken, weinend. Er tat ihr leid; sie nahm ihn mit rein. Es gab Streit. In dessen Verlauf wurde Simon T. beleidigend („blödes Dreckstück“, „Crackhure“) und brutal. Er würgte Susanne M., versetzte ihr einen Kopfstoß. „Ich war komplett geschockt“, sagte die Frau dem Richter. Im Krankenhaus wurden ihre Verletzungen behandelt. Sie erstattete Anzeige. Später kamen die beiden wieder zusammen. Seit zwei Monaten ist wieder Schluss, diesmal wohl endgültig: Simon T. brauche Hilfe, sie verzeihe ihm, aber eine Beziehung mit ihm wolle sie nicht mehr.

Simon T. gab die Vorwürfe zu, beschönigte nichts, bat die Ex um Entschuldigung. Jägermeister und Bier habe er damals intus gehabt, obwohl er sonst nicht trinke. Nicht mehr, um genau zu sein: Es gab/gibt ein Alkoholproblem. Dazu kommen eine Intelligenzminderung und ADHS. Simon T. kann nicht lesen und nicht schreiben. In seinem Vorstrafenregister stehen sechs Eintragungen, auch wegen Körperverletzung. Zum Zeitpunkt der Attacke auf Susanne M. liefen drei Bewährungen.

Und obwohl eine Langzeittherapie eingestielt ist und Ende April in einer Bochumer Fachklinik beginnen soll: Eine neue Bewährungschance wollte der Richter T. nicht zugestehen. Er verurteilte ihn zu zehn Monaten Haft wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung. Zwar habe der Angeklagte sich vor Gericht freundlich und einsichtig gezeigt, doch müsse man das „Gesamtpaket“ sehen. Für eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung sei zu viel passiert. Ohne T.s Reue und eine verminderte Schuldfähigkeit wäre die Strafe höher ausgefallen: ein Jahr plus x.

Gegen die zehnmonatige Haft hat T.s Anwalt sofort Berufung eingelegt. Der Fall kommt also vors Landgericht. Möglich, dass die Richter dort sich von der Therapie beeindrucken lassen – sofern die bis zum nächsten Verhandlungstermin tatsächlich begonnen hat.

 




Zu günstig „eingekauft“: Geldstrafen nach Trickserei bei Ikea

von Andreas Milk
Günstig einkaufen – eine feine Sache. Aber wer es übertreibt, kann auch mal vorm Strafrichter landen. Schon mehrfach wurden am Amtsgericht in Kamen Leute verurteilt, die bei Ikea die SB-Kasse austricksen wollten. Jetzt war es wieder so weit – und ein als Zeuge geladener Ladendetektiv erklärte: Etwas derart Dreistes habe er noch nicht im (ehemals) „unmöglichen Möbelhaus“ erlebt.

Angeklagt waren in dem Verfahren zwei Frauen. Im Kamener Ikea-Haus hatten sie zwei Wagen voller Waren zum SB-Scanner gerollt: 13 Artikel insgesamt, die – wie sich später herausstellte – unterm Strich 443 Euro gekostet hätten. Das Kassendisplay zeigte aber nur 5,20 Euro an. Die Erklärung: Auf allen 13 Artikeln klebten Preisetiketten für Teelichter.
Vom Detektiv zur Rede gestellt, sagten die Frauen damals, mit den falschen Etiketten hätten sie nichts zu tun: Irgendwer müsse die da drauf gepappt haben. Auf dem Weg zu seinem Büro sollen sie einen Fluchtversuch gemacht haben. Zu dem Gerichtstermin kamen sie nicht.

Das war aber kein Problem – jedenfalls nicht für den Richter. Er erließ Strafbefehle über jeweils 1.500 Euro. Sie werden den – nicht vorbestraften – Frauen in den kommenden Tagen zugestellt. Die beiden können entweder zahlen – oder Einspruch einlegen. Tun sie Letzteres, gibt es nochmal einen Termin vor Gericht. Ignorieren sie auch den, wird der Einspruch verworfen.

Die Erfahrung des Richters zeigt: Die große Mehrheit der Entscheidungen per Strafbefehl wird akzeptiert. Denn die meisten Angeklagten sind froh, die lästige Sache ohne viel Aufhebens erledigen zu können.




Jobcenter betrogen: 4.500 Euro Strafe für 3.450 Euro „vom Amt“

von Andreas Milk
Für einen Betrug zu Lasten des Jobcenters Kreis Unna ist ein Bergkamener vor dem Amtsgericht Kamen zu einer Geldstrafe verurteilt worden: 4.500 Euro (150 Tagessätze à 30 Euro) soll er dafür zahlen, dass er zu Unrecht 3.450 Euro bezogen hatte. Und dieses zu Unrecht bezogene Geld kommt noch oben drauf. Denn zurückgezahlt wurde davon bis jetzt nichts.

Es ging in dem Verfahren um die Zeit von Dezember 2020 bis März 2021. John T. (Name geändert) hatte bis Ende November 2020 noch Arbeitslosengeld von der Bundesagentur bezogen. Zum Stichtag 1. Dezember rutschte der Familienvater in die Zuständigkeit des Jobcenters. In dessen Akten ist vermerkt, dass er Mitte Februar 2021 am Telefon von der – mündlichen – Einstellungszusage eines neuen Arbeitgebers berichtete. Tatsächlich ergab ein Datenabgleich, dass T. schon seit dem 1. Dezember 2020 erwerbstätig war – und zwar für ein Nettogehalt von etwa 2.500 Euro monatlich.

Wortreich beschrieb John T. dem Richter seine Situation. Er sprach davon, seine Kontoauszüge nicht geprüft und darum die Zahlungen des Jobcenters nicht bemerkt zu haben. Die öffentliche Hand zu betrügen, sei nicht seine Absicht gewesen.
Plausibel klang das alles nicht. Was ebenfalls gegen den Mann sprach: eine Reihe von Vorstrafen – gerade auch wegen Betrugsdelikten. Die letzte Tat liegt allerdings schon neun Jahre zurück. Wäre es anders, so der Richter, wäre jetzt wohl eine Haftstrafe fällig gewesen.