Kloppe am Berufskolleg: Späte Reue, milde Strafen

von Andreas Milk
Die Klopperei auf dem Hof des Berufskollegs am Kleiweg liegt gut zweieinhalb Jahre zurück. Das Wiedersehen von Beteiligten und Zeugen im großen Verhandlungssaal des Kamener Amtsgerichts lief entspannt und in versöhnlicher Stimmung ab. Es gab Geständnisse – wenn auch in einem Fall mit Anlaufproblemen -, Entschuldigungen und ein mildes Urteil für die beiden Angeklagten aus Kamen und Bergkamen.

Die Geschichte beginnt am Abend des 16. August 2020. Ein lauschiger Sommerabend, an dem gefeiert und getrunken wurde. Dabei kam es zu einem Zwischenfall, der eigentlich nicht der Rede wert gewesen wäre. Ein Gast der Schulhofparty, ausgelassen und mit nacktem Oberkörper, rempelte einen anderen an – aus Versehen, und er entschuldigte sich auch prompt. Aber zwei junge Männer, seinerzeit 20 und 21 Jahre, nahmen das Missgeschick zum Anlass, den Mann zu vermöbeln. Diese beiden waren nun in Kamen angeklagt.

Einer von ihnen gab sofort alles zu, sagte, es tue ihm leid, er sehe sein Fehlverhalten heute als Jugendsünde und sei selbst schon einmal zusammengeschlagen worden. „Bemerkenswert“ fand der Richter diese Offenheit. Der Co-Angeklagte dagegen bestritt zunächst, geschlagen oder getreten zu haben. Ein Angeklagter darf lügen – ein Zeuge nicht. Und Zeugenaussagen gab es mehrere mit dem Tenor, dass beide Männer zugelangt hätten. Nach einer Unterredung mit seinem Verteidiger gab schließlich auch Angeklagter Nummer zwei die Attacke zu und entschuldigte sich beim Opfer.

Dieses Opfer ist ein robuster Straßenbauer aus Lünen, inzwischen 26 Jahre und nach Einschätzung des Richters „hart im Nehmen“. Jemand habe ihn umgehauen, erinnerte er sich – „dann weiß ich nichts mehr“. Die unmittelbaren Folgen: lädiertes Gesicht, ambulante Krankenhausbehandlung, eine Woche Krankenschein. Spätfolgen: keine.

Dass die Keilerei erst jetzt das Gericht beschäftigte, lag laut Vorsitzenden auch an lückenhaften Ermittlungen der Polizei. Nachermittlungen seien nötig gewesen. Die lange Verfahrensdauer, vor allem aber die Geständnisse der beiden Angeklagten beeinflussten das Strafmaß: jeweils eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen, was bei einem Angeklagten unterm Strich 2.700 Euro ergibt, bei dem anderen 5.400 Euro: Die Höhe eines Tagessatzes richtet sich nach dem jeweiligen Einkommen.

Wichtig ist noch die Zahl 90: Erst ab 91 Tagessätzen kommt eine Strafe ins Führungszeugnis, das zum Beispiel ein Arbeitgeber vom Bewerber um einen Job verlangen kann.

 




Bei Erdemli: Nichte verteidigt – Schlag eingesteckt

von Andreas Milk
Es ging um eine Anklage wegen Körperverletzung, am Ende gab es versöhnliche Töne und eine Entschuldigung: Gut ein halbes Jahr nach einer Keilerei am Erdemli-Supermarkt in der Präsidentenstraße sahen sich „Täter“ und „Opfer“ vor dem Kamener Strafrichter wieder. Beide Begriffe stehen hier in Anführungszeichen, weil sich nicht so wirklich aufdröseln lässt, wer von beiden Männern was war.

Angeklagt jedenfalls war Georgi T. (Namen geändert). Am frühen Abend des 5. Juli 2022 soll er Murat H. einen Faustschlag gegen das Jochbein versetzt haben. Der Kamener Murat H. war seinerzeit angerückt, um seine Nichte abzuholen, die bei Erdemli arbeitete und sich schon seit einer Weile von Georgi T. belästigt fühlte. Denn der Familienvater geisterte wohl immer wieder kurz vor Ladenschluss dort herum und behelligte die junge Frau mit aufdringlichen Fragen.

Vor Gericht erklärte T., er selbst sei seinerzeit von Murat H. angeschrien und angegriffen worden. Er habe sich bloß gewehrt. Tatsächlich macht T. auf Fotos vom Tatabend einen mitgenommeneren Eindruck als sein „Opfer“ Murat H.; beide Männer ließen sich im Krankenhaus behandeln, nachdem die Polizei zur Präsidentenstraße gekommen war und den Fall aufgenommen hatte.

Auf das Anhören von Zeugen verzichtete der Richter: Er stellte das Verfahren gegen Georgi T. ein. Beide Männer hätten schließlich allerhand eingesteckt, fand er. Und Murat H. zeigte im Prozess auch kein besonderes Interesse daran, T. zu bestrafen – Hauptsache, es ist Ruhe und die leidige Geschichte erledigt. Schließlich erhob sich der ukrainische Staatsbürger Georgi T. und entschuldigte sich in aller Form bei dem aus der Türkei stammenden Murat H. – verbunden mit einem Ausdruck des Beileids für die Opfer der türkisch-syrischen Erdbebenkatastrophe. Im Zuschauerraum saß Georgi T.s Frau. Ihr wird er wahrscheinlich noch seine Zuneigung für Murat H.s Nichte erklären müssen.

 




Wohnwagen abgekärchert: „Unfallflucht“ an der Waschanlage

von Andreas Milk
13. Juli 2022, früher Abend. Bevor es ab auf die Insel ging, fuhr der Bergkamener Thomas M. (Name geändert) mit seinem Wohnwagen schnell nochmal in die Waschanlage Am Schlagbaum. Kurz nach Beginn des Urlaubs kam dann eine unerfreuliche Mail von seiner Versicherung. Die Rede war von einem Schaden in Höhe von mehreren tausend Euro, den er in der Anlage angerichtet haben soll. Es gab eine Anzeige wegen Unfallflucht. Folge war jetzt ein Verhandlungstermin vor dem Kamener Strafrichter.

„Er hat’s nicht mitbekommen“, erklärte M.s Verteidiger für seinen Mandanten. Und nachdem auch M. selbst sich geäußert hatte, erschien das durchaus nachvollziehbar. Familienvater M. – Mitte 50, unbescholten – erinnerte sich, er habe an jenem Tag den verschmutzten Wohnwagen anlässlich des Starts in die Ferien nochmal wacker „abkärchern“ wollen. Bei der Einfahrt in die Waschanlage seien Schläuche der sogenannten Waschlanze am Außenspiegel hängen geblieben. M. setzte zurück, befreite die Schläuche, setzte die Waschprozedur fort und fuhr schließlich weg. Dass die Technik der Waschanlage beschädigt worden war, habe er gar nicht wahrgenommen.

Sehr gut möglich sei das, waren sich die Juristen einig. Drum gab es für M., obwohl er streng genommen Mist gebaut hatte und abgehauen war, keine Verurteilung: Der Vertreter der Staatsanwaltschaft stimmte einer Einstellung des Verfahrens zu. Tragen muss Thomas M. nur die Kosten für seinen Anwalt – der erkennen ließ, dass er sogar noch eher für einen Freispruch gewesen wäre.

 

 




„Direkt eine gescheuert“: Buße an die Kinderdörfer

von Andreas Milk
Um mit dem Erfreulichen anzufangen: Die Westfälischen Kinderdörfer e.V. bekommen von Murat H. (Name geändert) 600 Euro. Nicht, weil er ein so großzügiger Mensch wäre – sondern weil der Kamener Strafrichter das zur Bedingung macht, ein Verfahren gegen H. wegen Körperverletzung und Bedrohung einzustellen. Am Abend des 28. Juni 2022 soll er vor dem Haus seiner Schwiegereltern in Weddinghofen der Cousine seiner Noch-Ehefrau eine Ohrfeige verpasst haben. Außerdem, so die Anklage, habe er der Frau gedroht, sie abzustechen, wenn er sie nochmal auf der Straße sehe.

Die Cousine sollte seinerzeit auf Bitten von Murat H.s Frau die kleine Tochter des Paars abholen. Die Frau hatte wohl vor, noch länger bei ihren Eltern – Murat H.s Schwiegereltern also – zu bleiben. Es hatte Streit gegeben zwischen den Eheleuten. Und glaubt man Murat H., so will die Cousine ihm eins auswischen – weil sie selbst etwas von ihm wolle, er aber nicht von ihr.

Vor Gericht wurde es laut und emotional, und mit letzter Gewissheit hätte wohl nicht geklärt werden können, wer wen wie beschimpft und angegriffen hat. H. sagt: Er habe nichts getan, was eine Anklage rechtfertigen könne. Die Cousine sagt: Sie habe durchs offene Seitenfenster ihres Wagens „direkt eine gescheuert bekommen“, und überhaupt sei Murat H. ein aggressiver Mensch. Nach einem Nervenzusammenbruch habe sie entschieden, Anzeige gegen ihn zu erstatten.

Seitdem das Ganze passierte, gehen die Beteiligten sich aus dem Weg. Sobald H. die Buße an die gemeinnützige Einrichtung überwiesen hat, wird die Akte geschlossen.

 




750 Euro Strafe für Hartz-IV-Betrug

von Andreas Milk
Die Bergkamenerin Ebru B. (53, Name geändert) und ihr Mann bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Als der Mann im August vorigen Jahres einen Job bekam, war Ebru B. (mit-) verantwortlich, das dem Jobcenter zu melden. Dass sie es unterließ, brachte ihr eine Anklage wegen Betrugs vor dem Kamener Amtsgericht. Es ging um 464 Euro, die das Paar in einer Zeit von zwei Monaten zu Unrecht bekommen hatte. Kein großer Betrag – allerdings hat Ebru B. schon zwei Vorstrafen wegen desselben Delikts.

Sie habe ihrem Mann gesagt, dass er sich beim Jobcenter melden müsse, sagte sie vor Gericht. Ihr Mann wiederum habe ihr erklärt, sein neuer Arbeitgeber kümmere sich darum. Ein Datenabgleich zwischen Jobcenter und Sozialversicherung ließ das Ganze auffliegen.

Der Schaden wird seitdem nach und nach wieder beglichen. Denn das Ehepaar B. zählt weiter zur Kundschaft des Jobcenters; von den laufenden Zahlungen an die B.s wird monatlich eine Rate einbehalten.

Zusätzliche Belastung ist jetzt die Strafe für den Hartz-IV-Betrug: 75 Tagessätze à 10 Euro verhängte der Richter. Auch gegen den Mann von Ebru B. läuft noch ein Verfahren.

 




BMW-Fahrer vs. Rentner: Doch nur falsch geparkt

von Andreas Milk
Der Rentner Franz Sch. (77, Namen geändert) aus Bergkamen hat es satt: Immer wieder blockieren falsch geparkte Autos den Gehweg, sodass seine Frau mit ihrem Rollator auf die Fahrbahn ausweichen muss. So war es zum Beispiel am Abend des 26. August 2022 auf der Schulstraße. Sedat K. aus Kamen, der bloß kurz etwas aus einem Kiosk besorgen wollte, hatte seinen BMW ordnungswidrig abgestellt. Franz Sch. machte Fotos, um Anzeige beim Ordnungsamt zu erstatten. Sedat K. kam zurück aus dem Kiosk, setzte sich in den Wagen und fuhr weg – auf eine Weise, die den Rentner dazu brachte, Strafanzeige zu erstatten.

Denn K. – so gab Franz Sch. seinerzeit an – habe mit dem Wagen auf ihn zu gehalten. Mit einem Sprung zur Seite habe er sich in Sicherheit gebracht. Das klingt nach einem Fall von Nötigung.

Sedat K. erklärte im Kamener Gerichtssaal, er habe seinen BMW „ganz normal zurückgesetzt“, Franz Sch. habe nicht ausweichen müssen. Im übrigen, so K. weiter, habe er schon sieben Punkte in Flensburg und fahre sehr, sehr vorsichtig, um seinen Führerschein zu behalten.

Tatsächlich zeigte sich in der Verhandlung: Es war wohl alles halb so wild. Oder sogar: kein bisschen wild. Franz Sch. räumte auf dem Zeugenstuhl ein, Sedat K. habe das Auto nicht gezielt in seine Richtung gelenkt. Ob er, Sch., ohne seinen Sprung wirklich von dem Wagen erwischt worden wäre, sei schwer zu sagen. Die Fotos, die Sch. anfertigte, zeigen obendrein, dass Sedat K. das Lenkrad weit eingeschlagen hatte – offenbar, um zu rangieren, nicht, um auf Franz Sch. zu zielen.

Ende der Geschichte: Doch keine Verurteilung wegen Nötigung. Stattdessen: 50 Euro Geldbuße fürs Falschparken.

 




Betrunken auf dem Moped – zwei Mal in einer Nacht

von Andreas Milk
Ein Autohändler ohne Führerschein? Schwer vorzustellen. Ein Mopedfahrer, der sich in ein und derselben Nacht zwei Mal betrunken von der Polizei erwischen lässt? Auch nicht gerade alltäglich.
Der Bergkamener Boris T. (Name geändert) war vor dem Kamener Amtsrichter angeklagt. Am frühen Morgen des 24. Juli 2022 war der selbstständige Kfz-Händler einer Polizeistreife aufgefallen. Das erste Mal war es in Bergkamen auf der Hochstraße – ein Alkoholtest ergab 1,69 Promille -, das zweite Mal auf der Lessingstraße – 1,44 Promille. Die Beamten hatten nach der ersten Begegnung überlegt, wie ihr „Kunde“ wohl nun nach Hause kommen wolle, ohne das Moped zu benutzen, und ihn im Auge behalten. Er stieg wieder auf und wurde eben nochmal geschnappt.

Den Führerschein war T. schon ein paar Monate vorher los geworden. Dass er im Juli wieder Mist baute, erklärte er vor Gericht mit purem Stress. Kunden hätten Probleme gemacht. „Man hat irgendwann die Schnauze voll.“ Allerdings sei ihm nicht klar gewesen, dass die Alkoholkonzentration im Blut so hoch war. Vielleicht habe ihm in jener Nacht jemand was ins Bier gekippt.

Das Urteil: eine Geldstrafe von 110 Tagessätzen à 10 Euro für den rundum geständigen und reuigen Angeklagten. Dazu kommt ein weiteres Jahr Führerscheinsperre.

 




Erste Strafe: Arschtritt vom Busfahrer

von Andreas Milk
Die erste Strafe für sein ungebührliches Verhalten an der Bushaltestelle „Kamen Markt“ hatte Hamza M. (Name geändert) gleich an Ort und Stelle bekommen: einen Arschtritt vom Busfahrer, einem robusten Bergkamener. Das Kamener Amtsgericht erledigte jetzt die juristisch korrekte Ahndung: eine Geldstrafe wegen Beleidigung in Höhe von 40 Tagessätzen à 10 Euro. Hauptsächlich ging es bei der ganzen Sache ums Spucken.

Rückblende: Am Nachmittag des 28. September 2022 steht Hamza M. an der Haltestelle und will in den Bus der Linie R81 nach Unna steigen. Eben ist der Bus aus Bergkamen eingetroffen; der Fahrer nutzt den planmäßigen Aufenthalt für ein Zigarettenpäuschen. Hamza M. steigt ein – ohne Mund-Nasen-Schutz. Der Fahrer spricht ihn deshalb an. M. fragt, ob der Fahrer eine Maske für ihn habe. Der Fahrer verneint. Alles ganz harmlos eigentlich.
Aber M. – so zeigte es der Gerichtstermin – rastete aus. Er spuckte auf die Dienstkleidung des Busfahrers. Der reagierte mit dem, was der Richter später in der Urteilsbegründung als „westfälischen Gruß“ bezeichnen sollte: besagtem Tritt in M.s Hinterteil. Es folgten zwei weitere Spuckattacken sowie „Hurensohn“ und andere Beschimpfungen an die Adresse des Fahrers.

Der gab vor Gericht zu Protokoll, an Schimpfwörter gewöhnt zu sein – ans Bespucktwerden allerdings nicht. Hamza M. hat sich inzwischen brieflich bei dem Mann entschuldigt. Auch vor Gericht drückte er sein Bedauern aus. Er sei an dem Tag völlig betrunken gewesen: Eine Flasche Wodka habe er leer gemacht, dazu Bier getrunken. Vielen Passanten am Kamener Markt blieb der Fall im Gedächtnis. Der Busfahrer sprach von einem „Massenauflauf“. Ein paar Tage danach habe es nochmal Knatsch mit Hamza M. gegeben.
„Es kommt nicht wieder vor“, versprach der Angeklagte. Falls doch, so der Richter, müsse er wohl mit einer Freiheitsstrafe rechnen.

 




Nicht gefahren – doch gefahren: Trunkenheitsfahrt nach Ouzo-Abend

von Andreas Milk
Zwischen „Ich bin nicht gefahren“ und „Ich räume das ein“ lagen knapp anderthalb Stunden Verhandlung. Der 52-jährige Bergkamener Martin T. (Name geändert) war vor dem Amtsgericht Kamen wegen einer Trunkenheitsfahrt angeklagt. Was tatsächlich los war in Weddinghofen am frühen Morgen des 24. Juni 2022, bleibt nach dem Prozess die Frage. Fest steht: Sollte das Urteil gegen T. – eine Geldstrafe plus dreimonatige Führerscheinsperre – rechtskräftig werden, kann er im Frühjahr wieder eine Fahrerlaubnis bekommen. Und: Einem Bekannten, der für ihn hatte aussagen sollen, blieb der Auftritt als Zeuge erspart – und damit womöglich ein Verfahren wegen Falschaussage.

In jener Juninacht führte die Kombination aus hohen Temperaturen und einigen Ouzos zu gleich zwei Einsätzen von Sanitätern an einem Weddinghofener Lokal. Beide Male ging es dem jeweiligen Patienten nicht allzu gut; beide Male lehnte er aber eine weitergehende Behandlung oder eine Mitnahme ins Krankenhaus ab. Bei Patient Nummer zwei handelte es sich um Martin T. Laut Anklage setzte er sich, als die „Sanis“ weg waren, hinters Steuer seines SUV und fuhr wenige hundert Meter zu seiner Wohnung. Eine Nachbarin des Lokals bekam – nach Geräuschen von Würgen und Erbrechen – die Abfahrt mit. Sie rief die Polizei. Eine Blutprobe bei T. ergab 1,11 Promille, das heißt: absolute Fahruntüchtigkeit. Die Grenze ist bei 1,1 Promille. Da zwischen Fahrt und Blutentnahme gut zwei Stunden lagen, dürfte T.s Wert während der Fahrt höher gewesen sein.

T. bestritt vor Gericht, gefahren zu sein. Nach seiner Darstellung war es sein (nüchterner) Bekannter, der freundlicherweise den Transfer des SUV von dem Lokal zu T.s Wohnung übernahm. Dem widersprach die Aussage der Nachbarin: Die Frau war „hundertprozentig sicher“, Martin T. gesehen zu haben. Dazu kommt: Zwischen dem Abrücken der Sanitäter und dem Anruf der Frau bei der Polizei lagen laut Protokollen vier Minuten. Diese Zeit hätte für T. nicht gereicht, seinen Bekannten zu informieren und die Überführung des Fahrzeugs zu arrangieren.

Schlussendlich also: Einräumen des Tatvorwurfs, auch wenn es im Gerichtssaal schien, als bekäme Martin T. die damaligen Ereignisse selbst nicht mehr so recht auf die Reihe. Bisher waren sowohl sein Vorstrafenregister als auch das Verkehrssünden-Verzeichnis leer. 30 Tagessätze à 30 Euro soll er nun wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr als Geldstrafe an die Justizkasse zahlen.




Richter ohne Roben: Stadt Bergkamen sucht Schöffen

Die Stadt Bergkamen sucht Bürgerinnen und Bürger, die ab dem 01.01.2024 für einen Zeitraum von fünf Jahren an einer Tätigkeit als Schöffin oder Schöffe bei den Schöffengerichten und den Strafkammern des Landgerichts interessiert sind. Darunter versteht sich ein richterliches Ehrenamt in Strafsachen am Amtsgericht Unna oder Landgericht Dortmund.

Ebenfalls werden Jugendschöffinnen und Jugendschöffen gesucht, die neben den allgemeinen Voraussetzungen zusätzlich erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein sollen.

Schöffinnen und Schöffen haben als Laienrichterinnen und Laienrichter, ohne juristische Vorbildung, allerdings ausgestattet mit dem gleichen Stimmrecht wie die Berufsrichterinnen und Berufsrichter die Aufgabe, gemeinsam mit diesen die Tat einer Angeklagten oder eines Angeklagten zu beurteilen und ein Strafmaß festzulegen.

Da sie als Schöffin bzw. Schöffe gleichberechtigt an der Hauptverhandlung in Strafsachen mitwirken, sollten sich Bewerberinnen und Bewerber ihrer Rolle und Verantwortung in gleicher Weise gegenüber Angeklagten, Öffentlichkeit und Geschädigten bewusst sein.

Schöffin bzw. Schöffe kann nur werden, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, der Besitz einer weiteren Staatsangehörigkeit neben der deutschen steht einer Bewerbung jedoch nicht entgegen.

Der Wohnsitz muss in Bergkamen sein und die sich bewerbende Person muss bei Amtsantritt am 01.01.2024 mindestens 25 Jahre alt und darf nicht älter als 69 Jahre sein.

Das verantwortungsvolle Ehrenamt verlangt von den Schöffinnen und Schöffen, die auch gesundheitlich nicht eingeschränkt sein sollten, ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und Unvoreingenommenheit.

Über die Aufnahme von Personen in die Schöffenvorschlagsliste entscheidet im Bereich des Schöffenamtes der Rat der Stadt Bergkamen, für die Jugendschöffinnen und Jugendschöffen der Jugendhilfeausschuss.

Diese Liste wird sodann öffentlich zu jedermanns Einsicht ausgelegt und jede Person hat das Recht, Einspruch zu erheben, falls Personen in die Vorschlagsliste aufgenommen wurden, die nicht für das Schöffenamt geeignet scheinen. Mit den eventuell im Rahmen der öffentlichen Auslegung eingegangenen Einsprüchen wird die Liste anschließend an das Amtsgericht Kamen übersandt.

Dort tritt ein Schöffenwahlausschuss zusammen und wählt aus der Vorschlagsliste die erforderliche Zahl der Schöffinnen und Schöffen, die anschließend durch das Amtsgericht entsprechend benachrichtigt werden.




„F***t euch“ und Tritte: Fette Geldstrafe für Ausraster im Polizeiauto

von Andreas Milk
Selten sitzt einer im Kamener Amtsgericht auf der Anklagebank und wirkt dabei so zerknirscht wie der Bergkamener David H. (Name geändert): „Ich bin selber enttäuscht von mir“ – der Grund: sein Verhalten gegenüber der Polizei am 11. September vorigen Jahres. H. hatte Alkohol getrunken, obwohl er laut eigener Aussage keinen verträgt. Die Folgen: „F***t euch“ und andere Beschimpfungen an die Adresse der Beamten, dazu Tritte, noch während er auf der Rückbank des Einsatzfahrzeugs lag. Ein Polizist bekam H.s Schuh ins Gesicht.

H. selbst wurde wegen seines Zustands an jenem Tag ins Krankenhaus gebracht. Erinnern kann er sich heute an nichts mehr: klassischer Filmriss. Bei den betroffenen Polizeibeamten hat er sich später während eines Besuchs auf der Wache entschuldigt. Vor Gericht sprach er mehrfach davon, wie sehr er sich schäme.

Das honorierte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer. Sie forderte „nur“ eine Geldstrafe – obwohl an und für sich wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eine Freiheitsstrafe angezeigt gewesen wäre. Aber: Wegen H.s Alkoholkonsum nahm sie einen minderschweren Fall an; Geständnis und Entschuldigung seien positiv zu werten. Die Richterin sah das ähnlich. Das Urteil: eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 30 Euro.

Die kann der Vater von drei Kindern in monatlichen Raten abstottern, sollte das Urteil rechtskräftig werden. Übler hätte das Verfahren für ihn ausgehen können, wenn die ganze Geschichte sich ein paar Jahre früher zugetragen hätte. H.s Vorstrafenregister hat fünf Einträge, darunter eine viereinhalbjährige Jugendstrafe wegen eines Raubdeliktes. Der vorerst letzte Eintrag liegt aber schon lange zurück – so lange, dass die Sache mit den Polizisten in Bergkamen mit etwas gutem Willen als einmaliger Aussetzer gewertet werden kann.