Kurz vorm Fest: Freizeitarbeit für Jackenklau und Nackenschlag

von Andreas Milk
Wenige Tage vor Weihnachten gab es vor dem Kamener Amtsgericht milde Urteile für zwei junge Leute aus Bergkamen. Die eine hatte in Lünen Mist gebaut – der andere in Werne.

Die noch nicht ganz 20 Jahre alte Aya B. (Namen geändert) hatte im Februar und April 2022 in einem Lüner Bekleidungsgeschäft und in einem Drogeriemarkt zugegriffen: Sie klaute eine Jacke und ein edles Parfüm. Vor Gericht zeigte sie sich reumütig – und das durchaus glaubhaft. „Nicht nachgedacht“ habe sie, und wäre sie seinerzeit allein unterwegs gewesen, wäre ihr so ein Quatsch nicht eingefallen: Eine „Freundin“ hatte sie wohl angestiftet, und zu der habe sie inzwischen keinen Kontakt mehr. Über den Gerichtstermin sei sie froh: Jetzt sei die Gelegenheit, mit der Sache abzuschließen. Das Urteil: 40 Stunden Freizeitarbeit – dann ist das Ganze wirklich abgehakt, und Aya B. kann sich weiter der Lehrstellensuche widmen. „Ich bin offen für alles“ – Friseurin wäre prima.

Beim gleichaltrigen Malte T. war die Aufklärung des Tatvorwurfs nicht so unkompliziert. Die Anklage warf ihm vor, in der Werner Innenstadt im Mai 2021 einen heute 15 Jahre alten Jungen geschlagen zu haben, und zwar in den Magen. Er sei es nicht gewesen, sagte er. Doch, sagten der geschlagene Junge selbst und zwei Zeugen – allerdings sei es kein Schlag in die Magengegend gewesen, sondern einer in den Nacken. Der Vater des Opfers rief die Polizei, nachdem er von dem Vorfall erfahren hatte. Dann machte er sich selbst auf den Weg zum „Tatort“, musste sich dort Beleidigungen anhören – für die Malte T. aber später um Entschuldigung bat. Auch T. wurde vom Richter zu Freizeitarbeit verurteilt: 30 Stunden muss er nun wegen der Körperverletzung vor anderthalb Jahren ableisten.

Tut er das nicht, droht Jugendarrest – das gilt natürlich auch für Ladendiebin Aya B. Beide nahmen ihr Urteil an.




Kein Helm, kein Kennzeichen, kein Führerschein: Geldstrafe

von Andreas Milk
Das war Pech. Im Sommer dieses Jahres hatte der Bergkamener Orhan H. (Name geändert) einen Elektroroller bekommen – schon die Testfahrt auf der Schulstraße brachte Ärger mit der Polizei und eine Strafanzeige wegen Fahrens ohne Führerschein. Verhandelt wurde der Fall jetzt vor dem Amtsgericht in Kamen.

H. darf wegen Verkehrsverstößen schon länger kein Kraftfahrzeug mehr führen. Er sagte, das wisse er auch. Der Roller sollte ihm wohl helfen, die Zeit ohne Führerschein zu überstehen und flott von A nach B zu kommen. Er braucht nicht angemeldet zu werden, es genügt ein Versicherungskennzeichen, und das lag auch schon bereit, ebenso ein Helm. Als H. die Probefahrt startete, waren allerdings weder der Helm noch das Kennzeichen dabei. Dass die Polizei sich für ihn interessierte, war also keine Überraschung. Prompt stellten die Beamten fest: Das Vehikel – laut H.s Verteidiger dem äußeren Anschein nach „fast ein Kinderspielzeug“ – schafft 45 Kilometer pro Stunde. Die Grenze für Führerscheinfreiheit beträgt 25. Also: Nix für einen Mann ohne „Lappen“.

Orhan H. hätte Bescheid wissen müssen, fand der Vertreter der Staatsanwaltschaft und sah einen vorsätzlichen Gesetzesverstoß als gegeben. H.s Verteidiger wollte dem nicht so ganz folgen – der Roller sei quasi „frisch zusammengebaut“ gewesen, die Umstände sprächen eher für Fahrlässigkeit.

Die Richterin war eher beim Anklagevertreter: Sie verurteilte H. zu einer Geldstrafe von 2.400 Euro (60 Tagessätze à 40 Euro). Beide Seiten erklärten sich damit einverstanden: Das Urteil wurde sofort rechtskräftig.




Ohne „Lappen“ im BMW: Richter verhängt Geldstrafe

von Andreas Milk
Widersprüchlicher geht’s wohl nicht: Zwei Frauen sagen, sie hätten einen Mann auf der Präsidentenstraße hinterm Steuer eines BMW gesehen. Dieser Mann sagt: Unsinn – nicht er sei gefahren, sondern seine Frau. Die Frau bestätigt das. Das eigentlich Problematische an der Sache: Der Mann hat keinen Führerschein.

Deshalb war er jetzt vor dem Kamener Amtsgericht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis angeklagt. Abgespielt hatte sich alles am Abend des 25. Februar, kurz vor 21 Uhr. Die beiden Frauen – zwei Freundinnen, die sich an einem Kiosk Tabak holen wollten – berichteten, Nachbarssohn Amir T. (Name geändert) habe mächtig Gas gegeben und sei aus einer Einfahrt geschossen. Später sei er ausgestiegen, habe mit ihnen geschimpft und einen Schlag angedeutet – mutmaßlich aus Angst, weil er fürchten musste, dass die Frauen seine „Schwarzfahrt“ der Polizei melden. Denn eine von ihnen soll gerufen haben: „Achtung, der fährt wieder ohne Führerschein!“ Und tatsächlich kam es zur Anzeige bei der Polizei.

Für die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hat sich der Tatvorwurf in der Verhandlung bestätigt: Sie glaube den beiden Freundinnen. Als Konsequenz beantragte sie eine Geldstrafe. Amir T.s Verteidigerin wollte einen Freispruch: Die Aussagen der Beteiligten ließen sich nicht in Einklang bringen. Eine der Frauen habe starke Belastungstendenzen gegenüber ihrem Mandanten gezeigt – Juristendeutsch für: Sie wollte ihn reinreiten.

Der Richter folgte der Anklagevertreterin: „Sie sind gefahren“ – 30 Tagessätze à 30 Euro Geldstrafe sollen die Folge sein. Was die Freundinnen erzählt hätten, sei stimmig gewesen – Aussagen zugunsten Amir T.s dagegen seien eher vage und nicht recht glaubhaft ausgefallen. So hatte seine Frau beim Prozesstermin von einem anderen Auto gesprochen als damals bei der Polizei. Und dann war da noch ein Mann, der an jenem Abend den Onkel von Amir T. besucht hatte, für eine Zigarette draußen vorm Haus stand und trotzdem kaum Details nennen konnte.
T. hat die Möglichkeit, vor dem Landgericht Berufung gegen das Kamener Urteil einzulegen.

 




Aus dem Ruhrpott-Amtsgericht: „Was haben Sie gemacht?“ – „Kohle“

von Andreas Milk
Es war ein Vormittag der Muster-Angeklagten: zwei freundliche Zeitgenossen, die am Ende die Entscheidungen des Richters bereitwillig annahmen. Und zwischendurch ein als Zeuge geladener Bergkamener Rentner, der auf die Frage des Vorsitzenden, was er denn früher gemacht habe, mit einem einzigen Wort antwortete: „Kohle.“ Wie’s halt so zugeht in einem Amtsgericht am Rande des Ruhrgebiets: In Kamen ging es um Unfallflucht und Fahren ohne Führerschein.

Die Unfallflucht soll sich am Nachmittag des 1. Juni auf der Oberadener Sugambrerstraße zugetragen haben. Der Angeklagte – so die Akte – habe beim Zurücksetzen aus einer Parkbucht an der Sparkasse einen anderen Wagen gerammt. Er sagt, er habe keine Gelegenheit gehabt, einen möglichen Schaden zu regulieren, weil der andere Fahrer plötzlich weg gewesen sei; dieser andere Fahrer sagt, er habe nach dem Unfall einige Meter entfernt seinen Wagen abgestellt, sei ausgestiegen und habe gewunken – aber der Unfallverursacher sei nach Geraderücken seines verrutschten Fahrradträgers weitergefahren. Der Bergbau-Rentner gab dann noch eine Schilderung, die mit keiner der beiden Versionen hundertprozentig zusammenpasste. Ende vom Ganzen: Der Ausparker zahlt 1.200 Euro Buße an ein Kinderheim – dann wird die Akte zugeklappt. Der Mann fand das gut und versprach, flott zu zahlen.

Die führerscheinlose Autofahrt wiederum geschah am 15. Mai in Kamen auf der Unnaer Straße. Für den Angeklagten – einen 50-Jährigen aus Unna – war es nicht das erste Mal. Dabei ist er von Beruf Kraftfahrer. Wenn der „Lappen“ aber erst mal weg ist und der Betroffene aufs neue hinterm Steuer erwischt wird, werden die Hürden vor dem Wieder-fahren-Dürfen höher. Der Unnaer lässt sich derzeit „verkehrstherapeutisch behandeln“, wie sein Anwalt erklärte, und auf die Medizinisch-Psychologische Untersuchung vorbereiten. „Ich stehe zu meinen Fehlern.“ Das Urteil: eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 50 Euro. Er akzeptierte.




Fahrrad-Tag im Amtsgericht: Geldstrafe und „Sozialstunden“ bei Mama und Papa

von Andreas Milk
So ganz scheint die Verkehrswende auch an den Strafgerichten nicht vorbei zu gehen. Jedenfalls wurde diesen Mittwoch am Kamener Amtsgericht über zwei Fälle verhandelt, die mit Fahrrädern zu tun haben – unter anderem mit zwei geklauten aus Bergkamen.
Die beiden E-Bikes waren in der Nacht zum 8. Mai von einer Terrasse verschwunden. Angeklagt war nun der 20-jährige Kevin H. (Namen geändert) wegen Diebstahls. Allerdings zeigte sich in der Verhandlung, dass er die Räder wohl gar nicht gestohlen hatte. Vielmehr wurden sie ihm im Laufe jener Nacht von einem Bekannten angeboten. H. griff zu: Ein Rad kaufte er für 460 Euro. Der Neuwert: rund das Sechsfache. Aber dann gefiel es ihm angeblich nicht mehr; per Ebay-Kleinanzeigen suchte er seinerseits einen Abnehmer. Er fand einen: Udo P. aus Bottrop zahlte an Kevin H. 550 Euro. Weil Udo P. eim vorsichtiger Mensch ist, ließ er sich einen Kaufvertrag ausstellen. Aber er war das Rad trotzdem bald wieder los. Die Polizei nahm es mit – denn an gestohlenen Sachen lässt sich kein rechtmäßiges Eigentum erwerben. Das Urteil für Kevin H.: eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 10 Euro wegen Hehlerei. Auch die bei Udo P. kassierten 550 Euro muss er an die Justiz zahlen, die das Geld dann an P. weiterreichen wird.

Fahrrad-Fall Nummer zwei hatte mit viel Alkohol zu tun. In Kamen auf der Dortmunder Allee war am sehr frühen Morgen des 16. Juni Alexander M. unterwegs. Der 19-Jährige fiel einer Polizeistreife auf: Er fuhr „sehr ausgeprägte Schlangenlinien“, ist in der Akte vermerkt. Kein Wunder: Eine Blutprobe ergab 1,71 Promille – selbst für nicht-motorisiertes Radeln ein bisschen zu viel. Er trinke selten Alkohol, sagte Alexander M. dem Richter. „An dem Abend habe ich mich überschätzt.“ Nach Jugendrecht hätte M. zu Sozialstunden verdonnert werden können. Aber weil er doch recht reif wirkte, entschied sich der Richter, Erwachsenenstrafrecht anzuwenden: 200 Euro Buße an die Kreisverkehrswacht Unna, danach Verfahrenseinstellung. M. wohnt noch bei seinen Eltern. Die saßen guter Dinge als Zuschauer im Gerichtssaal und ließen erkennen, die Geldbuße für den Sohn schon ganz okay zu finden. Vermutlich leihen sie Alexander das Geld. „Dann werden die Sozialstunden zu Hause abgearbeitet“, mutmaßte der Richter. Kommentar von Vater M.: „Find‘ ich gut!“




Auf Kirmes 14-Jährige belästigt: Geldstrafe

von Andreas Milk
Am Nachmittag des 3. April war Sergej T. (59, Namen geändert) auf der Bergkamener Kirmes unterwegs. Angetrunken – oder auch betrunken, das lässt sich nicht genau sagen – spendierte er zwei 14-jährigen Mädchen eine Karussellfahrt. Danach mag er geglaubt haben, sie seien ihm etwas schuldig. Sein Verhalten führte zu einer Anklage wegen sexueller Belästigung. Der Richter in Kamen verhängte eine Geldstrafe: 90 Tagessätze à 20 Euro soll der arbeitslose Schweißer zahlen.

Eines der Mädchen, Nadine, inzwischen 15 geworden, schilderte im Gerichtssaal, was sich ihrer Erinnerung nach abgespielt hatte. Sergej T. habe sie umarmt und auf die Wange geküsst, sie an Po und Brüsten berührt. Direkt an den Angeklagten gewandt, erklärte das Mädchen: „Sie haben mich angefasst, als wäre ich Ihre Freundin.“ Nadines Freundin Pia war mit dabei; sie soll T. weitgehend in Ruhe gelassen haben. Auch sie sollte als Zeugin aussagen. Inzwischen wohnt sie aber außerhalb des Kreises Unna; die Ladung nach Kamen hatte sie wohl nicht erreicht.
Der Staatsanwalt hatte an der Aussage von Nadine keine Zweifel. Sie habe das Geschehen auf der Kirmes „sehr differenziert“ dargestellt – etwa, indem sie T.s aufgekratztes Verhalten damals beschrieb und es in Bezug zu seinem eher zurückhaltenden Auftreten vor Gericht setzte. In der Verhandlung erklärte der schmächtige Mann, er sehe Nadine gerade zum ersten Mal. Im übrigen sei er selbst Vater und Großvater und liebe Kinder.

Trotzdem: An der Täterschaft bestand kein Zweifel – zumal die Kirmes-Security T. am 3. April bis nach Hause gefolgt war und die Polizei ihn schließlich festnahm. „Vielleicht war das Umarmen und Küssen für Sie ja nichts Schlimmes“, mutmaßte der Richter – zumal eben Alkohol eine Rolle spielte. Und es sei auch nicht gesagt, dass er, T., ein „gefährlicher Mann“ sei. Dennoch: Er habe die Intimsphäre der Schülerin verletzt. Das sei zu bestrafen.

Sergej T. hat noch keine Vorstrafen. Falls er das Urteil des Kamener Amtsrichters nicht akzeptiert, würde der Fall am Landgericht Dortmund noch einmal verhandelt.

 




Hund beißt immer wieder zu: Haft auf Bewährung für Besitzer

von Andreas Milk
Der Halter eines beißfreudigen Hundes ist vom Kamener Amtsgericht zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden – in Abwesenheit, per Strafbefehl. Er kann dagegen Einspruch einlegen. Es ging um Vorfälle auf dem Kamener Markt, am Bergkamener Stadtmarkt und in einem Linienbus der VKU. Schon zu einem Gerichtstermin Mitte September war der Angeklagte nicht gekommen. An diesem Dienstag nun ließ er den Richter 45 Minuten vorm angesetzten Termin wissen, er liege schon seit vorheriger Woche im Krankenhaus.

Der Mann und sein Hund gehörten in Kamen lange zum Stadtbild. Inzwischen ist das Gespann nach Bergkamen gezogen. Die Sache im Bus geschah auf dem Weg von der einen Stadt in die andere. Es gibt ein Video aus der Überwachungskamera des R81. Die Aufnahme zeigt ein großes Maß an Rücksichtslosigkeit. Der Mann lässt seinen Hund mitten im Gang liegen; es kümmert ihn nicht, dass drei Jungs über die Leine klettern müssen, um zu freien Sitzen zu gelangen. Beim dritten Jungen schnappt der Hund zu. Und erst danach legt der Besitzer seinem Tier einen Maulkorb an. Denn es muss ihm wohl klar geworden sein: Jetzt gibt es Ärger. Die Sache am Markt in Kamen betraf eine Frau, die ein Stück Pizza in der Hand hielt. Am Stadtmarkt in Bergkamen traf es einen Mann.

Nach Kenntnisstand der Polizei ist der Hund inzwischen tot: Der Besitzer selbst oder ein Bekannter von ihm soll das berichtet haben; genau klären ließ sich das beim Gerichtstermin nicht. Vorsichtshalber ordnete der Kamener Strafrichter die Einziehung des Hundes an – eine ausgesprochen seltene Maßnahme. Die Chipnummer des Tiers steht in den Akten. Die Stadt Bergkamen hat dem Mann außerdem inzwischen das Halten größerer Hunde grundsätzlich untersagt. Auf eine solche Verfügung des Kamener Ordnungsamtes hatte der Richter vergeblich gehofft, als der Mann noch in dieser Stadt gemeldet war.




Unfall gebaut – nichts gemerkt: Rentner freigesprochen

von Andreas Milk
Es ist tatsächlich möglich, einen Unfall zu bauen, ohne das überhaupt mitzukriegen. Passiert ist das offensichtlich dem 76-jährigen Manfred W. (Namen geändert) auf dem Parkplatz von Aldi an der Geschwister-Scholl-Straße. Bevor sich die Sache jetzt vor dem Kamener Amtsgericht in Wohlgefallen auflöste, bekam der unbescholtene Rentner – keine Vorstrafe, kein Punkt in Flensburg – erst mal eine Anklage wegen Unfallflucht.

Passiert war Folgendes. Am 7. November 2021 wollte der Selmer zusammen mit seiner Frau Hildegard (75) in Bergkamen den Trödelmarkt am Globus-Baumarkt besuchen. Nebenan bei Aldi war ein Parkplatz frei. Beim Einbiegen in die Parkbox streifte der Mercedes von Manfred W. einen Skoda. Das Ehepaar stieg aus, ging „trödeln“, kam eine Weile später zurück und brach im Mercedes zum nächsten Termin auf: gemütliches Kaffeetrinken war geplant. Typischer Sonntagnachmittag.

Erst später setzte sich die Polizei mit Manfred W. in Verbindung. Und der war einigermaßen überrascht. Seit 1965 hat er seinen Führerschein. Im Prozess wurde klar, dass alle Erfahrung am Steuer in der Situation vergangenen November auch nicht viel nutzen konnte. Denn der „Unfall“ war kaum wahrnehmbar. Ein Zeuge, der damals ein paar Schritte weiter in seinem Auto saß und bei offenem Fenster eine Bratwurst aß, gab zu Protokoll, er habe fast nichts gehört – und hätte er das Radio eingeschaltet gehabt, wäre wohl wirklich gar nichts mehr zu hören gewesen. W.s Frau Hildegard beteuerte, ihr Mann würde „nie im Leben“ einfach verschwinden, wenn er einen Schaden verursacht hätte. Und zum guten Schluss war da noch ein Unfallsachverständiger: Er bestätigte nach eingehenden Untersuchungen und Versuchsfahrten, weder akustisch noch durch eine Erschütterung des Mercedes konnte Manfred W. auf die Berührung mit dem Skoda aufmerksam werden.

Das Urteil: Freispruch. Das bedeutet: Freie Bahn für Trödel-Käufe und Kaffeetrinken. Im Fall eines Schuldspruchs ist bei einer Fahrerflucht in der Regel eine hohe Geldstrafe zu zahlen.




Gelogen für den Freund: Er muss weiter „sitzen“ – sie kriegt Freispruch

von Andreas Milk
Erst hatte Lara H. (29, Namen geändert) gelogen, um ihrem damaligen Freund Sven T. (32) den Knast zu ersparen. Vor Gericht in Kamen sagten beide jetzt wohl die Wahrheit über einen Unfall im September 2021 auf der Bergkamener Geschwister-Scholl-Straße. Das Ergebnis: Freispruch für Lara H., Geldstrafe für Sven T. – im Gefängnis ist er allerdings trotzdem längst.

Das Pärchen war am 4. September vorigen Jahres in einem Smart unterwegs. Beim Zusammenstoß mit einem Poller auf der Scholl-Straße entstand ein Schaden von ein paar hundert Euro. Die beiden stiegen aus, sammelten einige Splitter ein und verschwanden. Gefasst wurden sie etwas später. Im Prozess wurde klar: Sowohl vor als auch nach der Kollision saß Sven T. am Steuer. Er hatte allerdings keinen Führerschein und stand wegen einer früheren Verurteilung unter Bewährung. Nebenbei bestand für den Smart auch keine Haftpflichtversicherung. Um ihren Freund vor der Haft zu retten, erklärte Lara H. der Polizei, zunächst sei sie gefahren. Mit der Konsequenz, dass eben auch sie eine Anklage bekam.

Für die Loyalität seiner „Ex“ revanchierte sich Sven T. vor Gericht, indem er klar stellte: Er allein sei als Fahrer verantwortlich. In seinem Vorstrafenregister stehen elf Einträge, beginnend mit dem Jahr 2005: Körperverletzung, Diebstahl, Betrug, nichts wirklich Wildes – aber dann: Misshandlung Schutzbefohlener, ein Jahr und zehn Monate Haft auf Bewährung. Weil diese Bewährungschance mittlerweile widerrufen wurde, „sitzt“ Sven T. in der JVA Werl.

Für die Sache mit dem Smart verurteilte ihn die Strafrichterin in Kamen zu 130 Tagessätzen à 7 Euro. Er kann die Strafe in Raten zahlen von dem Geld, das er mit Schreinerarbeiten in Werl verdient.

 




(Noch) kein „Firlefanz“: Geldstrafe für Besitz von Marihuana

von Andreas Milk
Für den Verteidiger fiel das Ganze in die Rubrik „Firlefanz“. Und selbst der Richter merkte bei der Urteilsverkündung an, „im politischen Berlin“ gebe es Bestrebungen, die dazu führen könnten, dass Verfahren wie dieses überflüssig werden. Der Bergkamener Marvin T. (Name geändert) war wegen Besitzes von Marihuana angeklagt worden. Knapp 13 Gramm fand die Kripo bei einer Durchsuchung Ende April. Irgendwer hatte den Fahndern einen Tipp gegeben. Der größte Teil des verbotenen Stoffs lag in Tütchen verpackt auf Marvin T.s Couchtisch. Daneben nahmen die Beamten 200 Euro und T.s Handy mit.

Geld und Handy dürfte er zurückbekommen – beides hat nichts mit dem Drogendelikt zu tun. Das Marihuana dagegen dürfte von Staats wegen vernichtet werden.

Marvin T., Anfang 20 und so gerade eben kein Kunde mehr für einen Jugendrichter, hat ein paar Einträge im Bundeszentralregister. Es ging unter anderem um Betäubungsmittel und um Körperverletzung. 2015 ging es los; unter anderem waren Jugendarreste die Folge. Zuletzt gab es eine Geldstrafe wegen Betrugs.

Zur Zeit besucht T. die Abendschule mit dem Ziel Hauptschulabschluss. Tagsüber jobbt er bei einer Lieferfirma. Das Marihuana in seiner Wohnung kostet ihn nun 250 Euro: So hoch ist die Geldstrafe (25 Tagessätze à 10 Euro), die der Strafrichter am Amtsgericht Kamen gegen den jungen Mann verhängte.




Im Krankenhaus Benzodiazepin abgezweigt: Pfleger verurteilt – und bereit zum Entzug

von Andreas Milk
Selten, dass im Kamener Amtsgericht ein Angeklagter so taff auftritt. Bis März dieses Jahres war der ehemalige Bergkamener Thomas S. (Name geändert) als Pfleger in der Notaufnahme des Krankenhauses in Kamen tätig. Dass er seine Arbeit verlor, hing mit seiner Alkoholabhängigkeit und mit einer Straftat zusammen. Vor Gericht redete er nicht viel – und schon gar nicht viel drum rum.

„Klar Schiff“ wolle er machen. Deshalb gab er auch das zu, was ihm kaum – oder gar nicht – zu beweisen gewesen wäre: Zehn Mal habe er im Krankenhaus Ampullen mit Midazolam – der Gruppe der Benzodiazepine zugehörig – für sich selbst abgezweigt. Denn im Dienst zu trinken, sei nicht in Frage gekommen. Um trotzdem „fit“ zu sein für den Job, habe er das schmerzlindernde, beruhigende Medikament eingenommen. „Falsch angewandt, kann das auch jemanden abschießen.“ Die Staatsanwaltschaft warf ihm im Prozess Unterschlagung vor. Die Beweissituation wäre laut S.‘ Verteidiger ohne das Geständnis seines Mandanten „katastrophal“ gewesen. Das Midazolam fällt nicht unters Betäubungsmittelgesetz; entsprechend sind die Dokumentationspflichten in einer Klinik weniger streng.

Leicht zu beweisen dagegen – und eher Nebensache: Anfang September fuhr S. mit 2,1 Promille im Blut in seinem Auto über die Münsterstraße. Er wurde geschnappt.

Thomas S. hat schon einmal einen Alkoholentzug gemacht. Danach war er acht Jahre trocken. Als seine Ehe kaputt ging, ging auch das Trinken wieder los. Zwei Tage nach seiner Trunkenheitsfahrt meldete sich S. zur Entgiftung. Selten, so sein Anwalt, habe er jemanden kennengelernt, der so effektiv gegen eine Sucht angegangen sei.

Das Urteil: eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 10 Euro. Damit gilt S. nicht als vorbestraft. Das polizeiliche Führungszeugnis bleibt leer. Und so geht das Ganze weiter: Gleich an diesem Mittwoch – dem Tag nach dem Gerichtstermin – tritt Thomas S. aufs neue eine stationäre Therapie zum Alkoholentzug an. Er hat alles schon geregelt, während er übergangsweise wieder bei seiner Frau wohnte. Minimum der Therapie: 15 Wochen.