Bauchkrämpfe am Steuer, kein Führerschein – am Ende: Haft

von Andreas Milk
„Warum machen Sie so ’nen Scheiß?“ Das wollte der Kamener Strafrichter wissen von dem Angeklagten, der wegen Fahrens ohne Führerschein vor ihm saß. Auf der Berliner Straße war Erdal K. (Name geändert) am Mittag des 27. Juni 2024 erwischt worden: Ein Polizist erkannte im Vorbeifahren das Auto und erinnerte sich aus einer früheren Begegnung, dass der Mann am Steuer doch wohl gar keinen Führerschein besaß. Das Problem an jenem Sommertag: K.s Frau, die ursprünglich gefahren war, hatte während der Fahrt Krämpfe im Unterleib bekommen. Erdal K. übernahm das Steuer: Es galt, rasch die nahegelegene Kita zu erreichen – das Paar wollte seinen Sprössling abholen.

Klar: Die rund 400 Meter hätte Erdal K. auch zu Fuß geschafft; die Frau hätte erst mal im Wagen abwarten können. Aber er habe eben „einfach reagiert“, erinnert sich der 49-Jährige. Der ist eben schon früher mit diesem Delikt aufgefallen. Jedes Mal hatte er einen guten Grund für sein Tun. „Das waren alles keine Lust- oder Spaßfahrten“, betonte sein Verteidiger. Derzeit läuft schon eine Revision gegen eine Verurteilung zu vier Monaten Haft ohne Bewährung.

Jetzt kamen wieder vier Monate „ohne“ bei dem Verfahren raus. Erdal K. hat mittlerweile Hilfe in Anspruch genommen: Es gab Termine mit einer Verkehrstherapeutin. Das könnte ihm bei einer späteren Verhandlung in höherer Instanz nutzen. Und nutzen würde ihm vor allem endlich ein Führerschein. Er ist Intensivpfleger an einer Uniklinik in Baden-Württemberg. Da unten wohnt und arbeitet er wochenweise. Hin und her geht’s per Bahn – oder dank der Chauffeurdienste eines Familienmitglieds.

 




Tod einer 2-Jährigen: „Eine Tragödie“, sagt auch der Staatsanwalt

von Andreas Milk
Am frühen Abend des 19. März 2024 starb in Bergkamen die zweijährige Julia (Namen geändert) an schwersten Kopfverletzungen. Die Kleine hatte sich von der Hand ihrer Mutter losgerissen und war zur Grundstückseinfahrt von Nachbar Michail K. (52) gelaufen. Der setzte gerade mit einem Kastenwagen zurück. Julia stolperte an einer Kante, fiel, geriet unter ein Hinterrad. K. war heute, gut ein Jahr danach, vor dem Kamener Amtsgericht wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.

„Es ist eine Tragödie“, bekannte der Staatsanwalt – auch, dass er „das Verfahren gehasst“ habe. Im Verhandlungssaal war eine überschaubare Runde zusammengekommen. Der Richter hatte darauf verzichtet, Julias Eltern als Zeugen zu laden; es war auch kein Auftritt eines Gutachters mehr nötig, um festzustellen: Ja, Michail K. mag „schuldig“ sein – aber nicht in einem Maße, das eine Verurteilung des unbescholtenen Mannes als Straftäter erfordern würde.

Er selbst ließ sich noch an jenem Märzabend in die Dortmunder Psychiatrie bringen. Seine ganze Familie sei „völlig aus der Bahn“ geworfen worden, erklärte K.s Anwalt. K. selbst wurde von Angehörigen zum Prozess begleitet. Das Reden überließ er weitgehend dem Verteidiger. Am Tag nach dem Unfall habe man „zusammen geweint“, erinnert er sich. Und Julias Vater habe zu ihm gesagt: Er gebe ihm keine Schuld.
K.s Kastenwagen – ein Dienstwagen, er gehörte seinem Arbeitgeber – war geschlossen, ohne direkte Sicht nach hinten. Es gab mehrere Spiegel sowie eine nachgerüstete Kamera fürs Rückwärtsfahren. Laut einem Dekra-Gutachten hätte Michail K. – vereinfacht gesagt – überall zugleich hinschauen müssen oder doch zumindest in einem bestimmten Augenblick in einen bestimmten Spiegel, um die kleine Julia zu sehen. Und laut Straßenverkehrsordnung hätte er sich notfalls beim Zurücksetzen in seine Einfahrt von jemandem einweisen lassen müssen. Bloß: Das Fahrmanöver am 19. März 2024 war halt Routine. Und das Verhältnis zur kleinen Julia und ihrer Familie war zwar gutnachbarschaftlich, aber auch nicht so, dass das Kind regelmäßig aufs Grundstück von Michail K. gekommen wäre, wenn der abends vom Job nach Hause kam.

Juristisch endet das Ganze mit einer Verfahrenseinstellung wegen geringer Schuld des Angeklagten – verbunden mit einer Geldbuße. 2.000 Euro muss Michail K. binnen fünf Monaten an die Kreisverkehrswacht Unna zahlen. Sobald das getan ist, kommt der Fall – juristisch – zu den Akten.

 




„Lost Place“ Grimberg 1/2: Trio mit Flex und Radio

von Andreas Milk
Ist es eigentlich möglich, jemanden so richtig zu bestehlen, ohne dass der Bestohlene eine Chance hat, das überhaupt mitzukriegen? Und womöglich ohne dass es ihn interessiert? Die Rede ist von der RAG. Tatort war am 19. April vorigen Jahres ihr altes Zechengelände Grimberg 1/2 an der Rathenaustraße, durchaus ein paar Fußballfelder groß. Drei Männer waren im Kamener Amtsgericht des gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall angeklagt. Am Ende blieb nicht viel davon übrig.

Das Trio soll an dem besagten Nachmittag in Bergkamen Kupferstücke zum Abtransport vorbereitet haben. Ein Anwohner rief die Polizei. Das tat er, wie er jetzt dem Gericht schilderte, wohl schätzungsweise schon zum 20. Mal. Denn das eingezäunte Gelände ist beliebt bei Angehörigen einer Szene, die sich zu „Lost Places“ – verlassenen, verlorenen Orten – hingezogen fühlt. Die Beamten rückten also an, vernahmen Flexgeräusche, stießen auf zwei Verdächtige. Die beiden erklärten, bloß zum Chillen da zu sein. Der dritte Mann lief den Polizisten etwas später auch noch über den Weg. Ein Polizist im Zeugenstand sprach jetzt von „Katakomben“, schwer zugänglichen Ecken, Musik, die aus einem Radio tönte, und einem Stromgenerator für Flex und Radio. Unrat habe herumgelegen – wohl auch von früheren Besuchern.

Letztlich bleibt nach dem Prozess offen, wer da genau was am 19. April 2024 auf dem Zechengelände angestellt oder eingesteckt hat. Die Verfahren gegen alle drei Angeklagten wurden eingestellt. Einer von ihnen „sitzt“ eh schon wegen einer anderen Tat. Ein anderer der drei angeklagten Männer allerdings bekam bei dem Termin jetzt eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 10 Euro wegen fahrlässiger Körperverletzung: Er hatte im Streit mit einer Frau auf der Bergkamener Hochstraße seine Kontrahentin mit einem Messer am Bein erwischt – unbeabsichtigt, wie die Frau selbst bestätigte. Dass sie seinerzeit bei der Polizei von einem Angriff gesprochen hatte, begründete sie nun damit, sie sei „auf Drogen“ gewesen. Derzeit verbüßt sie eine Haftstrafe. Für den Gerichtstermin hatte sie Ausgang bekommen.




Anklage: Vom Mann misshandelt – Schweigen vor Gericht

von Andreas Milk
Mindestens zwei Mal soll der Bergkamener Adil B. (44, Name geändert) im vergangenen Jahr seine Frau misshandelt haben. Die Folgen: Schwellungen, Rötungen, ausgerissene Haare. Tagelang konnte sie vor Schmerz nichts essen: Adil B. soll sie am Kopf gepackt und ihr seine Finger in den Kiefer gerammt haben. Sie erstattete Anzeige bei der Polizei. Es erging ein Strafbefehl. B. legte Einspruch ein. Darum gab es jetzt einen Termin vorm Strafrichter in Kamen.

Dort wurde der Strafbefehl nun nochmal verlesen – formuliert als Anklage. Die körperlichen Attacken sowie eine Beleidigung sind darin detailliert beschrieben – und auch, dass die Taten im Beisein der beiden kleinen Kinder des Paars geschehen seien. Adil B. und seine Frau leben derzeit zwar getrennt. Es gebe aber wieder eine Annäherung, hatte B.s Anwalt zum Prozessauftakt erklärt.

Und damit zeichnete sich schon der Ausgang des Prozesses ab. Adil B. schwieg – sein Recht als Angeklagter. Seine Frau verweigerte ebenfalls die Aussage als Zeugin – ihr Recht als Ehefrau. Damit hatte das Gericht keinerlei verwertbare Beweismittel. B. wurde freigesprochen. Es blieb bei Appellen von Richter und Staatsanwalt an den Angeklagten, er möge sich künftig vorsehen. Die Kinder waren mitgekommen zum Gerichtstermin – zum Glück noch viel zu klein, um zu begreifen, was da vor sich ging. Eins von ihnen saß auf Papas Schoß: Vater und Sohn, gemeinsam auf der Anklagebank.




Drohung im Rathaus: „Lege Bürgermeister um!“

von Andreas Milk
Kamen. Am Nachmittag des 2. April 2024 ging Markus H. (54, Name geändert) ins Bergkamener Rathaus, erklärte einem Security-Mann, er wolle „mein Geld haben“, und kündigte an, den Bürgermeister umzulegen, wenn er es nicht bekäme. Drei Monate später tauchte H. in Unna bei der Übergangshilfe auf, einem Verein, der sich um Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen kümmert. Auch bei diesem Besuch ging es wohl um Geld. Er endete damit, dass H. am Auto der Geschäftsführerin Luft aus den Reifen ließ und mit einem Stein die Heckscheibe eines Dienstwagens demolierte. Schaden: 500 Euro.

Vor acht Wochen kam Markus H. in Untersuchungshaft, um die Hauptverhandlung vor Gericht sicher zu stellen. Und diese Verhandlung war nun an diesem Freitag. Die Tatvorwürfe waren schnell aufgeklärt: Der Security-Mann und die Frau von der Übergangshilfe machten ihre Aussagen. Erstaunlicherweise beschrieb der Security-Mann das Auftreten H.s im Bergkamener Rathaus als „höflich und ruhig“ – aber auch als „sehr ernst“. Sprich: Die Todesdrohung war scheinbar von der Art, die sich nicht einfach als durchgeknallt abtun lässt. Bürgermeister Bernd Schäfer wurde informiert, er solle seine Tür geschlossen halten. Die Polizei kam dazu. Dass von H. keine reale Bedrohung ausging, war rasch klar. Und die Mitarbeiter der Übergangshilfe in Unna wussten am 1. Juli ohnehin schon, mit wem sie es da zu tun hatten: mit einem Mann, „der sich häufig nicht in der Realität aufhält“. So jedenfalls beschrieb es ein Gutachter, den das Gericht jetzt zum Termin bestellt hatte.

Markus H. hat seit seiner Jugend psychische und Suchtprobleme. Es wurde eine Schizophrenie diagnostiziert; von seiner Familie lebt er isoliert, sprach in der Vergangenheit gelegentlich von Schäden, die er durch „biochemische Waffen“ erlitten habe. Es gibt etliche Vorstrafen. Die Bewährungsfrist aus der jüngsten Verurteilung endet im Dezember 2026.

Das neue Urteil für die Vorfälle im Bergkamener Rathaus und in Unna: acht Wochen Haft – die mit der U-Haft abgegolten sind. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte das so beantragt. Der Richter stimmte zu: eine „pfiffige Lösung“ sei das. H. ist also wieder ein freier Mann. Dabei habe ihm gerade die Haft wohl gut getan, sagte der Gutachter: Sie habe ihm Struktur geboten und Entscheidungen erspart. Künftig werden sich wieder ein Betreuer und ein Bewährungshelfer um Markus H. kümmern. Der wiederum muss übrigens noch den Schaden für die kaputte Autoscheibe begleichen.

 




„Schäme mich für früher“: Bewährung nach Serie schwerer Diebstähle

von Andreas Milk
Er schäme sich „für das, was ich früher war“, sagte der 41-jährige Adam T. (Name geändert) dem Strafrichter. Vor dem saß er für eine Reihe schwerer Diebstahlsdelikte, begangen unter anderem in Kellerräumen an der Hochstraße, in einem abgestellten Auto an der Werner Straße sowie einem Keller an der Straße Im Stollen. T. klaute Elektronikartikel, Sekt, Arbeitsschuhe, eine Brieftasche – was eben so herumlag. Die Erklärung: ein Rückfall in den Drogenkonsum und ein Berg Schulden.

Beim Gerichtstermin waren T.s Verteidiger und der Richter gleichermaßen erstaunt: T. erschien in sichtlich guter Verfassung, stand zu dem, was er da im Herbst 2023 angestellt hatte, und lobte die Therapie, die ihm inzwischen ermöglicht worden ist: „Sie hat mich clean gemacht, und das will ich bleiben.“ Das Schreiben einer Suchtklinik bescheinigt ihm seinen Erfolg und seine Hartnäckigkeit im Kampf gegen die Abhängigkeit. Seit Oktober wird er dort stationär betreut: Therapie statt Strafe. Vorher war er in der Schwerter JVA. Sein Vorstrafenregister reicht zurück bis ins Jahr 1999. Schwerpunkt: Eigentumsdelikte. Zuletzt hatte ein Gericht drei Jahre und zwei Monate Knast verhängt. Vom „Ausfluss eines schwierigen Lebens“ sprach der Verteidiger.

Jetzt hat Adam T. einen Job in Aussicht bei einem Bergkamener Unternehmen. Klappt das wider Erwarten nicht, bleibt als Alternative eine Firma für Leiharbeit. Das Gerichtsurteil soll ihn daran nicht hindern: 20 Monate Haft – ausgesetzt zur Bewährung. Für die geklauten Sachen muss er Ersatz leisten: rund 350 Euro. Als Auflage wurde ihm gegeben, an die stationäre Therapie eine ambulante Nachsorge zu hängen. T. nahm das Urteil an.

 




Zwei Meter „Trunkenheitsfahrt“ plus Beleidigung: Geldstrafe und Fahrverbot

von Andreas Milk
Es ist vielleicht die kürzeste „Trunkenheitsfahrt“, für die je jemand Ärger mit der Justiz bekommen hat. In der Nacht zum 15. September legte der Kamener Martin D. (52, Name geändert) auf einem Parkplatz an der Bergkamener Büscherstraße etwa zwei Meter in seinem Suzuki zurück – mit rund 1,8 Promille im Blut. Bekannte, die ihm den Autoschlüssel abnehmen wollten, nannte er „Arschloch“ und Schlimmeres. Folge war damals ein Strafbefehl, gegen den D. Einspruch einlegte. Er wollte die im Strafbefehl ausgesprochene Führerscheinsperre von neun Monaten loswerden.

So gab es jetzt einen Verhandlungstermin vor dem Kamener Strafrichter. Und Martin D. zeigte sich als Muster-Angeklagter. Er hat eine Zeit schmerzvoller Auseinandersetzung mit seinem Alkoholkonsum hinter sich. Acht Sitzungen zur Therapie hat er seit Ende 2024 absolviert: „Das hat mir richtig geholfen.“ In der Coronazeit habe sich der Suff in sein Leben eingeschlichen, sagt er. Und an dem besagten Abend im September schob er wohl mächtig Frust. Auf der Party, zu der er eingeladen worden war, fühlte er sich fehl am Platz. Dazu kam Streit mit seiner Frau. Und dann habe irgendeiner gerufen: „Komm, jetzt trinken wir Shots!“ Die seien für ihn „der Killer“ gewesen, erinnert sich D.. Später habe er sich eigentlich bloß in sein Auto setzen wollen, um auf ein Taxi zu warten. Er sei wahrlich fahr-untüchtig gewesen: Ein Versuch, aus einer Parklücke zu kommen, scheiterte kläglich. Wohlmeinende Menschen hinderten ihn, größeren Blödsinn anzustellen.

„Warum schütte ich dieses Zeug eigentlich in mich rein?“ – das habe er sich in der Therapiezeit gefragt. Mittlerweile meide er Alkohol konsequent. Seine Frau ziehe mit. Er wolle ein Vorbild sein für seine kleine Tochter, erklärt er.

Vorstrafenregister und Flensburger Punktekonto sind leer. Der Richter entschied: Zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 70 Euro für den gut verdienenden Softwarefachmann kommt ein Fahrverbot von sechs Monaten. Die Zeit seit dem 15. September – D. gab den Führerschein sofort ab – wird angerechnet. Mitte März bekommt D. also seine Fahrerlaubnis zurück. Allerdings: Die Straßenverkehrsbehörde in Unna könnte ihm noch zu schaffen machen. Es droht die Medizinisch-Psychologische Untersuchung, umgangssprachlich „Idiotentest“.




„Schwarz“ im VKU-Bus: Freizeitarbeit für Betrugsversuch

von Andreas Milk
Es blieb sozusagen in der Familie. Aber es war trotzdem eine Straftat. Der 19-jährige Kamener Tobias T. (Name geändert) saß am späten Mittag des 10. Juni vorigen Jahres in einem Bus der VKU-Linie R81 und gondelte durch Bergkamen, als plötzlich ein Kontrolleur seinen Fahrschein sehen wollte. Tobias T. legte ihm auch ein Ticket vor. Das gehörte allerdings seiner Schwester – und natürlich wusste er das. Folge war jetzt eine Betrugsanklage vor dem Jugendrichter am Amtsgericht in Kamen.

Er habe schlicht kein Geld bei sich gehabt, als er die Fahrt antreten wollte, erklärte der junge Mann im Sitzungssaal. Er war bisher nicht weiter unangenehm aufgefallen – es gab bloß mal eine eher geringfügige Verfehlung 2021, also noch in seiner Zeit als Jugendlicher. Phasenweise lebte er in einer Wohngruppe; heute wohnt er bei seinen Eltern. Und mittlerweile gilt Tobias T. den Juristen als „Heranwachsender“, weil zwischen 18 und 21 Jahre alt. Eine erfreuliche Perspektive: T. geht aufs Berufskolleg, um seinen Realschulabschluss zu machen. Später möchte er eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann beginnen.

Für die betrügerische Busfahrt bleibt es bei einem erhobenen Zeigefinger des Gerichts, verbunden mit der Auflage, 20 Stunden Freizeitarbeit abzuleisten. Sobald Tobias T. das erledigt hat – und sofern er sich dafür nicht zu viel Zeit lässt -, wird das Verfahren gegen ihn endgültig eingestellt.

 




Entrümpelung übertrieben: „Klüngelskerl“ ein Klaubock

von Andreas Milk
Lucian H. (Name geändert) hatte sich in eine unglückliche Lage gebracht. Sollte er nun vor dem Kamener Strafrichter lieber einen Diebstahl einräumen – oder ein neues Verfahren wegen Schwarzarbeit riskieren? Es ging um einen Auftrag, den H. am 24. September 2024 in einem Kleingarten an der Bergkamener Königslandwehr erfüllte. Oder wohl eher über-erfüllte.

H.s Job sollte sein, mit seinem Kleintransporter Schrott abzutransportieren. Das tat er auch – aber er nahm laut Anklage noch sehr viel mehr mit. So verschwanden Werkzeuge, Rollschuhe, das Gestänge eines Pavillons, eine Puppe, eine Mistgabel sowie Weihnachtsdekoration. Gesamtwert: um die 400 bis 500 Euro.

Lucian H. beteuerte im Gerichtssaal, nur das weggebracht zu haben, was mit seinem Auftraggeber vereinbart worden sei. Dieser Auftraggeber kann dazu nichts mehr sagen – aber seine Witwe. Die hatte bei der Polizei erklärt, bestohlen worden zu sein. Das führte zu einem Strafbefehl gegen H. in Höhe von 50 Tagessätzen à 30 Euro. H. legte Einspruch ein. Folge war jetzt eben der Gerichtstermin.
Und der ging in gewisser Weise für H. – vorbestraft wegen Betrugs und Steuerhinterziehung – erfreulicher aus als für die beklaute Frau. Denn entsprechend seinem Einkommen als Bürgergeldbezieher und Minijobber wurde die Tagessatzhöhe halbiert auf 15 Euro. Statt 1.500 Euro muss Lucian H. also „nur“ 750 Euro Strafe zahlen. Darüber, dass H. die Entrümpelung mutmaßlich „schwarz“ erledigte, wird die Staatsanwaltschaft gnädig hinweg sehen. Die Frau bleibt auf ihrem Schaden sitzen. Sie könnte versuchen, H. zivilrechtlich zu belangen. Aber das ist die Geschichte mit dem nackten Mann, dem man nicht in die Tasche greifen kann: Auch mit einem gerichtlich bestätigten Anspruch gäbe es bei Lucian H. nichts zu holen.




Parfümklau: ja – Beklauen eines Taxifahrers: nein

von Andreas Milk
Einen Taxifahrer auf der Kamener Koppelstraße soll er beklaut haben sowie die Drogeriemärkte von Rossmann im Kamen Quadrat am 20. Juni 2024 und an der Bergkamener Parkstraße am 21. Juni: Eddin L. (Name geändert) saß wegen Diebstahls vor dem Strafrichter im Amtsgericht. Der Taxifahrer verlor seinerzeit seine Brieftasche mit einigen Scheinen. Die Rossmann-Märkte verloren Parfümartikel im Wert von knapp 1.500 Euro.

Die Aktionen in den Rossmann-Märkten gab Eddin L. zu. Den Taxifahrer allerdings – einen Rentner aus Bergkamen, der sich was dazu verdient – habe er nicht bestohlen. Dieser Mann war als Zeuge geladen. Er erinnerte sich, auf dem Kamener Markt vier Fahrgäste aufgenommen zu haben. Es war in der Nacht zum 27. Juli 2023. Auf der Koppelstraße habe er sie abgesetzt – und als er Wechselgeld rausgeben wollte, habe ihm der Fahrgast auf dem Beifahrersitz das Portemonnaie entrissen und sei abgehauen. „Ich meine, dass er das war“, sagte er mit Blick auf Eddin L. – aber: Vollkommen sicher sei er sich da nicht. Bei der Polizei bekam der Taxifahrer damals sechs Fotos vorgelegt. Darunter war eins von Eddin L.. Doch gerade ihn erkannte der Fahrer nicht wieder – sondern zeigte auf das Foto von jemand anderem, genauer gesagt: auf ein Foto, das per Computerprogramm erzeugt worden war.

Was das Bestehlen des Taxifahrers angeht, wurde Eddin L. freigesprochen. Denn es gab ja keine belastbaren Beweise. Fürs Parfümklauen dagegen bekam der wegen Diebstahls vorbestrafte Mann zehn Monate Haft auf Bewährung. Er muss außerdem 120 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten – und natürlich den Schaden von Rossmann wieder gut machen. Um alles auf die Reihe zu bekommen, wird ihm ein Bewährungshelfer gestellt. Eddin L. hat noch ein ganz anderes Problem. Nachdem ihm ein Ausbildungsverhältnis vorzeitig gekündigt worden ist, droht dem jungen Algerier die Abschiebung.

 




Kriminelles Hobby: Phantom-Küchen verkaufen bringt eine Geldstrafe

von Andreas Milk
Im Sommer 2023 bot der Bergkamener Salih K. (Name geändert) übers Internet eine gebrauchte Küche für 150 Euro zum Verkauf an. Eine Frau aus einem anderen Teil Deutschlands schlug zu und zahlte. Die Küche blieb, wo sie war: in der Phantasie von Salih K.. Der saß nun wegen Betrugs in Kamen vor dem Strafrichter.

Das Ungewöhnliche an diesem Fall: Erst im Dezember 2022 hatte das Schöffengericht in Unna den Bergkamener wegen gewerbsmäßigen Betrugs in neun Fällen zu 16 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Jedes Mal hatte er nicht existierende Küchen verhökert, jedes Mal für vergleichsweise niedrige Beträge zwischen 150 und 300 Euro.

Solch eine Hartnäckigkeit sollte nun eine Haftstrafe ohne Bewährungschance zur Folge haben, fand der Vertreter der Staatsanwaltschaft. Er beantragte sechs Monate. Aber Salih K. hatte nochmal Glück. Er konnte einen festen Job vorweisen: Er verdient sein Geld auf dem Bau. Früher habe er psychische Probleme gehabt und unter Spielsucht gelitten, bekannte er – mittlerweile habe er sich ein neues Leben aufgebaut. Und das soll ihm nicht eine Haftstrafe vermasseln: Der Richter verhängte eine Geldstrafe. Die allerdings fiel happig aus: 180 Tagessätze à 20 Euro. Zugunsten des Mannes wertete der Richter auch, dass er ein Geständnis abgelegt hatte. Ohne Geständnis wäre nichts nachzuweisen gewesen, es sei denn, die Küchenkäuferin wäre eigens als Zeugin 500 Kilometer weit angereist.

Salih K.s Verteidiger kassierte bei seinem Mandanten noch im Gerichtssaal 150 Euro ein – nicht als Honorar, sondern zur Weiterleitung an die betrogene Frau.