von Andreas Milk
Ein bisschen verdächtig hätte der 40-jährigen Maria U. (Name geändert) aus Bergkamen das Ganze schon vorkommen müssen. Aber hinterher ist man eben immer schlauer. Wegen Geldwäsche stand sie in Kamen vor dem Strafrichter. Sie hatte die Daten ihres Kontos bei der Sparkasse einem Bekannten für die Abwicklung eines dubiosen Geschäfts überlassen. Knapp 3.900 Euro trudelten bei ihr ein. Sie gab das Geld – es kam aus Österreich – wunschgemäß weiter. Ein Teil wanderte auf ein Konto in Großbritannien. Sie selbst hatte offenbar keinerlei Gewinn oder Nutzen von dem ganzen Prozedere.
Das Blöde an der Sache: Während Maria U. glaubte, das Geld werde von einer Freundin ihres Bekannten für eine größere Anschaffung gebraucht, wartete der Absender der 3.900 Euro auf die Lieferung eines Quads, das er gekauft zu haben glaubte.
Den Bekannten, dem sie aus Hilfsbereitschaft ihr Konto „geliehen“ hatte, kannte Maria U. aus Nigeria. Sie stammt von dort; seit neun Jahren lebt die Mutter dreier Kinder in Deutschland. Zwischendurch hatte ihr der Landsmann in Italien ein Zimmer vermietet. Die beiden kannten sich also recht gut. Es existierte ein Vertrauensverhältnis. Das nutzte der Mann aus.
Neben den Konten in verschiedenen europäischen Ländern spielt in dem Fall noch ein Mann in Thüringen eine Rolle. Der soll das Quad im Netz angeboten haben. Ermittlungen der lokalen Polizeibehörde hierzu auf Bitte des Kamener Gerichts liefen ins Leere. Die Ermittler forschten nicht näher nach.
Maria U. hatte schon einmal wegen Betrugs einen Strafbefehl bekommen. Schon damals hing ihr Bekannter als Initiator mit in dem Fall drin. Es ging um einen Lego-Bausatz für 440 Euro und einen E-Roller für 900 Euro. Im neuen Urteil des Richters kommt nun alles zusammen: Maria U. muss eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 15 Euro zahlen. Überdies könnte der angerichtete Schaden – unterm Strich rund 5.000 Euro – bei ihr gepfändet werden. Theoretisch. Praktisch gibt es bei ihr nichts zu holen. Das schmale Einkommen reicht gerade für sie und die Kinder.
Frau misshandelt: Ehemann verurteilt
von Andreas Milk
Wenn ein Familienmitglied angeklagt ist, darf ein Zeuge oder eine Zeugin vor Gericht schweigen. Die Bergkamenerin Maria P. (Namen geändert) allerdings sagte im Prozess gegen ihren Mann Adrian vor dem Strafrichter in Kamen aus. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Bei einem Streit um die Zubereitung des Abendessens am 28. April habe Adrian P. sie an den Haaren gepackt und ihr den Flügel eines geöffneten Fensters gegen den Kopf geschlagen.
Draußen auf der Straße in der Nähe des Bergkamener Rathauses – es war kurz nach 22 Uhr – ging ein 17-Jähriger mit einem Freund vorbei. Er hörte Hilfeschreie aus dem dritten Stock, sah, was da oben vor sich ging, und rief die Polizei – ein Verhalten, das ihm der Richter hoch anrechnete: Viele wären einfach weiter gegangen.
Vor Gericht nun sagte der beschuldigte Ehemann: Er würde seiner Frau niemals weh tun. Sie habe ihn bei dem Streit aus der Tür drängen wollen, dabei habe die Tür sie am Kopf getroffen. Die Frau bestätigte den wesentlichen Punkt: Er habe sie nicht geschlagen, vielmehr die Wohnung verlassen wollen.
Allerdings passte die Erzählung vom Tür-Unfall nicht im geringsten zu den Fenster-Beobachtungen des jungen Zeugen. Und ihm glaubten sowohl die Vertreterin der Staatsanwaltschaft als auch der Richter. Das Resultat: Adrian P. wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 20 Euro verurteilt. Damit hatte er Glück: Im Führungszeugnis tauchen erst Strafen ab 91 Tagessätzen auf. Die Tagessatzhöhe wiederum orientiert sich am Einkommen des Mannes.
Wegen ihrer mutmaßlichen Falschaussage als Zeugin muss jetzt Maria P. mit einem Verfahren rechnen. Hätte sie geschwiegen, bliebe ihr das erspart.
„Ich war’s nicht!“ – stimmt: Freispruch
von Andreas Milk
Am späten Nachmittag des 16. Januar geriet Autofahrerin Margit T. (Namen geändert) auf der Erich-Ollenhauer-Straße in Bedrängnis: Ein Fahrer hinter ihr betätigte Hupe und Lichthupe, schließlich überholte er sie rechts, bremste sie aus, stoppte und baute sich vor ihrem Wagen auf. Dann stieg er wieder ein und fuhr weiter.
Margit T. notierte das Kennzeichen und erstattete Anzeige. Die Ermittlungen der Polizei führten zu Mario B., und der saß nun im Kamener Amtsgericht und behauptete: Er sei es nicht gewesen. Vielmehr habe er sich zum fraglichen Zeitpunkt in der Nachbarstadt Kamen eine Pizza gegönnt. Das lasse sich mit einem Handyfoto belegen. Das Auto werde von einer ganzen Reihe von Familienangehörigen genutzt. Zugelassen sei es auf den Namen einer Tante.
Der Pizza-Beweis war gar nicht nötig. Denn gleich nach Betreten des Verhandlungssaals erklärte Zeugin Margit T.: Sie sehe Mario B. gerade zum ersten Mal. Der nervige Autofahrer sei ein Anderer gewesen.
Der Rest ist schnell erzählt: Freispruch. Der Richter entschuldigte sich beim Angeklagten für die irrtümliche Beschuldigung. Die Kosten – darunter die für Mario B.s Anwalt – trägt die Staatskasse.
Auslöser Familienfrust: Fast 40 Mal „schwarz“ mit der Bahn
von Andreas Milk
Es könnte ein trauriger Rekord sein, den eine 23-Jährige aus Bergkamen in Sachen Schwarzfahren aufgestellt hat. Etwas traurig und niedergeschlagen wirkte auch die junge Frau selbst auf der Anklagebank vor dem Kamener Strafrichter. Insgesamt fast 40 Fahrten mit Regional- und Fernzügen der Bahn ohne Ticket zwischen Osnabrück und Freiburg wurden ihr zur Last gelegt. Und der Grund für die Fahrten? „Ich wollte einfach weg.“ Das Familienleben der Angeklagten scheint alles andere zu sein als leicht.
Schon einmal – im Januar dieses Jahres – war sie wegen „Beförderungserschleichung“ verurteilt worden. Die jetzt zur Debatte stehenden Schwarzfahrten waren zum großen Teil schon vorher passiert. Und das ist insofern Glück für die Frau, als das Verfahren in diesen Altfällen nun eingestellt werden konnte. Aber immerhin 16 Delikte seit Januar blieben übrig.
Was sie getan habe, sei nicht zu rechtfertigen, bekannte die Bergkamenerin kleinlaut. Sie wolle auch alles wieder gut machen. Den Bahnschaffnern bereitete sie nie Probleme: Während andere ertappte Schwarzfahrer schon mal patzig reagieren, saß sie einfach bedröppelt da. Nirgends in den Akten ist von irgendwelchen Schwierigkeiten wegen ihr die Rede.
Es gibt Hoffnung. Die Frau hat mittlerweile einen Job – und bald startet sie auch eine solide Berufsausbildung. Seit fünf Monaten gab es keine fahrscheinfreien Bahnausflüge mehr. Ohne Urteil ging es trotzdem nicht: 90 Tagessätze à 25 Euro muss sie zahlen. Und sie muss die Kurve kriegen, unterstrich der Richter. Denn bei einer Fortsetzung der Schwarzfahrerei würde sie zwangsläufig auf eine Gefängnisstrafe zu steuern. Sie versprach: Ein Wiedersehen im Gerichtssaal werde es nicht geben.
Knietritt und fliegende Dose: Geldstrafe nach Attacke im Kiosk
von Andreas Milk
Mehmet M. (Namen geändert) hatte kaum die Räume des Kiosks an der Rünther Straße betreten, da flog eine halbvolle Getränkedose an seinen Kopf. Gleich danach erlitt er einen seitlichen Tritt gegen sein – sowieso schon lädiertes – Knie. Laut Gerichtsakten passierte das am Abend des 12. Dezember 2024. Als Angeklagter saß jetzt Erkan K. in Kamen vor dem Strafrichter. Er soll für Dosenflug und Tritt verantwortlich gewesen sein.
Klar ist: Zwischen den beiden Männern gibt es schon länger Knatsch. An diesem Abend aber habe er sich nichts zuschulden kommen lassen, versicherte der angeklagte K. Vielmehr sei es M. gewesen, der ihn behelligt habe, und zwar in Zusammenhang mit einem anderen Strafverfahren. In diesem Verfahren hat Erkan K. inzwischen vom Schöffengericht Unna ein Jahr Haft auf Bewährung bekommen. Ein Berufungsverfahren läuft. Es ging um den Vorwurf, K. habe M. mit dem Auto angefahren. Ursache der Dauerfehde ist wohl, dass Immobilienfachmann Mehmet M. seinem Widersacher Erkan K. bei einem Anliegen seine Hilfe verweigert hatte.
K.s Vorstrafenregister ist ansonsten leer. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte keine Zweifel an den Aussagen von Mehmet M. – während K.s Anwalt eine Belastungstendenz erkannte.
Der Richter schließlich hielt M.s Erzählung für lebensnah und stimmig. Er verurteilte den erwerbslosen Erkan K. zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 15 Euro wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Die Verletzungen im Detail sind durch ein Attest belegt. M. selbst berichtete, er habe damals erst einmal an Krücken gehen müssen und tagelang Kopfschmerzen gehabt.
Anklage: „Unfallflucht“ vom Tankstellengelände
von Andreas Milk
Wirklich blöd war dieser Strafprozess um einen Vorfall an einer Bergkamener Tankstelle für einen 14-Jährigen aus Kamen. Er rückte gemeinsam mit seiner Mutter für eine Zeugenaussage an, verpasste deshalb eine Klassenarbeit, die er nun nachschreiben muss, und kam im Prozess noch nicht mal zu Wort. Denn die Aussage der Mutter genügte dem Richter schon.
Angeklagt: Der 23-jährige Djamal M. aus Lünen. Der Vorwurf: Unfallflucht. Es geschah am Abend des 22. März auf einem Tankstellengelände an der Werner Straße. Von der „Tat“ gibt es ein Video. Die Überwachungskamera nahm auf, wie Djamal M. – als Beifahrer – eine Autotür öffnete. Sie knallte gegen die Fahrertür am Wagen der Frau. Die war gerade auf der anderen Seite ihres Autos mit dem Betanken beschäftigt. Im Wagen saß ihr Sohn. Er berichtete ihr später, das Auto habe regelrecht gewackelt. Zu dem Zeitpunkt waren Djamal M. und der Fahrer des „gegnerischen“ Wagens längst weg. Geblieben war ein Schaden von rund 2.000 Euro.
Djamal M. beteuert: Dass er mit dem Öffnen der Beifahrertür Schaden angerichtet habe, sei ihm entgangen. Denn im selben Moment sei ihm etwas aus der Hand gefallen, das ebenfalls ein lautes Geräusch verursacht und seine Aufmerksamkeit gefordert habe. Die Videoaufzeichnung bestätigt das: Zu sehen ist, wie sich die Frau und Djamal M. kurz unterhalten, nachdem offenbar beiden ein lautes Geräusch aufgefallen war. Dabei macht M. einen völlig entspannten Eindruck.
Der Schaden ist längst reguliert. Ein Gutachten zur Frage, ob Djamal M. den ungewollten Türstoß zwangsläufig bemerkt haben muss, wäre wohl ähnlich teuer. Kostengünstigere Lösung: Das Verfahren wurde wegen geringer Schuld M.s eingestellt.
Schreckschuss-Attacke: Kein Wort vom Angeklagten – Haft auf Bewährung
von Andreas Milk
Wer oder was den 36-jährigen Bergkamener Pascal H. (Name geändert) zu seiner Schreckschuss-Attacke getrieben hat, bleibt nach seinem Prozess vor dem Strafrichter in Kamen die Frage. Er sagte kein einziges Wort zur Anklage und zum Geschehen am späten Abend des 27. Dezember 2024 vor einer Garage in Bergkamens Hochstraße. Das musste er auch nicht. Die Aussagen einer Zeugin und eines Zeugen genügten dem Richter für sein Urteil.
Die Zeugin – das ist Pascal H.s Ex-Freundin. Der Zeuge – das ist ein Mann, den sie an jenem Abend in der Garage besucht hatte. Er trug zum Glück eine Brille, als H. mit einer Pistole gegen das Garagentor hämmerte und, als ihm geöffnet wurde, gut einen Meter vor dem Gesicht des Mannes die Waffe drei, vier Mal abfeuerte. Der Mann wiederum bekam eine Dose mit Pfefferspray zu fassen und zielte damit auf seinen Angreifer. Dabei kriegte er selbst etwas von dem Reizstoff ab. Auch H.s Augen mussten später von Sanitätern mit Wasser ausgespült werden.
Die Polizei fand vor der Garage Geschosshülsen. Ein Reizgas hatten die Patronen in H.s Waffe wohl nicht enthalten – sie machten „nur“ ohrenbetäubenden Krach. Das Landeskriminalamt wertete Rückstände an H.s Händen aus: eindeutig Schmauchspuren, so das Ergebnis.
H. hat eine eher unerhebliche Vorstrafe wegen Strafvereitelung. Das Urteil diesmal: sechs Monate Haft auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung. Daneben muss H. 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Der Richter ist sicher: Hätte H.s Opfer nicht die Brille getragen, wäre das Ganze schlimmer ausgegangen. Im wesentlichen hatte der Mann eine Gesichtsrötung erlitten.
Bedürfnis zu klauen: Freizeitarrest für Rossmann-Besuch
von Andreas Milk
Am Nachmittag des 18. April nahm die inzwischen 21 Jahre alte Bergkamenerin Mandy H. (Name geändert) bei Rossmann im Dortmunder Hauptbahnhof Sachen für 68 Euro mit: Pflegeartikel und Kosmetika. An der SB-Kasse hatte sie aber bloß einen Billigartikel für einen Bruchteil der Summe eingescannt. Vor dem Kamener Jugendrichter mit dem Anklagevorwurf des Diebstahls konfrontiert, antwortete sie jetzt denkbar knapp: „Das stimmt.“
Seit Jahren habe sie das Bedürfnis zu klauen: Kleptomanie sei bei ihr diagnostiziert worden, außerdem eine Borderline-Störung. Am 18. April sei es ihr mies gegangen. Sie bemühe sich um eine Therapie. Zum 1. Oktober will die junge Frau, die ohne Schulabschluss ist, einen Teilzeitjob antreten. Sie wohnt noch bei ihren Eltern.
Im November 2024 war sie wegen Beleidigung verurteilt worden. Sie erhielt die Auflage, einen Präventionskurs gegen Gewalt zu absolvieren und 40 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. Aus beidem ist – zehn Monate danach – noch nichts geworden. Die Sache mit der gemeinnützigen Arbeit scheiterte laut Mandy H. an einer Krankschreibung nach Arbeitsstunde Nummer fünf.
In ihrem Leben sei „noch keine Sortierung erkennbar“, fand der Vertreter der Staatsanwaltschaft. Was ihre Diebstahlsneigung angeht, scheint Mandy H. bisher schlicht Glück gehabt zu haben: Geschnappt und verurteilt wurde sie wegen Diebstahls jedenfalls noch nicht. Für die Tat bei Rossmann verhängte der Richter nun einen Freizeitarrest: Ein Wochenende wird Mandy H. in Unfreiheit verbringen müssen.
Anonyme Spurensicherung im Fokus Kreisweite Fachveranstaltung in Bergkamen stärkt Vernetzung
Gesine Ickert. Foto: Frauenforum
Unter großer Beteiligung fand am Donnerstag, den 11. September in der VHS Bergkamen, eine Fachveranstaltung zum Thema „Anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftat“ (ASS) statt. Eingeladen hatte die Arbeitsgruppe ASS des Runden Tisches gegen häusliche Gewalt des Kreises Unna. Ziel der Veranstaltung war es, Fachkräften aus psychosozialen Arbeitsfeldern sowie weiteren Interessierten einen umfassenden Einblick in die Bedeutung und Herausforderungen der Anonymen Spurensicherung zu geben. Durch die Veranstaltung führte die fast 100 Teilnehmenden Britta Buschfeld, Geschäftsführerin des Frauenforums im Kreis Unna e.V.
Den Einstieg in die Vorträge machte Silvia Gosewinkel, Mitglied des Landtags NRW. Sie hob die Wichtigkeit der Anonymen Spurensicherung als Teil des Hilfesystems hervor und betonte, dass jede dritte Frau in Deutschland im Laufe ihres Lebens körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt. Eine standardisierte Spurensicherung mit anschließender Vermittlung weiterführender Hilfen ist derzeit jedoch nur nach Erstattung einer Anzeige möglich. Gosewinkel forderte einheitliche Standards sowie eine breitere Bekanntmachung der Möglichkeit der Anonymen Spurensicherung.
Ariane Raichle vom Frauenforum im Kreis Unna e.V. stellte im Anschluss das Modell der Anonymen Spurensicherung vor. Sie informierte über aktuelle Entwicklungen und den Stand im Kreis Unna und ging auch auf bestehende Herausforderungen ein. Ziel der ASS sei es, Betroffenen sexualisierter Gewalt die Möglichkeit zu geben, gerichtsverwertbare Spuren sichern zu lassen – ohne sich sofort zu einer polizeilichen Anzeige entscheiden zu müssen. Dies verschaffe den Betroffenen Zeit, um über weitere Schritte nachzudenken, ohne dass wichtige Spuren verloren gehen. Raichle betonte, dass ASS keine Konkurrenz zur anzeigeabhängigen Spurensicherung sei, sondern eine wichtige Ergänzung im Hilfesystem, insbesondere für Frauen, die (noch) keine Anzeige erstatten möchten.
Elina Jaques, Fachberaterin im Frauenforum Unna, erläuterte eindrücklich die psychosozialen Aspekte der Unterstützung nach sexualisierter Gewalt. Viele Betroffene seien nach einer solchen Erfahrung zunächst ohnmächtig, hätten keine Worte und seien kaum handlungsfähig. Der massive Kontrollverlust stelle eine große Belastung dar. Daher sei es essenziell, im Beratungsgespräch Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und die Selbstbestimmung der Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen. „Es geht darum, die Kontrolle zurückzugeben – nicht darum, sie zu etwas zu drängen“, betonte Jaques.
Abschließend beleuchtete Rechtsanwältin Gesine Ickert in ihrem Fachvortrag die Chancen der Anonymen Spurensicherung aus rechtlicher Perspektive. Aus ihrer langjährigen Erfahrung als Opferanwältin berichtete sie von der hohen Zahl an Verfahrenseinstellungen in Fällen sexualisierter Gewalt – rund 80 Prozent, wie auch mehrere anwesende Juristinnen bestätigten. Ickert wies darauf hin, welche weitreichenden und auch belastenden Konsequenzen eine Strafanzeige für Betroffene haben kann sowie, dass eine einmal gestellte Anzeige nicht rücknehmbar sei. Trotz bestehender Herausforderungen zog Ickert ein positives Fazit: Opferschutz und effektive Strafverfolgung schließen sich nicht aus – im Gegenteil: Für manche Betroffene könne eine Anzeige ein wichtiger Schritt in der Aufarbeitung des Geschehenen sein.
Die Veranstaltung zeigte eindrücklich, dass die Anonyme Spurensicherung ein bedeutendes Instrument im Umgang mit sexualisierter Gewalt ist – jedoch nur in Kombination mit guter Beratung, rechtlicher Unterstützung und politischem Rückhalt seine volle Wirksamkeit entfalten kann. Trotz vorhandener Strukturen seien weiterhin umfassende Informationsarbeit und strukturelle Verbesserungen notwendig, um Betroffenen wirklich gerecht zu werden.
Britta Buschfeld zog für die Veranstalter ein positives Fazit: „Die große Resonanz auf die Veranstaltung zeigt, wie hoch das Interesse ist, Betroffenen nach sexualisierter Gewalt zeitnah und professionell helfen zu können. Mit unserem gemeinsamen Engagement können wir das Bewusstsein weiter schärfen, Hürden abbauen und Betroffenen mehr Sicherheit und Perspektiven geben.“
Weitere Informationen zur Anonymen Spurensicherung gibt das Frauenforum im Kreis Unna unter Telefon 0 23 03 / 82 202 oder per E-Mail an a.spurensicherung@frauenforum-unna.de
Betrug aus Nachlässigkeit: Geldstrafe
von Andreas Milk
Nachlässigkeit kann einen zum Betrüger machen: So war es im Fall des 27-jährigen Bergkameners Amir U. (Name geändert). Der bezog von Mai bis Juli vorigen Jahres Geld vom Jobcenter: insgesamt 2.364 Euro. Dieses Geld floss, obwohl er selbst genug Geld zum Leben verdiente. Aber „das Amt“ wusste das nicht.
Das lag wohl – wie sich jetzt vor dem Amtsgericht in Kamen zeigte – daran, dass ein Umzug U.s nach Bottrop den Schriftverkehr mit der Behörde ausbremste. U. jedenfalls erklärte, er habe bei einem Brief ans Jobcenter eine falsche Adresse benutzt. Folge: Die Post sandte das Schreiben wieder zu ihm nach Hause. Aber da war er schon nicht mehr; der Brief blieb erst einmal liegen. Und irgendwie flog erst in der Folgezeit auf, dass U. eben längst keine Leistungen mehr hätte beziehen dürfen.
Das Urteil: eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 20 Euro wegen Betrugs. Der Neu-Bottroper zeigte sich einsichtig. Er sah ein: Irgendwie hätte er sich bemerkbar machen müssen – und zwar flott -, als er merkte, dass es das Jobcenter etwas zu gut mit ihm meinte.
Frau vom Pflegedienst begrapscht: Geldstrafe
von Andreas Milk
Wegen sexueller Belästigung einer Pflegedienst-Mitarbeiterin muss der Bergkamener Djamal K. (27, Namen geändert) zahlen. Der Kamener Strafrichter verurteilte den erwerbslosen jungen Mann zu einer Geldstrafe von 900 Euro (60 Tagessätze à 15 Euro). Es gebe keinen Zweifel, dass die Frau die Wahrheit gesagt habe.
Die Tat geschah am Vormittag des 7. April. Die 40-jährige Sonja G. war nicht zum ersten Mal im Haushalt von K.s Familie – bestehend aus ihm, seiner Schwester und der Mutter. Sonja G.s Aufgaben: vor allem Putzen und Einkäufe erledigen. Djamal K. sei am Anfang sehr nett und freundlich zu ihr gewesen, sagte Sonja G. Aber das schlug bei späteren Einsätzen um in Aufdringlichkeit. Am 7. April schließlich – K.s Mutter und Schwester waren nicht daheim – sollte sie sich zu ihm auf die Couch setzen: Er wollte ihr ein Handyvideo zeigen von der Hochzeit eines Freundes. Eher widerstrebend ging sie zu ihm. Und da habe er die Arme um sie gelegt, ihre Brüste berührt, sie auf den Hals und in den Nacken geküsst, trotz klarer Ansage, dass sie das nicht wolle. Später, im Auto, habe sie ihre Teamchefin angerufen, erzählte Sonja G. unter Tränen. Die Chefin stand zu ihrer Mitarbeiterin. Sie habe ihr gesagt, sie solle zur Polizei fahren – und den Vertrag mit Familie K. fristlos gekündigt.
Im Prozess sagte Djamal K. nicht allzu viel. Die Vorwürfe gegen ihn seien „krass“ und stimmten nicht, behauptete er. Seine Verurteilung fand er unfair: Schließlich habe doch Aussage gegen Aussage gestanden. Der Richter klärte ihn auf: Wenn die eine Aussage vollkommen glaubhaft sei und die andere aber mal so gar nicht, dann stehe einem Strafurteil nichts entgegen. K. kann jetzt beim Landgericht Dortmund Berufung einlegen.