Streetart ist offiziell übergeben – und weckt bewegende Emotionen

Immer noch in Aktion, während die offizielle Übergabe schon stadtfindet: Miguel Peralta und seine Mutter mit Kindern.

Das ältere Ehepaar geht näher heran an die Hauswand der Jugendkunstschule, dann wieder weiter weg. Sie legen den Kopf schräg, zeigen hier und dorthin. Dann zücken sie das Handy und machen ein Foto. „Einfach toll, dieses Bild – es drückt so viel aus, was einem gerade durch den Kopf geht“, sagen sie. Ein kleiner Junge drückt ein paar Stunden vorher glückselig eine Karte mit seinen Namen als Graffiti-Version an seine Brust. „Das ist so cool“, ruft er und schaut den Künstler von ART-HAUS dankbar an. Allein diese kleinen Momente waren das Geld für das Streetart-Projekt wert.

Ein riesengroßes Team von engagierten Künstlern hat Großartiges geschaffen.
Ein riesengroßes Team von engagierten Künstlern hat begleitet von Schülerinnen und Schülern Großartiges geschaffen.

Sie drücken aus, was die sechs vollendeten und seit Sonntag offiziell übergebenen und demnächst 7 farbenfrohen, riesigen Bilder mitten im Stadtbild erreichen sollen. Sie wollen verschönern, zum Nachdenken und Diskutieren anregen und damit für ein Stück bessere Lebensqualität sorgen. In krisengeschüttelten Zeiten eine gute Idee, die nicht unbedingt ungeteilte Zustimmung findet. „Was macht ihr da eigentlich?“, war eine Frage, mit der sich der Kulturausschussvorsitzende Thomas Heinzel sogar in der Schlange beim Bäcker konfrontiert sah. Nachdem er es vor der Bäckertheke erklärt hatte, war die Reaktion ganz anders: „Das ist mal was Gutes“, war sich die geschlossene Bäckerei einig. „Diese Momente gibt es so nicht oft für Politiker, das kann ich Ihnen garantieren!“

Prof. Gerber ist von der Kunst-Aktion ergriffen und begeistert.

Dass Kultur und Kunst generell mehr sind als nur Selbstzweck, sondern „Antriebskraft, Motor, ein Synonym für Fortschritt – das Essentielle in einer Gesellschaft“, ist für Prof. Eckhard Gerber glasklar. Er hat den Stadtmarkt architektonisch gestaltet und selbst heftigen Gegenwind erlebt. „Diese Aktion ist eine gute Idee – sie lädt zur Diskussion ein, zu mehr Wertschätzung“, lobte er. Und sie hat seine Kunst noch zusätzlich aufgewertet: „Dadurch sind die Stützen zu wirklichen Säulen geworden – denn Säulen entstehen erst durch künstlerische Gestaltung“, sagte er und zeigte auf die Graffiti-Typografien, die sich verschmolzen aus arabischen Buchstaben und Linien zum Dach des Stadtmarktes emporschlängeln.

Ein beeindruckender Anblick.

Die Mutter, die ihre Kinder schützend in den Armen hält, gefiel als Motiv nicht jeder Wohnungsbaugenossenschaft. Dass sie jetzt an der Ebertstraße an einer Hausfassade zeigt, wie sehr gerade Kinder umgeben von Kriegen, Vertreibung, Flucht und Not Schutz brauchen, ist umso wichtiger. Viele Passanten bleiben vor dem Hubwagen stehen, auf dem Miguel Peralta immer noch an seinem Werk malt, während in der Stadtbibliothek die offizielle Übergabe stadtfindet – und dort hochgradig emotional wird.

Emotionen bei den Initiatoren und Wegbereitern

Angeregte Diskussionen gab es schon zu Eröffnung zwischen Politikern und Künstlern.

Denn auch Torch ist da, ein Wegbereiter der HipHop und Streetart-Kultur in Deutschland. Inzwischen lehrt er an der Kunstakademie Kassel unter anderem die Philosophie des Graffiti. Darin und in der Straßenkunst geht es vor allem darum, „die Urkraft zu bewahren“. Kinder und Jugendliche haben diese Kunstform erfunden und sich damit den Erwachsenen, jeder Tradition und jeder festgeschriebenen Norm entzogen. „Sich ausprobieren, mit eigenen Wegen und Mitteln ausdrücken, Kunsträume neu definieren, sich selbst ermächtigen – das ist der Kern dieser Kunst“, sagt er und hat dabei fast Tränen in den Augen.

Auch am studiotheater gab es eine Punktlandung: Der Hubwagen steht noch davor.

Auch Dustin Schenk und Stefan Gebhardt, die künstlerischen Leiter des ART-HAUS Projektes fehlten da fast die Worte. Sie wollten nur noch danken – für den Mut, für die Möglichkeiten, für das geballte Engagement des Kulturamt-Teams. „Wir haben erlebt, dass alle Orte hier eine eigene Seele haben. Für die Gesamtschule haben wir den Generalschlüssel bekommen, so viel Vertrauen wurde geschenkt. Mit dem Gymnasium haben wir über WhatsApp den Gerüstaufbau im Urlaub geplant – das war fast schon verrückt und gleichzeitig einzigartig“, schildern sie. Dass in zehn Tagen aus Ideen Realität wurde, haut sie auch jetzt noch restlos um: „Ein atemberaubendes Tempo, der Wahnsinn!“

Christina Loi ist als Kulturdezernentin der Bezirksregierung ebenfalls begeistert von dem, was in Bergkamen entstanden ist.

Es hat sich gelohnt: „Das Projekt bringt Welten zusammen“, ist Kulturdezernentin Simone Schmidt-Apel überzeugt. Mehr noch: Geldgeberin Christina Loi, Kulturdezernentin der Bezirksregierung, sieht Bergkamen „wieder als Hotspot“ mit hochrangigen internationalen Künstlern. „Die Stadt war immer schon ein Motor in Kulturdingen in der Region, mit diesem Projekt in Konkurrenz mit den großen Ruhrgebietsstädten umso mehr – das ist richtig cool!“

Mit einer geführten Tour konnten alle Interessierten am Sonntag die Kunstwerke selbst in Augenschein nehmen.

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Ein riesengroßes Team von engagierten Künstlern hat Großartiges geschaffen.
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