Stadt darf 1,5 Mio Euro aus Zinsgeschäften mit der WestLB behalten
1,2 Millionen Euro Gewinn hat die Stadt Bergkamen zu Beginn der Swap-Geschäfte ab dem Jahr 2005 erhalten. Nach dem Urteil des Landgerichts Dortmund darf die Stadt dieses Geld behalten. Darauf weist jetzt Kämmerer Horst Mecklenbrauck ausdrücklich hin.
Eine Voraussetzung sei gewesen, so Mecklenbrauck, dass die Stadt B. unverzüglich, als die ersten Forderungen der WestLB auf Zahlung bestimmter Summen erhoben worden seien, diesen sofort widersprochen hätte. Außerdem seien keine Zahlungen an die Bank geleistet und unverzüglich das Anwaltsbüro Rössner und Partner eingeschaltet worden.
Mecklenbrauck: „Jetzt bleibt abzuwarten wie die schriftliche Begründung aussieht und ob die EAA als Rechtsnachfolgerin der WestLB Berufung einlegen wird oder das Urteil rechtskräftig wird.“
Hier die Pressemitteilung des Anwaltsbüros Rössner nach der Verhandlung am Freitag:
„Diese Geschäfte verstoßen gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen“. Mit dieser Feststellung begründete am 05.07.2013 das Landgericht Dortmund die Sittenwidrigkeit der Swap-Geschäfte, die die ehemalige WestLB strukturiert und in den Jahren ab 2005 ihren kommunalen Kunden verkauft hatte.
Konkret ging es vor dem Landgericht Dortmund um die Klagen der Städte Kamen und Bergkamen sowie des Kreises Unna. Das Urteil der Stadt Kamen wird erst am 02.08.2013 verkündet. Mit der Feststellung der Sittenwidrigkeit werden die Kommunen von Forderungen in Millionenhöhe aus den verlustträchtigen Swap-Geschäften befreit.
Die vom Landgericht Dortmund beurteilten Fälle stehen in einer Reihe mit zahlreichen weiteren Klagen geschädigter Kommunen gegen die Erste Abwicklungsanstalt (EAA). Diese führt als „Bad Bank“ diese Geschäfte der ehemaligen WestLB weiter. Die EAA war bereits mehrfach zum Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung verurteilt worden. Das Landgericht Dortmund geht bei seiner Verurteilung jetzt über den Tatbestand der Falschberatung hinaus und stufte die verlustträchtigen Geschäfte mit dem obigen Zitat sogar als sittenwidrig ein. Es folgt damit dem Vorwurf der Kläger, die die einseitig zulasten der Kommunen vorgenommene Gestaltung der „toxischen“ Produkte angegriffen hatten. Unter dem verschleiernden Deckmantel einer „Optimierung der Zinsen“ kommunaler Kredite wurden die Produkte als „Zinsswaps“ bezeichnet. Bei einer kundengerechten Gestaltung wären derartige Produkte im Rahmen eines Zinsmanagements sinnvoll. Tatsächlich waren es jedoch keine Zinsoptimierungs-, sondern, so das Landgericht, von der WestLB strukturierte Wettgeschäfte mit Glücksspielcharakter, die mit hohen Gewinn-Margen für die ehemalige WestLB versehen waren. Die tatsächliche Struktur der Derivate war für die Kunden nicht erkennbar. „Das war angesichts des hohen Vertrauens der für die Städte handelnden Personen in die „eigene Landesbank“ eine mühelose und für die Bank risikolose Abzocke,“ so Rechtsanwalt Jochen Weck, Rössner Rechtsanwälte, der die klagenden Städte und den Kreis vertritt.
Allerdings unterstellte das Landgericht auf Seiten der Kunden eine Erkennbarkeit des sittenwidrigen Charakters der Geschäfte. Diese vom Landgericht Dortmund angenommene „doppelte“ Sittenwidrigkeit ist bereits nach dem prozessualen Vortrag beider Parteien nicht haltbar. Das vom Landgericht Dortmund auch auf Seiten der Kommunen unterstellte Wissen bzw. die Erkennbarkeit des spekulativen Charakters findet nicht einmal im Sachvortrag der ehemaligen WestLB eine Stütze. Im Gegenteil. Seitens der ehemaligen WestLB wurde stets behauptet, die angebotenen Swap-Geschäfte hätten einen Bezug zu einem Darlehen und seien nicht spekulativ. Dies sei gegenüber den für die Kommunen handelnden Personen so dargestellt worden. Tatsächlich haben die für die Kommunen handelnden Personen an die von der ehemaligen WestLB dargestellte Verknüpfung der Swaps zu Darlehen geglaubt. „Möglicherweise machte das Landgericht Dortmund eine mittlerweile vorhandene – also nachträgliche – Kenntnis über den spekulativen Inhalt der Produkte zum Ausgangspunkt für seine Beurteilung“, so Rechtsanwalt Weck: „Hier ist das Landgericht über das Ziel hinausgeschossen“.
Die Urteile des Landgerichts Dortmund haben in zweierlei Hinsicht Signalwirkung für viele weitere betroffene Kommunen in Nordrhein-Westfalen.
Die Feststellung der Sittenwidrigkeit führt zur Unwirksamkeit der Geschäfte. Die Kommunen werden von aus den Swaps noch drohenden Verlusten freigestellt. Dies wiederum führt zu einer prozessual vorteilhaften Situation für weitere betroffene Kommunen, da diese nicht mehr ein Beratungsverschulden beweisen müssen, sondern nur noch die sittenwidrige Produktstruktur. Der Nachweis eines Beratungsverschuldens gestaltete sich bisweilen schwierig, weil die ehemalige WestLB sich regelmäßig darauf berufen hatte, sie habe zutreffend beraten und die auf Seiten der Kommunen handelnden Personen seien kenntnisreich und erfahren gewesen. Hier standen oft die Aussagen der Bankmitarbeiter den Aussagen der für die Kommune handelnden Personen gegenüber. Die für die Kommunen handelnden Personen mussten sich sogar häufig den haltlosen Vorwurf der Zockerei anhören. Durch die Feststellung der Sittenwidrigkeit wird die prozessuale Ausgangssituation für die betroffenen Kommunen maßgeblich erleichtert.
Gleichzeitig steigt der Handlungsdruck für die Kommunen, deren Produkte noch laufen. Wären denn vor dem Hintergrund der möglicherweise sittenwidrigen Struktur noch Zahlungen auf den Swap geleistet, könnte wegen der Zahlung auf unwirksame Geschäfte der Untreuetatbestand auf Seiten der Kommunen erfüllt sein. Die Prüfung der Swapstrukturen auf eine mögliche Sittenwidrigkeit ist daher unerlässlich.
Gegen die Urteile ist das Rechtsmittel der Berufung zum Oberlandesgericht Hamm möglich.