Sommerkonzert mit Star, flatternder Bühne und johlendem Klassik-Publikum

Fanstastische Kulisse“ für den Wiener Abend mit Justus Frantz beim Klassik Sommerkonzert in der Marina.

Lässig einhändig am Flügel bei Beethovens Klavierkonzert.

Ein Glück, dass in Mozarts Ouvertüre kein Klavier vorkommt. So hatte Star-Pianist und Dirigent Justus Frantz beim Klassik Sommerkonzert in der Marina ganz zum Schluss die Hände frei, um seine Begeisterung über den Wiener „Pop-Star“ mit dem ganzen Körper und amüsanten Anekdoten zu unterstreichen. Die Bergkamener riss es jedenfalls nicht nur deshalb dauerapplaudierend von den Stühlen. Was der distinguierte Klassik-Virtuose dort lässig beim „Wiener Abend“ auf den Tasten zauberte, war einfach mitreißend.

Roter Teppich für Besucher, Star und begeisterndes Orchester.

Dabei war der rote Teppich nicht nur für den Star ausgerollt worden. Auch die Besucher wurden von der Stadt Bergkamen unterstützt von Sparkasse und GSW nahezu euphorisch begrüßt. Schließlich lagen hochklassige Kulturereignisse inzwischen coronabedingt schon fast schmerzlich lang zurück. Zudem nahmen ausnehmend erlesende weitere Musiker rund um den Hauptakteur auf der Bühne Platz. Die festival:philharmonie westfalen der musik:landschaft setzt sich aus jungen und besonders talentierten Nachwuchsmusikern zusammen. Ein temporäres Orchester, dem das zeitlich Befristete ganz und gar nicht anzumerken war.

Musiker als spontane Bühnenarbeiter.

Lachend und scherzend nahmen die Musiker es hin, dass der Wind ihnen bei Beethovens Konzert Nr. 5 op. 73 die halbe Außenverkleidung der Bühne gefährlich nah gegen Körper und Instrumente blies. Dass zwischendrin ein Techniker die flatternde Kulisse zu bändigen versuchte, irritierte sie ebenso wenig. Die Musiker erwiesen sich auch als spontane Bühnenhelfer, denn der gewaltige Steinway-Flügel hatte nur mühsam Platz inmitten des Orchesters gefunden. Einen Teil der Verkleidung montierte Justus Frantz kurzerhand ab und reichte ihn lässig an die ersten Geiger weiter, um sie aus dem Aktionskreis zu bugsieren. Dann war der Weg frei für eine Interpretation des berühmten und für viele schönsten Beethoven Klavierkonzerts, das von der ersten Note an faszinierend war.

Dem Wind lässig widerstanden

Hochengagiert auch als Dirigent: Justus Frantz in Aktion.

Nicht nur der Pianist zog alle sofort in seinen Bann, wenn er lässig einhändig die Tasten bediente und dabei freundlich in das Publikum lächelte. Regelrecht mit Links flogen seine Hände über die Klaviatur. Er brauchte nicht einen Blick in die pro Forma aufgeschlagenen Noten, um die immerhin doch anspruchsvollen Notenreihen nahezu blind in die Marina-Luft zu schicken. Die Musiker folgten mehr als wacker und bändigten ihre Noten gegen die windigen Angriffe mit Bravour. Die flatternde Baumsilhouette im Hintergrund gab dem ganzen Schauspiel mit fulminanten Wolken-Sonnen-Spielen einen ganz besonderen Reiz.

Begeisterte und begeisternde Musiker.

Betonen müssen hätte er es nicht. Es hatte aber einen besonderen Charme, dass Justus Frantz nach diesem Auftakt das Publikum dazu aufforderte, noch einmal mit dem Applaus anzusetzen und diesmal ganz besonders inbrünstig „die ganz hervorragende Leistung des Orchesters“ zu würdigen. Er begrüßte es auch amüsiert, dass es begeisterten Zwischenapplaus gab: „Klatschen Sie ruhig, das war zu Mozarts Zeiten auch üblich“, lachte er bei jedem Freudenausbruch der Bergkamener, der die folgende Sinfonie Schwanengesang begleitete. Die nicht weniger ausgiebige Frequenz am Getränkestand störte dann schon eher. Jedenfalls nach der kurzen Umbaupause die nötig war, um den Flügel für den zweiten Konzertteil von der Bühne zu bekommen.

Der Charme der Open-Air-Atmosphäre: Das Gläschen Wein steht bereit für den besonderen Musikgenuss.

Gläser gingen auch zu Bruch, als die Menschen für den stehenden Applaus aufsprangen. Das war aber auch wenig verwunderlich, denn die Atmosphäre in der sonnig-windigen Atmosphäre euphorisierte zusätzlich Und schließlich hatte es auch Mozart reichlich unkonventionell gehalten. Der musste regelrecht eingesperrt werden, weil er schlicht zu faul gewesen war, eine Ouvertüre zu schreiben. Das Abendessen sollte es erst geben, wenn die Noten vorlagen. Gerade mal eine halbe Stunde brauchte er, um seinen physischen Hunger zu stillen – mit einem Ergebnis, das jedem auch mehrere hundert Jahre später noch die Sprache verschlägt.

Gute Laune machte das Stück zum Schluss allemal. Das Publikum forderte lautstark Zugaben, bekam immerhin eine und verließ nur widerwillig den Ort des Geschehens – weil es einfach rundherum perfekt und gelungen war.

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