Seseke: Vom Schmutzwasserlauf zum blaugrünen Paradies der Artenvielfalt
Die Seseke – ein Fluss mit einer langen Geschichte und vielen Veränderungen. Schon den römischen Geschichtsschreibern ein Begriff prägt die Seseke auch weiterhin das Leben vieler Menschen im Lippe-Gebiet. Nachdem die Seseke viele Jahre lang als offener Schmutzwasserlauf dienen musste, kann sich der 32 Kilometer lange Nebenfluss der Lippe seit den in 2014 abgeschlossenen Renaturierungsmaßnahmen von den Strapazen der Industrialisierung erholen. Die Renaturierung erfreut dabei nicht nur die Anwohnerinnen und Anwohner, sondern auch viele Tier- und Pflanzenarten, die langsam an das Gewässer zurückkehren.
An den Ufern der Seseke lässt sich eindeutig erkennen: Die Natur erobert sich den Fluss zurück. Flora und Fauna kehren vielfältig an das ehemals zur Entsorgung des Schmutzwassers genutzte Gewässer zurück. Bereits 2007 konnten in Teilen der Seseke, die zwar abwasserfrei, allerdings mit Betonsohlschalen befestigt waren, häufig vorkommende Arten, die gut unter organischer Belastung und Strukturarmut zurechtkommen – wie Egel, Würmer und Schnecken – nachgewiesen werden.
Neue Artenvielfalt an der Seseke
Beim regelmäßigen Monitoring der Gewässerqualität wird der renaturierte Bereich der Seseke von Heeren-Werve bis zum Kuhbach genauestens unter die Lupe genommen. Seitdem konnten in diesem Abschnitt schon 104 verschiedene Arten ausfindig gemacht werden. Dazu zählt der überwiegende Teil nach wie vor zu den häufig vorkommenden und wenig anspruchsvollen Arten. Inzwischen reihen sich aber auch etliche Arten in das Gesamtbild ein, die höhere Ansprüche an die Wasserqualität sowie die Habitatbedingungen stellen. Dazu zählen beispielsweise verschiedene Arten von Köcherfliegen so wie Eintagsfliegen: ein Beweis für die zunehmende biologische Vielfalt der Seseke.
Die Verbesserung der biologischen Diversität und das Vorkommen einiger anspruchsvoller Arten stellt einen echten Gewinn für die Seseke-Region dar. Auf diesen Lorbeeren darf sich aber nicht ausgeruht werden: Nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie erreicht die Seseke noch keinen guten ökologischen Zustand. Der Lippeverband plant daher, die vier
Kläranlagen, die für die Reinigung der Seseke zuständig sind, in den kommenden Jahren zu ertüchtigen und mit einer vierten Reinigungsstufe aufzurüsten. Dadurch wird die Seseke noch sauberer und die Artenvielfalt kann langsam aber stetig zunehmen.
Von der Industriekloake zum blaugrünen Idyll
Dass überhaupt wieder Tiere an den einst ökologisch toten Fluss zurückkehren, war vor einigen Jahren noch unvorstellbar: Ursprünglich ein natürlicher und reißender Fluss diente die Seseke während des Bergbaus als oberirdisch fließender Abwasserkanal. An unterirdische Abwasserkanäle war aufgrund der regelmäßigen bergbaubedingten Bodensenkungen nicht zu denken. Dadurch wurde die natürliche Seseke zweckentfremdet. Ausgestattet mit Betonsohlschalen, um einen möglichst schnellen Abfluss des Schmutzwassers zu ermöglichen, stellte sie für Tiere und Pflanzen keinen geeigneten Lebensraum mehr dar.
Der Rückzug des Bergbaus aus dem Einzugsgebiet der Seseke bot eine neue Chance: Schon 1986 als „Seseke-Programm“ vorgestellt entwickelte der Lippeverband mit maßgeblicher Unterstützung des damaligen NRW-Umweltministers Klaus Matthiesen einen Plan, um die Seseke und ihre Nebenläufe wieder in eine abwasserfreie und naturnahe Flusslandschaft zu verwandeln. Vor der Umgestaltung des Seseke-Systems mussten zunächst an sämtlichen zu offenen Schmutzwasserläufen umfunktionierten Bächen unterirdische Kanäle verlegt werden – der langwierigste und aufwändigste Teil des Seseke-Programms.
Die Seseke als Vorbild für die Emscher
Zwischen dem Ende der 1980er-Jahre und 2014 hat der Lippeverband mit dem Bau von vier modernen Kläranlagen und rund 73 Kilometern an geschlossenen Abwasserkanälen eine neue abwassertechnische Infrastruktur im Einzugsgebiet der Seseke geschaffen. Nach der Befreiung von der Abwasserfracht konnte endlich mit der ökologischen Verbesserung der Seseke und ihrer Nebenläufe begonnen werden. Dazu wurden die Betonschalen aus dem Flussbett entfernt, die Böschungen abgeflacht sowie Flachwasserzonen und Regenrückhalteflächen eingerichtet. Zudem erhielt das Gewässer seinen natürlichen geschwungenen Flusslauf zurück. Durch Initialpflanzungen sowie das Einsetzen von Jungfischen wurden darüber hinaus Flora und Fauna angeregt, sich ihre Lebensräume zurückzuerobern.
Mittlerweile sind an den Ufern die typischen Auen mit ihren Eschen, Erlen und Weiden entstanden, während sich in den trockenen Zonen Gehölze und Hochstaudenflure bilden. All das ist bereits ein deutliches Indiz für die ökologische Qualität der Seseke. Ihr Umbau gilt damit auch als Vorbild für den größeren Umbau des Emscher-Systems.
Hochwasserschutz und Artenvielfalt gehen Hand in Hand
Angesichts des Klimawandels wird auch die Sorge vor Hochwasser immer drängender. Der Lippeverband baute dafür ein Hochwasserrückhaltebecken in Bönen, das mit einer Fläche von 29 Hektar rund 340.000 Kubikmeter Wasser fassen kann. Dabei schützt das Becken nicht nur die Bevölkerung vor Überschwemmungen, sondern ist schon längst zum Hotspot der Artenvielfalt mutiert. Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten haben sich hier angesiedelt und die Fläche am Schwarzen Weg in Bönen zu einer Oase der Artenvielfalt verwandelt.