RTL und die Bergkamener Wirklichkeit

Eine Woge der Empörung rauschte am späten Montagabend durch die Bergkamener Facebook-Gemeinde. Das RTL-Magazin „Extra“ hatte das Thema „Integration“ ins Programm gehoben, aufgehängt an einem Nachbarschaftsstreit mitten in der Alten Kolonie am Nordberg. Eine offensichtlich alleinerziehende Mutter empörte sich vor laufender Kamera über eine türkischstämmige Familie in dem Mietshaus und wünschte wegen angeblicher Anpassungsunfähigkeit zurück in die Türkei.

Ständig würden sie draußen grillen, klagte die junge Frau in Kamera und Mikrofon. Außerdem stehe im Treppenhaus ein Schuhschrank, der sie ungemein störe. Und überhaupt: In der Siedlung und auf dem Nordberg gäbe es nur noch Türken.

Passend dazu lieferte RTL die bewegten Bilder: den strahlenden Familienvater hinter seinem mit Fleisch beladenen Luxusgrill, einen Blick in die fürchterlich normal aussehende Wohnung der Familie und dazu noch Kopftuch tragende Frauen auf dem Wochenmarkt.

Gerade die Bilder vom Wochenmarkt verdeutlichen, dass RTL hier nicht nach der Wirklichkeit sucht, sondern Vorurteile bedienen will. Wer den Wochenmarkt kennt, weiß, dass es dort wesentlich bunter zugeht. Da kaufen Menschen ein, die selbst oder deren Vorfahren aus Polen, Vietnam, Bayern, Sachsen-Anhalt, von hier und auch aus der Türkei stammen.

Gepostet wurde auf Facebook kräftig noch während der Ausstrahlung dieser Ausgabe von „Extra“. Zustimmung zu den Äußerungen der jungen Frau gab es nur wenig. Die übergroße Mehrheit hat in dem Beitrag nicht die Stadt wiedererkannt, in der sie leben. „Da hat sich RTL ja die besten Deutschen aus Bergkamen herausgesucht:D 😀
fremdschämen 😀 !!“, schrieb Lars. „Ich fühle mich in Bergkamen wohl“, betonte Sarah, um nur zwei Stimmen zu nennen. Die Meinungsäußerungen zur jungen Frau bleiben an dieser Stelle bewusst ungenannt.
Erklärtes Ziel von RTL war es, einen Beitrag zur Migrationsdebatte zu leisten. Wörtlich heißt es in der Programmvorschau: „Bergkamen: Ist multikulti hier gescheitert? Die Begriffe „Migration“ und „Integration“ gehören zusammen: Nach der Migration soll die Integration folgen. Nahezu jeder Fünfte in Deutschland hat laut Statistischem Bundesamt einen Migrationshintergrund. Aber sind diese zwanzig Prozent der Bevölkerung auch integrationswillig? Migranten kümmern sich nicht ausreichend um ihre Integration, beklagen die einen. Die Deutschen helfen zu wenig bei der Integration, bemängeln die anderen.“
Der Privatsender ist letztlich an seinem Anspruch gescheitert. Vielleicht hatte er den auch nie gehabt, und das Ziel des Films ist ein ganz anderes: Platte Stimmungsmache, um für Einschaltquote und damit auch für Werbeeinnahmen zu sorgen. Wir Bergkamener kennen unsere Stadt, doch wer bereits in Dortmund oder Hamm wohnt, muss das, was RTL am Montagabend gezeigt hat, für die Wirklichkeit halten.