Renaturierung von Lippe und Seseke schafft viel Freizeitwert für die Region
Die abgeschlossene Renaturierung der Seseke durch den Lippeverband nahm Vorstandsvorsitzender Dr. Jochen Stemplewski auf der Verbandsversammlung am Freitag in Dortmund zum Anlass, zum Stand der Gewässerentwicklung im Lippegebiet insgesamt Bilanz zu ziehen.
Die ökologischen Verbesserungen an der Lippe und ihren Nebenläufen sind inzwischen unübersehbar: Die in diesem Jahr eingeweihte neue Lippemündung bei Wesel – das „Tor zur Lippe“ aus Richtung Rhein – ist das aktuellste Projekt. Andere Entwicklungen haben viele Jahre gebraucht, bis neue Naturräume sichtbar wurden, allen voran das Ende der 1980er Jahre begonnene,Sesekeprogramm: Damit hat der Lippeverband in Dortmund und im Kreis Unna die ehemaligen Schmutzwasserläufe beseitigt.
Rund 500 Mio. Euro wurden in Kläranlagen, Kanäle, Hochwasserschutz und Gewässer investiert, erst ganz zum Schluss konnte der sauber gewordene Sesekefluss renaturiert werden. Dabei wurde der ursprüngliche Kostenrahmen trotz allgemeiner Preissteigerungen von insgesamt 21 Prozent und drei Mehrwertsteuererhöhungen eingehalten.
„Was an der Seseke verwirklicht wurde – moderne Infrastruktur, saubere, lebendige, attraktive Gewässer – das setzen wir an vielen Stellen im Lippeverbandsgebiet um“, spannte Dr. Stemplewski den Bogen über das gesamte Flussgebiet. An der Lippe wurden seit 1995 in vielen kleinen Einzelmaßnahmen Ufer umgebaut, Auen entwickelt und der Fluss damit insgesamt vielfältiger gemacht – auf insgesamt 43 km Fließstrecke.
Vor allem hat sich die Wassergüte über die vergangenen 20 Jahre deutlich verbessert: Nach der Investition von insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro in seine Kläranlagen sieht der Lippeverband die Natur im und am Gewässer wieder auf dem Vormarsch: So hat sich die Zahl der Tierarten an der Lippe in den vergangen 20 Jahren verdreifacht – Biber, Storch und Fischotter sind hier nur die plakativsten Beispiele.
Mehr Freizeitqualität im Lippeland – Gewinn für die Region
Der wachsende Freizeitwert der Gewässer kommt der Region zugute: Mit der neuen Infrastruktur wie der Römer-Lippe-Route, 45 km neuen Radwegen an der Seseke und ihren Nebenläufen sowie der Lippefähre Lupia in Hamm kommen auch immer mehr Ausflügler: „Das zeigt: Wasserwirtschaft, Naturerlebnis, Freizeit und Erholung – das gehört mehr und mehr zusammen, ist ein Gewinn in jeder Hinsicht“, so Dr. Stemplewski, „und Wandern, Rad- oder Kanufahren machen unsere Arbeit für die Gewässer sichtbar“. Das gemeinsam mit dem Land und den Anrainerkommunen aufgelegte Programm „Gemeinsam an der Lippe“ nutzt die neuen Gewässer sogar für den Strukturwandel.
Dass die verbesserte Reinigungsleistung der Kläranlagen ein ganz wesentlicher Faktor für die gestiegene Wasserqualität und Gewässergüte ist, bedeutet nicht, dass ein weiteres Draufsatteln an dieser Stelle noch große Fortschritte bringt: „Die gesetzlichen Anforderungen an die Nährstoffelimination halten wir in unseren Kläranlagen sicher ein und wir haben dafür ja viel investiert“, betonte Dr. Stemplewski, „jetzt werden wir aber mit noch strengeren Anforderungen konfrontiert“.
Die Ablaufwerte für Phosphor an den Kläranlagen sollen nach Vorstellungen der Behörden bis auf ein Sechstel der bisherigen Werte gesenkt werden. Auch würden über die Einleitungserlaubnisse der Anlagen Machbarstudien zur Nachrüstung für den Abbau von Spurenstoffen – die so genannte vierte Reinigungsstufe – gefordert. Dabei sieht der Lippeverband nicht nur die beträchtlichen Folgekosten, „wir hinterfragen auch, inwieweit das wasserwirtschaftlich wirklich Sinn macht“.
Schadstoffeinträge schon an der „Quelle“ reduzieren
Beim Thema Spurenstoffe – feinste Verunreinigungen aus Medikamenten-Rückständen oder Industrie-Chemikalien im Wasser und Abwasser – setzt sich der Vorstandsvorsitzende dafür ein, auch die Herkunftsquellen und Eintragswege für solche Mikroverunreinigungen kritisch zu betrachten. Das Projekt „Den Spurenstoffen auf der Spur“, das der Lippeverband zusammen mit Partnern in Dülmen betreibt, verfolgt diesen Weg, indem der Frage nachgegangen wird „Wo kommen welche Medikamentenrückstände genau her, wie ist ihr Eintrag am besten und kostengünstigsten zu reduzieren?“ Daher setzt das Projekt auf eine Zusammenarbeit mit Ärzten, Apothekern und Krankenhäusern und eine Sensibilisierung der Verbraucher.
Gleichzeitig erweitert der Lippeverband bis zum Frühjahr 2015 seine Kläranlage in Dülmen durch eine Aktivkohlebehandlung für Spurenstoffe. Dieser zu 95 % vom Land und der EU geförderte Ausbau in Dülmen ist laut Dr. Stemplewski „deshalb sinnvoll und vertretbar, weil dort die einzige Lippeverbands-Kläranlage im Einzugsgebiet der Trinkwassergewinnung liegt“.