Mit Nadeln und Wollfäden allen eine unverwechselbare Stimme geben

Handarbeit, nicht nur Quadrat für Quadrat: Das Bergakemener Tippi entsteht.

Monatelang lagen 15×15 cm große Quadrate im Briefkasten von Pfarrerin Petra Buschmann-Simons. Oder sie standen säckeweise vor der Tür des Oberadener Martin-Luther-Zentrums. Marineblau, rubinrot, BvB-gelb mit Stäbchen gehäkelt oder glatt rechts gestrickt, mit und ohne Muster, manche mit filigranen Farbverläufen, andere knallbunt. So viele, dass daraus glatt mehrere Tipis entstehen könnten.

Kennenlernen, bevor es an die handfeste Arbeit geht.

Genau das ist das Ziel des ungewöhnlichen Handarbeitens, das seit dem Sommer die Bergkamener Kreativität im wahrsten Sinne ausufern lässt. 1.600 Häkel- und Strickquadrate ließen fleißige Hände aus widerstandsfähiger Wolle entstehen. Damit ein Tipi entsteht, das so bunt wird wie seine Urheber. Wie viele Menschen dahinter steckten, lässt sich nur erahnen. Fest steht: Die Bergkamener haben sich von der TIPI-Idee der Künstlerin Ute Lennartz-Lembeck begeistert anstecken lassen. Quer durch alle Religionsgemeinschaften, denn die Ev. Friedenskirchengemeinden gaben nur den Anstoß dazu. Mitgemacht haben viele: der Moscheeverein, der interreligiöse Arbeitskreis, das Bildungszentrum, der AWO-Migrationsdienst, die Integrationsbeauftragte, der islamische Verein Milli Görüş, die Friedenskirchengemeinden und die Stadt Bergkamen als Unterstützerin.

Bunt und individuell: Jedes Quadrat ist ganz besonders.

Am Samstag nun ging es an den ersten Teil der Fertigstellung. Viele Helfer kamen, um die Anweisungen der Künstlerin die Tat umzusetzen. Die war eigens dafür angereist und ging auch mit Hexenschuss eisern in die Knie, um die Flut der Quadrate auf die maximal möglichen 1.200 zu reduzieren und alle in Reih und Glied zu bringen. Erst mussten die Quadrate farblich sortiert werden. Dann ordneten sie alle Helfer zusammen zu zwei Viertelkreisen auf dem Boden an, zwischendurch aufgemuntert mit selbstgebackenem Kuchen. Das war aber erst der Anfang. Alle Helfer zusammen mussten entscheiden, welches Quadrat innerhalb der Regenbogenfarben wo seinen Platz bekam. „Das ist schließlich Ihr Tipi und das soll am Ende auch etwas über Sie alle aussagen“, motivierte die Künstlerin etwaig bereits erschlaffte Arme und Beine. Das alles musste noch mit Klebebändern fixiert werden.

Jede/r Einzelne ist wichtig für das Gesamte

Erstmal muss sortiert werden: aus 1.600 Quadraten werden farblich gegliederte Häufchen.

Danach folgt erst die eigentliche Arbeit. Die Quadrate müssen zusammengehäkelt und umhäkelt werden. Zum Schluss wird aus zwei Halbkreisen ein Tipi, das zunächst vor der Martin-Luther-Kirche steht und dann auf Reisen geht durch das Stadtgebiet. Zwei Treffen wird es bis dahin noch mit der Künstlerin geben. Und vor allem viel Arbeit. Eine Anstrengung, die sich lohnt.

Alle packen beim Sortieren mit an.

„In jedem Quadrat stecken eine Idee, eine eigene Kreativität und eine Stimme“, schildert Ute Lennartz-Lembeck. „Jeder Einzelne ist bei diesem Projekt wichtig, denn nur zusammen halten die Quadrate und das gesamte Tipi. Daraus entsteht eine Gemeinschaft, die sich anders vielleicht nie gefunden hätte.“ Eine Gemeinschaft, die im Kleinen zusammenfindet – und inzwischen weltweite Kreise zieht.

Gar nicht so leicht: Wohin soll welches Quadrat genau im gemeinschaftlichen Gefüge?

Seit bereits 10 Jahren reist Ute Lennartz-Lembeck von Kontinent zu Kontinent, um überall Tipis entstehen zu lassen. USA, Kenia, Italien, Thailand, Brüssel: Die Tipis sind längst universell geworden – überall in einer gemeinsamen Sprache entstanden mit Strick- und Häkelnadeln. Sogar die Schwester von Barak Obama hat die Idee begeistert. „Daraus ist eine richtige Freundschaft entstanden, denn wir beide wollen den Menschen, die sonst stumm bleiben müssen, eine Stimme geben.“

Gehäkelt oder gestrickt: Jedes Quadrat ist ein eigenes Kunstwerk.

Eine Stimme kann in diesem Projekt jeder haben – mit nur 15 mal 15 cm großen Quadraten und ein wenig Fingerfertigkeit. Die meisten Bergkamener beherrschen offenbar die Handarbeit, denn der angebotene Handarbeitskurs hatte im Rahmen des Projektes nur ein Neuling besucht. Die Idee hatte die Künstlerin übrigens, während sie ihre Tante pflegte und sich eigentlich nur sinnvoll beschäftigen wollte. Daraus sind inzwischen 50 Tipis in 10 Jahren entstanden – urheberrechtlich geschützt. Allerdings: Das Projekt endet bald. Im Sommer entsteht ein Tipi-Dorf als Finale.

Tippi1
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Tippi5
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Tippi6
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Tippi9
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