Illusionen, Träume und Wahrheiten in Kunstwelten aus 3D
Krakententakel in mikroskopischer Nahaufnahme, unendlich vergrößert? DNA-Stränge, unergründliche Zelleninnereien oder doch einfach nur zerplatztes Kaugummi? Jesus Christus mit Mona Lisa vermischt beobachtet von den Augen der Damen mit dem Hermelin? Falsch gesehen und/oder falsch gedacht! Was das Auge in der Galerie sohle 1 aktuell zu erkennen vermeint, ist bloße Illusion. Geschaffen aus Zehntausenden von bunten Zahnstochern, Silikon und gedrehten Drähten. Ausschließlich in 3D.
Es ist wahrlich eine „außergewöhnliche Ausstellung mit außergewöhnlichen Künstlern“, die Kulturdezernent Mar Alexander Ulrich dort am Samstag eröffnen durfte. Ein Zusammentreffen von Kunstwerken, deren Erschaffer sich zwar aus Düsseldorf kennen, aber noch nie zusammen ihre Kreativität präsentiert haben. Eine Kollision der Welten, die Spaß macht – nicht nur optisch, sondern auch für die Imagination. Stets von einer neuen Seite zeigen sich die Frauengesichter von Maxim Wakultschik und Installationen von Aljoscha, fließen, tropfen, gleiten, rutschen und schweben die Perspektiven vor dem Auge dahin und sind kaum zu fassen. Was gerade noch wie ein monströses Tiefseewesen anmutete, verwandelt sich einen halben Schritt weiter in ein Faszinosum aus mathematisch zerlegten Strukturen. Nichts ist hier, wie es scheint.
Von Verbindungen, Akribie und Verwirrungen
Nicht weniger faszinierend wie das kognitive Erlebnis war die Interpretation von Kunsthistorikerin Nathalie Krall. Was sie aus den Werken herauslas, glich einer eigenen Kunstform für sich – zum Glück bald in gedruckter Form direkt vor den Werken nachzulesen. Denn aus ihr sprudelte geradezu heraus, was mancher kaum zu denken wagte. Fast chirurgisch sezierte sie aus den Werken „ein ganzes Universum verbundener Elemente“ heraus – „dynamisch, vielseitig, eklektisch“, randvoll mit „Recherche, Forschung, Überlegung“.
Begonnen haben Aljoscha wie Maxim Wakultschik mit der Malerei. Beide fanden schnell den Weg von der Fläche in die Dreidimensionalität. Aljoscha mit zufälligen Formen, die auf der Farbpalette wuchsen und schließlich in Acrylglas, Silicon und Draht von einer anfangs unbekannten Form in utopische Modelle neuartiger Lebensformen wuchsen. Die Liebe zur Mathematik und zum Geduldsspiel ist bei Maxim Wakultschik nicht zu übersehen. Er zersplittert die „Fläche in kleinste Einzelteile“ und schafft beinahe etwas ähnliches wie „Verpixelungen“. Bis zu 58.000 Holzstäbchen formen sich tatsächlich zunächst am Computer zum fertigen Bild – „unter Berücksichtigung aller Wahrscheinlichkeiten“. Visuelle Verwirrung und Illusionen schaffen auch die fast „überirdisch schönen Frauengesichter“, die ihren Ausdruck ständig verändern, eine Aura des Unerreichbaren schaffen und bei den Alten Meistern Anleihen schaffen.
750 Farbtöne hier, Spiel mit Licht und Schatten hüben wie drüben. Beide versuchen in der Zerlegung des großen Ganzen in die Kleinteiligkeit oder umgekehrt „Bünde der Gesellschaft zu schaffen“, Gegenmittel für Ängste und Phobien, im Zufall die Hoffnung zu entdecken. Wie all das in Diversität und Inklusion münden kann: Eine Lektüre der Deutung lohnt sich mindestens so sehr wie der Streifzug durch die Ausstellung. Mitten hinein in die 3D-Welten „Bioethical Aberrations“ und „Polymorphismus“, denn die üben eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus.