Haftbefehle wegen des Verdachts des bandenmäßigen Menschenhandels: Eine Spur führt nach Bergkamen
Nach sehr intensiv und verdeckt geführten gemeinsamen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Münster und dem Hauptzollamt Münster sind am gestrigen Tag sechs Beschuldigte unter anderem wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Menschenhandels und Einschleusens von Ausländern sowie wegen des Vorwurfs der Zwangsarbeit, der Ausbeutung der Arbeitskraft und des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen festgenommen worden. Hierdurch gelang den Ermittlungsbehörden nach ersten Erkenntnissen ein Schlag gegen die illegale Schleusung und nachfolgende Beschäftigung von illegal tätigen vietnamesisch stämmigen Ausländern in der Kosmetikbranche, den sogenannten „Nagelstudios“.
Bei den sechs Beschuldigten handelt es sich um vier Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 28 und 54 Jahren. Alle Beschuldigten sind in Vietnam geboren; zwei der Beschuldigten sind Brüder und besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Beschuldigten lebten zuletzt unter anderem in Münster, Bergkamen, Paderborn und Rottweil bzw. hielten sich dort auf.
Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ist der Vorwurf, dass sich die sechs festgenommenen Personen zu einer Bande zusammengeschlossen haben sollen, um mit dem Ziel möglichst hoher wirtschaftlicher Gewinne hier illegal aufhältige Frauen und Männer aus Vietnam als preisgünstige Arbeitskräfte in Nagelstudios einzusetzen. Die Nagelstudios wurden unter anderem in Münster, Dülmen, Greven, Kleve, Paderborn und Troisdorf betrieben.
Nach den bisherigen Erkenntnissen sollen die Beschuldigten zahlreiche Personen (mindestens 50) durch die Zusammenarbeit mit professionellen Schleuserbanden über Osteuropa und mit gefälschten Ausweispapieren oder Aufenthaltstiteln in das Bundesgebiet gebracht haben. Die auf diesem Weg in das Bundesgebiet verbrachten Personen haben möglicherweise für diese Schleusung jeweils Geldbeträge in Höhe von 5.000,00 bis 25.000,00 US-Dollar bezahlt. Es besteht der Verdacht, dass sie diese Summen durch ihre Tätigkeiten abzuarbeiten haben und dabei unter erheblichen psychischen Leistungsdruck stehen.
Eine vergleichbare Anzahl von Personen, die sich bereits ohne gültige Aufenthaltspapiere in Deutschland aufhielten, soll von den Beschuldigten ebenfalls beschäftigt worden sein.
Die Beschuldigten sollen den Beschäftigten weder Sozial- noch Krankenversicherungsschutz gewährt und auch nicht den gesetzlichen Mindestlohn gezahlt haben. Zudem sollen sie diese während der Arbeitszeit (vermutlich sechs Tage in der Woche á 10 Stunden) unter anderem durch eine Videoüberwachung in den Studios kontrolliert haben.
Die Beschuldigten sollen zudem – vermutlich zur effektiven Kontrolle ihrer Arbeitnehmer – eigene, zum Teil sehr schlicht gehaltene Unterkünfte in Münster, Dülmen, Greven, Kleve und Troisdorf angemietet haben, in denen die Beschäftigten für die Dauer ihrer Tätigkeit notdürftig untergebracht wurden. Der Aufenthalt der Arbeitskräfte im Bundesgebiet dürfte sich nach den bislang vorliegenden Erkenntnissen – schon aufgrund der fehlenden Kenntnisse der deutschen Sprache – im Wesentlichen auf den Verbleib in diesen Unterkünften oder in den Arbeitsstellen beschränkt haben.
Die Beschuldigten sollen durch diese Art der Beschäftigung insbesondere die persönliche und wirtschaftliche Zwangslage sowie die Hilflosigkeit, in der sich die vietnamesischen Arbeitnehmer befunden haben, für eigene wirtschaftliche Zwecke ausgenutzt haben. Die Ladenlokale sollen dabei zum Teil durch sogenannte „Strohmänner“ betrieben worden sein. Die überwiegend aus Bargeldzahlungen bestehenden Einnahmen sollen die Beschuldigten in das Ausland, im Wesentlichen nach Vietnam, überwiesen haben.
Die Behörden gehen nach den bislang vorliegenden Schätzungen von einem Sozialversicherungsschaden in Höhe von mindestens 1,9 Millionen Euro aus.
Im Zuge der konzentrierten Festnahmeaktion wurden unter anderem neun Nagelstudios in Nordrhein-Westfalen, die Privatwohnungen der Beschuldigten sowie die Unterkünfte der Beschäftigten in Münster, Dülmen, Greven, Kleve und Troisdorf durchsucht. Bei den Durchsuchungen wurde unter anderem Bargeld in Höhe von ca. 300.000,00 Euro sichergestellt.
In den Nagelstudios und Unterkünften wurden mindestens 10 Personen angetroffen, die im Verdacht stehen, sich illegal im Bundesgebiet aufzuhalten. Sie wurden zur Identitätsfeststellung vorläufig festgenommen.