Geldstrafe für Vergewaltigungsvorwurf
von Andreas Milk
In seiner Urteilsbegründung kam der Strafrichter auf den Begriff „toxische Beziehung“ zu sprechen: Mit so etwas habe man es wohl gerade zu tun gehabt. Angeklagt war die Bergkamenerin Nicole F. (Name geändert). Am Vormittag des 11. Februar 2022 war sie zur Polizeiwache am Kamener Bahnhof gegangen und hatte ihren damaligen Freund angezeigt: Geschlagen und vergewaltigt habe er sie. Das Verfahren gegen den Beschuldigten stellte die Staatsanwaltschaft im Dezember ein. Stattdessen ermittelte sie nun gegen Nicole F. wegen falscher Verdächtigung.
Die junge Frau ließ vor Gericht ihren Verteidiger für sich reden. Der entwarf das Bild einer „komplexen, schwierigen Persönlichkeit“. Es gebe den Verdacht einer Borderline-Störung. Die Beziehung mit dem vermeintlichen Sexualstraftäter war nach den Worten des Anwalts von Gewalt geprägt. Es habe einvernehmliche sexuelle Kontakte zwischen den beiden gegeben – auch noch nach der angeblichen Vergewaltigung – sowie nicht-einvernehmliche. Die Frage sei, ob Nicole F. dem „Partner“ überhaupt immer deutlich machen konnte, was sie wollte – und was nicht.
Trotz all dieser Punkte und trotz des leeren Vorstrafenregisters der 35-jährigen Bergkamenerin: Der Vertreter der Staatsanwaltschaft machte klar, dass eine Verfahrenseinstellung mit ihm nicht zu machen sei. Dafür wiege der Vergewaltigungsvorwurf schlicht zu schwer: „Sowas kann existenzvernichtend sein.“
Am Ende stand eine Geldstrafe: 80 Tagessätze à 10 Euro soll die Sozialhilfebezieherin zahlen. Sie stimmte zu; das Urteil wurde sofort rechtskräftig. Mittlerweile ist Nicole F. laut ihrem Anwalt mit einem netten Mann liiert. Gemeinsam besuchten sie eine Selbsthilfegruppe – es gebe in ihrem Leben wieder eine positive Perspektive.