Fußgänger contra Audi-Fahrer: Etwas blöd waren wohl beide

von Andreas Milk
An einem späten Abend im Januar hatten zwei junge Männer in Weddinghofen eine unangenehme Begegnung. Der eine war zu Fuß unterwegs, der andere in einem Audi TT. Um diese Begegnung gab es jetzt einen Prozess vor dem Kamener Amtsgericht. Angeklagt war der Audi-Fahrer: Laut Anklage soll er den Fußgänger, der vor ihm über einen Zebrastreifen gelaufen sei, beschimpft und gegen einen Zaun geschubst haben.

Nachdem bei einem ersten Verhandlungstermin einiges offen geblieben war, gab es jetzt die Fortsetzung. Als Zeugin geladen war die 17-jährige Freundin des Fußgängers. Ihr Freund habe sie an dem Abend zur Bushaltestelle begleitet; vorher hätten sie etwas zusammen getrunken – jeweils zwei, drei Krefelder, mehr nicht. Diese doch sehr konkrete Angabe – ohne dass jemand vorher so konkret gefragt hätte – ließ den Richter stutzig werden. Die 17-Jährige berichtete weiter: Ihr Bus sei gekommen, sie hätten sich voneinander verabschiedet, ihr Freund sei über den Zebrastreifen gegangen, plötzlich sei der Audi mit zu hohem Tempo heran gerauscht. Nur mit einem Sprung zur Seite habe ihr Freund einen Zusammenstoß vermieden.

Die angeblich zu hohe Geschwindigkeit des Autos, dazu noch eine Beteuerung, ihr Freund habe vorm Losgehen nach links und nach rechts geschaut, vorher die Erwähnung der Krefelder: Das schien (nicht nur) dem Verteidiger des Audi-Fahrers zu detailreich, um noch glaubwürdig zu sein. Letztlich gewann das Gericht – auch mit Hilfe anderer Zeugenaussagen – ein anderes Bild. Der Fußgänger war wohl ein gutes Stück hinter dem Zebrastreifen über die Straße marschiert, vielleicht auch eher gestolpert wegen der paar Krefelder. Und das machte den Mann im Audi sauer. So sauer, dass er sich daneben benahm.

Bisher war der Audi-Fahrer nicht unangenehm aufgefallen: keinerlei Vorbelastungen. Das Ganze „schreit nach Verfahrenseinstellung“, fand sein Anwalt. Diese Einstellung kam dann auch: „Ich habe den Eindruck, dass Sie ein ganz anständiger Kerl sind“, so der Richter. Es gibt aber eine Bedingung: Der Audi-Fahrer muss jeweils 300 Euro an den geschubsten Fußgänger und 300 Euro an die Landeskasse zahlen. Das bedeutet, dass der lädierte Fußgänger einen Teil seines Schadens selbst wird tragen müssen. Aber er trage eben auch eine Mitschuld am Geschehen.