„Flucht“ in den Westen – Anklage wegen Betrugs
von Andreas Milk
Die Bergkamenerin Lieselotte W. (Name geändert) ist Lehrerin, 55 Jahre alt, nicht vorbestraft – und saß jetzt im Kamener Amtsgericht wegen Betrugs. Von Januar bis Mai 2020 hatte sie 5.223 Euro Arbeitslosenunterstützung bekommen; daneben zahlte die Arbeitsagentur für sie rund 1.900 Euro an die Krankenkasse – alles, während Lieselotte W. schon längst wieder einen Job hatte. Dreist, könnte man meinen. Für die Sozialpädagogin war es nach eigener Aussage eher so etwas wie „Notwehr“. Sie habe nicht in betrügerischer Absicht gehandelt.
Die Ausgangslage: Aus familiären Gründen war Lieselotte W. vor zwei Jahren nach Thüringen gezogen. Dort kam sie ganz und gar nicht zurecht. Rassistische Sprüche waren ihr zuwider – etwa, wenn ein Firmenchef sich damit hervortat, er habe „jetzt sogar mal ’nen N**** eingestellt“. Klar, das gebe es im Westen auch – aber nicht in der Häufigkeit und mit der Selbstverständlichkeit wie im Osten. Konsequenz: Lieselotte W., tätig im Bereich der Ausbildungsbegleitung, leitete ihre Rückkehr ein. Zum 1. Januar 2020 bekam sie eine passende Stelle, konnte aber kaum schnell genug umziehen, und einige Wochen später wechselte sie die Anstellung ein weiteres Mal. Es gab wenig Hilfe und ein Problem mit der Fahrtkostenerstattung, sagt sie. Und die ganze Zeit floss weiter das Geld von der Arbeitsagentur, das sie eigentlich nicht mehr hätte beziehen dürfen. „Es ist doof gewesen, und es tut mir auch leid“, erklärte Lieselotte W. jetzt im Gerichtssaal.
Längst hat sie angefangen, das Geld in Raten à 200 Euro pro Monat zurückzuzahlen. Um eine Verurteilung kam sie trotz des Geständnisses und der Wiedergutmachung nicht herum – dafür sei der entstandene Schaden denn doch „ziemlich knackig“, fand der Richter. Er verurteilte W. zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro. Genauer: zu 50 Tagessätzen à 60 Euro – mit diesem Strafmaß landet das Urteil nicht im polizeilichen Führungszeugnis. Lieselotte W. nahm die Entscheidung an. Sollte die Staatsanwaltschaft das auch tun – sie hatte eine höhere Strafe beantragt -, wird das Urteil rechtskräftig.