Faustschläge wirksam – aber strafbar: „’n lieben Kerl“ soll zahlen
von Andreas Milk
Selten haben Gerichtstermine einen so hohen Unterhaltungswert wie der Prozess gegen den Bergkamener Manfred T. (55, Name geändert) im Amtsgericht Kamen. „Ich bin eigentlich ’n lieben Kerl“, stellte er sich vor. Seine Wahrheitsliebe unterstrich er mit dem Satz: „Lügen haben kurze Beine, und ich habe sowieso schon kurze Beine.“ Den Richter redete er zwischendurch mit „Sir“ an. Aber der Hintergrund war alles andere als lustig. T., vielfach vorbestrafter Alkoholiker, lebt in Bergkamen in einer städtischen Notunterkunft, in der es regelmäßig Zoff zu geben scheint. Angeklagt war er jetzt wegen Körperverletzung. Im Oktober und im November 2022 soll er einem nervigen Mitbewohner jeweils einen Faustschlag ins Gesicht verpasst haben.
Und das gab T. auch ohne Umschweife – und wohl sogar ganz gern – zu. Besagter Mitbewohner muss T.s Schilderungen zufolge eine Landplage sein: dauernd schreiend, Türen schlagend, laute Musik spielend. Obendrein soll der Mann polnischer Herkunft seine deutschen Zwangsnachbarn als Nazis und „Hitler-Schweine“ beschimpft haben. Ein Zeuge – 70 Jahre, ebenfalls Bewohner der Unterkunft – bestätigte: Der Mann habe sich benommen „wie die Axt im Walde“, die Stadt habe nichts unternommen, die Polizei bei ihren Einsätzen auch nur „Du, du, du!“ gemacht. Manfred T.s Faustschläge dagegen hätten gewirkt. Seitdem sei nämlich Ruhe.
19 Eintragungen stehen in T.s Vorstrafenregister. T. hat auch schon im Knast gesessen. Dass der Richter ihn nicht wieder da hin schickte, hängt auch damit zusammen, dass T.s Ausraster angesichts der Wohnsituation und der Provokationen durch das Opfer verständlich sei: 90 Tagessätze à 15 Euro wegen Körperverletzung soll T. als Geldstrafe zahlen. Tut er das nicht, droht freilich doch wieder Haft: 90 Tage Gefängnis wären dann fällig.