Endlich wieder Weihnachtsvarieté mit mutiger Akrobatik
„Ab jetzt ist aber Ruhe – absolute Ruhe!“, kämpft sich der Gruppenleiter durch das wilde Gerufe und Geschnäbbel seiner aufgeregten Gruppe. Die zieht gerade geschlossen vom Aufwärmen in der Turnhalle zum Hintereingang des studio theaters. Gleich geht es ins Scheinwerferlicht auf der Bühne. Für die meisten zum ersten Mal überhaupt. Zu lange musste das Weihnachtsvarieté auf seine 10. Auflage warten. Alle sind restlos aufgeregt.
Seit der letzten Aufführung der kleinen und größeren Akrobatik-Künstler aus dem Balu im Jahr 2019 hat es längst viele Neuzugänge gegeben. Neue Gruppen wie die Trampolin-Truppe haben sich gegründet. Überhaupt konnten die gut 30 jungen Artistinnen und Artisten erst seit den Sommerferien wieder richtig trainieren. Davor wurde während der Lockdowns und Schließungen mit Video-Training improvisiert. „Das ging zwar auch irgendwie – nichts kann aber die Arbeit am Mann ersetzen“, sagt Aurel Islinger. „Es sind alle einfach nur froh, dass dieser Abend heute stattfinden konnte und alle zeigen durften, was sie können.“
Das ist vor allem angesichts der schwierigen Bedingungen unter Corona mehr als beeindruckend. Kein Wunder, dass Rainer Maria Rilke quasi Schirmherr des Abends wurde und seine Weisheiten das fröhliche Treiben auf der Bühne nur noch betonten. „Tu was du nicht kannst“, lautete das Motto. Mutig sein, das ausprobieren, was hinter Hürden der Angst scheinbar unerreichbar ist. Den Schrecken und den Respekt als Herausforderung sehen und einfach sein Ding machen: Viele berühmte Persönlichkeiten im Foyer zeigten mit ihren Lebensläufen in einer kleinen Ausstellung, dass dies immer wieder klappen kann. Albert Einstein, Nikolaus Kopernikus, Bob Beamon: Sie sind nur einige, die mit Mut und Entschlossenheit neue Wege geebnet haben.
Mutig ins Scheinwerferlicht
Mutig war jeder einzelne, der am Samstag ins Scheinwerferlicht trat. Egal ob es die ganz kleinen waren, die entschlossen Anlauf nahmen und auf ausgestreckte Arme oder kopfüber ins Trampolin sprangen. Egal, ob es die „Neulinge“ waren, die sich mit dem Springseil über die Bühne katapultierten oder ob sich die „Profis“ von einem Arm in die Höhe stoßen ließen. Sie alle überwanden sich und die eine oder andere Hemmschwelle. Ein großes Strahlen lag auf jedem Gesicht, wenn die Landung sicher war und der Applaus riesig – selbst dann, wenn sich das Seilchen mal an den Füßen verheddert hatte oder das Gleichgewicht im Handstand auf den Händen der anderen nicht so lange hielt, wie es sollte.
Respektvollen Applaus gab es auch von den Profis. Die tanzten betörend und poetisch mit Stahlreifen, zauberten faszinierende Bilder mit den Diabolos in die Dunkelheit, verbogen ihre Körper auf magischen Würfeln, die sie dabei ganz nebenbei auch noch farblich in die die richtige Ordnung brachten. Oder sie zeigten Körperbeherrschung mit kraftvoller Akrobatik, die regelrecht sprachlos machte. Das alles humorvoll begleitet von Daniel Reinsberg, seiner Zauberkunst und seinen frechen Freunden, die tief aus seinem Bauch heraus zum Publikum sprachen. Ein fantastischer Abend, der manchen Erwachsenen inspirierte. „Ich trainiere jetzt ein Jahr, dann seht ihr mich auch auf der Bühne“, meinte ein beeindruckter Zuschauer und meinte es wohl nicht ganz so ernst.