Ehe vor Gericht: „Schneide dir den Finger ab“
von Andreas Milk
Der Kamener Strafrichter war diesmal auch als Eheberater tätig – auch wenn von der Ehe nicht viel übrig zu sein scheint. Er riet dem Angeklagten: Wenn eine Diskussion mit seiner Frau zu eskalieren drohe, „müssen Sie Platz zwischen sich schaffen“. Marcel P. (25, Namen geändert) hatte am 8. Oktober 2022 seiner Frau Nora im Streit gedroht, er werde ihr einen Finger abschneiden – und zwar den, der eine Tätowierung mit seinem Namen trägt -, sie außerdem umbringen und mit der gemeinsamen Tochter verschwinden. Das Ganze passierte in der Wohnung des Paars in Rünthe. Marcel P. „wohnte“ eigentlich gerade in der JVA. Er hatte aber Ausgang.
Ein Ehepaar wurden Marcel und Nora P. 2021. Marcel P. „sitzt“ seit Mai 2022. Derzeit ist er im offenen Vollzug. Die Haft endet nach heutigem Stand im November 2024. Eine vorzeitige Entlassung sei ihm in Aussicht gestellt worden, erklärte er im Prozess. Freundlich und reuevoll schilderte er das Geschehen in der Rünther Wohnung: eine „Kurzschlussreaktion“ sei das gewesen, nachdem er erfahren habe, dass seine Frau ihn betrüge. „Ich war komplett überfordert.“ Was die Drohung mit dem Fingerabschneiden angeht: Noch nie habe er jemandem weh getan. Marcel P., vielfach vorbestraft, setzte sich hin und schrieb aus freien Stücken einen Brief an die Polizei, nachdem seine Frau ihn angezeigt hatte. Schon in diesem Brief gab er alles zu.
Nora P. ist dem Anschein nach heute mit ihrem Mann fertig. Er habe sich nicht geändert, sagt sie. Er sehe seine Tochter, „und das ist auch gut so“. Im übrigen, so die junge Frau, strebe sie die Scheidung an und wolle ihr Abitur nachmachen.
Das Urteil für Marcel P.: eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 8 Euro. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe auf Bewährung beantragt; P.s Verteidiger hatte eine Verfahrenseinstellung angeregt: Sein Mandant sei halt „ein rustikaler Typ“, der aber wohl auch andere Seiten habe, sonst hätte ihm Nora P. nie das Jawort gegeben. Gut möglich, dass der Fall noch das Dortmunder Landgericht in einer Berufungsverhandlung beschäftigen wird.