Ostermarkt lockte mit Superlativen und Kontrastwelten

1,25 Meter hoch, 86 Zentimeter Durchmesser, mit 3.025 Briefmarken aus 172 Staaten beklebt: Dieses Osterei ist ganz und gar kolossal – nicht nur für Philatelisten. Auf dem traditionellen Ostermarkt im Stadtmuseum war das riesige Kunstwerk von Bärbel und Lothar Pfüller der Besuchermagnet unter den 40 Ständen.

Beeindruckende Ostereierkunst aus Briefmarken präsentierten Bärbel und Lothar Pfüller.
Beeindruckende Ostereierkunst aus Briefmarken präsentierten Bärbel und Lothar Pfüller.

Überdimensional: Das riesige Osterei aus mehr als 3.000 Briefmarken.
Überdimensional: Das riesige Osterei aus mehr als 3.000 Briefmarken.

Ein Dreivierteljahr lang hat das Ehepaar an dem ganz und gar ungewöhnlichen Ei gewirkt. Die Idee entstand aus purer Philatelisten-Not heraus. Irgendwann reichten die Briefmarken-Alben für die Sammel-Leidenschaft einfach nicht mehr aus. „Wegschmeißen kann ich Briefmarken einfach nicht“, sagt Lothar Pfüller. Der Dresdner, der in Aachen lebt, trommelte also Freunde zusammen, ließ die Kettensäge sprechen und formte aus einem kapitalen Stück Styropor ein riesiges Ei. Was folgte, war ein monatelanges akribisches Puzzle aus Briefmarken. Ob Charly Chaplin, Elvis Presley, Staatsmänner aus aller Welt: Briefmarken im Katalogwert von 2.081,80 Euro wollten Stück für Stück passend auf dem Ei verteilt werden.

Mit dem Sonderzug nach Pankow Ostern einläuten

Auch für Wachteleier findet sich ein passendes Motiv.
Auch für Wachteleier findet sich ein passendes Motiv.

Das Riesenexemplar ist aber nur die Krönung einer filigranen Briefmarkeneier-Kunst. Hühnereier, Gänseeier, sogar ein Wachtelei verwandelt das Ehepaar in Briefmarken-Themeninseln. Ob ganz und gar in Udo Lindenbergs Sonderzug nach Pankow gehüllt, ob in das Antlitz der Nofretete oder botanische Landschaften eingeklebt: An diesem Stand taten sich am Sonntag Welten auf.

Wie im gesamten Stadtmuseum. Die mit archäologischen Relikten römischen Lagerlebens gefüllten Vitrinen kontrastierten heftig blau-weißen Häkel-Eulen im Schalke-Ambiente. Echte Römer hätten sich über die ungewöhnlichen Lesezeichen gewundert, die mit selbstgenähten Hasen- und Kükenköpfen vor ihrer Taverne auslagen. Ob Strick-Hasen im Blumenmeer, Filz-Pilze neben Osterhasen-Schulklassen auf Blumenkränzen oder geklöppelte Eierwärmer: Es osterte sehr in allen Ecken und Winkeln des Stadtmuseums.

Teddys kontra Fußball-Häkelleidenschaft

Teddywelten als klassisches Kontrastprogramm.
Teddywelten als klassisches Kontrastprogramm.

Susanne Zarske baute an ihrem Stand dagegen ein eher klassisches Programm auf. Die vielen Teddybären mit unterschiedlichstem Fell, verschiedenster Bekleidung, beweglichen Gliedern und sogar mit Brummstimmen sind ihre Leidenschaft. Dabei sind Teddys nicht mehr unbedingt die klassischen Kindheitsbegleiter. Erst Recht nicht ihre Schöpfungen, die sich an den Vorbildern ihrer eigenen Kindheit in den 50er Jahren orientieren. Sechs bis acht Stunden sitzt sie an einem Exemplar, das in allen Einzelheiten handgemacht ist. „Moderne Teddys sind viel flacher und werden fast ausnahmslos in Asien hergestellt“, schildert sie. Ihre Kreationen sind dagegen etwas für Sammler und Liebhaber.

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Gehäkelte Fußball-Leidenschaft gab es bei Waltraud Hilker.

Kleine Konflikte hat Waltraud Hilker mit ihrer Häkel-Leidenschaft in der eigenen Familie ausgelöst. Fußball ist das Thema, das sich in allen ihren Häkel-Entwürfen wiederfindet. Die Kinder sind BvB-Fans, der Gatte ist eher der Schalker Konkurrenz zugetan. Im Garten in Castrop-Rauxel ist es deshalb strickt Schwarz-Gelb angesagt, im Haus dagegen hat Blau-Weiß das Sagen. Auf ihrem Tisch sind die Borussen-Eulen dann auch lieber mittels anderer Häkel-Produkte von den Schalke-Bären räumlich getrennt.

Für den Ostermarkt ist die Ausstellung „Frei“ der Künstlergruppe Reflex kurzfristig unterbrochen. Die Werke sind abgebaut, kehren am Dienstag aber zurück an die Ausstellungswände. Schließlich hat das Markttreiben längst seine eigene Tradition. Aus ganz Nordrhein-Westfalen kommen die Teilnehmer und Besucher – auch für einen Abstecher in den vom Museumsförderverein betreuten Nostalgiemarkt oder in die Druckwerkstatt, wo Ostermotive aus der Druckerpresse rollten.

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Vom Lederbeutel bis zur Waffe: Im Stadtmuseum lockt das römische Alltagsleben

Ein Schluck vinum oder mulsum in der Taverne und heiteres Beisammensein mit Spiel, Spaß und Vergnügen ging bei den Römern immer. Mit fester Nahrung ging es schon grenzwertiger insbesondere für die Zähne zu. Beim Kämpfen verstanden die Eroberer dann gar keinen Spaß mehr. Selbst mehr als 2.000 Jahre nach ihrer Herstellung sehen Pfeilspitzen mit gefährlichen Widerhaken und Vorrichtungen zum Durchtrennen der Pferdesehnen in den Museumsvitrinen schauderlich aus.

Salute! Mit den Römern einen Schluck vinum probieren - auch das war am Sonntag beim Familientag zur neuen Sonderausstellung beliebt.
Salute! Mit den Römern einen Schluck vinum probieren – auch das war am Sonntag beim Familientag zur neuen Sonderausstellung beliebt.

Ganz schön unheimlich: Das Sortiment an Pfeilspitzen hatte es am Sonntag in sich.
Ganz schön unheimlich: Das Sortiment an Pfeilspitzen hatte es am Sonntag in sich.

Der Alltag in und an einem römischen Legionslager wie in Oberaden war also nicht ausschließlich pures Abenteuer. Das zeigt die neue Sonderausstellung im Stadtmuseum. Arbeitsreich war vor allem das ganz normale Leben – vom Mahlen des Mehls über das Häkeln der Socken bis zur Herstellung von Lederbeuteln und zum Bemalen des Schildes. Menschenleben zählten nicht viel, wie die beängstigend vielseitige Auswahl der Waffen vom pilum als mörderischen Wurfspieß über Fußangeln und handfesten gladius als Kurzschwert bis zum Pfeil, der bequem das Kettenhemd durchbohrt, zeigt. Das alles ist in der Sonderausstellung „Von Asciburgium bis Oberaden. Leben in römischen Lagern“ zu sehen.

Mit Leihgaben und eigenen Funden bestückt

Wolfgang Hoffmann legt Hand an das Pergament - daraus lassen sich erstklassige Lampen herstellen.
Wolfgang Hoffmann legt Hand an das Pergament – daraus lassen sich erstklassige Lampen herstellen.

Dabei gibt das Legionslager, das um 16 v. Chr. im heutigen Moers entstand und nach der verlorenen Varusschlacht als Grenzsicherung gegen angriffslustige Germanen ausgebaut wurde, fast nur das Thema vor. Das Team des Stadtmuseums hat in den vergangenen Wochen beinahe eine ganz eigene Ausstellung auf die Beine gestellt, indem sie großartige Exponate aus Haltern, Xanten und sogar aus dem niederländischen Nijmegen organisierte. Die spannenden Vitrineninhalte werden ergänzt von Oberadener Funden, die nicht jeden Tag in der Dauerausstellung zu sehen sind – wie die gut erhaltene Glöckchen, mit denen das Pferdegeschirr bestückt war.

Marschgepäck und der wohl jüngste Römer als grenzenloser Bewunderer.
Marschgepäck und der wohl jüngste Römer als grenzenloser Bewunderer.

Eine ganz eigene Note verleiht die Vexillatio Veteranorum Legionis XIX, die Hilfstruppe der neuzeitlichen Römer-Veteranen, der Sonderausstellung. Besonders engagierte Mitglieder wie Wolfgang Hoffmann haben ebenso eigenhändig wie originalgetreu hergestellte Repliken zur Verfügung gestellt – sogar der detailgetreue Nachbau der römischen Hausheiligtümer findet sich darunter. Andere stellen ihr Marschgepäck zum Ausprobieren bereit.

 

Das pralle römische Leben ausprobieren – originalgetreu

Hübsche Einblicke bieten auch die Modelle römischer Alltagswelt.
Hübsche Einblicke bieten auch die Modelle römischer Alltagswelt.

Die Direktorin des Kultur- und Stadthistorischen Museums in Duisburg, Dr. Susanne Sommer, hatte also mehr als Recht, als sie bei ihrem Fachvortrag zur Ausstellungseröffnung darauf verwies, dass dieses Museum ein „lebendiger Ort“ ist. Stand zur Eröffnung vor allem die Theorie um die Entstehung des Lagers Asciburgium, die Eroberungen der Römer auf germanischem Gebiet und die archäologischen Zeugnisse für das Alltagsleben im Mittelpunkt, war am Sonntag das pralle Erleben gefragt.

Mit der originalgetreuen Schere Schmuck schaffen: Eine von vielen "Alltagsstationen" beim Familiensonntag.
Mit der originalgetreuen Schere Schmuck schaffen: Eine von vielen „Alltagsstationen“ beim Familiensonntag.

Selbst originalgetreue Schere am Leder und Pergament ansetzen, eigenhändig den Pinsel führen, mit eigenen Fingern die filigranen Perlen für den Schmuck aufziehen: Auch das gehörte dazu. Zusätzlich gab es kostenlose Führungen durch die Ausstellung, die das theoretische wie archäologische Wissen bereit hielt – und auch ein Schluck aus dem tönernen Weinbecher in der Taverne.

Übrigens hat der Verein der Freunde und Förderer des Stadtmuseums zahlreiche Alltagsgegenstände vom Kochlöffel über Nähnadel, Fibel und medizinisches Besteck anlässlich der Sonderausstellung angekauft. Sie unterstützen das vielseitige museumspädagogische Programm und kommen auch nach der Ausstellung zum Einsatz.

„Von Asciburgium bis Oberaden“ ist noch bis zum 27. September im Stadtmuseum zu sehen.

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Appell an die Solidarität und an ein soziales Europa

Aktueller hätte es nicht sein können. Die Dauerkrise in der Ukraine direkt vor der Haustür, die drohende Pleite Griechenlands in den eigenen Reihen, soziale Gefälle, Freihandelsabkommen: Die europäische Union hat die größten Herausforderungen ihrer noch jungen Geschichte zu bewältigen. Groß war also die Erwartungshaltung an den traditionellen Frühlingssempfang der SPD, der sich am Sonntag ebenso bewährt mit einem brennenden politischen Thema befasste.

Volles Haus in der Ökologiestation beim traditionellen Frühlingsempfang des SPD-Stadtverbands. Die Antworten des Europaabgeordneten Prof. Dr. Dietmar Köster auf die Frage, was die aktuellen Entwicklungslinien in Europa uns angeht, bewegten.
Volles Haus in der Ökologiestation beim traditionellen Frühlingsempfang des SPD-Stadtverbands. Die Antworten des Europaabgeordneten Prof. Dr. Dietmar Köster auf die Frage, was die aktuellen Entwicklungslinien in Europa uns angeht, bewegten.

Europa spaltet noch immer. Das wurde schon in den Grußworten deutlich. Wähnt Bürgermeister Roland Schäfer den Staatenbund „für viele weit weg, obwohl es inzwischen überall ein wesentliches Wort mitspricht“, sieht der Bundestagsabgeordnete Oliver Kaczmarek das anders. „Viele Menschen tragen europäische Themen stärker im Herzen als die politischen Parteien“, lautet seine Erfahrung aus Veranstaltungen zu aktuellen Themen wie dem Freihandelsabkommen unlängst in Bergkamen. Andere nehmen es wie der Landtagsabgeordnete Rüdiger Weiß mit Humor und einer ganz eigenen Variante des griechischen Mythos. Zeus entführt Europa im griechischen Original verwandelt als Stier. In der modernen sozialdemokratischen Fassung übernimmt Angela Merkel eine Hauptrolle und sorgt für eine Schreibblockade.

Europa geht längst alle etwas an

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Die versammelten sozialdeomkratischen Politiker vom Europaabgeordneten bis zum Stadtverbandsvorsitzenden: Alle haben eine leidenschaftliche Meinung zu Europa.

Bei allem Humor habe jedoch ein Umdenken stattgefunden, so Weiß: „Die Krisenherde zeigen, dass Europa uns mehr angeht als die Freude über offene Grenzen und Diskussionen über die genormte Größe der Pizza Napolitana – das muss ins Bewusstsein der Menschen gelangen.“ Immerhin investierte allein das Land zuletzt kräftig in Europa. Genau das ist auch die Meinung von Prof. Dr. Dietmar Köster. Seit Juli ist er Mitglied des Europäischen Parlaments, als Soziologe vor allem im Rechtsausschuss und im Kulturausschuss aktiv. Was seiner Meinung nach politisch erforderlich ist, um Europa stark für die aktuellen und künftigen Herausforderungen zu machen, erntete durchweg zustimmenden Applaus.

Eine klare Meinung hat Dr. Dietmar Köster zu allen aktuellen Problemen, mit denen Europa zu kämpfen hat.
Eine klare Meinung hat Dr. Dietmar Köster zu allen aktuellen Problemen, mit denen Europa zu kämpfen hat.

Sein größtes Anliegen: Antworten auf die „zunehmende Internationalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen“ finden. Denn gerade Deutschland sei hier auf europäischen Zusammenhalt und den Euro angewiesen, sogar einer der großen Profiteure. Noch dringlicher sieht er jedoch die Gefahr der Auseinanderentwicklung im sozialen Bereich. „Europa muss auch als Sozialunion gesehen werden“, mahnt er angesichts zunehmender Ängste der Menschen vor sozialem Abstieg, wachsendem Nationalismus und großer Europaskepsis. Die soziale Schere, in der Manager 300 Mal mehr verdienen als Facharbeiter und wenige Milliardäre ein Finanzvolumen tragen, dass die Schulden der dritten Welt aufwiegt, sei nicht hinnehmbar: „Dann ist etwas aus den Fugen.“ Was kommunal bewältigt werden kann, soll auch dort verankert bleiben. Den großen Fragen wie Steuern für Unternehmen müsse Europa sich stellen.

Europa als größtes Friedensprojekt

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Musikalische Auflockerung tat Not, denn es gab viele politische Impulse, die zu Diskussionen einluden. Der Frühjahrsempfang war übrigens eine Premiere für den neuen SPD-Stadtverbandsvorsitzendne André Rocholl.

Europa ist für Köster vor allem „das größte Zivilisationsprojekt für die Friedensbewahrung“, das vor der Gefahr der Spaltung bewahrt werden müsse. Ein Austritt Griechenlands „macht alles zunichte, was sich die Gründerväter Europas auf die Fahnen geschrieben haben“. Er erinnerte mit Blick auf die Finanzmarktkrise sowie massiven europäischen Sparzwangs als eine Ursache der finanziellen Probleme Griechenlands daran, dass auch Deutschland nach dem 2. Weltkrieg nur durch Schuldenerlass wieder auf die Beine gekommen sei. „Was soll passieren, wenn auch diese griechische Regierung scheitert“, stellt Köster eine der wesentlichen Fragen mit Blick auf 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, gestiegene Kindersterblichkeit und dramatische soziale Einbrüche in Griechenland.

Der Ukrainekonflikt erfordere eine Rückbesinnung auf eine Friedenspolitik nach der Art von Willy Brandt. Denn Köster sieht in dem Gebaren der USA und Nato – letztere habe gegen alle Versprechen eine Osterweiterung betrieben – eine weltpolitische, geostrategische Auseinandersetzung mit Russland, die in Zeiten alter Ost-West-Konflikte zurückfalle. Ungeachtet seiner persönlichen Meinung zu Putin, dessen „Homophobie und Machogehabe unappetitlich“ sei, der zudem mit der Annexion der Krim das Völkerrecht gebrochen habe.

Ein Appell an die Solidarität Europas ist die Quintessenz dieses Impulsreferats. Und ein Aufruf für mehr Transparenz etwa wie im Fall der fast hermetisch abgeschotteten Dokumente zum Freihandelsabkommen. Denn Europa, so Köster, ist mehr als die bisher stets fokussierte Wirtschaftsunion: Sie muss auch ein demokratisches Zusammenwachsen erreichen, um die Zukunft zu bewältigen.

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Auch das 21. Theaterfestival bringt 250 kleine und große Stars hervor

Seine Mittänzer sitzen längst auf dem Boden. Gerade noch war ein wildes Kung Fu-Treiben um ihn herum. Jetzt steht er ganz allein im Rampenlicht. Mit geschlossenen Augen und einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht wiegt er sich zur Musik. Der kleine Kung Fu-Kämpfer ist der heimliche Star beim  21. Theaterfestival des Stadtjugendrings. Einer von vielen.

Futuristisch und fantasievoll war das tolle Theaterprojekt der KITAs "Mikado" und "Sprößlinge".
Futuristisch und fantasievoll war das tolle Theaterprojekt der KITAs „Mikado“ und „Sprößlinge“.

Selbstvergessen im Scheinwerferlicht: Ein Kung Fu-Kämpfer in voller Hingabe.
Selbstvergessen im Scheinwerferlicht: Ein Kung Fu-Kämpfer in voller Hingabe.

Nicht nur die Kinder und Jugendlichen der Initiative Down-Syndrom haben lang für ihren großen Auftritt geübt. Auch die „kleine Raupe Nimmersatt“ probte bis zur letzten Sekunde in der Umkleidekabine, wie sie in ihrem geringelten Kostüm geschmeidig von einer Leckerei zur anderen hüpft. „Die Kinder lieben die Geschichte“, schildert Erzieherin Silvia Maier-Beckmann. Drei Wochen lang haben die 15 Kinder des Familienzentrums „Tausendfüßler“ das Kultbuch in ein kleines Theaterstück verwandelt. Sogar Sologesang ist mit dabei. Die Einrichtung nimmt schon zum 4. Mal am Theaterfestival teil. Die Aufregung ist trotzdem groß.

Lampenfieber auf, vor und hinter der Bühne

Wie die Profis moderiert das Theam vom Jugendfreizeitzentrum Kamen, das schon zum dritten Mal den Rahmen des Festivals gestaltet.
Wie die Profis moderiert das Theam vom Jugendfreizeitzentrum Kamen, das schon zum dritten Mal den Rahmen des Festivals gestaltet.

Nur ein wenig nervös ist Vanessa (17). Sie steht schon zum 5. Mal als Moderatorin auf der Bühne. „Am Anfang hatte ich vielleicht ein bisschen Bauchschmerzen“, schildert sie. Nach einigen Workshops unter dem Dach des „Kulturrucksacks“ im Kamener Jugendfreizeitzentrums ist sie längst ein alter Hase. „Wir haben ein Training für die Aussprache bekommen, haben geübt, wie man die Gruppen anmoderiert und wie man das Publikum zu noch mehr Applaus anfeuern kann.“ Für Cora (12) ist der Auftritt vor dem Vorhang allerdings eine Premiere. „Ich habe schon ein wenig Lampenfieber“, sagt sie. Trotzdem wird sie gleich auf die Bühne steigen. „Es macht einfach Spaß!“

Echtes Kultpotenzial hat die Tanzgruppe aus dem "Balu": Sie mussten eine Zugabe geben.
Echtes Kultpotenzial hat die Tanzgruppe aus dem „Balu“: Sie mussten eine Zugabe geben.

Spaß haben auch die jungen Frauen vom Kinder- und Jugendhaus „Balu“. Sie lieben den Tanz und haben sich immer mal sporadisch getroffen, um sich neue Formationen auszudenken. Aurel Islinger und sein Team haben das beobachtet – und schließlich einen Workshop mit Profis angeboten. „Wir wollen ihnen damit ein wenig Know-How mit an die Hand geben: Wie man Tanzstunden gestaltet, wie Choreographien gemacht werden“, schildert Islinger. Ein einziger Workshop genügte: Der Auftritt beim Theaterfestival war so mitreißend, dass eine Zugabe her musste. Vielleicht kommen jetzt noch mehr Tanz-Talente in die Gruppe, die sich immer donnerstags und dienstags von 18 bis 19.30 Uhr im „Balu“ trifft.

Zauberei und viel ehrenamtliches Engagement

Flinke Zaubertricks gab es in den Pausen.
Flinke Zaubertricks gab es in den Pausen.

13 Gruppen, 250 Teilnehmer, bis zu 900 Besucher: Das Theaterfestival des Stadtjugendrings ist seit mehr als zwei Jahrzehnten ein echter Höhepunkt des kulturellen Jahres in Bergkamen. Daran wirken unzählige Helfer mit. Der Pfadfinderstamm Pentragon etwa am Würstchenstand, die DLRG-Gruppe und das Jugendrotkreuz an den Verpflegungsständen. Zum ersten Mal war auch Michael Gick mit von der Partie. Er sorgte mit verblüffenden Zaubertricks wie verschwindenden Knoten und äußerst wandlungsfähigen Spielkarten dafür, dass auch die Pausen ein spannendes Erlebnis waren. Die dauerten in diesem Jahr etwas länger, weil die Grippewelle dafür sorgte, dass drei Gruppen nicht auftreten konnten.

Das Programm war trotzdem randvoll und kunterbunt. Und die vielen Helfer konnten nach dem Aufräumen schon wieder mit den Planungen für das 22. Theaterfestival beginnen.

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Geballte Hilfbereitschaft bei Typisierung für Annika

An manchen Tischen ging fast nichts mehr. Die Bergkamener standen am Sonntag in der Hellweg-Schule Schlange, um sich typisieren zu lassen. „Die Hilfsbereitschaft ist unglaublich“, sagt Petra Bier und beobachtet ergriffen das rege Treiben. „Hier sind unzählige Menschen spontan zum Helfen gekommen, die wir gar nicht kennen – wir mussten einige Angebote sogar ablehnen.“ Groß ist jetzt die Hoffnung, dass sich ein geeigneter Spender für ihre Tochter Annika findet.

Auf der Suche nach der richtigen Ader: Viele Bergkamener ließen sich am Sonntag Blut abzapfen für den guten Zweck.
Auf der Suche nach der richtigen Ader: Viele Bergkamener ließen sich am Sonntag Blut abzapfen für den guten Zweck.

Plötzlich war der da, der Knoten am Schlüsselbein. Von Arzt zu Arzt ging es zunächst. Dann die schreckliche Gewissheit: Lymphdrüsenkrebs lautete im vergangenen September die Diagnose für die 28-jährige Bergkamenerin. Es folgten sechs Blöcke mit Chemotherapie. Kurz vor Weihnachten dann Hoffnung: Zu 99,9 Prozent sei das Non-Hodgkin-Lymphom besiegt, so die Ärzte. Eine spezielle Untersuchung in Münster ließ auf die Euphorie totale Verzweiflung folgen: Der Krebs war wieder da. Nur Stammzellen können bei dieser aggressiven Form der Erkrankung helfen. Die beiden Brüder, die Zwillingsschwester: Niemand aus der direkten Verwandtschaft kommt in Frage. Es muss dringend ein Spender her, nachdem eine Operation und eine weitere schwere Chemotherapie keine Erfolge gebracht haben. Inzwischen musste Annika ihre Arbeit aufgeben. Im ganz normalen Alltag braucht sie Hilfe. Die Krankheit hat sie sehr geschwächt.

Ganze Familien waren auf den Beinen

Spontan organisiert: Tombola für den Spendeneingang.
Spontan organisiert: Tombola für den Spendeneingang.

Junge Frauen, jugendliche Männer, ältere Ehepaare, ganze Familien nutzen das prachtvolle Frühlingswetter für einen Ausflug zur Typisierungsaktion. Sie alle drückten Annika im vorbeigehen die Hand, machten ihr Mut. Die 28-Jährige stand sprachlos in der Sporthalle und verfolgte den Strom der Menschen fast ungläubig. „Es ist toll, wie viele Menschen helfen wollen“, sagt sie. Die Familie hat die Typisierungsaktion mit Unterstützung der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) angestoßen. Auch dabei haben viele engagierte Menschen geholfen. Die Stadt Bergkamen hat über den Bürgermeister den Druck von Plakaten und Flyern übernommen. Spontan haben sich Firmen und Organisationen mobilisiert, um mit einer Tombola, Verkaufsständen, Würstchengrill, Waffelstand oder Kuchenbüffet den Spendeneingang zu vervielfachen.

Reger Betrieb an den Helfertischen: Hier wurden alle Daten erfasst.
Reger Betrieb an den Helfertischen: Hier wurden alle Daten erfasst.

Unzählige Helfer setzten sich auch an die Tische, um die Daten der Spender aufzunehmen. Darunter auch die Eltern von Dwayne. Für den Bergkamener Jungen hatten vor einiger Zeit bereits unzählige Bergkamener ihr Blut typisieren lassen. „Es ist doch klar, dass wir auch dabei sind“, sagen sie. „Schließlich sind solche Aktionen wichtig und retten Leben!“ Das sagen alle, die bei prächtigem Wetter lieber in der Turnhalle sitzen und kräftig mit anpacken. „Das ist für den guten Zweck, und das ist wichtiger!“

 

Sechs Minuten und alles war schon vorbei

Wertvolle Fracht: Die Blutspenden gehen auf den Weg zur Typisierung.
Wertvolle Fracht: Die Blutspenden gehen auf den Weg zur Typisierung.

Gerade einmal sechs Minuten dauerte die Typisierung. Persönliche Daten und Krankheiten erfassen, den Bogen abliefern, fünf Milliliter Blut abnehmen, die Probe am letzten Stand abgeben: Fertig! „In etwa vier Wochen liegen die Typisierungsergebnisse vor“, erläutert  Bettina Steinbauer von der DKMS. Die Suche nach einem Spender für Annika läuft derweil längst schon weltweit. Sollte ein Spender gefunden werden, geht es wie folgt weiter: Die Stammzellen werden in den meisten Fällen ambulant über das periphere (fließende) Blutsystem herausgefiltert. Das dauert vier Stunden und der Spender kann danach wieder nach Hause gehen. Nur in 20 Prozent aller Fälle kann es eine Knochenmarkentnahme über die hinteren Beckenknochen im Rahmen einer Operation geben. Auch das verläuft schmerzfrei.

Ebenfalls wichtig: Spenden, denn eine Typisierung kostet ca. 50 Euro.
Ebenfalls wichtig: Spenden, denn eine Typisierung kostet ca. 50 Euro.

„Typisierungen sind wichtig, weil damit auch anderen Betroffenen geholfen werden kann“, betont Bettina Steinbauer. Deshalb haben Annika und ihre Familie die Aktion auch angestoßen – unabhängig davon, ob hier tatsächlich der geeignete Spender gefunden wird. Wichtig sind auch die Spenden: Jede Typisierung einer Blutprobe kostet rund 50 Euro. Bis zum Nachmittag standen bereits weit mehr als 400 Spender Schlange. Viele Spender hatten sich bereits bei Aktionen in der jüngsten Vergangenheit typisieren lassen.

Jetzt hoffen alle gemeinsam mit Annika, dass bald ein Spender gefunden wird. Wer anderweitig helfen will: Die DKMS freut sich über jede Form der Unterstützung. Infos unter www.dkms.de.

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Mit Antigone auf Zeitreise durch die menschlichen Konflikte

Schon vor fast 2.500 Jahren war er ein echter Publikumsrenner. Den griechischen Mythos um Antigone aus einer modernen Version wieder in die Antike und zurück in eine zeitlose Variante zu schicken, ist dagegen ein fast schon wissenschaftliches Experiment. Ein Versuch, der auf der Bühne des Pädagogischen Zentrums geglückt ist. Hier hat die Q2 des Städtischen Gymnasiums zur Zeitreise mit hochaktuellem Inhalt geladen.

Dramatische Geschehnisse auf der Bühne wie im Leben: Überzeugung trifft auf Willkür.
Dramatische Geschehnisse auf der Bühne wie im Leben: Überzeugung trifft auf Willkür.

Der Königsstuhl verleiht zwar Macht, aber noch lange nicht das moralische Recht.
Der Königsstuhl verleiht zwar Macht, aber noch lange nicht das moralische Recht: König Kreon.

König Kreon von Theben ringt im königlichen Scharlachrot auf der Bühne barfuß um die richtige Entscheidung. Antigone kämpft im schlichten griechischen Gewand um ihre Selbstbestimmung. Gleichzeitig marschieren die Wachen in beinahe stilechter Rüstung zur staatstreuen Verhaftung. Einen Tag später sieht die Szenerie ganz anders aus. Die Handlung ist in die Gegenwart verlagert. Vielleicht sogar mehr als das. Da wird für den Bruder, der gegen die Stadt Krieg geführt hat, im T-Shirt der verbotene Bestattungsritus abgehalten. In Jeans und Turnschuhen wird der Staatsmacht für die eigene Überzeugung mehr als nur die Stirn geboten – es geht sogar in den Tod. Die Akteure schreiten jetzt durch ein noch nicht verankertes Zeitfenster, wenn sie den antiken Inhalt auf die Bühne zaubern.

Konflikte in allen Lebensbereichen – mehr als zeitgemäß

Körperlich gefangen, aber in der eigenen Überzeugung frei: Antigone.
Körperlich gefangen, aber in der eigenen Überzeugung frei: Antigone.

Krieg und Widerstand, Überzeugung und Anpassung, Liebe und Hass, Starrsinn und Erkenntnis, Konflikt zwischen Jung und Alt: In diesem Drama steckt alles, was die Menschheit schon immer beschäftigt. Generationen von Schriftstellern haben den antiken Stoff in ihre jeweilige Zeit übertragen. Mitten im Zweiten Weltkrieg trifft Jean Anouilh mit seiner Fassung den Kern einer alles umwälzenden Zeit. Genau diese Fassung haben sich die neun Schülerinnen und Schüler des Projektkurses Theater unterstützt von vier Schauspieltalenten aus der Q1 und einem jungen Nachwuchsstar aus der Theater-AG für ihre spannende Zeitreise ausgesucht. „Ein anspruchsvolles Vorhaben“, wie Schulleiterin Bärbel Heidenreich mit großem Respekt betonte.

Große Emotionen auf der Bühne: Antigone und Haimon.
Große Emotionen auf der Bühne: Antigone und Haimon.

Verzweifelt geht Antigone nur körperlich vor der Willkür in die Knie. Ihre Seele bleibt ihrer eigenen Überzeugung treu. Auch ihr Verlobter Haimon folgt ihrem Beispiel: Er entleibt sich. Am Ende bleibt der König, der einen Tag später diktatorische Züge auf der Bergkamener Bühne hat, allein mit seiner Macht und der zu späten Erkenntnis. Ein Stoff, der in allen Zeiten an Zivilcourage, Moral, Menschlichkeit und Gerechtigkeit appelliert. „Es ist eine besondere Herausforderung, die jeweiligen Rollen in eine andere Zeit zu übertragen“, schildert Lehrer Peter Manteufel. „Hier geht es vor allem um die Wirkung. Darüber haben wir viel gesprochen und diskutiert – das werden wir anschließend auch intensiv gemeinsam reflektieren.“

Antike Sätze mit aktueller Brisanz

Stehende Ovationen für ein tolles Schauspielteam.
Stehende Ovationen für ein tolles Schauspielteam.

Engagiertes Spiel im antiken Kostüm.
Engagiertes Spiel im antiken Kostüm.

Die bemerkenswert souveräne Schauspieltruppe bewies mit ihrem Einsatz, für den sie ein halbes Jahr lang gearbeitet und seit Dezember intensiv geprobt hat: Das Experiment gelingt. Dem Publikum gingen die zentralen Botschaften in jeder Fassung unter die Haut – ob im antiken Gewand oder im zeitlosen Raum. „Was geht mich deine Politik an? Ich bin mein eigener Richter!“, spuckt Antigone dem König regelrecht ins Gesicht. Ein Satz, der angesichts aktueller weltweiter Geschehnisse mehr Brisanz denn je hat. „Wenn ich es nicht tu, wer dann?“, fragt sich im heftigen Gegensatz dazu nicht nur der Despot auf der Bühne, sondern leider auch mancher im realen weltpolitischen Geschehen.

Nicht nur für diese Sätze stand das Publikum auf und applaudierte mit stehenden Ovationen. Es war vor allem die hervorragende Leistung eines tollen Theaterteams, die hier belohnt wurde.

Das Team: Stephanie Döll, Fabian Tkaczuk, Katharina Kuzmin, Pascal Gansen, Rebecca Lindner, Lara    Zenke, Florian Becker, Nils Knedlik, Marcel Dambacher, Sarah Neumann, Lena Hanselmann, Lara Zenke, Kristin Haumann, Alina Poddig, Denise Fischer.

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Spielerisch in die weiterführende Schule schnuppern

Roboter, Mathequiz, Versuche mit bunten Tinkturen oder Experimente mit Strom: Das alles geriet am Samstag beim Tag der offenen Tür in der Freiherr-vom-Stein Realschule fast ein wenig in den Hintergrund. Denn pünktlich mit den sich öffnenden Türen setzte imposanter Schneefall ein und die weiße Pracht im Schulhof verlockte zu Schneeballschlachten und spontanen Schneemann-Kunstbauten.

Wenn das nicht Spaß macht: Den Kranz beim Yoga bilden und richtig entspannen.
Wenn das nicht Spaß macht: Den Kranz beim Yoga bilden und richtig entspannen.

Sich einmal musikalisch ausprobieren: Auch das machte der Tag der offenen Tür möglich.
Sich einmal musikalisch ausprobieren: Auch das machte der Tag der offenen Tür möglich.

Rektorin Petra Middelmann war trotzdem rundum zufrieden. „Der Tag ist sehr gut besucht und das Interesse ist groß“, schaut sie dem lebhaften Treiben zu. Die Anmeldelisten für die Termine vom 23. bis 27. Februar füllten sich zusehends. Mathe, Englisch, Deutsch, Französisch: Besonders der Unterricht interessierte Eltern wie künftige Schüler. Wer die Informationsstände auf allen Ebenen aufmerksam verfolgte, erkannte schnell: Hier stehen Sport und Gesundheit hoch im Kurs. Aber auch die Sozialkompetenz wird mit vielfältigen Angeboten vom Schulsanitäter über den Pausensporthelfer, eigenverantwortlich geleiteten Kiosk und das soziale Lernen bis zum Methodenlernen unter dem Motto „Schüler helfen Schülern“ hoch im Kurs. Wer will, kann sich schon früh in den Naturwissenschaften üben: Es gibt sogar eine Kooperation mit den Viertklässlern in Chemie und Physik unter dem Stichwort „Kleine Forscher“.

Abenteuer Technik und Naturwissenschaften

Mit der Säge ging es im Technikraum ans Werk. Zusätzliche Motivation gab ein Laufzettel, der als Belohnung für absolvierte "Stationen" eine Überraschung versprach.
Mit der Säge ging es im Technikraum ans Werk. Zusätzliche Motivation gab ein Laufzettel, der als Belohnung für absolvierte „Stationen“ eine Überraschung versprach.

Viel zu entdecken gab es also am Samstag. Da spuckten selbstgebaute Roboter farbige Bausteine auf Kommando aus oder gingen mittels Sensoren Hindernissen im Informatikraum aus dem Weg. Im Chemieraum wurden Substanzen in ihre Bestandteile aufgelöst und im Physikraum suchte der Strom seinen Weg durch die besten Flüssigkeiten. Im Technikraum entstanden Formel 1-Wagen aus Holz unter der Holzlaubsäge. Im Bioraum ging es dem menschlichen Skelett ebenso auf den Grund wie der Tierwelt. Am Globus des Erdkunderaums entdeckte mancher das Heimatland der Eltern, puzzelte Nordrhein-Westfalen zu einer Karte zusammen und rätselte im Quiz, wo eigentlich die Nilmündung liegt.

Gar nicht so leicht: Mit dem Zirkel einen Clown malen.
Gar nicht so leicht: Mit dem Zirkel einen Clown malen.

Auch die Eltern brüteten über kniffligen Mathefragen, warfen Bälle in der Pausenhalle in die Vollen, übten sich mit Farben in der Kunst des „blauen Reiters“ oder versuchten sich auf der Gymnastikmatte in verschiedensten Yogaübungen. Selbst die älteren Schüler, die längst auf weiterführenden Schulen lernen oder im Beruf stehen, staunten: Ihre Schule wandelt sich stetig weiter, hat einige neue Angebote auf dem vielseitigen Stundenplan. „Es ist schön zu sehen, dass unsere ehemaligen Schüler immer noch eng mit uns verbunden sind“, freut sich Petra Middelmann. Kein Wunder: Zwei Drittel aller Schüler besuchen eine weiterführende Schule, ein Drittel beginnt nach dem Abschluss eine Berufsausbildung. Die Freiherr-vom-Stein-Realschule gibt ihren Schülern also einiges mit auf den Weg.

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Hoch hinaus mit dem TuS Weddinghofen

Hoch hinaus geht es mit dem TuS Weddinghofen. Zumindest für jene, die sich anstelle von Schuhen Konstruktionen aus Bögen und Streben an die Füße schnallen. Wem dann der Rhythmus der Musik in die Beine fährt, der hebt tatsächlich richtig vom Boden ab. „Kangoo Jump“ heißt der neue Trend aus Osteuropa, der ab der kommenden Woche ein nagelneues Kursangebot ist. Beim Aktionstag des TuS Weddinghofen war der ungewöhnliche Sport ein echter Hingucker.

Abheben mit dem TuS: Kangoo Jump ist neu und einmalig im näheren Umkreis.
Abheben mit dem TuS: Kangoo Jump ist neu und einmalig im näheren Umkreis.

Anschnallen und große Sprünge machen, das ist Kangoo Jump
Anschnallen und große Sprünge machen, das ist Kangoo Jump

Mancher schnallte sich neugierig die Geräte unter, die der TuS Weddinghofen aus Leipzig beschafft hat. Dort haben sich auch die Kursleiter in der Kunst der Känguru-Sprünge unterrichten lassen. Ganz billig ist der neue Trend nicht: 200 Euro kostet ein Paar Sprungschuhe. Da sind 5 Euro Mitgliedsbeitrag pro Monat ein echtes Schnäppchen. Spaß machen die hohen Sprünge ganz offensichtlich. Nicht nur wer zum ersten Mal auf den elastischen Schuhen stand, hatte ein Lächeln auf den Lippen.

„Man kann bei einer Stunde bis zu 1.000 Kalorien verbrennen“, schildert TuS-Geschäftsführerin Ellen Wiemhoff begeistert. „Außerdem ist dieser Kangoo Jump bis zu 80 Prozent gelenkschonender als Laufen!“ Am Freitag beginnt um 18 Uhr die Premiere für den nagelneuen Kurs. Dann ist der TuS Weddinghofen in der Region ein echter Vorreiter. Der Verein hat aber darüber hinaus einiges zu bieten. „Das wollen wir mit diesem Aktionstag zeigen“, so Ellen Wiemhoff. „Wir möchten aber auch gerade neu Zugezogenen die Hemmschwellen nehmen.“

Hineinschnuppern und Mitmachen beim Aktionstag

Sieht entspannt aus, hat es aber in sich: Gymnastik mit dem Ball.
Sieht entspannt aus, hat es aber in sich: Gymnastik mit dem Ball.

Einfach mal zuschauen und spontan mitmachen: Das war die Idee dieses ersten Aktionstages. Männersport mit Flexibällen, flotte Aerobic und gut gelauntes Walking, Step-Aerobic, Problemzonengymnastik oder Frauengymnastik: Hier ist für jeden etwas dabei. „Hier kann jeder mitmachen. Wir bieten gesundheitsorientierten Freizeitsport an“, betont Ellen Wiemhoff. Das randvolle Programm zeigte am Samstag trotzdem nur einen kleinen Ausschnitt des vielfältigen Angebotes, das aktuell 535 Mitglieder nutzen. Die Konkurrenz ist hart: Fitness-Studios, Ganztagsschulen. „Wir müssen schon viel tun, neue Mitglieder zu gewinnen“, so Wiemhoff.

Vielleicht klappt das mit spannenden neuen Angeboten wie Kangoo Jump oder zielgruppenorientierten Kursen wie Problemzonengymnastik. Am Samstag nutzten einige die Möglichkeit, einfach mal hinein zu schnuppern. Der Andrang hätte aber auch größer sein können, wenn es nach den Akteuren gegangen wäre, die hier mit Herzblut bei der Sache waren.

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Auf dem Gymnasium Leidenschaften entdecken

Er hat orangene Beine und kann mit seinen Haaren derart „bombardieren“, dass es brennt. Keine Frage: Charlie die Orangenbeinvogelspinne ist kein Haustier für Jedermann. Für Laura (15) ist das Tier jedoch echte Faszination. Wie das Chamäleon zuhause, wie die Ratten, die sie aufgezogen hat, oder die Schlangen. Wie die vielen anderen exotischen Tiere neben dem Hund und den Fischen. Kein Wunder, dass ihr der Biounterricht am meisten Spaß macht. Und beim Tag der offenen Tür des Gymnasiums war sie mit Charlie am Samstag eine kleine Sensation.

Charlie, die Vogelspinne, war der Star im Streichzelzoo beim Tag der offenen Tür des Städtischen Gymnasiums.
Charlie, die Vogelspinne, war der Star im Streichzelzoo beim Tag der offenen Tür des Städtischen Gymnasiums.

Handzahmer: Diese kleinen Gesellen hatten Spaß an den neugierigen Besuchern.
Handzahmer: Diese kleinen Gesellen hatten Spaß an den neugierigen Besuchern.

Das Wort „Streichelzoo“ am Eingang traf allerdings auf das ungewöhnliche Paar weniger Zoo. Charlie konnte nur aus der Distanz bestaunt werden. „Ihn herauszuholen wäre einfach Stress“, sagt Laura. Für besonders Neugierige öffnet sie aber die Scheibe des kleinen Terrariums. Während die meisten Kinder restlos begeistert sind, gehen vor allem deren Mütter lieber auf Distanz. „Oh Gott“, entfährt es mancher, „das ist ja eine riesige Vogelspinne!“ Diverse Hunde in Handtaschengröße sind da anschmiegsamer. Meerschweinchen knattern vergnügt unter streichelnden Händen, Zwergkaninchen strecken sich wohlig aus. Ein Wellensittich flötet begeistert und sogar eine Hauskatze im Leopardenlook schnurrt seelenruhig die Menschenscharen an. Die kleinen Mäuse verstecken sich da lieber im langen Haar ihrer Besitzerinnen.

Tag der offenen Tür als vielseitiges Abenteuer

Mitmachen war nicht nur beim Tanzen in der Sporthalle gefragt.
Mitmachen war nicht nur beim Tanzen in der Sporthalle gefragt.

Der Tag der offenen Tür war aber nicht nur ein echtes kleines Abenteuer. „Vielen Eltern ist es wichtig, vor den Anmeldungen ihrer Kinder die Atmosphäre der Schule zu ergründen, die Ausstattung mit eigenen Augen zu sehen“, sagt Schulleiterin Bärbel Heidenreich. 1.051 Schüler hat das Gymnasium. Die Größe ist für viele die erste große Umstellung. Deshalb gibt es eigene Projekttage zum Schuljahresbeginn allein zum Kennenlernen. Und ein Kennenlernnachmittag ist geplant. G8, kürzere Schulzeit, mehr Lernstress: Das Thema ist gerade viel diskutiert, auch in der Politik. Für die Eltern zählen beim Tag der offenen Tür aber andere Aspekte. Die Räume, der Unterricht: Mitmachen steht besonders hoch im Kurs.

Auch im Physikraum leuchteten die Versuchsaufbauten verführerisch.
Auch im Physikraum leuchteten die Versuchsaufbauten verführerisch.

In den Chemieräumen kann sich jeder nach Herzenslust ausprobieren. Mit Säuren und Basen, Indikatoren, Destillation oder der Bildung von Messing auf einem simplen Centstück. Im Technikraum surren kleine Solarfahrzeuge unter Lampen herum. Im Physikraum zeigen Brennstoffzellen, wie Wasser und Sauerstoff getrennt werden und wie Energie gespeichert werden kann. In der Biologie geht es den Tulpen an die Blätter. Stempel, Staubfaden und Staubbeutel: Hier wird richtig seziert, was bei den meisten Menschen einfach nur schön aussehen soll.

Probeunterricht mit Mathe, Deutsch, Englisch, Französisch und Latein. Kinderbetreuung. Mitsingen und Mittanzen. Fair Trade, Informationen vom Förderverein oder Vorführungen des B-Orchesters: Wer hier überall dabei sein wollte, musste am Samstag früh aufstehen. Das Programm beim Tag der offenen Tür war randvoll und vielseitig. Auch viele Ehemalige schauten vorbei. „Wir vermissen die Schule!“, riefen frisch gebackene Auszubildende und Studenten ihren ehemaligen Lehrern zu.

Musik als Leidenschaft im Unterricht und darüber hinaus

Ben und das Fagott haben sich gesucht und gefunden.
Ben und das Fagott haben sich gesucht und gefunden.

Ben (12) hat noch etwas Zeit, bis er die die Schule vermissen kann. Bis dahin kann er hier voll und ganz das ausleben, was ihm Spaß macht: Musik. Angefangen hat er mit Klavier im Orchester. Schon immer hat er jedoch ein Auge auf ein Instrument geworfen, das eher ein Schattendasein führt. Das Fagott ist groß, schwer und bringt tiefe Töne hervor. „Schöne Töne“, sagt Ben. Er wollte es unbedingt lernen. Die vielen unübersichtlichen Klappen, Löcher und Streben hat er jetzt unter Kontrolle. Allerdings: „Die Mechanik ist schon schwierig“, gesteht er. Trotzdem ist er hellauf begeistert: „Das Fagott ist ein tolles und vielseitiges Instrument.“ Deshalb bleiben auch viele Besucher stehen und hören zu, als er tief Luft holt und dem Holz tiefe Töne entlockt.

Die Anmeldungen für das Gymnasium finden übrigens vom 23. bis zum 27. Februar statt.

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125 Jahre Bergbau: Schweres Erbe und spannende Geschichte

Die Wurzeln des Bergbaus benannt nach einer Sektlaune? 100 Kilo Sprengstoff gezogen von sechs Pferden auf puckligen Feldwegen? Kämpfende Rotarmisten, das größte Bergbauunglück Deutschlands, die größten demonstrierenden und streikenden Menschenmassen der Bergbaugeschichte in der ehemals größten Bergbaustadt Europas: Bergkamens Bergbau ist randvoll mit ebenso abenteuerlichen wie menschlichen Geschichten – und randvoll mit Superlativen. Nicht erst zum Neujahrsempfang der Stadt Bergkamen sind das Gründe genug, um Rückschau zu halten.

Peter Blaszyk wagte beim Neujahrsempfang vor allem einen menschlichen Blick auf ein wichtiges Stück Bergkamener Geschichte.
Peter Blaszyk wagte beim Neujahrsempfang vor allem einen menschlichen Blick auf ein wichtiges Stück Bergkamener Geschichte.

125 Jahre ist es jetzt her, dass der Abbau von Steinkohle der Stadt ein Gesicht gegeben hat, das sie bis heute prägt. Wer war deshalb mit Blick auf dieses Jubiläum besser auf dem Rednerpult für den traditionellen verbalen Ausblick auf das neue Jahr aufgehoben als der letzte stv. Betriebsratsvorsitzende des letzten Bergkamener Bergwerks? Unterstützt von den akribischen Recherchen des ehemaligen Rundschau-Redakteurs Heino Baues gelang ihm am Sonntag im Ratssaal ein weniger faktischer als vielmehr menschlicher Rückblick auf ein Stück Geschichte, das für viele vielleicht noch Gegenwart ist.

Namesgebung aus einer Sektlaune heraus

Gehört stets dazu, als auch Dekoration beim Neujahrsempfang: Die Grubenlampe.
Gehört stets dazu, als auch Dekoration beim Neujahrsempfang: Die Grubenlampe.

Ob das erste Bergwerk Monopol seinen Namen tatsächlich dem Sekt zu verdanken hat, mit dem die Vertragspartner seinerzeit zur Besiegelung ihrer Unterschriften nach Hörensagen ausgiebig anstießen, sei dahingestellt. Tatsächlich sorgte die Teufe von Schacht Grimberg I am 24.4.1890 mit der damaligen Rekordtiefe von 774 Metern für einen rasanten Wandel in Bergkamen. Aus sechs dörflichen Gemeinden und 550 Einwohnern rund um den ersten Bergbauschacht wurde 100 Jahre später die mit rund 11.000 Arbeits- und Ausbildungsplätzen größte Bergbaustadt Europas. Wo anfangs noch Ackergäule das Dynamit und 30.000 Ziegelsteine in drei Tagen schleppten, schossen Bergarbeitersiedlungen in die ländliche Landschaft, die bis heute das Stadtbild prägen. Den ersten Kessel lieferte ein ortsansässiger Schmied. Später sollten ganze Industrien um gleich mehrere Bergwerke ansiedeln.

Gastarbeiter: Auch sie sind ein starkes Stück Bergkamener Bergbau-Geschichte
Gastarbeiter: Auch sie sind ein starkes Stück Bergkamener Bergbau-Geschichte

Der Bergbau prägte zu allen Zeiten die Geschicke der Stadt. Die Bergleute kämpften in der roten Ruhrarmee nach dem Kapp-Putsch 1920 – sechs von ihnen fielen. Kriegsgefangene mussten im 2. Weltkrieg den Betrieb am Laufen halten – rund 1.000 waren es im August 1942, unter unmenschlichen Bedingungen eingepfercht in gleich mehreren Barackenlagern. Am 20.2.1946 erschien eine 300 Meter hohe Stichflamme am Himmel: Eine Schlagwetterexplosion, das größte Grubenunglück Deutschlands, forderte 405 Todesopfer. Sie ist bis heute in fast jeder Bergkamener Familie präsent. Die mehrtägige Rettungsaktion mit unverhofft entdeckten Überlebenden ist und bleibt ein Bergkamener Trauma.

Ganze Kerle und markerschütternde Krisen

Ganze Kerle war das Duo "Scheddy & Metze", dass für die musikalische Bergbau-Traditon sorgte.
Ganze Kerle war das Duo „Scheddy & Metze“, dass für die musikalische Bergbau-Traditon sorgte.

„Bis Du ein ganzer Kerl?“, fragte die Bergbau-Werbung in den 60er-Jahren. Längst war die Schufterei unter Tage kein begehrter Broterwerb mehr. Gastarbeiter kamen aus Polen, Italien, Griechenland, Spanien und aus der Türkei. Die Kunst ging mit dem städtischen Bilderbasar zur Kohle und zu den Menschen. Die „Literatur“ kam in Person von „Moppel Claer“ und einer ganzen Softporno-Industrie unter dem Titel „Lass jucken, Kumpel“ gleich hinterher.

Proteste und existenzielle Krisen: Auch das hat Bergkamen geprägt.
Proteste und existenzielle Krisen: Auch das hat Bergkamen geprägt.

Was folgte, war ein langer Niedergang seit den 70er Jahren. Absatzkrisen, Stilllegungen, Streikwellen, Verbundbergwerke, Mahnwachen, Bergwerksbesetzungen, Solidaritätsbesuche von Spitzenpolitikern: Der Bergkamener Bergbau schrumpfte trotz aller Proteste. 1993 gingen sogar 5.000 Menschen auf die Straße, ganze Menschenketten zogen sich durch das gesamte Ruhrgebiet. Am 30.9.2010 war trotzdem Schluss: Das letzte Bergwerk war Geschichte.

Eine ganz besondere Geschichte, die mehr Profil bekommen soll im Stadtmuseum. Und die vielleicht nicht nur gesprochenes Wort bleibt. Schließlich verabschiedet man sich heute noch in Bergkamen mit „Glückauf“ – auch beim Neujahrsempfang 2015.




Neujahrsempfang: 2015 wird kein leichtes Jahr

200 Gäste, nicht genug Stühle zum Sitzen, ein stolzes Bergbau-Jubiläum und ein heftig eingeschnürtes Sparschwein: Das neue Jahr hat es für die Stadt Bergkamen in sich. Es muss gespart werden, dabei gibt es eigentlich viel zu feiern. Erfolge auf der einen, drohendes finanzielles Ungemach auf der anderen Seite: 2015 wird alles andere als ein leichtes Jahr. Darauf stimmte Bürgermeister Roland Schäfer die geladenen Gäste am Sonntag ein.

Eng geschnürt ist das Sparschein, das 2015 den Takt in Bergkamen angibt.
Eng geschnürt ist das Sparschein, das 2015 den Takt in Bergkamen angibt.

Volles Haus im Ratssaal zum Neujahrsempfang.
Volles Haus im Ratssaal zum Neujahrsempfang.

Begonnen hatte das Jahr bereits mit einem tiefen Schock. Erst am Vortag war der Bürgermeister noch in der französischen Partnerstadt Gennevilliers, um gemeinsam mit seinem Amtskollegen zu trauern. Denn hier, unweit von Paris, haben die grauenhaften Terroranschläge der letzten Tage erschütternde Spuren hinterlassen. Einer der Attentäter auf das Satiremagazin Charlie Hebdo hatte in Gennevilliers einige Jahre lang gelebt, besuchte die örtliche Moschee. Der Imam der französischen Partnerstadt ist entsetzt und verurteilt die Tat zutiefst. Der Bürgermeister von Gennevilliers war mit einem der getöteten Journalisten befreundet. Die Trauer macht auch in Bergkamen fassungslos. „Menschen töten Menschen, nicht Religionen“, betonte Roland Schäfer. „Es handelt sich um einen Anschlag auf die Presse- und Meinungsfreiheit. Zu verurteilen sind aber auch diejenigen, die hieraus versuchen politischen Profit zu ziehen“, fügte er hinzu.

Mit dem Bergbau-Erbe auch 2015 umgehen

Da fiel der traditionelle Blick auf das Bergkamener Jahr 2015 fast schon schwer. Unter den Vorzeichen von 125 Jahren Bergbau-Geschichte legte Schäfer den Fokus auf das, was der Bergbau der Stadt hinterlassen hat. Das sind 10.000 verlorene Arbeitsplätze, fünf brachgefallene Bergbau-Standorte und ein verlassener Industriehafen sowie mehr als 200 Hektar Bergehalde und eine Arbeitslosenquote, die von über 20% immerhin auf 10,7% geschrumpft ist.

Bergbau-Erbe mal anders: „Scheddy & Metze“ alias Peter Schedalke und Klaus-Dieter Metzenbauer sorgten als musikalisches Bergbau-Duo mit selbstgeschriebenen Liedern inklusive Lokalcholorit für Stimmung.

Ein Erbe, das sich dank vielfältiger Bemühungen gewandelt hat. Industrielle Nachnutzung auf Grimberg I/II, Veranstaltungs- und Kulturzentrum samt Behindertenwerkstatt und benachbarten Gewerbegebiet auf Schacht III in Rünthe, auf Grimberg III/IV stehen Aus-, Fort- und Weiterbildung mit dem Berufskolleg Ost und der RAG Bildung hoch im Kurs, auf Grillo III/IV wird gewohnt bzw. Eis und Popcorn in der Firma Busemann für ganz Deutschland produziert. Die Marina Rünthe bleibt im ehemaligen Industriehafen ein Paradebeispiel für mehr als erfolgreichen Strukturwandel.

Die 55 Hektar große Fläche von Haus Aden macht dagegen weiterhin Kopfschmerzen mit monströser Bürokratie. Die Wasserstadt Aden bleibt jedoch Zukunftsvision: „Wir bleiben dran, wir brauchen langen Atem“, betonte Schäfer mit Blick auf die kleinen Fortschritte. Die Bergehalde wird noch immer vom Bergbau genutzt. Die Neugestaltung der Adener Höhe und der Ausbau der Zuwegung sind Lichtblicke für die weitere Freizeitnutzung.

Den Gürtel enger schnallen – in weiteren Bereichen

Eindringliche Worte von Bürgermeister Roland Schäfer mit Blick auf 2015.
Eindringliche Worte von Bürgermeister Roland Schäfer mit Blick auf 2015.

Jenseits des Bergbauerbes muss jedoch „der Gürtel enger geschnallt werden“, so Schäfer. „Das macht beileibe keinen Spaß“, betonte er, „das Ziel ist, das wir weiter handlungsfähig bleiben.“ Zusätzlich müssen fehlende 3,5 Mio. Euro aufgefangen werden – mit Grundsteuererhöhungen, Wegfall von Führungspositionen in der Verwaltung, Gebührenerhöhungen, Abspecken bei Großveranstaltungen. „Wir werden noch mehr Punkte ansprechen müssen“, so Schäfer.

Das Sparschwein: Das "Maskottchen" für das neue Jahr.
Das Sparschwein: Das „Maskottchen“ für das neue Jahr.

Trotzdem gibt es viele Pläne. Die Erweiterung der Freizeitnutzung der Marina Nord ist ein großer Punkt. Der Logistikpark an der A2 ist inzwischen vollständig vergeben und ein voller Erfolg. Die Bergbauabteilung im Stadtmuseum soll ausgebaut werden, ein Sport- und Jagdschützenzentrum mit überregionaler Strahlkraft ist in Overberge von den Schützen geplant , der Neubau der Sparkasse und der UKBS im Rathausviertel stehen an, ebenso der Umbau der Berggalerie und der endgültige Abbruch der letzten Reste des City-Turm.

Bergkamen wandelt also sein weiterhin sein Gesicht – nicht nur in seinen 125 Bergbau-Jahren, sondern auch 2015.