18. Lichtermarkt kämpft mit LEDs und Hochseilakrobatik gegen die Regenfluten

Die leuchtenden Jonglierbälle flutschten durch die klitschnassen Finger. In der Cellophan-Wohnung verwandelte sich der sandige „Fußboden“ in eine Matschbahn und selbst der Urmensch floh von seiner regenüberfluteten Lichtfeuerstelle. Wer es am Freitag nicht pünktlich zur Eröffnung und kurz vor Ende auf den Lichtermarkt schaffte, der erlebte nur Bruchteile der sonst so bunten Lichterpracht. Im beständigen Dauerregen kapitulierten kurzfristig sogar die Motorräder auf dem triefenden Hochseil und die elektrischen Leuchtdioden der funkelnden Fabelwesen auf Stelzen.

Fanstastische Lichterspiele in der Elisabethkirche mit der Gruppe „ONAIR“.

Walkingacts im Nieselregen.

Dafür konnten sich die regenfest eingepackten Besucher ungewohnt frei bewegen. Das tat auch Not, denn es waren vor allem die Regenschirme, denen es auszuweichen galt. Besonders begehrt waren Sitzplätze in der trockenen Elisabethkirche – nicht nur, weil es hier Vorzügliches zu hören gab. Allein die Lichtspiele der Scheinwerfer auf den Wänden, vor und hinter dem Altar, über und unter dem frei hängenden Kruzifix waren eine Augenweide. Vor dieser Kulisse die kleinen A Capella-Wunder der Gruppe „ONAIR“ zu erleben, ließ die nassen Füße schnell vergessen.

Pyramide in schwindelerregender Höhe.

Der Blick in den Himmel war dagegen überwiegend ein feuchtes Vergnügen für alle, die ihre Schirme vergessen hatten. Dort gab es garantierte Regenvolltreffer bei den Versuchen, die waghalsigen Artisten der Familie Weisheit bei ihren Handständen auf Motorradlenkern in schwindelerregender Höhe zu erhaschen. Die Profis zeigten alles, was zuvor nicht ging, als der Regen gegen Ende der Veranstaltung endlich ein Einsehen hatte. Unerschrocken erklommen sie die über 60 Meter hohe Spitze des Turmmasten, schwankten dort im einarmigen Handstand im Wind oder hängten sich nur mit einem Fuß kopfüber über die Besuchermenge.

Auch die Jonglage musste eine Zwangspause einlegen und konnte nur in den kurzen Regenpausen mit der Dunkelheit spielen.

Das Cello hatte dagegen keine Chance und begleitete nur kurzfristig die fliegenden Jonglagebälle. Der Urmensch kam auch noch aus seiner schützenden Behausung und wärmte sich am Leuchtfeuer. Die Steampunk-Kreaturen trauten sich mit elektrischer Beleuchtung und Stelzen auch wieder unter die Menschen. Völlig unbeeindruckt vom Regen blieben die Tapes im Neonlicht. Das Zelt blieb dicht und ließ Namen und bunte Kreationen im leuchtenden Licht funkeln. Das Akkordeon im Stadtwald blieb ebenso standhaft wie die zugehörigen drei Frauenstimmen. Die Farben des Live-Malers hatten allerdings keine Chance gegen durchgeweichte Leinwände.

Schöne Lichterspiele im Stadtwald.

Flatternde nasse Tücher im Licht, Percussion-Walk, Seifenblasen im Regenschleier und reichlich Lichter in allen Variationen an den unzähligen Ständen: Mit einem heißen Kakao oder Glühwein war der Lichtermarkt auch in seiner 18. Ausführung dennoch ein Vergnügen. Zumal es doch noch ein Höhenfeuerwerk zum trockenen Abschluss gab.

 

 

 

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Mit Trennjägern und Spreizern auf dem Weg zum Feuerwehr-Lebensretter

Das eine Auto hatte sich über das andere geschoben. Ein Fahrer war noch hinter dem Steuer eingeklemmt. Es sah nicht gut aus, was sich den angehenden Feuerwehrleuten dort präsentierte. Wie genau mussten sie jetzt gemeinsam vorgehen, um den verletzten Mann zu retten? Scheiben einschlagen, den Trennjäger anwerfen, den Spreizer ansetzen? Zum Glück war die Situation gestellt. Ernst war es trotzdem für die sieben Teilnehmer. Schließlich ging es um den erfolgreichen Abschluss ihrer Grundausbildung als Feuerwehrmänner und in zwei Fällen als Feuerwehrfrauen.

Mit schwerem Gerät ran an das Unfallfahrzeug.

Erst einmal die genaue Lage sondieren, bevor es ans Werk geht.

Dabei war diese Übung nur ein winziger Teil von vielen. Schon zu Beginn des Jahres fiel der Startschuss für die insgesamt vier Ausbildungsmodule mit je 40 Stunden. Insgesamt büffelten, lernten, übten und schufteten die anfangs 13 Teilnehmer 160 Stunden gemeinsam. Das letzte Modul fand jetzt statt und dauerte allein fünf Tage. Viel Zeit, die am Ende nicht nur eine handfeste Ausbildung und wichtiges Wissen bedeutete. Hier wurde ausschließlich Freizeit investiert – sowohl von den Teilnehmern als auch von den Ausbildern. „Das erfordert schon viel Engagement, Einsatz und Begeisterung“, ist sich Bernd Externbrink als Leiter des letzten Ausbildungsmoduls mit allen Beteiligten einig.

Die erste Scheibe muss dran glauben, damit die Feuerwehrleute an die eingeklemmte Person herankamen.

Wer hier mitmacht, will unbedingt Feuerwehrmann oder -frau werden. Egal ob im nahtlosen Übergang von der Jugendfeuerwehr oder als Seiteneinsteiger: In der Grundausbildung, die für alle Feuerwehrleute aus Bergkamen einmal im Jahr angeboten wird, sind alle gleich. Hier geht es um Fertigkeiten, die im Zweifel lebensnotwendig und lebensrettend sind. Die Ausbilderteams, die aus jeder Löschgruppe gebildet wurden, hatten stets ein ebenso wachsames wie kritisches Auge auf alles, was sich in den 160 Stunden abspielte.

Die Fahrertür wird aufgetrennt.

Wie heißen all die Schläuche, Pumpen, Strahlrohre und Leitern und wie werden sie wann genau eingesetzt? Brand- und Löschlehre, Rechtsgrundlagen, womit löscht man was, wie entsteht überhaupt ein Feuer, welche technischen Geräte kommen zum Einsatz und wie werden die genau bedient? Auch das Atemschutzgerät musste übergezogen und in einer realen Situation eingesetzt werden. Theorie und Praxis gingen hier Hand in Hand. Da lernt man sich in mancher Lage gegenseitig ganz genau kennen – und vor allem vertrauen.

Das Einsatzlager wird aufgeschlagen.

Der Einsatz lohnte sich. Am Ende gab es eine Urkunde und die Gewissheit, dass jeder und jede von nun an fast jeder Situation im Feuerwehralltag gewachsen ist. Denn auch der verletzte Autofahrer lag schließlich wohlbehalten auf der Rettungstrage und die zertrümmerten Fahrzeuge waren abtransportiert. Auf dem Gelände in Rünthe sah alles so aus, als ob nie etwas geschehen wäre.




24. Tag des Apfels zieht die Apfelfans in Massen an

Dass die Pomologen einmal ratlos aussehen, kommt nicht oft vor. Die Bücher werden gewälzt. Immer wieder verschwindet ein Stück Apfel in den Mündern. „Vielleicht bringen Sie beim nächsten Mal ein paar mehr Früchte mit – und finden noch etwas darüber heraus, wie lange es den Baum schon gibt“, schlagen sie der Frau vor, die drei kleine rotgelbe Äpfel vor sich aufgebaut hat. Heute beim Tag des Apfels lässt sich jedenfalls nicht feststellen, um welche Apfelsorte es sich genau handelt. Und die Schlange am Stand der Apfelexperten ist noch lang.

Ein Kraftakt ist jeder Durchgang an der Presse für den leckeren frischen Apfelsaft.

Einer der Pomologen bei der schmackhaften Arbeit.

Lang ist auch die Schlange vor dem Stand der VKU. Hier lassen sich alle genau erklären, wo sie in den Taxi Bus T36 einsteigen können, der sie direkt zur Ökologiestation bringt. 30 Minuten vorher anrufen, für Gruppen einen Tag vorher – schon steht der Service bereit. „Toll, dass es so etwas jetzt endlich gibt“, sagt ein Mann, der öfter Besucher ist. Nicht nur für Veranstaltungen ist das Angebot seit dem 1. September in Programm. „Wir haben dabei auch an die FSJler gedacht“, schildert Sabine Schröder. Am Samstag ist der Taxibus für den Tag des Apfels jedenfalls schon rege genutzt worden.

Im T-Shirt am Stockbrot-Feuer: Das Wetter beim Tag des Apfels war sensationell.

Für manchen wäre das Angebot vielleicht auch die bessere Alternative gewesen. Organisator Michael Bub hat alle Hände voll zu tun, Falschparker mitten aus Zufahrten zu komplimentieren. „Beim Behindertenparkplatz haben wir inzwischen aufgegeben“, sagt er. „Hier ist einfach nichts zu machen, die Fläche steht regelmäßig voll.“ Unter anderem auch mit Fahrrädern, die sich entlang der Mauern fast stapeln. Radwege verschwinden unter Fahrzeugen. Die gesamte Straße ist fast bis nach Rünthe hinein zugeparkt. Kein Wunder, ist der Sommer zum 24. Tag des Apfels doch noch einmal auferstanden mit praller Sonne und T-Shirt-Wetter.

Im Takt der Stelldrums durch die Stände schieben

Ran an den Kürbis. Auch das war ganz schön harte Arbeit.

Deshalb kommen die vielen Helfer an der Presse für den frischen Apfelsaft auch kaum hinterher. Schinken vom Wollschwein, Fleisch vom Wildrind: Auch exotische Genüsse warten zwischen Apfelkompott, Apfelmus, Apfelgelee oder Apfelschnaps und duftender Apfelseife. Die Kinder streicheln sich durch die Gehege des Kaninchenzuchtvereins, höhlen Kürbisse aus, drehen Seile, basteln Herbstschmuck. Die Jury für den Apfelkuchenwettbewerb ist diesmal schnell fertig mit ihrer Verköstigung. Nur zwei Kuchen sind eingereicht worden. Die Gewinnerin kann ihre eigene Kreation noch nicht einmal probieren, sie hat eine Getreideallergie.

Chili in allen Varianten: Dafür ist der „Chili-Mann“ mitten in der Nacht aufgestanden, damit er seinen ersten Stand beim Tag des Apfels bestücken kann.

Die Steeldrums geben fast den Takt an, um sich mit der wogenden Menge durch die gut 60 Stände zu schieben. Hier hat sich zum ersten Mal „der Chili-Mann“ aufgebaut – ganz spontan. Um 2 Uhr ist er aufgestanden, um das Chile-Dinkel-Brot zu backen. Die vielen Chutneys und Öle sind zum Glück schon fertig. Die haben vor Jahren so viele Gäste des gelernten Kochs begeistert, dass er ihren Rat angenommen hat und vor einem Jahr den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt hat. Aus dem eigenen Garten und von einer befreundeten Gärtnerei kommen seine Chili-Schoten. Vor allem online laufen seine Produkte bereits prima. An den Wochenenden ist er aber auch mit dem Stand unterwegs, um seine Produkte über Castrop-Rauxel hinaus bekannt zu machen. Wie beim Tag des Apfels.

Fand viele begeisterte Anhänger: Der Birnenbrand der Ökostation

Bekannt ist der Birnenbrand des Umweltzentrums noch nicht wirklich. Dabei gibt es die Spirituose schon seit gut vier Jahren, allerdings nur vor Ort am Westenhellweg. Jetzt ist auch noch ein Quitten-Apfelbrand dazugekommen, der in einer Brennerei im Sauerland aus dem Obst aus dem Kreis Unna hergestellt wird. Für die gerade einmal 80 Flaschen fanden sich am Samstag einige begeisterte Anhänger.

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Stadtbesetzung sorgt für friedliche Kunst-Party

Der Postbote nahm ganz selbstverständlich die Einladungen zur Stadtbesetzung mit und verteilte sie. Der Gästeführer war sofort zur Stelle und brachte Bücher und Bilder mit. Die Bewohner des Kurt-Schuhmacher-Platzes beobachteten zunächst verwirrt, dann fasziniert aus ihren Fenstern, was dort unter der Skulptur „Mutter mit Kind(ern)“ genau passierte. „Das war früher fast genauso“, weiß einer, der hier aufgewachsen ist und jetzt begeistert die Pizza aus dem Ofen neben dem Steinsockel verspeist. „Da haben wir uns auch immer hier getroffen und jemand hat seine Gitarre herausgeholt.“

Kochen unter den Augen der „Mutter mit Kind(ern)“.

Zum Pizzabacken eignet sich das Besatzungslager auch hervorragend.

Gitarre wurde auch gespielt am Samstag kurz vor Abschluss der „Stadtbesetzung“. In einer riesigen Pfanne brutzelten die Auberginen, die gerade noch im Schoß eines der Steinkinder ruhten. In einem großen Kochtopf am selbstgezimmerten Besatzungs-Lager köchelten die Rote Beete, die alle zusammen spontan aus dem Garten von Gästeführer und Anwohner Gerd Koepe geerntet hatten. Eines jedenfalls hat die ungewöhnliche Kunstaktion geschafft: Es war wieder Leben rund um die Skulptur auf dem Platz in der Zechensiedlung. Ein Leben, das unlängst noch völlig verwildert war und sich zusammen mit dem Strukturwandel der Stadt völlig verändert hat.

Kunst am Bau gab es auch.

„Wir wollen solche Plätze wieder in das Bewusstsein rücken“, schildert Samuel Treindl, einer der beiden Künstler, die über das Kulturbüro Gütersloh den Kurt-Schuhmacher-Platz seit Dienstag besetzt hielten. Welchen Nutzen haben der Platz und seine Kunst heute für die Menschen, wo gibt es Bedarfe, wie hat sich alles verändert? So entstand vor allem mit Hilfe unzähliger Kinder, aber auch vieler erwachsener Anwohner eine „soziale Skulptur“, die mit Kochen, Backen, Abwaschen und Spielen eine ganz neue Nutzung erlebte. „Jeder bringt hier seine eigene Geschichte mit, ist einfach da – und offen für alles“, schildert David Rauer, der zweite Künstler.

Staunen, Schauen und Mitmachen: Die Stadtbesetzung animierte erfolgreich.

„Ein bisschen ist es wie im Hambacher Forst“, witzeln beide. Allerdings hat sich hier niemand festgekettet und es gibt es keinen Räumungseinsatz der Polizei. Hier geht alles friedlich zu rund um die „unabgesicherte Kunst“. Diskurs ist gefragt. Und auch der funktioniert. „Wir haben hier früher Sackhüpfen veranstaltet und zusammengesessen“, erzählt ein Anwohner. „Es ist ein bisschen so wie damals“, freut er sich und nimmt die Einladung zu einem Teller Rote-Beete-Suppe gern an. „Man muss diese Form der Kunst nicht unbedingt verstehen“, meint ein anderer. „Interessant ist es aber schon.“ Die Holzplatte mit den Namen aller, die sich hier beteiligt haben, ist jedenfalls randvoll geschrieben. Und die Steinskulptur macht sich irgendwie gut in dem kunterbunten Wirrwarr.

Die Steinkinder als kurzfristiges Gemüselager.

„Die habe ich selbst noch gereinigt, nachdem wir den ganzen Platz entwildert hatten“, erinnert sich Gerd Koepe. Er hat die Geschichte des Platzes genau recherchiert. Um 1900 ist die Zechensiedlung hier gegründet worden. Völlig zerbombt war sie im Krieg, danach wieder aufgebaut. Else Montag hieß die Bildhauerin, deren Hände die „Mutter mit Kind(ern)“ 1953 erschaffen hatten. Eine ähnliche Skulptur steht in Sulzbach in Bayern – die Zeche Grimberg gehörte in den 50ern für einige Jahre einem bayerischen Besitzer. Früher gehörte noch ein Brunnen dazu. Das gesamte Werk bezog sich auf die großen Bergbauunglücke auf den Zecken Grimberg und Kuckuck.

Musik sorgte für noch bessere Stimmung,

Wer das genauer wissen wollte, der konnte am Samstag an einer Führung durch die Siedlung teilnehmen, die spontan angeboten wurde. So schnell vergessen werden alle, die hier wohnen, die Stadtbesetzung jedenfalls nicht. Und vielleicht hat sich daraus ja einiges für die Zukunft ergeben. Vielleicht wird ja sogar das Ballspielverbot aufgehoben oder es setzen sich abends wieder Anwohner mit ihrer Gitarre auf eine der Bänke unter den Augen der Mutter mit ihren Kindern.




Tag der Chemie bei Bayer lässt nicht nur die Köpfe rauchen

„Das ist aber ganz schön stressig“, stellt eine Sechstklässlerin fest, nachdem sie in mehreren Proben der Zitronensäure auf die Spur gekommen ist. Ein anderer angehender Chemiefachmann ist so konzentriert mit einem Ventil an einem Rohrwirrwarr für die Säure zur pH-Neutralisierung beschäftigt, dass er nichts mehr um sich herum wahrnimmt. Eine Etage tiefer verschwindet ein Mädchen fast vollständig in einem Kessel und kommt mit einer Kelle voll mit grauem Staub wieder zum Vorschein. Die Aufgaben beim Schülerwettbewerb auf dem Bayer-Gelände haben es in sich – und faszinieren selbst die ausgewiesenen Chemie-Nerds.

Hochkonzentriert am Ventil, mit dem der pH-Wert neutralisiert wird.

Ganz schön knifflig: Nachweisreaktionen wollen korrekt ausgeführt werden.

Den Zwölftklässlern wachsen ein Gebäude weiter derweil graue Haare. Manche raufen verzweifelt daran, denn die Lücken im Bauplan für die technische Konstruktion wollen sich einfach nicht füllen. Wohin sollen nun die verschiedenen Kabel und Leitungen? Die Taschenrechner rauchen. Nachweisreaktionen, die millimetergenaues Feilen: Ganz schön anstrengend sind die Herausforderungen für die 48 Teams von 6., 9. und 12. Klassen, die sogar aus Menden, Hagen, Lippstadt und Soest angereist sind. Denn auch wenn die Köpfe einige Stunden lang rauchen: Es gibt ein reizvolles Preisgeld und der Tag auf dem Bayer-Gelände macht außerdem „richtig viel Spaß“, wie es eine Schülerin auf den Punkt bringt. Allerdings: „Vieles könnten wir gar nicht ohne die genauen Anleitungen, die wir hier bekommen.“

In der Qualitätskontrolle wird Ursachenforschung betrieben.

Wer dennoch noch nicht ausgelastet war, der konnte sich beim parallel angebotenen Tag der offenen Tür auch an möglicherweise zukünftigen Arbeitsplätzen umschauen. Wie in der Qualitätskontrolle. Dort war gerade eine Beschwerde eingetroffen. Die Konsumenten einer Bayer-Tabletten hatten allesamt unerklärlich großen Durst. Warum? Das sollten die Besucher selbst herausfinden. Eingemummt in Laborkittel und Sicherheitsbrillen ging es mit verschiedenen Kontroll-Stufen dem Fehler auf die Spur. Hier ging eine Flamme am Bunsenbrenner auf, dort sorgten ein paar Tropfen einer Tinktur für kuriose Farbspiele. Im nächsten Raum spuckten aufgetürmte Apparate automatisch Zahlen und Kurven aus. Am Ende stand die Ursache fest: Es war schlicht zu viel Salz in der Pille.

Ran an das Ventil: Die Besucher durften auch in den Werkstätten selbst Hand anlegen.

Erst waren noch kleine Transporter unterwegs. Dann machten sich ganze Busse auf den Weg, um die vielen Besucher zu den nächsten Stationen zu bringen. Auch die Werkstätten waren geöffnet und erlaubten spannende Einblicke in den Arbeitsalltag. Hier sind die Mitarbeiter mit virtuellen Brillen unterwegs, die ihnen jeden Arbeitsschritt digital exakt vorgeben. Hunderte verschiedener Pumpen, Motoren und Ventile, Kalibrierung, Prozessanalysetechnik: Hier ist echtes Fachwissen gefragt, um den Betrieb am Laufen zu halten und Fehler zu beheben.

Ungewohnte Perspektiven auf der Drehleiter der Werksfeuerwehr.

Damit kein Ernstfall eintritt, sind auch die 40 Kameraden der Betriebsfeuerwehr ständig im Einsatz. Am Samstag hatten sie das Gerätehaus geöffnet, die riesige Drehleiter auf 30 Meter ausgefahren und im Hof ein Feuer entfacht, das es zu löschen galt.

Fachvorträge von Uniprofessoren, eine Betriebsrundfahrt, Einblicke in die Ausbildungsberufe, Quizfragen und Rätsel, Luftballons, Erfrischungen, Pommes und angeregte Gespräche: Der Tag bei Bayer war eine echte Entdeckungsreise durch einen ganz eigenen Kosmos von 1.600 Mitarbeitern, die neben Steroidhormonen für die Empfängnisverhütung auch Kontrastmittel für Röntgen- und MRT-Untersuchungen produzieren.

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Sommerakademie hilft auch beim Weg zurück

„Das muss doch ungefähr so gehen“: Die beiden Mädchen setzen ihre Füße genauso wie die Tanzenden auf dem Bild und drehen sich dann im Kreis. Für den Erschaffer des Bildes ist diese Szene das Schönste, was sein Bild hervorrufen kann. „So etwas zu beobachten ist das Größte“, sagt Peter Schüren. Er hat sich bereits eine Staffelei gekauft. Sie wartet darauf, nach dieser Woche Sommerakademie zukünftig rege genutzt zu werden.

Spannende Ergebnisse aus einer Woche Kunst pur präsentierte das Abschlussfest der Sommerakademie.

Peter Schüren mit einem seiner Bilder.

Früher, in seiner Jugend, da hat Peter Schüren gern gemalt. Und auch gern getanzt. Jetzt knüpft er genau hier wieder an. In der Sommerakademie hat der Hammer zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Pinsel und Farben in die Hand genommen und genau das auf die Leinwand gebannt, was er ebenfalls wieder mit Leidenschaft betreibt: Das Tanzen. Beides sind für ihn kleine Schritte zurück ins Leben. Seine Ehefrau ist vor kurzem gestorben. Sein ganzes Leben hat sich auf den Kopf gestellt. Mit dem Malen und Tanzen „komme ich wieder nach vorn“, sagt er. Hier auf der Ökologiestation hat er eine Woche lang alle Bilder aus seinem Kopf auf die Leinwand fließen lassen, die ihn beschäftigen. Der Dozent hat ihm dabei geholfen: Die richtige Perspektive finden, den richtigen Bildaufbau schaffen. Die Anmeldung für die nächste Sommerakademie hat Peter Schüren schon ausgefüllt.

Aus dem Holz wird mehr geformt als nur Strukturen und Gestalten. Da steckt viel von der eigenen Persönlichkeit drin.

Ganz ähnliches hat eine junge Frau im Zelt nebenan bei den Bildhauern erlebt. Sie hat sich eine Woche lang mit einem Holzklotz auseinandergesetzt, ihn bearbeitet, geformt und gestaltet. Zum ersten Mal. Die künstlerische Arbeit hat auch ihr bei einem Einschnitt in ihrem Leben geholfen. Mit dem Beruf ist einiges aus den Fugen geraten. Es ging einfach nicht mehr, die Belastung war zu groß. Sie ist aus dem Tritt geraten. „Die Woche hier hilft mir dabei, mich selbst wieder zu finden und wieder in Tritt zu kommen.“

 

 

Nina Amadi mit ihren Bildern und ihrer Tochter.

Ganz anders es bei Nina Amadi. Sie ist schon seit 2012 Stammgast der Sommerakademie. „Weil ich im Alltag nie zum Zeichnen und Malen komme“, sagt sie. In diesen sieben Tagen kann sie alles heraus lassen, „was sich das ganze Jahr über im Kopf ansammelt“. Und das rund um die Uhr. 13 Bilder hat sie hier mit Buntstiften und Aquarellen fast im Akkord geschaffen. Tochter Djeneba war auch wieder dabei. Die 13-Jährige ist auf der Sommerakademie fast aufgewachsen, kennt die meisten Teilnehmer und anderen Jugendlichen. In der Kinderbetreuung ist sie selbst kreativ geworden, hat eine Skulptur auf dem Wildbienenpfad gestaltet und nimmt ein Bild aus Blumen und Pflanzen mit nach Hause.

Eines von vielen Werken präsentiert sich.

Jeder der 82 Teilnehmer hat ganz eigene Gründe, eine Woche lang ausschließlich die Kreativität sprechen zu lassen. Ob beim Bildhauern mit Stein, bei der Druckgrafik oder mit den Aquarellfarben: Fast überall fließen auch die ganz persönlichen Hintergründe mit in die Kunst ein. Vielleicht ist die Sommerakademie auch deshalb im 22. Jahr ausgebucht und ein absoluter Dauerrenner. Aus den Niederlanden und Hessen, aus dem Münster- und Rheinland, dem kompletten Ruhrgebiet und natürlich aus den initiierenden Kreisen Unna und Hamm kommen die meisten regelmäßig hierher. Viele von ihnen übernachten auch im Gästehaus der Ökologiestation.

Tradition hat auch längst das Abschlussfest mit Musik von „Blue Thumb“ und der Möglichkeit, die eigenen Werke einem neugierigen Publikum zu zeigen. Die nächste Sommerakademie findet übrigens vom 18. bis 24. August 2019 statt, Anmeldungen werden ab dem Jahresende angekommen.




Dorfabi stellt nicht nur die Wetter-Reife auf die Probe

Nicht nur die Wechselkleidung tat bitter Not bei den regelmäßigen Sintfluten, die vom Himmel fielen. Auch die eine oder andere mobile Bar auf vier Rädern tat mit hochprozentigem Inhalt gute Dienste beim Dorfabi in Weddinghofen. Denn die Temperaturen waren am Samstag dann doch in herbstliche Regionen abgestürzt. Die vier Kilometer lange Wanderung zu den Weddinghofener Prüfungsstationen war gelegentlich sogar recht frostig.

Kräftig Luft holen und das Wasser von einem ins andere Gefäß pusten: Eine von zehn Prüfungsaufgaben beim Dorfabi der Freiwilligen Feuerwehr in Weddinghofen.

Was wird da bloss gerade in den Mund befördert?

Zum Glück nahmen gestandene Feuerwehrleute die Reifeprüfung ab. Die Wehrleute aus Weddinghofen wussten, was zu tun war, wenn zum vierten Mal der gesamte Pavillon von stürmischen Windböen gepackt und auf den Radweg geschleudert war. Die Prüfungsfragen rund um die Geschichte Weddinghofens hielt auch kein Klebestreifen an den Prüfungstischen. Dennoch hatten manche Prüflinge erstaunliche Probleme etwa mit der passenden Zeche zu einem der größten Grubenunglücke der Region oder zum Namen des allerersten Bürgermeisters.

 

So sieht die perfekte Lösung aus, um Nägel auf einem Nagelkopf zu stapeln.

19 Gruppen waren angetreten, um sich in 10 Prüfungsfächern nicht nur dem Wetter zu stellen, sondern auch auf außergewöhnliche Weise ihre Reife zu belegen. Die Herausforderungen hatten es in sich. Da mussten prominente Gesichter einander zugeordnet werden. Die Geschmacksnerven waren gefragt, wo die Augen verdeckt wurden und Unbekanntes auf Löffeln auf der Zunge landete. Wie möglichst viele Nägel auf einem Nagelkopf gestapelt werden, daran tüfelte mancher noch länger herum. Das Nudel-Stapeln war auch nicht wirklich leicht.

 

Auf geht’s: In einer Pylone rücklings Wasser zu transportieren, ist nicht so leicht.

Das Gedächtnis war beim Inhalt des Schranks im „Kinderzimmer“ gefordert. Der Feuerwehr-Teddy wird den meisten noch länger in Erinnerung bleiben. Ebenso wie die Aufgabe, möglichst viel Wasser in einer Pylone rücklings bis zum nächsten Eimer zu transportieren. Ganz schön nass waren auch die Versuche, Wasser durch einen Schlauch zielgenau in den darunterliegenden Eimer zu bugsieren, den der blindgeschaltete Teamkollege auf dem Bauch jonglieren musste. Vielen ging die Puste aus, als gemeinsam mittels Lungenkraft ein hübscher Springbrunnen in die Höhe gepustet werden sollte. Und ob alle die Schrauben im mit Wasser gefüllten Container gefunden und auch noch zusammengebaut haben, wissen nur die Prüfer.

Ganz schön nass: Wasser zielgenau durch einen Schlauch auf den Eimer darunter lenken, wenn der auf dem Bauch des blinden Teamkollegen jongliert.

Eines jedenfalls stand am Ende des Tages fest: Das Dorfabi macht deutlich mehr Spaß als die echte Reifeprüfung. Und die anschließende Abifeier stand der realen in nichts nach – mit Ausnahme der deutlich lockeren Kleidung. Die Freunde aus Drüpplingsen bei Iserlohn hatten jedenfalls einiges über ihre Feuerwehrkollegen und deren Ortsgeschichte gelernt. Egal ob Highlander, Feuerwehrmann oder Handballerin: Sie alle lernten ihren Stadtteil noch ein bisschen besser kennen. Vor allem aber die freiwillige Feuerwehr, die bei Wind und Wetter im Einsatz ist – übrigens auch an diesem Samstag -, knifflige Aufgaben lösen muss und außerdem noch richtig gut feiern kann.




Schicht im Schacht: Museumsfest feiert die Bergbaukultur

Gleich mehrere Plaketten und Medaillen hat er eingepackt. „Die passen perfekt“, sagt Gregor Greiner. Er ist einer der letzten aktiven Bergleute in Bergkamen. Zusammen mit David und Marcel Junge ist er auf das Museumsfest gekommen. Das Motto heißt schließlich „Schicht im Schacht“ – und das betrifft alle drei. Der Revierschlosser, Elektriker und der Elektrosteiger werden sich nach eineinhalb Jahrzehnten Bergbau eine andere berufliche Zukunft suchen müssen, wenn die letzten beiden Bergwerke und damit ihre Arbeitgeber Ende des Jahres schließen.

Vollbesetzte Ränge beim Ökumenischen Gottesdienst auf dem Museumsfest.

In Bergkamen ist er Vergangenheit, für einige Bergkamener aber noch Arbeitsalltag: Der Bergbau als Detailansicht aus dem neuen Museums-Schacht.

„Da machen wir uns keine Sorgen“, betonen die drei jungen Männer. „Das Wissen aus dem Bergbau ist überall gefragt. Wir haben eine erstklassige Ausbildung, wir finden schon etwas“, sind sie sich sicher. Im Bergbau zu arbeiten, war für alle drei ganz selbstverständlich. Der Opa, der Vater – die ganze Familie lebte schon immer davon. „Wir kennen es gar nicht anders“, sagen sie. „Und außerdem ist der Bergbau etwas Besonderes: Der Zusammenhalt, die Kameradschaft – Bergbau ist wie Familie, ganz anders als in normalen Firmen.“

Großes Interesse hatten die Besucher an den Bergbau-Erinnerungsstücken an diesem Stand.

Das sieht auch Cornelia Behrendt so. An ihrem kleinen Stand mit Bergbau-Devotionalien haben die drei Bergleute gerade „eingekauft“. Medaillen, Wimpel, Grubenlampen, Humpen, Kristalle, Bücher, ein Steiger-Stock: Hier türmt sich ein ganzes Bergbau-Leben auf. Das Leben ihres Vaters. Er ist im Dezember gestorben und hat Andenken an ein bewegtes Arbeitsleben hinterlassen, das auch in die Schweiz und Italien führte. Kristalle vom Ätna oder vom Gotthardt-Tunnel: Über die Bergbau-Firma Deilmann-Haniel ist die Familie weit herumgekommen und verbindet mehr als das Berufliche mit dem Bergbau. Cornelia Behrendt kommen immer noch die Tränen, wenn sie davon spricht. Sie ist froh, hier auf dem Museumsfest echte Liebhaber für die vielen Andenken ihres Vaters zu finden.

Auch Kohle ist auf dem Museumsplatz noch präsent.

Die Liebhaber umschwärmen nicht nur ihren Stand wie die Fliegen. Sie nehmen den frisch eröffneten Schacht genau unter die Lupe, die dort ausgestellten Arbeitsgeräte, den neu auf dem Hof aufgestellten Hobel, die vielen Ausstellungsstücke im Barbara-Stollen. Sie diskutieren sich heiser mit den Fachleuten vom Geschichtskreis, die all das in vielen Stunden ehrenamtlich aufgebaut haben. „Mit dem sind wir auch unterwegs gewesen“, erzählt ein Besucher seinem Sohn und zeigt auf den Waggon einer Grubenbahn. „Die hatten wir auch noch unter Tage dabei“, sagt ein anderer, der dem Enkel die Stromversorgung für die Grubenlampe um den Bauch schnallt. Am liebsten würde er in voller Montur in den Stollen hinterherkriechen, der extra für die Kinder aufgebaut wurde – mit originalen Größenverhältnissen und Grubentelefon.

Bergbau als Kultur und Einstellung zum Leben

Die Bergbauglocke wird zum Gottesdienst geläutet.

Eines ist an diesem zwei Tagen nicht zu übersehen und zu überhören: Der Bergbau ist zwar schon längst aus Bergkamen verschwunden, prägt die Stadt aber immer noch. „Bergbau ist Kultur“, beschreibt es Pfarrer Reinhardt Chudaska beim ökumenischen Bergmannsgottesdienst. Er selbst hat dem „Braten zwar nie getraut“ als Kind einer Zeit, in der Bergbau nur im Abbau begriffen wer. Als er nach Bergkamen kam, erlebte er inmitten des Kampfes um seinen Erhalt einen lebendigen Bergbau, der mehr als Arbeit war: „Ein Lebensraum, eine Einstellung zum Leben.“ Und irgendwie sie es mit dem Glauben ja nicht viel anders: Es geht darum, nach etwas zu schürfen und zu graben. Der Bergbau gehe jetzt ohne Wenn und Aber, ohne Hätte, Wäre, Wenn zu Ende – damit müsse man umgehen. Das einzige was seiner Biographie fehlt: Arbeitserfahrung unter Tage, passend zum Bergmannshemd. „Dafür würde ich die Zeit gern noch einmal zurückdrehen.“

Musik gab es standesgemäß den Spielmannszügen und Knappen.

„Der Bergbau wird in dieser Stadt nicht vergessen – wir sind stolz auf diese Vergangenheit“, betonte auch Bürgermeister Roland Schäfer. Der Strukturwandel sei gut bewältigt in Bergkamen. Die Tugenden und Werte, die der Bergbau geprägt hat, seien immer noch präsent und müssten den nachfolgenden Generationen vermittelt werden. Die politische Entscheidung für den Ausstieg hält Schäfer immer noch für die falsche. Wie auch Volker Wagner von der IG BCE. Der erinnerte in seinem Rückblick auf Identität und harte Kämpfe, an ganze Familien, die mit dem Strukturwandel einen Umbruch erlebten. Er dankte aber der Politik für das Steinkohlenfinanzierungsgesetz, das einen sozialverträglichen Ausstieg möglich machte. Auch für ihn ist es wichtig, die ganz besondere Kultur, die der Bergbau geprägt hat, erfahrbar und erlebbar zu machen.

Fahnenübergabe und ein Stück ausgehende Bergbaugeschichte.

Ein Stück Bergbaugeschichte erlebten die Besucher dann mit eigenen Augen und Ohren. Die Sängervereinigung Oberaden-Beckinghausen überreichte beim Gottesdienst feierlich ihre Fahnen an das Museum. Der Verein – verschmolzen aus zwei Sängerbünden, die in den 1880er Jahren mit dem Bergbau entstanden – wird sich Ende des Jahres mangels Masse auflösen. Nach 136 Jahren verschwindet damit ein weiteres Stück Bergbaugeschichte und es ist getreu dem Festmotto im wahrsten Sinne „Schicht im Schacht“.

 

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Wolfgang Fräger ganz nah von der unbekannten Seite

Der (arbeitende) Mensch und seine Facetten: Nicht nur unbekannte Skulpturen wollen in der Fräger-Ausstellung in der sohle 1 entdeckt werden.

Faszinieren: Die Skizzen von Wolfgang Fräger, schnell dahingeworfen auf allem, was als Papier greifbar war.

Schnell hingeworfene Pferde auf einem Briefumschlag. Mit flottem Stift wie in einem Zug über das Papier gezogene Striche, die das Gesicht eines Künstler-Freundes skurril deformieren. Aus Köpfen wachsen Maschinen und verwandeln den Menschen in ein Industriemonster – gezeichnet als Entwurf für den nächsten künstlerischen Schritt. Wolfgang Fräger, der berühmte Bergkamener Künstlersohn, zeigt sich in seiner Geburtsstadt von einer ganz anderen Seite. Auch von einer unbekannten.

Genau das will die Ausstellung anlässlich seines 95. Geburtstages erreichen. Mit vielen bislang ungezeigten Werken, darunter viele Skizzen und Zeichnungen, lädt die sohe 1 dazu ein, hinter die Kulissen zu blicken. Es fast so, als würde der Betrachter Wolfgang Fräger 35 Jahre nach seinem Tod auf die Finger schauen und dabei zusehen, wie seine Werke entstehen.

Wolfgang Frägers Tochter Barbara Duka vor einem ihrer Lieblingswerke, die in der Öffentlichkeit weniger bekannt sind.

Auch für seine Tochter war die Vorbereitung eine kleine Entdeckungsreise. „Bei der Durchsicht des Archives haben wir vieles in den Händen gehalten, was völlig anders war, aus der Rolle fiel und fast gar nicht zu ihm passte“, schildert sie. „Man merkte an vielen Objekten, dass er sich ausprobierte an Techniken, die er zwar beherrschte – die ihm aber nicht lagen.“ Einen anderen Blick auf ihren eigenen Vater und sein Werk: Für Barbara Duka hat diese Bergkamener Ausstellung das bereits im Vorfeld bewirkt. Die Besucher können es jetzt mit eigenen Augen sehen anhand einer Auswahl von Druckgrafiken, Skulpturen, Skizzen und Zeichnungen, die in dieser Zusammenstellung einmalig sind und Ungeahntes über einen ungewöhnlichen Bergkamener offenbaren.

Thomas Hengstenberg zeigt seine Favoriten: Porträts eines Künstlerfreundes.

Bekannt wurde Wolfgang Fräger, der ehemalige Bergbaulehrling, vor allem mit Werken, die sich mit dem Bergbau, der Industrialisierung und ihren Folgen wie der beginnenden Umweltzerstörung beschäftigten. Anfangs noch dem ausgehenden Expressionismus zugewandt, entwickelte Fräger eine eigene Sprache, die abstrahierend und zu Schluss auch naturalistisch unverblümt, fast skurril, manchmal sarkastisch und ironisch das zeigte, was er sah. Die „Härte der Arbeit, das Tragische realistisch ohne jedes Pathos, mit Sorgen, Ängsten und Gefahren“ stecken in jedem seiner Striche, so Thomas Hengstenberg als Fachbereichsleiter Kultur des Kreises Unna. Er wollte „das Unsichtbare sichtbar machen“ nach Erfahrungen im Krieg, in der Gefangenschaft, mit dem Nationalsozialismus und dem totalen Zusammenbruch auch aller künstlerischen Werte.

Das Unsichtbare mit schnellem Strich sichtbar machen

Ungewohnte Einsichten in das Werk Wolfgang Fräger bieten auch diese industriellen Skulpturen.

Dafür hat Fräger hart gearbeitet. Aus einer Bergbaufamilie stammend, schlug er den Weg der Kunst ein, erkämpfte sich ein Stipendium und ein Kunststudium. Der Region blieb er zeitlebens verbunden mit seinem Wohnsitz in Bönen. Nahezu alle Techniken eignete er sich an – von der Plastik über das Aquarell bis zu längst vergessenen Techniken des Drucks. Ob mit Tusche und Feder oder mit dem Graphitstift: Für Thomas Hengstenberg sind es vor allem die Zeichnungen in denen besonders viel von Frägers Kunst steckt. Gerade hier „kommen wir dem Künstler auf den Blättern besonders nah“. „Wie sich das eine aus dem anderen entwickelt“, beschreibt es Frägers Tochter. Spürbar wird aber auch Frägers ständige, fast ruhelose Suche nach neuen Ausdrucksformen, seine Betroffenheit mit den Themen seiner Werke und sein Widerwille, sich den Diktaten des Kunstmarktes zu beugen.

Der Arbeitstisch als Installation.

Für seine Tochter ist die Ausstellung in der sohle 1 auch deshalb eine besondere, weil „mein Vater seiner Geburtsstadt und der Region immer eng verbunden war. Nicht zuletzt durch Menschen wie Dieter Treeck, mit denen er eine enge Freundschaft pflegte. Ohne Fräger wäre der ehemalige Kulturdezernent nie selbst Künstler geworden. „Der erste Kontakt mit der Kunst war ein Ausflug mit der Schule in ein Hammer Museum und das Passionswerk von Wolfang Fräger“, erinnert er sich. Das dieser Mann später einer seiner engsten Freunde würde, konnte er damals nicht ahnen. Treeck soll sogar einer der wenigen gewesen sein, auf dessen Kritik Fräger hörte – in einem Fall sogar ein Werk komplett ungestaltete. Auch die letzte Begegnung wird Treeck so schnell nicht vergessen: „Er rief mich nach einer Australienreise an und wollte sofort ein neues Projekt beginnen“, erinnert er sich. Treeck bat um eine kleine Erholungsfrist, doch Fräger wollte sofort loslegen. Wenige Tage später erreichte ihn die Nachricht von seinem Tod.

Solche mit weit mehr persönliche Erinnerungen wird es zur Finissage am 23. September geben. Bis dahin wartet in der sohle 1 ein weitgehend unbekannter Wolfgang Fräger darauf, entdeckt zu werden. Zusätzlich sind zwei Workshops im Pestalozzihaus im Angebot, die auf die Spuren der Drucktechniken von Wolfgang Fräger führen.




Marina verwandelt sich zu Reggae-Rhythmen in eine riesige Sandburg

Profis und Laien machten sich fantasievoll ans Sandwerk, während die Bands mit karibischen Reggae-Rhythmen aufspielten.

Die großen Sandberge reichten irgendwann nicht mehr aus. Auch in die Dekoration gruben die engagierten kleinen Burgenbauer imposante unterirdische Verteidigungsanalagen und Entwässerungssysteme. Mancher schaufelte einen ganzen Berg von der einen Seite des Platzes auf die andere. Kleine Förmchen und Schaufelchen wurden da nur mit einem mitleidigen Lächeln bedacht bei der Sandburgensause in der Marina.

Detailarbeit mit der Kelle an der Sand-Nixe.

Christian Fischer hat Profiwerkzeug dabei. Kellen in allen Größen und Formen, Hammer und Meißel und eine Gartenhacke schauen aus seiner Tasche hervor. Vorzeichnen muss er nicht. Er hat seine Wassernixe schon fix und fertig im Kopf. Dabei beschäftigt er sich beruflich mit ganz anderen Dingen. Er ist Bausteinmetz und arbeitet eigentlich mit Steinen. Der Zufall brachte ihn zunächst an das Eis und dann an den Sand. Der Besitzer einer Eventfirma sah ihn arbeiten und fragte ihn, ob er ähnliches auch mit Eis und Sand hinbekommt. „Natürlich“, lautete seine Antwort. Das war 2003. Seitdem gestaltet er öffentlich vor staunenden Augen, was ihm in den Sinn kommt.

Für das Grobe wird die Axt herausgeholt.

Nebenan geht Karina Cooper etwas rustikaler dem Block aus Glockengießersand zu Leibe. Sie hat die Axt herausgeholt, um den Klotz in Form zu bringen. Wenn die Sonne herauskommt, trocknet sie den Ton im Sand. Das Gebilde wird knochenhart und lässt sich in Form bringen. Allerdings: „Sand trocknet schneller als andere Materialien, man muss also schon schnell sein“. Normalerweise gestaltet die Bildhauerin seit 13 Jahren Holz. Die Arbeit mit dem Sand ist trotzdem ganz ähnlich. „Man muss hier auch vor allem Material entfernen, um die Gestalt zu erhalten, die man haben möchte“, schildert sie. Deshalb liegt ihr Bildhauerwerkzeug neben ihr ausgebreitet. Die Wasserspritze steht auch schon bereit – für die Feinarbeit. Bis dahin ist es allerdings noch eine Weile hin. Der Drache mit dem Herz in den Pfoten braucht noch gute 3 Stunden, bis er fertig sein wird.

Planschbecken und Förmchen im Akkordeinsatz

Die ganze Familie einträchtig beim Burgenbau.

Was die Profis dort gestalteten, beeindruckte den Nachwuchs zwar sichtlich. Das fachte die Fantasie und den Tatendrang aber auch zusätzlich an. Eng wurde es an den Sandhaufen, die in der Mitte des Marina-Platzes für die Experimentierfreudigen aufgetürmt waren. Förmchen, Eimer, Gießkannen, Wasser aus den Planschbecken waren im Akkordeinsatz. Auch auffällig viele Erwachsene verließen die Strandstühle und knieten hochkonzentriert mit verschmatschten Händen im Sand, um akribisch kleine Burgen zu gestalten. Die Bergkamener Quietscheente durfte als krönender Abschluss natürlich nicht fehlen und fanden reißenden Absatz.

Volles Engagement auch an der Trompete und am Mikrophon auf der Reggae-Bühne.

Als schließlich die Reggae-Bands auf die Bühne kamen, schaute mancher Burgenbauer nur kurz irritiert auf und ließ sich ansonsten kaum von weiteren Konstruktionsarbeiten abhalten. Da tanzten die ersten schon ausgelassen in der Sonne und sangen die Zeilen mit, die Bob Marley vor inzwischen einigen Jahrzehnten zu Papier brachte. Wer Glück hatte, ergatterte noch eine der 300 kostenlosen Blütenkränze. Die tanzten auf Köpfen durch die Menge, flatterten um Hälse im Wind oder wippten im Takt mit den Rhythmen. Reggae pur schickte Riddim Posse in den noch immer strammen Wind in der Marina und trug in weit hörbar in die Umgebung – zusammen mit famoser Stimmung. Mit den Urban Tropical Beats wurde es dann tropisch, auch wenn die Temperaturen sommerlich gemäßigt waren und ausgiebige Tänze endlich wieder schweißfrei erträglich machten.

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Odies und Rock’n Roll: Zeitsprung in der Marina

Glänzende Kühler und starke Motoren: Oldtimershow in der Marina.

Sie fauchen, röhren, brüllen, tuckern, knattern, wummern oder schnurren. Manche nehmen die Pylonen geschmeidig wie eine Katze, andere schieben sich fast gewaltsam durch die Hindernisse, einige wenige sind wie die Elefanten im Porzellanladen. Mit Oldtimern unterwegs zu sein, ist eben etwas ganz Spezielles. Da kultivieren Kupplungen ihr Eigenleben. Und die Kühlerfigur glänzt besonders schön vor der Marinakulisse beim 12. ADAC Oldtimer Classic.

Auf geht’s in den Parcours.

Deshalb haben die Organisatoren vom MSC Bork sich auch diese besondere Kulisse für den Start ihrer Rallye ausgesucht. „Das Ambiente hier ist wunderschön – ein bisschen Nizza, ein Hauch von Cannes, ein klein wenig Monaco“, schildert Christoph Davids. Da machen sich das Pferd auf der Motohaube, das polierte Ebenholz im Cockpit oder die gewienerte Radkappe besonders gut. Von der Corvette über den Porsche 911 bis zum Morgan, Opel Blitz oder himmelblauen Käfer konnten am Samstag zunächst alle in der Sonne glänzen, die ein H-Kennzeichen und damit alle Qualifikationen für einen waschechten Oldtimer trugen – 30 Lebensjahre und Originalbauteile inklusive.

Unterwegs zwischen den Pylonen.

Dann allerdings wurde es ernst, während sich die ersten Gewitterwolken auftürmten. Binnen 25 Sekunden mussten die Hindernisse punktgenau bewältigt werden, die hinter der Lichtschranke auf dem Hafenplatz aufgebaut waren. Anschließend machten sich alle 120 Zwei-, Drei- und Vierräder in 5 Oldtimerklassen auf den Weg. Auch bei der 120 km langen Fahrt durch das Münsterland galt es, Aufgaben zu bewältigen. Beispielsweise müssen Objekte erkannt werden.

 

Nur ein Oldtimer-Motor machte schlapp

Glänzende Pferde und PS mit Hochsommer-Ambiente.

Eine Herausforderung, bei der für die meisten das Mitmachen und das Erlebnis zählt. Wie für den Besitzer des Opel Baujahr 1931 aus Lippstadt, der gerade einmal sieben Kilometer schaffte und mit einem technischen Defekt liegen blieb. Das älteste Fahrzeug, eine NSU 601 TS Baujahr 1930, schaffte den Weg von Haltern nach Bergkamen mit Links. Zu schaffen machte aber fast allen die Rekordhitze. „Die Motoren haben fast alle noch Luftkühlung, da haben sie heute viel zu tun“, weiß Thomas Albrecht von der Oldtimer Remise auf Gut Keinemann. Er war Mitorganisator der Veranstaltung und hatte seine Freude an Kuriositäten wie einem gänzenden Simpson-Motorrad aus der DDR, einer liebevoll restaurierten Zündapp, einem besonders seltenen Exemplar aus Österreich oder einem knallroten Triumph. „Richtig schwierig wird für Oldtimer-Fans inzwischen die Ersatzteilbeschaffung“, beschreibt er. Immer häufiger ist Handarbeit gefragt, weil die Teile rar werden und die Technik längst mehrere Quantensprünge bewältigt hat.

Ganz schön schwungvoll: Rock’n Roll von den Profis.

Auch als die Fahrzeuge die Marina längst verlassen hatten prägte das besondere Flair noch lange die inzwischen wolkenverhangene Hafenlandschaft. Es gab eine kleine Fahrzeugausstellung. Vor dem glänzenden Dodge oder der Motohaube des Ford Mustang machten sich die Petticoats besonders gut. Die waren jetzt den Rest des Tages gefragt, denn nun hatten Rock’n Roll und Rockabilly das Sagen. Jeder, der im Stil der Zeit mit Haartolle, Koteletten, Pferdeschwanz und Pünktchenrock auflief, erhielt einen Gutschein für einen Cocktail. Echte Rock’n Roll-Profis aus Dortmund machten mit ebenso akrobatischen wie luftig-schwungvollen Einlagen Lust auf mehr. So tanzte sich manche/r regelrecht vor der Bühne in Extase, wo ein Rock’n Roll-Klassiker nach dem anderen Stimmung machte.

Auch spontan zuckte es vielen in den Füßen zu den schmissigen Rhythmen auf der Bühne.

Die Oldtimer waren nach 5 Jahren schon zum zweiten Mal in der Marina. Für den Rock’n Roll war es eine Premiere. „Wir sind zufrieden“, resümiert Carsten Quabeck, der selbst mit einem geliehenen Oldtimer aufgelaufen war. „Die Veranstaltung ist ein Teil der Marina-Belebung und hat wie man heute sehen kann viele Menschen den ganzen Tag über angelockt.“ Auch wenn es zwischendurch immer mal wieder durchaus stattliche Wolkenbrüche inklusive Gewitter und Hagel gab.

 

 

 

 

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