Schmickler lässt bitten zur Friedensträumerei mit Respekt

Die Friedenstaube darf nicht fehlen. Ebenso wenig wie das Tänzchen zum Gesang, die Predigt und der böse Reim. Ein Abend mit Wilfried Schmickler spielt sich jenseits von flüchtigem Standup und leicht verdaulicher Comedy ab. Er packt schonungslos das altmodische Kabarett aus, das den Finger exakt in die Wunde legt. Stets mit Anstand und Respekt, gern auch im atemlosen Aufzähl-Marathon.

Deshalb entschuldigte er sich auch zuvorderst für die krankheitsbedingte Verschiebung. Aber selbst mit einer halbkurierten Bronchitis konnte er tempomäßig in seinem „Lieblingsbergkamen“ und „liebsten studiotheater“ noch jedem Newcomer locker abhängen. Denn wenn er für die Selbsttherapie auf die Bühne steigt, dann mit einer Mission: Licht ins Dunkel der Unwissenheit bringen, auch wenn er selbst „immer weniger versteht“ von dem, was da jenseits seines „analogen Neandertals“ zwischen dem hilflosen Offline-Dasein und dem Gefühl, etwas zu verpassen, genau passiert.

Von Welteroberern zum Merzias

Da sind digitale Welteroberer am Werk, das steigt unerklärliche Wut gereimt wie die Flut. Und Schmickler verspricht unerschütterlich: „Ich kümmere mich drum!“ Auch wenn er gegen das Schrumpfen des Volkes der Malocher auf die 400 verbliebenen wirklich noch Arbeitenden im Saal angesichts von Work-Live-Balance-Philosophie und den „Merzias“ als Erlöser ebenso wenig ausrichten kann wie gegen den Niedergang der Sozialdemokratie und der katholischen Kirche.

Eine seiner Botschaften und Sätze, von denen er sich nicht trennen kann: „Ohne rigorose Eingriffe in die destruktiven Lebensweisen gibt es keine Rettung der Welt“, fasst er sein Mitleid für die Kehrtwende der abgestraften Grünen zusammen und kündigt die Ankündigung der Verbotspartei an. Inklusive Zwangsverschickung einiger Träger von Ungemach vom Nazi bis zum Raser und Abgesang auf den freundlichen Faschisten-Nachbarn. Was ihn nahtlos zum AfD und zur Aktivierung seines Schmähzentrums führt, zur Wut der verbitterten Kreatur und Vertrauenskrise der Demokratie.

Festhalten an Sätzen mit Nachhaltigkeit

Noch so ein Satz, von dem sich Wilfried Schmickler nicht trennen kann: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“. Wenn auch gequält mit Dringlichkeits-SMS der datenauslesenden Krankenkasse, im kollektiven Vorwärtskomm-Gerangel und der Konfrontation von Geist und Kreatur im Jugendwahnstress. Vom Finanzberatungsexkurs geht es atemlos weiter zum Gier-Tier, das sich mit Neid und Hass ins Küchenmaschinen-Gemetzel steigert, in die Konjunktur-Expertenhölle mit Pech und Schwafel absteigt und im Gleichheitsprinzip des Grundgesetzes mündet.

Ob die Widerstandsgruppe gegen den Jugendwahn und für den zivilen Ungehorsam, für Anstand und Respekt mit Leviten-Lesung am Ende ans Ziel führ? Wilfried Schmickler bleibt immer optimistisch, auch wenn die Bilanz noch so hoffnungslos anmutet. Als „realitätsferner Träumer“ hält er fast am Glauben an den Frieden, Respekt, Solidarität und Antworten auf die vielen offenen Fragen in einer entgötterten Welt. Zum Glück mit Dauerapplaus und mehreren Zugaben.




Eröffnung der LOL-Saison mit Jubiläum und Nutztier-Exzessen

Lachintensiver Auftakt der neuen LOL-Reihe mit Jubiläums-Edition.

Es war ein kleines Jubiläum. Zum zehnten Mal flammten die roten und blauen Scheinwerfersäulen zur Titelmelodie von „LOL“ in Bergkamen auf. Zum zehnten Mal passte kaum ein Blatt zwischen Publikum und Akteure, waren die Plätze voll besetzt. 400 Besucher strömten auch diesmal nicht nur aus Bergkamen, auch aus den Nachbarstädten herbei. Denn es ist längst gesetzt, dass es hier eine absolute Lachgarantie gibt. Die nutzten die meisten auch so hingebungsvoll, dass selbst den Standup-Experten aus dem Stehgreif nichts mehr einfiel.

Andreas Langsch entfaltete am Flügel auch Yoga-Qualitäten.

Daran trugen die drei Comedians samt Moderator die Verantwortung. Denn sie lieferten mehr als nur ab, sie feuerten mit diversen Überraschungen um sich. Wer rechnete schon damit, dass sich hinter dem höflichen Dauerlächeln des Moderators ungeahnte Tiefen verbargen. Nach dem nachdenklichen Einstiegsgesang mit Liebesalgorithmen samt Prokrastination, Sinnieren über die Ego-Generation „W“ im Stress zwischen Sabbatical, Australien-Auszeit, Pimpen für die Klicks nach dem X und Sinnfindung zeigte Andreas Langsch sein wahres Gesicht. Am Flügel verwandelte er sich in ein Yoga-Tier und bearbeitete die Tasten auch rückwärts aus dem Meditationssitz oder waagerecht im „Krieger“. Dann ging es frech mit dem eigenen Weihnachtsmusical nicht nur durch die Wohnungsprobleme der heiligen Familie.

Geschult in England war Christian Schulte Loh ein zwei Meter großer Standup-Profi.

Aber nicht nur der Hamburger war mit seiner Moderation ein eigenes Highlight. Christian Schulte Loh hatte sich als gebürtiger Halterner in Englands harter Standup-Schule gestählt und löste im Publikum die Invasion der Lachtiere aus. Fortan ließen alle ihren animalischsten Ichs freien Lauf. „Pfiffig, frech und flott“ analysierte er die verbalen Generationenunterschiede, erlebte in zwei Metern Höhe die Unbarmherzigkeit der Inflation, ging mit Clubkarte zum Arzt und holte sich dort neben der Laufanalyse auch ein Flattermannsyndrom ab.

Bitterböse blickte Mareike Richter auf die reichhaltige Erfahrung als Mutter.

Böse ging Mareike Richter mit Suizidgedanken beim Wäschefalten als 100-prozentige arbeitende Mutter ans Werk und rechnete nicht nur mit der familienfreundlichen Nachbarschaft, „plötzlich verantwortlich für Unkraut“, mit den „Horrorziegen“ auf dem Spielplatz und „Mama geht tanzen“-Partys ab. Sie nahm auch alle auf einem fiesen Exkurs in den das Leben mit Kindern ohne Komfortzone mit.

War ein Publikumsliebling: Björn vom Morgenstern besticht als Junge vom Lande.

Für nachhaltige Lachkrämpfe und ungeahnte „Nutztiergeräusche“ im Publikum sorgte Björn von Morgenstern. Als „Profi-Popper“ kennt er sich mit dem Dorfleben aus, zelebriert hingebungsvoll die Kreisverkehrparty und saust mit dem Bürostuhl in Adidas-Uniform kontrolliert und tiefer gelegt der Polizei in die Arme, um nahtlos den Glatzen-Exzess auf Klassenfahrt zu entfalten.

Wer davon noch nicht genug hatte, konnte sich in den Sozialen Medien noch eine echte Überdosis holen. Dort sind sämtliche Comedy-Akteure längst Stars und gehen „viral“. Und vielleicht wird bis zum nächsten LOL-Event im Februar ja wirklich noch ein eigenes LOL-Stadion in Bergkamen gebaut. Auch das wäre dann womöglich randvoll.




23. Auflage des Lichtermarktes setzt auf Lichtmagie und Farbenspiele

Mystische Atmosphäre in der Elisabethkirche, das Highlight mit der LED- und Lasershow war.

Es war nicht das ganz große Spektakel wie in vielen anderen Jahren. Wo auch schon mal Feuerkugeln mit knalligen Effekten in den Himmel schossen, gaben diesmal Farben und Musik den Ton an. Der 23. GSW-Lichtermarkt hatte dennoch lichterlohe Reize zuhauf im Angebot. Wer über den Stadtmarkt und durch den Stadtwald flanierte, hatte mehr als genug zu verarbeiten. Diesmal vor allem trocken.

Magische Bilder in der Elisabethkirche.

Zu einem eigenen Anziehungspunkt hat sich längst die Elisabethkirche entwickelt. Hier wird seit Jahren Lichtkunst vom Feinsten geboten. In diesem Jahr war sie das unbestrittene Highlight mit einer farbgewaltigen „High-Tech LED & Laser Show“, die stellenweise den Atem raubte. Schon die Wartezeit bot einen echten Augenschmaus, war das Kirchenschiff doch mit einem blauen Himmel aus Rauch und pulsierenden Laser-Strahlen überzogen. Perfekt aufeinander abgestimmt präsentierten sich in der Show Musik, Lichtimpulse und Bühnenaktionen vor dem Altar und inspirierten zu spontanem Applaus. Wer dabei sein wollte, durfte jedenfalls keine Platzangst haben: Die Warteschlangen waren lang und die Kirche proppenvoll.

Eigene Lichterwelt im Stadtwald

Außerirdisches gab es im Ballon im Stadtwald.

Der Stadtwald erforderte wie immer Geduld und mehrere Besuche. Wer hier alles erleben wollte, geriet in regelmäßigen Flanierstress. Pulsierende Laser-Herz oder Rauchringkanonen ließen mit Lilora ein anderes Universum entstehen. Das Drucklufttheater scharte Menschentrauben um sich. In einem großen durchsichtigen Ball landete „Außerirdisches“ mit eindrucksvollen Lichtszenerien zu anerkennendem Applaus. Magische Rhythmen holte Gilda Razani auf dem Theremin nur mit ihren Händen aus den Ätherwellen hervor. Futuristische Experimente, Tanzmusik aus dem Raumschiff, „Laufsteg des Schattenwesens“ bei der Jugendkunstschule und verzaubernde Lichtströme in Nebenschwaden bilden eine eigene Lichterwelt.

Mal was anderes: Temporeiche Trommelshow mit Lichteffekten unter dem Marktdach.

Unter dem Marktdach geht es ausdrücklich darum, mit den drei rotgesichtigen Trommelwesen bei der „Color Man Show“ mitzumachen. Da steckt vor allem Rhythmus, Tempo und viel gute Laune drin. Einziger Wermutstropfen: Alle Shows waren kurz, aber dafür heftig und beeindruckend. Dafür vermischen sich umso mehr leuchtende Fantasiewesen unter den Besuchern und sorgen für bezaubernde unverhoffte Begegnungen. Verstärkung gab es durch die vielen Halloween-Trupps, die mit beeindruckender Gruselkostümierung auch nicht fehlen durften.

Auffällig waren jedoch die rundherum aufgeploppten privaten Knalleffekte mit unvermittelten Böller-Attacken. Auf die hätten die meisten Besucher gut verzichten können.




Klaus-Peter Wolf begegnet in Bergkamen seiner Autoren-Anfangszeit

War mit viel Spaß, Humor und Anekdoten bei der Sache: Klaus-Peter Wolf.

Dass scheinbar alle 13,5 Millionen Käufer seiner Bücher und 110 Millionen Zuschauer der Verfilmungen seiner Krimis ins studio theater stürmen, damit konnte der Erfinder der Ostfriesland Krimis rechnen. Eindeutig überrascht war Klaus-Peter Wolf von seiner Vergangenheit, die ihn auf der Bühne von „Mord am Hellweg“ am Samstag einholte. Ein kleines, abgegriffenes Heftchen erschien plötzlich aus dem Nichts, mit der Hand zusammengeheftet aus Matrizen. Veröffentlicht in der „Proleten-Presse“ für 3 Mark. Sein erster Erfolg.

Herbert Knorr holt die Rarität aus der Anfangszeit für eine ganz persönliche Signierstunde hervor.

Aus der Jackentasche zog die Rarität niemand anders als der Ideengeber des größten internationalen Krimifestivals persönlich. Herbert Knorr hatte diebische Freude daran, das verblüffte Gesicht des längst erfolgreichen Krimiautors zu beobachten, als er das betagte Werk viele Jahrzehnte nach seiner Entstehung signierte. Erstanden hatte Knorr das Buch zu einer Zeit, „als Klaus-Peter Wolf noch niemand kannte“. Der erzählte hingerissen, wie er damals in dem Gelsenkirchener Verlag mit Helfern unentwegt um den Tisch im Wohnzimmer rannte, in dem der Verlag seinen Sitz hatte. „Wir sammelten alle Seiten mit der Hand auf und hefteten sie zusammen“, erzählt er. Höchstselbst klapperte er dann alle Gelsenkirchener Buchhandlungen ab, um sein Buch auszulegen. Als es wenige Tage später vergriffen war und Nachschub angefordert wurde, war er einfach nur stolz.

Lange Schlangen im Foyer des studio theaters: Alle wollten eine Unterschrift und ein Selfie.

Heute ist er mehr als das. „Wir sind erfolgreich und haben auch noch Spaß dabei – das ist ein Tabubruch!“, witzelte er und schüttelte sich gemeinsam mit Lebensgefährtin Bettina Göschl vor Lachen. Drei Filme werden gerade gedreht, zwei Drehbücher entstehen, drei Bücher sind in diesem Jahr erschienen. Krimis, Romane, Kinderbücher: Nach einem preisgekrönten und bewegten Schriftstellerleben genießt Wolf den Erfolg in vollen Zügen. Davon erzählte er auch im studio theater mit voller Begeisterung. Etwa wie er während der Fahrt nach Bergkamen mit Bettina Göschl den Fall des nächsten Krimis diskutierte, und die Abfahrt verpasste. Oder wie beide ihre Meinungsverschiedenheiten zwischen die Buchseiten verlegen, ihr persönliches Erfolgsrezept.

Viele Anekdoten und ganz persönliche Einblicke

Auch Körpereinsatz war bei der Lektüre gefragt.

So dauerte es satte 40 Minuten, bis Klaus-Peter Wolf überhaupt zum ersten Buch griff und die Lesung eröffnete. Dazu gab es immer wieder heitere Anekdoten, etwa die Hintergründe zu den Sätzen auf den ersten Seiten. Das sind „gekillte Darlings“: Sätze, die er persönlich liebt, die aber herausgekürzt werden mussten. Oder wie es zuhause zugeht, wenn er sich mit Leib und Seele in seine Protagonisten hineinversetzt und plötzlich weiblich herumstarkst oder seinen Tee ganz anders trinkt. Oder wie er ein ganzes Drehteam mit durchdringendem Deichregen und Kluntje mit Sahne nachhaltig „einnordet“, damit die Filme über seine Bücher auch den richtigen Zungenschlag bekommen.

Am Ende war es fast nicht mehr wichtig, worum es in den verschiedenen Büchern, aus denen er vorlas, eigentlich ging. Wo die Ermittlerin an der falschen Haustür klingelt und mitten in einem Ehestreit landet. Wie Gendern, Gleichberechtigung und „Dickpics“ zusammenhängen, ein Jugendbuch die eigene Sicht des Sohnes zum Seitensprung des Vaters offenbart oder ein Gang ins Wasser auf Wangerooge enden kann: Wolf las aus mehreren Büchern vor und amüsierte sich dabei mindestens so königlich wie das restlos gefüllte studio theater.

Bettina Göschl hatte neben ihren Büchern als Co-Autorin und Lebensgefährtin auch wunderbares Liedgut im Gepäck.

Eine besondere Note bekam die Lesung auch durch die Lieder von Bettina Göschl. Sie gab nicht nur das Titellied der Filme zum Besten, inklusive Entstehungsgeschichte des Summens bei einer Teepause mit durchnässtem Filmteam. Ein Liebeslied an Ermittler Frank Weller war ebenso dabei wie ein wundervolles Lied auf ihren Lebensgefährten und seinen verschiedenen Verwandlungen beim Schreiben.

Am Ende gab es tosenden Applaus und Unmengen verzückter Besucher, die ein signiertes Buchexemplar glücklich an die Brust pressten – Selfie für die Ewigkeit inklusive. Es gibt noch weitere spannende Krimi-Lesungen mit Mord am Hellweg in Bergkamen: am 13. Oktober mit Jan Beck in der Trauerhalle am Parkfriedhof, am 20. Oktober als Klima Thrill Abend mit mehreren Autoren in der Ökologiestation und am 4. November mit Ingo Bott und Arno Strobel im Stadtmuseum.




Sehr erfreut: Therapie- und Biografie-Stunde mit Ingolf Lück

Mischung aus Schauspiel und Comedy: Multitalent Ingolf Lück gab tiefe Einblicke auf der Bühne des studio theaters.

Ein bisschen Therapiestunde. Ein wenig Kalaurer-Geplauder an der Supermarktkasse. Zwischendrin mal eine bitterböse Abrechnung. Dann ging es wieder hinter oder vor den Tisch im Klassenraum. Der Start in die Kabarett-Saison des studio theaters mit Ingolf Lück war so etwas wie eine Biografie-Stunde als Erklär-Spiel mit Comedy- und Schauspieleinlagen. Ein launiger Auftakt mit einem routinierten Branchen-Hasen, der seinen Promi-Status nicht ernsthaft hinter Jogginghose, zerrissenem Pulli, grauem Haupt und Lesebrille zu verstecken versuchte.

Mimik und Gestik: Auch das war zum Einstieg in die Kabarett-Saison ein Highlight.

Der Schauspieler, Moderator, Komiker, Regisseur und Synchronsprecher schien punktuell absichtlich mit dem Vorhang im Bühnenhintergrund verschmelzen zu wollen. Denn allzu viele im Publikum warteten ganz offensichtlich auf eine Tanzeinlage, auch wenn der „Let’s Dance“-Sieg inzwischen einige Jahre zurück liegt. Dennoch ging es mit „I wanna dance with somebody“ und offensichtlichen musikalischen 80er-Jahre-Reminizenzen an den Formel Eins-Einstieg auf die Bühne. Immerhin gab es ein paar Anekdoten aus der Tanzshow für die allzu Erwartungsfrohen. Ansonsten prägten das Altern, Einblicke in das Privatlebeben und die aktuelle Lage in allen Bereichen den Abend.

Ganze Hingabe auf voller Bühnenbreite.

Da Pulli und Jogginghose perfekt vom Hintergrund absorbiert wurden, konzentrierte sich alles automatisch auf die rastlose Mimik und ständig in allen Himmelsrichtungen agierenden Händen. Schmerz, Wut, Verzweiflung und Empörung ergossen sich auf die Bühne, wenn sich die Zählhilfe an der Supermarktkasse aufdrängte, die Machtübernahme der Thüringer AfD Böses ahnen ließ und der Rückfall der Grünen hinter die Ideale der 80-er zusammen mit den AfD-Kanzlerabsichten Sympathien für CDU-Kandidaten in ungeahnte Höhen schnellen ließen. Die Bergkamener Ganztagsbetreuung mit Mettbrötchen war da ein echter Lichtblick. Da trägt sich die Vintage-Patina gleich leichter.

Genau hinschauen und hinhören war bei Ingolf Lück gefragt.

Veggie Days mit Fleischsalat, von Nazis gemolkene Milch aus Brandenburg, Zyklopen-Bauern mit Reichsflagge und tiefe Einblicke in die Seele des Ostwestfalen, bei dem sich Ost und West gegenseitig aufheben und das restliche „falen“ zur Mentalität wird, verdeutlichten: „Heute wird’s richtig ernst“. Mit Selbstsuboptimierung ging es zurück auf die Schulbank zu rektalen Kaugummi-Psychosen. Da endet man schnell in einem schlechten Haschisch-Trip mit Einhörnern im Dunkeln. Die überzivilisierten Barbaren mit Haaren auf dem Rücken waren nach der Pause nur die logische Konsequenz. Die Möglichkeiten wurden zur Wirklichkeit und Veith, der personifizierte Vater-Horror und Freund der Tochter, lebte gefährlich angesichts von Rolltreppen mit Falltüren und Schlössern ohne Schlüssel an störenden Rädern im Regionalexpress. Da war das Zettelknibbeln an der Banane als optionaler Kassenterror noch die sanfteste Rachevision am ganz normalen Gegenwartswahnsinn.

Natürlich verlangten die Bergkamener eine Zugabe und noch eine. Dass nur wenige Abo-Inhaber in der Pause gegangen waren, war für Ingolf Lück ein weiterer Erfolg, denn daran misst sich der wahre Promi-Status. Sehr erfreut, Herr Lück!




Interkulturelle Woche startet mit fröhlichem Fest der Vielfalt

Eigens eingeübt: Syrischer Tanz.

Gar nicht so leicht, auf einem schmalen Band zu laufen. Und die Kugel in einem Teller mit Rillen genau in die Mitte zu bugsieren, kann auch eine Herausforderung sein. Kaffee wird ganz anders als gewohnt direkt ins Wasser gemischt, in heißen Sand gestellt und gerührt. Mit offenen Mündern schauen Kinder verschiedener Nationen zu, wie Kinder einer anderen Nation leichtfüßig das Pflaster des Herbert-Wehner-Platzes in ein großes kollektives Tanzfest verwandeln – mit haargenau synchronen Schritten. Das nennt sich Vielfalt. Und die kann mitreißend sein.

Beleibt: Balanceakt am Stand der Eiskunstläufer.

Genau das war das Anliegen des Vielfaltsfestes, das am Sonntag die interkulturelle Woche auf dem Nordberg einläutete. Zahra Kazkaz ist seit März Integrationsmanagerin und ist immer noch „fasziniert, wie viele Menschen sich gemeldet haben, um sich hier einzubringen“. In Bergkamen leben traditionell viele Nationen miteinander. Das haben nicht zuletzt Industrialisierung und Bergbau begründet. Egal, ob sie aus der Türkei, aus Afghanistan, aus Griechenland, Italien, Syrien oder der Ukraine kommen: Sie wollen zeigen, dass ein Miteinander auch mit unterschiedlichem Hintergrund friedlich, tolerant, offen, respektvoll und vor allem vielseitig sein kann.

Der Kinderchor in Aktion.

„Dass hier so viele mitmachen, ist ein Signal, dass wir zusammenhalten“, ist sich Zahra Kazkaz sicher. Sie hatte jedenfalls keine Mühe, ein imposantes und kunterbuntes Programm für dieses Auftaktfest auf die Beine zu stellen. Die Gruppen und Vereine standen vor der Bühne Schlange, um hier Vielfalt eindrucksvoll in Szene zu setzen. Mit türkischer Musik, Gesang im Kinderchor oder Tänzen, die eigens eingeübt wurden. Und vor allem mit vielfältigen Begegnungen.

Lecker; Türkischer Kaffee und andere Köstlichkeiten.

Die entstanden oft hinter den Kulissen. Etwa in der Ausstellung im Haus Frieden, die Bilder von Geflüchteten unter dem Titel „Aufbruch und neue Wege“ zeigte. Wie Betroffene das erleben, was für viele Bergkamener unvorstellbar ist: Krieg, Tod, Vertreibung, Flucht, Heimatverlust und Neuanfang: Hier gab es mehr als genug Gesprächsstoff. Ihre eigene Sprache fanden die Kinder im Angebot der städtischen Spielgruppen im Pestalozzi-Haus. Spiel ist universell und der vermutlich einfachste und beste Weg für Integration.

Egal ob Eiskunstlauf, Naturfreunde, Kinderchor der Friedenskirche, Bildungswerk, Kinderhospiz, oder Angebote für pflegende Angehörige und Omas gegen Rechts: Hier konnte jeder etwas für sich entdecken. Vor allem auch leckere kulinarische Vielfalt mit der niedrigsten Schwelle, um aufeinander zuzugehen und sich besser kennenzulernen. Die Interkulturelle Woche geht mit einem vielfältigen Angebot in Vereinen und Institutionen bis zum 30. September weiter. Das ganze Programm gibt es hier.




Beim Römerfest ging es nicht nur in der Arena zur Sache

Nachwuchsgladiatoren verbreiten schon mit vier Jahren Respekt in der Arena.

Das Blut läuft, kaum dass die Spitze des Schwerts die Nase berührt hat. Der Kampf in der Arena ist abgebrochen. Die Nase ist angebrochen. „Das habe ich ein Mal im Monat, ist nicht schlimm“, sagt der Retiarius und hat mit dem modernen Taschentuch im Gesicht noch die Muße, Netz und Dreizack ordentlich aufzusammeln. Es ist Römerfest und es geht im Schatten der Holz-Erde-Mauer auf dem Gelände des einstigen Römerlagers zur Sache.

Auch Frauen zeigten im Sand der Arena, dass sie in der Antike gelegentlich die Oberhand hatten.

Leander lässt das Geschehen völlig kalt. Der Vierjährige steht mindestens zum vierten Mal in einer Arena und stürzt sich ebenfalls mit Netz und Dreizack unerschrocken auf einen fünf Mal so großen ausgewachsenen Kämpfer. Wenn er zum Gladiator wird, heißt er Priopas. Den Namen hat er ebenso von seinem Vater geerbt wie die Leidenschaft für das antike Spektakel. Sein Vater ist der Museumsleiter und hat all das organisiert. Mark Schrader hat an diesem Wochenende sein zweites Leben als Gladiator an den Nagel gehängt, jetzt ist der Nachwuchs dran. „Es tun einfach die Knochen weh – und ich möchte Zeit für die Kinder haben“, sagt er. Denn auch seine ebenfalls vierjährige Tochter Laetitia zieht es zur Geschichte und in die Arena. Viel zu tun, auch in der Freizeit.

Das Marschgepäck steht im Zeltlager bereit.

Die füllt sich für alle, die an diesem Wochenende auf dem Gelände in die Rollen von Gladiatoren, Legionären, germanischen Hilfskriegern und Handwerkern schlüpfen mit uralter Geschichte. Egal ob sie gebürtige Amerikaner, Belgier, Italiener oder Niederrheiner sind. Nichts, was hier zur Schau getragen wird, ist nicht originalgetreu. Fast alles orientiert sich an archäologischen Funden und wurde vor gut 2000 Jahren so in Oberaden getragen, benutzt, verwendet, hergestellt oder einfach nur angeschaut. Das reicht von der kleinsten Niete am Rüstungsteil bis zur Tinte im Fässchen.

Dokumentenechte Schreibkultur mit Ewigkeitsgarantie

Antike Schreibkunst konnte live beobachtet werden.

Einen Gallapfel hat der Junge aus Bergkamen jedenfalls noch nie gesehen. Er schaut sich das Produkt der Wespe, das am Eichenblatt als Nisthöhle wächst, neugierig an. Denn das runde Ding wird zermahlen, mit Essig vermengt, mit Rost angereichert und verwandelt sich mit Wasser und Gummi Arabicum in eine Flüssigkeit, die auf dem Papyrus erst schmutzig braun und mit der Zeit rabenschwarz wird. Sie bleibt mehr als 2000 Jahre frisch und dokumentenecht. Die Rezeptur hat sich deshalb bis heute kaum verändert. Damit zu schreiben, ist mit dem Kiel einer Gänsefeder auf rubbeligem Papier allerdings wiederum eine echte Kunst.

Beeindruckend: Reiterin und Reiter rüsten sich für die Lagerpatrouille.

Jetzt rüsten sich die Reiter der germanischen Hilfstruppen. Sie brauchen einen Schemel, um in voller Rüstung auf ihre Pferde zu kommen. Die eisernen Masken werden oben im Sattel auf die Gesichter gesetzt. Zum Schluss kommt der Köcher mit den riesigen Pfeilen dazu und ein gewaltiger Speer. Dann reiten sie los. Patrouille. Alles ist originalgetreu, von der kleinsten Schlaufe am Sattel bis zum Verzierungselement am Gürtel. Sie reiten an dem Legionär vorbei, der mit einem Rasenstück vor dem Zeltlager stehen muss. Eine demütigende Strafe, weil er angeblich einen Befehl missachtet hat.

Macht Spaß: Wagenrennen in Miniatur.

Es wird exerziert, gehämmert, gemeißelt, gehobelt, gefärbt, genäht, gehäkelt, gebacken, gekocht und gespielt. So, wie es vor 2000 Jahren im und am Lager zugegangen sein mag. Wagenrennen inklusive. Die modernen Spielkarten für die Kinder gab es damals wahrscheinlich noch nicht, oder zumindest in anderer Form. Spaß macht es jedenfalls allemal, einmal ein paar Tage lang in längst vergangene Zeiten einzutauchen. Die waren ganz ohne Frage spannend, aber auch anstrengend. Denn alt wurde man damals nicht, egal ob als Römer und Germane. Und alles, was im Alltag gebraucht wurde, musste noch weit mühsamer hergestellt werden als heute. Und vor allem: Es musste verteidigt werden, denn Kriegereien waren an der Tagesordnung.




„Markt_hoch3“ macht Lust auf die Mitgestaltung von „b3“

Gut besucht war der Stadtmarkt am Samstag, vor allem bei den Vorführungen auf der Bühne.

Die beiden Mädchen hören aufmerksam zu. Dann schauen sie sich nachdenklich an. Ihre Wünsche und Ideen für den Stadtmarkt sind gefragt. „Tja, das ist gar nicht so leicht“, sagen sie. „Ein Angebot für Aktivitäten unter freiem Himmel wäre toll“, sind sie sich dann einig. Die Mitarbeiterin der „Urbanisten“ füllt fleißig den Bogen auf ihrem Klemmbrett aus. Der „Markt_hoch3“ füllt so langsam die Fragebogen – und den Stadtmarkt.

Wichtig: Die Meinung der Bergkamener, vor allem der Jugend. Die wurde am Stand der „Urbanisten“ abgefragt und sorgsam notiert.

Das war eines der Ziele der Aktion, die am Samstag für ein buntes Treiben unter freiem Himmel bei prachtvollem Sommerwetter sorgte. Zahlreiche Stände waren auf dem Stadtmarkt aufgebaut. Mittendrin eine Bühne. Livemusik gab es am laufenden Band. Solisten sangen, Gruppen tanzten. In einer Mini-Halfpipe konnten sich Mutige bei den ersten Versuchen auf dem Skateboard ausprobieren, mit fürsorglichen Hilfestellungen.

Farbenfrohe Gestaltung war ebenfalls gefragt.

Auch die Kreativität konnte sich hier an jeder Ecke frei entfalten. Am Kunstlaster der Jugendkunstschule ging es mit Stiften und Farben richtig bunt zu. Kleine Kunststücke entstanden auf weißen Pappkartons. Buttons wurden gemalt. Beim Handarbeitstreff der Stadtbibliothek konnten sich Fingerfertige in die Kunst des Häkelns und Strickens einweihen lassen. „Ist ja gut zu wissen, dass es sowas gibt“, sagte eine Passantin, die noch mit der einen oder anderen Schwierigkeit mit Nadeln und Faden zu kämpfen hat. „Ich komme bestimmt einmal vorbei und hole mir Ratschläge“.

Wertvolle Hilfestellung gab es beim Repa(ir)Café.

Begehrt war auch das Wissen der versierten Bastler vom Repair-Café. Das ist erst vor zwei Monaten mit ca. 8 Mitgliedern von Kamen an den Stadtmarkt in die Stadtbibliothek umgezogen. Sie können (fast) alles wieder flott machen „was man tragen kann“. Gerade versuchen sie, bei einem Bluetooth-Lautsprecher den Fehler zu entdecken. Auf einem speziellen Gestell wird ein Fahrrad untersucht und der Fehler auch gleich entdeckt. „Reparieren können wir das momentan noch nicht mit unseren Möglichkeiten, aber wir wissen jetzt, was es ist“, sagt der Fachmann, der das Rad wieder auf den Boden hebt.

Urbanisten sammeln kreative Ideen

Beeindruckende Tanzkunst unter freiem Himmel vor der spannenden Kulisse des Stadtmarktes.

Viel tut sich rund um den Stadtmarkt. Viele Bergkamener haben davon noch gar nicht gehört oder ahnen es noch nicht einmal. SpieleTreff, AlleinerziehendenTreff, Familientreff, Medienflohmarkt: Der „Markt_Hoch3“ bot am Samstag viele Möglichkeiten, auf Entdeckungsreise zu gehen. Unterstützt von vielen Leckereien an den Ständen, abendlicher Lesung inklusive Zauberei, vollem Bühnenprogramm und vor allem von vielen Informationen.

Langsam füllte sich die Wand mit den spontanen Ideen.

Gerade die jungen Besucher beteiligten sich rege am Stand der „Urbanisten“ an den Umfragen und den Möglichkeiten, Ihre Ideen, Wünsche und Meinungen für den Stadtmarkt einzubringen. „Der Stadtmarkt ist inzwischen 25 Jahre alt – und er hat immer noch viele Möglichkeiten. Das wollen wir hier heute zeigen und gleichzeitig Verbesserungen anstoßen“, schildert Jörg Feierband, Leiter der Stadtbibliothek. B3 ist dabei das Stichwort: Die Entwicklung des „Dritten Ortes“ neben dem eigenen Zuhause und der Arbeit/Schule. Das ist der Ort, wo sich die Freizeit abspielt, wo man sich trifft und etwas unternimmt. Der Stadtmarkt mit Stadtbibliothek und vielen Angeboten kann sich dazu entwickeln. Dafür gibt es Fördergelder.

Die 1. Phase des Projekts ist mit dem „Markt_hoch3“ umgesetzt. Im März wird das komplette Projektkonzept eingereicht. Mit vielen tollen Ideen der Bergkamener selbst. Das steht jetzt schon fest.




Kulturpicknick verabschiedet sich mit fulminantem Körperknäuel-Finale

Auch die Natur wurde beim letzten Kulturpicknick der Saison zum Akteure mit einem fulminanten Regenbogen.

Das Finale der Sommerpicknicks hatte am Freitag alles im Angebot. Vom schwülen Sommerabend bis zum Regenschauer: Nichts kann die Bergkamener mehr davon abhalten, die Arena im Römerpark fast bis auf den letzten Grashalm zu füllen. Zum letzten Mal in diesem Sommer war das Parkgelände randvoll mit ganzen Familien, Picknickdecken, Leckereien und vor allem mit guter Sommerlaune. Und: Der Jubel war weithin zu hören. Denn dieses Finale hatte einiges zu bieten. Vor allem äußerst flexible Gliedmaßen. Wer schon immer restlos verknäulte Körper sehen wollte, war hier richtig aufgehoben. Sie schoben sich unter Feuerstäben hindurch, wirbelten durch die Luft, verkeilten sich ineinander, tanzten durch die Menge. Vor allem aber steckten sie alle mit ihrer guten Laune an.

Herr Nils schiebt eine Tür auf: Ein echtes Ereignis.

Es ging schon gut los mit Herr Niels. Der schlurfte schlaksig auf die Bühne und manövrierte seinen Körper eindrucksvoll mit pantomischen Mitteln in beeindruckende Körperhaltungen. Situationen des Alltags verwandelte er mit Hut und Malerrolle in mehr als heitere Situationskomik. Er hätte problemlos allein den Abend mit seiner „Physical Comedy“ gestalten können.

Sehr verknäulte Körperkunst präsentierte „Afrobatic“.

Der Hauptteil war jedoch für „Afrobatic“ reserviert. Als die Gruppe geschlossen mit Trommeln und afrikanischen Instrumenten quer durch das Publikum hindurch einmarschierte, hatte sie das Publikum bereits für sich gewonnen. Vor allem die Kinder versammelten sich geschlossen vor der Bühne, um die wirbelnden traditionellen Tänze zu bestaunen. Die gingen ganz selbstverständlich und nahtlos in Akrobatik über, die Münder offenstehen ließ. Urplötzlich stapelten sich Leiber übereinander oder quer in der Luft. Mittendrin im Gliedergetümmel jonglierten sie mit Hüten und kreiselnden afrikanischen Schüsseln oder falteten sich derart kompakt zusammen, dass sie unter einer brennende Fackelstange hindurch passten. Besser nicht nachmachen sollte man die Kunst, den ganzen Körper durch einen Tennisschläger zu quetschen.

Zum Schluss wurden auch die Kinder in die Akrobatik-Kunst integriert.

Absoluter Höhepunkt war jedoch das sich langsam hochschaukelnde Finale. Ein Kind nach dem anderen wurde auf die Bühne geholt, um allein durch die Luft gewirbelt zu werden, zu zweit in eine Körperpyramide integriert zu werden oder spontan einen Salto rückwärts zu lernen. Am Ende feierten alle Kinder zusammen mit der überwiegend aus Ghana stammenden Truppe ein großes Bühnenfest mit schallenden Zugaberufen. Spätestens jetzt war klar, warum sogar der Bundespräsident die Künstler in seinen Amtssitz geholt und das Fernsehen sie zu „Supertalenten“ auserkoren hatte.

Ein toller Abend, der zwischendrin mit einem fulminanten Doppelregenbogen nach einem kurzen Regenguss im wahrsten Sinne gekrönt wurde. Über den Herbst, Winter und Frühling werden die Bergkamener dieses schöne Kulturformat garantiert vermissen.




Wo die kleinen Dinge im Kino-Open-Air den Regen wegwärmen

Tolle Kino-Kulisse auf dem Gelände der Overberger Bogenschützen – auch im Regen.

Es sind tatsächlich die kleinen Dinge, die ein Kino-Open-Air unvergesslich machen. Die Bergkamener nahmen den Titel des Films, der am Samstag auf dem Gelände der Overberger Bogenschützen gezeigt wurde, wörtlich. Sie freuten sich über die regenfreien Phasen und sogar darüber, dass es manchmal zwischen den richtigen Schauern nur nieselte. Regenschirme und Capes erhielten eine ganz neue Wertschätzung. Und trockene Popcorn wurden ebenso hoch gehandelt wie noch nicht aufgequollene Nachos.

Noch konnten die Instrumente der Mobilband eine Pause auf dem trockenen Rasen machen.

Die S.O.S. Mobilband hatte noch Glück. Sie konnten ihre Instrumente bequem auf der Wiese oder vor der Riesenleinwand ablegen, denn da war alles noch trocken. Bereits um 18 Uhr hatte das Kino-Open-Air begonnen und die Bergkamener nutzten das Angebot für intensiven Austausch und familiäre Treffen in der Ferienzeit. Hier gab es leckere holländische Pommes, Pizza und einen Getränkewagen. Das Organisationsteam hatte da schon sorgenvoll den Regenradar im Blick, denn der verhieß nichts Gutes.

Der Rote Teppich war wieder für die Besucher ausgelegt.

Es war jedenfalls gut, dass die die Kinokarten für das Lichtspielhaus in Werne gleich zu Beginn unter den gut 300 Stühlen entdeckt werden mussten. Denn pünktlich zum Filmstart hatten sich beachtliche schwarze Wolkentürme über dem Gelände aufgebaut. Die Handlung rund um das winzige Dorf in der Bretagne im Kampf um eine eigene Bäckerei, Kneipe und den Erhalt der Schule hatte sich gerade voll entfaltet, da verwandelten sich die zunächst vereinzelten Tropfen in einen stattlichen Dauerguss. Einige Stühle wurden abrupt und dauerhaft verlassen. Andere richteten sich unter den Vordächern der Verpflegungsstände ein.

Schirme und Regencapes waren während des Films gefragt.

Viele waren aber auch gut vorbereitet, klappten die Regenschirme auf und packten sich in professionelle Regencapes ein. Die Capes der Stadt waren rasch ausverkauft. Die kostenlosen Decken sogen sich in ebenso flottem Tempo komplett voll und versagten ihren wärmenden Dienst. Warm ums Herz wurde den Zuschauern aber trotzdem. Denn inzwischen bereicherte auf der Leinwand ein schrulliger Rentner die kleine Grundschule des Dorfes. Nach dem Tod seines Bruders war er als Analphabet hilflos und wollte endlich den Buchstabensalat unter Kontrolle bekommen. Aus dem skurrilen Sonderling wurde am Ende der heißgeliebte Star der Schule, der wie ein Löwe mit der Bürgermeisterin und Lehrerin nicht nur um den Erhalt kämpfte. Er hatte auch ein Auge auf die kleinen Außenseiter und half ihnen durch die großen und kleinen Unsicherheiten.

Eben: „Es sind die kleinen Dinge“. Wie der Regen der pünktlich zum Abspann aufhörte. Und die Wärme fürs Herz, die alle mit nach Hause nahmen.




Kulturpicknick verwandelt den Römerpark in eine riesige lebende Beat-Box

Notenlose Musikkunst im gut gefüllten Römerpark

Wolken und Regenprognosen: Nichts hält die Bergkamener davon ab, den Picknickkorb zu packen. Auch beim zweiten Kulturpicknick der Saison strömten am Freitag wieder Hunderte in den Römerpark und verwandelten die Arena samt Resten der Lagermauer in eine riesige Picknickfläche. Dabei gab es noch genug Muße, um das komplette Abendprogramm mitzugestalten.

5 Bälle fliegen spielend durch die Luft.

Denn es war wieder Mitmachen angesagt, diesmal auf ganzer Linie. Drop Bert war zwar ein alter Bekannter, kaperte diesmal aber mit der Loop-Station die Bühne und verwandelte alle Annäherungsversuche des Publikums in einen verrückten Hip-Hop-Mix inklusive Jonglage. Da war ganz und gar „Bergkamen in the house“, wenn Gebrabbel mit wenigen echten Worten, Kehlkopflauten, Gesang und Synchron-Jonglage auf die Bühne niederprasselten.

Leckerchen für das begeisterte Publikum – nicht nur musikalisch.

„Das ist echte Arbeit und es sieht nur so aus, als ob alles gleichzeitig stattfindet“, erläutert Drop Bert hinter den Kulissen. „Jeder Schritt wird ganz langsam und allein für sich einstudiert bis alle Elemente so dicht aneinanderrücken, dass es sich fast synchron anhört“, sagt er. Da verwandelt sich auch schon mal „Morgen früh, wenn Gott will“ in einen fetzigen Mitmach-Renner unter dem Motto „I believe I can fly“. Zum Abschied gab es den ganz persönlichen Handschlag fürs Publikum inklusive Tänzchen und Cocktailklau.

Notenlos: ein vielseitiges Duo an Keyboard und Drums inklusive mechanischer Schreibmaschine.

Was danach kam, spielte sich auf einer ganz anderen Ebene ab. Die beiden Hauptakteure von „Notenlos“ bewegen sich ganz selbstverständlich gesanglich in allen Sphären und Tonlagen. Handwerklich bringen sie alles mit, um sowohl die Opernsparte als auch den Hard Rock zu bedienen. Dass daraus ein abendfüllender Mix entstehen kann, wenn ganz allein das Publikum das Sagen hat, stellten sie eindrucksvoll unter Beweis. Die Yellow Submarine verwandelt sich dabei so ganz ohne Noten in eine Reggae-Variante, die ganz selbstverständlich in Udo-Jürgens-Manier in „Hänschen klein“ übergeht. Egal ob Ballermann oder Techno: Kevin aus Buxtehude erlebte eine abgefahrene Geschichte – ebenso wie Walter, der Grashüpfer in der Westernhagen-Variante.

Notenlos gab alles.

Ein Konzept, das von der guten Laune und von der Kreativität des Publikums lebt. So verlor sich der Inhalt irgendwann zunehmend im Absurden und die Gespräche auf dem Gelände übertönten irgendwann fast das Geschehen auf der Bühne. Die muss inzwischen von einer kleinen Absperrung vor Begeisterungsübergriffen insbesondere durch das ganz junge Publikum geschützt werden. Denn die sind so fasziniert von Jonglage und lebenden Beat-Boxen, dass sie schon mal spontan auf der Bühne mitmachen wollen.

Das Kulturpicknick ist jedenfalls inzwischen längst ein Selbstläufer und ein absoluter Publikumsliebling mit stetigen Besucherrekorden. Da hat auch ein fulminantes Olympia-Eröffnungsspektakel in Paris keine Chance.