Grand Jam Blues & Soul Summer Bergkamen

Musik, live und handgemacht. Von einer Band mit Spitzenmusikern der deutschen und internationalen Bluesszene. Das erwartet die Besucher*Innen beim Grand Jam Blues & Soul Summer im Biergarten des Thorheim am Freitag, 30. Juli, um 19.30 Uhr. Für das Festival konnte die US-amerikanische Sängerin Dorrey Lin Lyles (USA) gewonnen werden. Sie ist seit 2011 die Stimme der „Weather Girls“ und erhielt diverse Auszeichnungenbeispielsweise war sie 1997 am erstem Platz beim „Best Gospel Award“ beteiligt. Über Jahretourte sie mit den „Harlem Gospel Singers“ durch Europa und ist seit 2007 festes Chormitglied bei „The Very Best Of Black Gospel“. Eine perfekte Mixtur aus Gospel, Jazz, Soul & Blues garantieren eine sexy und berauschende Atmosphäre – eine Energie, die jedesBedürfnis der Seele befriedigt. Sobald Sie gekostet haben, wollen sie mehr.

Vorprogramm:
Hootin’ the Blues
Goodtime Music

Seit 1986 ist Hootin’ the Blues in ganz Deutschland, im europäischen Ausland und in den USA in derselben Besetzung unterwegs. Mit einer Vielzahl von Gitarren, Dobrogitarren, Mandoline, Banjo, Lapsteels und einem Haufen Mundharmonikas spielt das Trio mit Leidenschaft und einer großen Portion Humor die Musik der 20er-50er Jahre: Country-Blues,Ragtime, Jazz und Westernswing mit dreistimmigen Gesang.Dem Publikum ein vergnügtes und erfrischendes Konzerterlebnis zu bieten, darum geht es den drei Musikern von Hootin’ the Blues! Das Ganze nennen sie „Hill-Billy- Goodtime Blues“.

Hootin’ the Blues ist Gewinner des deutschen Bluespreises der „German Blues Challenge“ 2009 in Eutin und tourte im Januar 2010 erfolgreich auf dem internationalen Festival IBC, in der Bealestreet, Memphis TN und in Birmingham, Alabama.

Stimmen zu Hootin’ the Blues:
“Hootin’ the Blues ist und bleibt eine der ersten Adressen für akustischen Blues in Deutschland” (German Blues Circle)

„Das Trio spielt auf einem sehr hohen Niveau und bleibt trotz vieler neuer Ideen erkennbar. So spielen nur die Drei“ (Harmonica Player)

„Schlicht und einfach mit diversen akustischen Instrumenten und einer Harp zaubern sie einen vollen, dynamischen Sound“ (Bluesnews)

Hootin’ the Blues tritt seit der Gründung in folgender Besetzung auf: Gerd Gorke: Gesang, Harmonikas; Günther Leifeld-Strikkeling: Gesang, Gitarre, Dobro, Banjo, Mandoline, Lap-Steel, Geige; Rupert Pfeiffer: Gesang, Gitarre, Dobro

Die Grand Jam Band. Foto: Stadt Bergkamen

Die Grand Jam Band besteht in diesem Jahr:

  • aus dem Münsteraner Gitarristen Gregor Hilden. https://www.gregorhilden.de

Blues, Soul, rockige Einlagen und grooviger Jazz stehen auf dem Programm des münsterischen Gitarristen Gregor Hilden. Mit unzähligen Auftritten und insgesamt 12 CDs und einer Live-DVD unter eigenem Namen ist er seit langem in der Szene aktiv und mittlerweile auch international bekannt geworden.

  • dem Osnabrücker Sänger, Pianisten und Organisten Horst Bergmeyer. https://www.horstbergmeyer.de/

Der Pianist, Sängerund Organist ist seit 2000 professionell auf deutschen und internationalen Bühnen präsent. Mit Erfolg setzt er seinen Schwerpunkt in den BereichenSoul, Blues, R&BundGospelund blickt auf viele Konzerte mit eigenen Projekten und internationalen Künstlern zurück.

  • dem Osnabrücker Sänger und Saxofonisten Tommy Schneller https://www.tommyschneller.de

Er kennt die Festivals in Europa und die kleinen Clubs auf der Beale Street in Memphis – Tommy Schneller ist auf den großen Bühnen dieser Welt zuhause. Sein charmanter, unverwechselbarer Gesang und sein erdig warmer Saxophonsound haben ihn in den vergangenen Jahren zu einem der beliebtesten Musiker Europas gemacht. Schneller wurde drei Mal mit dem German Blues Award (2010, 2012, 2014) sowie dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik (2011) ausgezeichnet.

  • dem Schlagzeuger Oliver Spanuth https://oliverspanuth.de

Oliver Spanuth ist professioneller Drummer mit Wohnsitz in Bremen und studierte am AIM in Wien, wo er mit Jeff Boudreaux, gefolgt von der HfK in Bremen, bei Charly Antolini und Helge Zumdieck. 1996 nahm er am berühmten Kontakt-Studiengang in Hamburg teil, wo er mit Udo Dahmen und Jim Chapin studierte. 1999 studierte er mit Jeff Hamilton in Los Angeles. Diese Erfahrung wurde der Haupteinfluss für seine spätere musikalische Karriere.

  •  dem Bassisten Olli Gee

Mitorganisator aber eben auch Bassist mit dem ganz feinen Gefühl für den richtigen Drive. Er begleitete seit den Achtzigern über 80 internationale Künstler auf Tourneen. Der als Tonasket bekannte Vierseiter braucht selten viele Töne, um einen Groove auf den Punkt zu bringen. 1993-2008 spielte er in der wohl erfolgreichsten deutschen Bluesband, der Blues Company. In diesem Rahmen zweimal mit dem Jazzaward der deutschen Phonoakademie ausgezeichnet. Alle Bandmitglieder haben als Einzelkünstler wie auch in Bandformationen zahlreiche nationale und internationale Musikpreise und Auszeichnungen abgeräumt.

Freuen sie sich also auf einen Live-Musik Abend der Extraklasse. Die Musiker werden für ihr Publikum ein Sterne-Menü mit den feinsten Zutaten des Blues, gewürzt mit Soul- und rockigen Elementen anrichten.

Veranstaltungsort: Thorheim Open Air im Biergarten

Termin Freitag, 30. Juli 2021; Einlass : 18.30 Uhr; Konzertbeginn : 19.30 Uhr

Eintrittspreise: VVK 19 € / ermäßigt 16 €AK 24 € / ermäßigt 21 €

Für die Teilnahme ist eine vorherige Anmeldung beim Kulturreferat Bergkamen erforderlich. Ebenso möchte das Kulturreferat auf die bisher bereits bekannten AHA-Regeln, sowie den Mund-Nasenschutz am Eingangsbereich hinweisen.Die Gäste werden gebeten gegebenenfalls an wetterfeste Kleidung zu denken.

Anmeldungen sind über a.mandok@bergkamen.de möglich oder Anne Mandok, Tel. 02307/965-464




Das Beste aus Comedy und Musikkabarett im Römerpark

Am Samstag, 24. Juli, geht das Bergkamener Kulturpicknick in die 2. Runde. Mit Lars Redlich und Lucy van Kuhl erwartet das Publikum ein einzigartiges Zusammenspiel aus Show, intelligenter Comedy und Musikkabarett, das dem Zuschauer kaum Zeit zum Durchatmen lässt! Einlass: ab 18.00 Uhr; Beginn: 19.00 Uhr

Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei. Für die Teilnahme ist jedoch eine vorherige Anmeldung beim Kulturreferat Bergkamen erforderlich. Es sind noch wenige Plätze frei! Ebenso möchte das Kulturreferat auf die bisher bereits bekannten AHA-Regeln, sowie den Mund-Nasenschutz am Eingangsbereich hinweisen.Die Gäste werden gebeten, gegebenenfalls an wetterfeste Kleidung zu denken. Anmeldungen sind über k.petersdorf@bergkamen.de möglich oder Katja Petersdorf, Tel. 02307/965-300




Kunstprojekt „HALT“ läuft noch bis zum 15. August

Das Kunstprojekt HALT lässt sich nicht aufhalten: Die auch überregional viel beachtete Ausstellung über unterschiedliche Aspekte der Corona-Pandemie ist noch bis zum 15. August zusehen – dem Thema angemessen. So hartnäckig das Virus ist, so präsent bleibt die künstle-rische Auseinandersetzung damit in der städtischen Galerie sohle 1. Die Ausstellung HALT zeigt in eindrucksvollen Fotos und Texten, wie das Corona-Virus den Alltag verändert. Mal nehmen die Menschen das schicksalhaft hin, mal resignieren sie, mal fühlen sie sich herausgefordert, mal drohen sie an der ungewohnten Situation zu zerbrechen. Und manchmal sind sie tatsächlich bedroht – wie die Aufnahmen von Intensivstationen mit Covid-Erkrankten zeigen.

HALT verzichtet bewusst auf dramatische Effekte und Zuspitzungen. Und gerade das macht die Ausstellung zu einem besonderen Erlebnis. Sie zeigt welche enorme Kraft vermeintliche Kleinigkeiten haben – und wie stark der Zusammenhalt darunter leidet. Pflegebedürftige, de-nen menschliche Nähe fehlt. Kinder, die alleine spielen müssen. Alte Menschen, die völlig auf sich allein gestellt sind. Ob die Fotos ernüchterte und niedergeschlagene Menschen zeigen oder trotzige und hoff-nungsvolle – vielfach verstärken begleitende Texte die Botschaften. Ergebnis: Die Ausstellung berührt und geht unter die Haut. Die Bergkamener Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, sich bis zum 15. August selbst davon zu überzeugen – direkt vor Ort oder auf der Website der Stadtgalerie unter www.galerie-sohle1.de.




Tangoklänge mit Blitz und Donner: Kamen Klassik 2021 muss verfrüht kapitulieren

Beeindruckende Kulisse mit Bergbauvergangenheit.

Da war noch alles gut: Flotte Tangoklänge mit gutaufgelegten Solisten.

Vom strahlenden Sonnenschein zu Blitz und Donner samt Sintfluten waren es nur ein paar Takte. Einige wenige Notenseiten, und das Blatt hatte sich am Sonntag bei „Kamen Klassik“ komplett gewendet. Dabei waren alle Beteiligten heilfroh, dass unter freiem Himmel überhaupt wieder etwas unter Corona-Bedingungen stattfinden konnte. Am Ende musste die Neue Philharmonie Westfalen dann doch vor der Kulisse des Förderturms kapitulieren. Spätestens, als das Bandoneon klemmte und kein Ton mehr herauskam, wurde abgebrochen.

Wenig später hatten nur noch wenige Zuschauer unter Schirmen und Regencapes ausgeharrt.

„Sie waren alle großartig“, lobte Generalmusikdirektor Rasmus Baumann das Durchhaltevermögen von rund einem Viertel der ursprünglich rund 450 Zuschauer. Die hatten sich unter Regenschirmen, Regencapes und unter dem spärlichen Dach der Maschinenhalle zusammengedrängt, um den schwungvollen Tangoklängen zu lauschen. „Wir spielen bis zum letzten Tropfen“, hatte der Chef der Philharmoniker noch kurz zuvor optimistisch versprochen. Am Ende mussten dann aber auch die Instrumente in Sicherheit gebracht werden und es hieß: „Auch diese Veranstaltung müssen wir dann irgendwann nachholen.“

Noch hielten die Notenblätter für die Streicher.

Bis dahin hatten alle Beteiligten tapfer den Umständen getrotzt. Abstände galt es auch unter den Musikern auf der Bühne einzuhalten. Das sorgte für mittelgroße Kämpfe mit den Notenblättern. Wo sonst noch eine helfende Hand vom Nachbarn eingreifen konnte, flogen die Seiten unter dem immer stürmischeren Winden unkontrollierbar über die Pulte. Viele Besucher hatten sich eigens testen lassen, weil die Corona-Bestimmungen das bei der Platzbuchung noch gefordert hatten. Dann hatte sich auch dort in Windeseile alles geändert und vieles war gar nicht mehr nötig. Die mitgebrachten Getränke ebenso wenig, denn inzwischen durfte auch ein kleiner Getränkewagen aufgebaut werden.

 

„Ich könnte Sie alle umarmen“

Humorvolle Parallelen: Bienen und Bergbau.

Leicht unkontrollierbar war auch die Natur. Die Organisatoren hatten es beim Aufbau etwa mit einem klassikliebenden Bienenvolk zu tun, das es sich in einer Birke auf dem Förderturmgelände gemütlich gemacht hatte. Die Insekten zogen dann aber doch noch rechtzeitig ab. Vielleicht auch deshalb, weil es Konkurrenz von den Profis gab, die als Honigbienen auf dem Gelände heimisch sind. Deren Erzeugnisse konnten ebenso gekauft werden wie Druckwerke vom Förderverein Monopol 2000.

Gut besucht zu Beginn: Die Freude war groß, dass endlich wieder Kultur stattfinden kann.

Auch das Programm war ein Kompromiss, denn die Philharmonie kann nicht alle Musiker mit den erforderlichen Abständen auf die Bühne bringen, die es für manche Komponisten und Werke braucht. Astor Piazzolla bot zum 100. Geburtstag als „Tangokönig schlechthin“ und „Westfale im Wesen“ eine gute Gelegenheit, ebenso schwungvolle wie eigenwillige Klänge zum „Mitwippen mit den Füßen“ und Mittanzen zu präsentieren – mit gelegentlich ungewöhnlichen Soloinstrumenten wie dem Bandoneon.

Der Förderturm macht sich gut als Kulisse für klassische Musik.

„Ich könnte Sie alle umarmen“, freute sich Rasmus Baumann. Seit Ende Oktober stand er zum ersten Mal in Kamen wieder mit seinen Musikern auf der Bühne. „Warum eigentlich nicht immer unter dem Förderturm?“, war Bürgermeisterin Elke Kappen mehrfach gefragt worden angesichts der beeindruckenden Kulisse. „Wir werden das nachher diskutieren“, versprach sie und erinnerte auch daran, dass andere Kulturschaffende in den vergangenen Monaten mit gewaltigen Existenzängsten zu kämpfen hatten. „Die Frage, ob wir uns Kultur leisten können, kann sich jeder selbst beantworten, der sich auf diesen Abend gefreut hat“, sagte sie und erntete nachhaltigen Applaus.

Schade, dass der zuvor noch durch den prallen Sonnenschein für Musiker unbrauchbar gewordene Platz auf der Bühne dann doch nicht zum Tangotanz einladen konnte. Es reichte gerade für die erste Hälfte und eineinhalb sehr verkürzten Stücken, bis das Wetter dann doch den Kampf gewann. Dennoch war es eine Wohltat, endlich wieder Musiker live und wahrhaftig mit echten Tönen zu hören. Und die Stippvisite mit den Ehrenamtlichen im Maschinenhaus bot ebenfalls einen reizvollen Kontrast. Wiederholung tut also unbedingt Not.




Legionäre stehen stramm für die Eröffnung im Römerpark – Rauchopfer inklusive

Feierliches Rauchopfer für die neue Römerparksaison.Der Fächer aus Pfauenfedern hat auch nicht viel geholfen. Die in Reih und Glied aufgestellten Schilde flimmerten in der brütenden Hitze und die Opferschale brauchte eigentlich kein Feuer, um den Weihrauch zu entflammen. Das hätten sich die römischen Soldaten der Legio XIX wohl auch nicht träumen lassen, dass sie zum Dienstantritt in Germanien fast dasselbe Klima erwartete wie in ihrer Heimat.

Abmarsch der Legionäre in Reih und Glied.

Unter den Helmen und Kettenhemden war jedenfalls am Samstag reichlich der so berühmten Disziplin gefragt, als die Legionäre in Reih und Glied immerhin im Schatten hinter der Holz-Erde-Mauer aufmarschierten. Endlich war das überhaupt wieder möglich. Im Vorjahr hatten die ersten Coronawellen alle römischen Aktivitäten auf Eis gelegt. Deshalb schwitzten alle Beteiligten vom Centurio bis zum Senator mit ausgewiesener Freude. Sogar aus Italien und den Niederlanden waren die Soldaten aufmarschiert. Schließlich ging es um nichts anderes als die offizielle Saisoneröffnung im Römerpark.

Ehrenauszeichnung für den ehemaligen Bürgermeister.

Mit der offiziellen Übergabe der Hausordnung an den Beigeordneten und Kulturdezernenten Marc Alexander Ulrich im stilechten Stuhl war dieser traditionelle Akt formell bewältigt. Dazu gehörte unter Beteiligung des Fördervereins auch ein ordentliches Rauchopfer mit Weihrauch, damit wenigstens dieses Jahr ein gutes wird. Die Legionäre erhielten hernach ihren Sold und konnten den gleich in der nahe gelegenen Taverne für nicht ganz historisch echte Bratwürstchen und Wein verprassen. Vorher gab es aber noch eine besondere Zeremonie: der ehemalige Bürgermeister Roland Schäfer erhielt mit einer originalgetreuen Armilla eine fast echte römische Auszeichnung für verdiente Soldaten. Eine Wertschätzung für sein jahrelanges Engagement für den Römerpark. Auch eines verstorbenen Mitstreiters gedachten die Soldaten, bevor sie in Reih und Glied wieder abmarschierten.

Antreten zum Wachdienst auf der Lagermauer.

Nicht alle konnten sich danach erholen. Manche mussten zum Wachdienst auf der Mauer antreten. Andere präsentierten ihre Ausrüstung und erläuterten, was sich hinter den einzelnen Abzeichen verbarg. Denn schließlich waren auch einige Besucher gekommen, um alles über das Römerlager, den Nachbau der Holz-Erde-Mauer und die römischen Legionäre zu erfahren. Das freute nicht nur Museumsleiter Marc Schrader. Auch das gesamte Team der Ehrenamtlichen war froh, wieder in die Rolle als römische Statisten schlüpfen zu dürfen. „Ohne das große Engagement jedes einzelnen wäre das alles hier gar nicht möglich“, betont Schrader. Auch das nicht, was an den kommenden Wochenende geplant ist. Am Handwerkerunterstand können die Besucher beobachten, wie die einzelnen Bauteile für eine Erweiterung der Mauer samt Tor entstehen und welche Werkszeuge dafür schon in der Antike verwendet wurden. „Wir wollen die Lebendigkeit nach der langen Corona-Durststrecke zurück an diesen Ort holen.“

Das ist am Samstag schon einmal eindrucksvoll gelungen. Wer will, kann sich davon demnächst wieder samstags und sonntags von jeweils 12 bis 17 Uhr überzeugen – bis zum Saisonende am 30. Oktober, sofern nicht weitere Covid-Mutanten dazwischen kommen.




Kochendheißes Kulturpicknick mit hypnotischen Überraschungen

Hoch her ging es auf der Bühne mit den „Awesome Scampis“, Feuerwerken, Wellensittichen und Taubenjagd.

Wellensittiche auf der Bühne, kleine Bengalische Feuer, Luftschlangen-Feuerwerke aus Papier und hypnotisierte Orchester: Das kulturelle Erwachen aus der Corona-Stille war in Bergkamen am Freitag im wahrsten Sinne belebend. Vor der Kulisse der römischen Lagerumwehrung machte sich auf dem maskengeschützten Mikrokosmos der Picknickdecken ebenso große Euphorie breit wie auf der Bühne. Endlich wieder Live-Musik und Input für die entwöhnte Kultur-Seele.

Huch, das ist aber laut: Die kleinsten Zuschauer kennen Livemusik nach monatelanger Coronastille fast gar nicht mehr.

Das müssen alle nach Monaten der Entbehrung erst wieder lernen. Mancher sehr kleine Zuschauer war regelrecht erschüttert, was dort alles aus Lautsprechern kommen kann. Ameisen und andere hartnäckige Insekten fielen begeistert über die endlich wieder massig auf einem Fleck zur Verfügung stehende menschliche Nahrung her. Die Akteure schienen manchmal fast überrascht, dass dort vor ihnen nicht virtuelle, sondern echte Zuschauer saßen.

 

Sexy Trompetensolo mit unmissverständlichen Hinweisen.

Neun Monate lang hatten die „Awesome Scampis“ als Lokalmatadoren mit 250 Auftritten im In- und Ausland überhaupt kein Publikum mehr zu Gesicht bekommen. „Sorry, für müssen uns erst wieder daran gewöhnen“, hieß es deshalb öfter mal entschuldigend. Etwa wenn spontan zur Laola-Welle aufgerufen wurde und alle Beteiligten leicht erschrocken wirkten. Oder wenn das eigentlich zum lauten Mitgrölen konzipierte Lied kurzerhand zum Mitsummen umfunktioniert wird, weil ja eigentlich immer noch die AHA-Regeln gelten.

Spaß hatten sie jedenfalls alle, die acht Musiker auf der Bühne und alle drumherum. Oben gab es Apfelsaft aus der Picknick-Tüte, unten mitgebrachte Oliven, Käsehäppchen und ein laufwarmes Gläschen Wein im subtropischen Ambiente. „Es fühlt sich so gut an, dass endlich wieder was geht“, jubelte die Band und das Publikum geschlossen mit ihr. Die Luft flimmerte nicht nur im Songtext auf der Bühne, wo ein sexy Trompetensolo von verbalen Feuerreifen abgelöst wurde und auch der „Schrei nach Liebe“ nicht fehlen durfte. Ein neuer Song war auch dabei und entführte zu „Omma in der Küche“ mit wenig jugendfreien Szenarien. Quarantänegesichter zum Mitsummen gab es, statt Aufstehen war Hinsetzen gefragt und die Zugabe selbstverständlich auch noch.

Hynpnose mit coronokonformem Handauflegen.

Improvisieren musste auch Aaron, der Hypnotiseur im zweiten Teil des Kulturpicknicks. Die klassische Hand zum Auflegen war coronabedingt an den Abstandshalter gebastelt. Für die vielen Freiwilligen reichten die in Abständen aufgebauten Stühle kaum. Einige erwiesen sich auch als resistent gegen jede verbal herbeigeflüsterte Aufforderung, die eigenen Füße, Hände, Augenlieder und schließlich den dringenden Wunsch nach Schlaf zu verspüren. Andere entglitten schnurstracks in andere Welten, richteten sich auf Befehl auf, winkten auf Kommando kollektiv und stimmten als gemeinsames Orchester schwungvoll das eigene Lieblingsinstrument an, auch wenn es real gar nicht vorhanden war.

Fast wie schön wie in Rom: Neben dem römischen Militärlager war die Stimmung bei Mittelmeertemperaturen mehr als gelassen.

Alle Picknick-Decken waren vergeben, auch wenn einige wenige Zuschauer den Weg hitzebedingt dann doch nicht angetreten hatten. Ein gleichnamiger Lebensmittellieferant hatte für jede Decke eine Survival-Tüte vorbereitet. Und das angekündigte Gewitter machte freundlicherweise einen großen Bogen um den Wald am Römerpark. So konnten alle dieses erste von drei geplanten Picknicks mit Kultur restlos genießen. Und hoffen, dass es in diesem Jahr nicht schon nach zwei Veranstaltungen wieder den nächsten Lockdown gibt.

 




Mit einem kolossalen Klangkosmos die Rückkehr zur kulturellen Normalität feiern

„Tamala“ als Reisende der Weltmusik in Aktion im Trauzimmer.

Allein das Kissen mit den vielen „Nebeninstrumenten“ war Weltmusik pur. Rasseln, Ketten, Schalen, winzig kleine Gitarren: Pure Exotik lag bereit für den Auftritt von „Tamala“ im Trauzimmer der Marina Rünthe. Was Stegharfen Unglaubliches aus ihrem Innersten nach Außen tragen können, wie ein Instrument mit nur einer Saite Gänsehaut erzeugt und eine Stimme mühelos weit über den Kanal hinaus von fernen Kulturen erzählen kann: All das steckte in nur einer Stunde voller Sehnsucht.

Mitreisende Musik bot das Trio.

Eine gefühlte Ewigkeit war es im Trauzimmer unerträglich still geblieben. Am Montag kam er endlich mit voller Wucht zurück: Der Klangkosmos sorgte dafür, dass Menschen überrascht im Vorbeiflanieren innehielten, stehen blieben und feuchte Augen bekamen. Das lag nicht nur am monatelangen Kulturentzug. Die Musik von „Tamala“ kam ganz tief aus dem Innersten, randvoll mit Exotik, Tradition, Erinnerungen, Zukunft, Hoffnung und Schmerz. Interpretiert von einer unfassbar kraftvollen Stimme und faszinierenden Instrumenten.

Exotische Instrumente Kamen zum Einsatz.

Senegal und Belgien steckten in dem Trio – musikalisch und kulturell. Eine spannende Mischung, die ganz Neues entstehen ließ. Klänge, die dem Ohr bekannt vorkamen und im nächsten Moment in völlig Unbekanntes abschweiften. Fühlte man sich gerade noch auf sicherem Terrain, wartete die Überraschung schon mit der nächsten Note. In jedem Stück kam ein neues Instrument zum Einsatz, dessen Namen unaussprechlich ist. Xalam, Cora: Sie alle zauberten Klänge hervor, die den Gesang von Mola Sylla mühelos aus den weit geöffneten Türen des Trauzimmers hinaustrugen. Ein Sänger mit beeindruckender Kraft, der als „kreativster Sänger des Senegals“ gehandelt wird und dessen eindringliche Tiefe unmittelbar einem Werner-Herzog-Film entsprungen zu sein scheint.

Gute Laune kam nicht nur in den Gesichtern der Akteure zur Geltung.

Da waren „Schlaflieder“ dabei, die von Sehnsucht erzählten. Stücke über starke Frauen und über Männer, die mit einer Schule im Sengal nicht nur Bildungsarbeit etablieren. Auch von der Religion erzählte ein heiteres Lied: Jesus gibt es überall und eigentlich ist auch sonst fast alles gleich, behauptet das Stück verschmitzt mit einem Augenzwinkern, das manchem politischen Konflikt gut täte. Das Trio macht also nicht nur Herzblutmusik, es transportiert auch eine kleine Mission ganz unaufgeregt. Mit Instrumenten, die im Übrigen auch selbst gebaut sind.

Besser hätte es also nicht kommen können nach einer schmerzlichen kulturellen Durststrecke. Musik, die keiner der gut 20 Anwesenden so schnell wieder vergessen wird. Mit Geschichten, die nachwirken. Umjubelt und beklatscht nach jedem einzelnen Stück.




Mit Tina Teubner einfach mal lustvoll die Revolution im Lockdown wagen

Mit einem kulturellen Kraftpaket in den nächsten Lockdown: Tina Teubner mit Pianist

Gute Laune nicht nur gegen Nörgelstimmen.

Zum Glück hat sie hemmungslos gelogen. „Willkommen zum Feuerwerk der schlechten Laune“, begrüßte Tina Teubner die Bergkamener zum vorerst wieder letzten Comedy-Genuss im studio theater. Stattdessen gab es vor allem bissig Heiteres und süffig Musikalisches mit einer satten Priese Nachdenklichem und viel Wehmut. Alles nach dem Motto „Wenn Du mich verlässt komm ich mit“.

Wer weiß in diesen Zeiten schon, ob er überhaupt bis zum Ende bleiben darf – auf der Bühne und davor? Da findet auch eine routinierte Kabarettistin wie die Rheinländerin keine Pointen mehr vor lauter prekären Situationen. Es war dennoch wohltuend, nicht mit der neuesten Corona-Traurigkeit in den Abend zu starten. Einfach mal wohlstandsbadend zufrieden zu sein und den allgegenwärtigen „Nörgelstimmen“ in allen Bereichen den musikalischen Stinkefinger zeigen.

Auch an der Ukulele virtuos.

Dennoch bleiben mehr Fragen als Antworten. Angefangen vom essgestörten Baby bis zur gestressten Mutter, die zum Glück verpflichtet ist. Das Pränatal-Ballett mit einem heulenden Pianisten machte Laune. Der verbale Ausflug in den rundum optimierten Alltag mit Massenachtsamkeit umso mehr. „Wäre eine Revolution nicht viel schöner?“, fragt Tina Teubner süffisant mit Blick auf den meditierenden Manager. Ein schöner Ausblick. Also: „Wir wollen fröhlich sein“ in unserem chronischen Hang zur Traurigkeit. Mit der ausdrücklichen Aufforderung, wenigstens in der Pause mal jemanden niederzubrülllen.

Und sogar die singende Säge gehorcht Tina Teubner.

Die gerade einmal 70 Zuschauer brüllten zwar nicht, sie gaben sich aber alle Mühe, den Applaus in stattliche Höhen anschwellen zu lassen. Schließlich gab es nicht nur erstklassig ironischen Humor, sondern auch wunderbare Musik. Tina Teubner ist nebenbei noch ausgebildete Musikerin und beherrschte die Geige ebenso gekonnt wie die Ukulele und die singende Geige. Musizieren als Schule der Empfindsamkeit gegen eine Realität, in der 8 Menschen so viel besitzen wie 3 Milliarden im ärmsten Teil der Welt. Kriege gab es schon für nichtigere Anlässe, gab Tina Teubner zu bedenken und nahm unsere leicht verrutschten Werte unter die Lupe. Vor Flüchtlingen an EU-Außengrenzen und hinwegschrumpelnder Umwelt halten wir unsere selbstgemachten Marmeladen samt Pürrierstab und die Wahl der richtigen Autofarbe hoch.

Musste als Erziehungsbedürftiger herhalten: Pianist Ben als schreiendes Baby.

Die Unsichtbarkeit über 50, der Niedergang musikalischer Werte mit einer Klingelton-Rhapsodie, energiestrotzende Lofoten-Rentnergenerationen, „die es richten könnten und dem Wahnsinn ein Ende gebieten“ statt immer schön auf der mittleren Spur bei Rot über die Ampeln spurten. „Es wird Zeit, genauer hinzusehen, seine Meinung zu vertreten, im begrenzten Glück baden zu gehen!“ Es war eine wahre Freude, Tina Teubner und ihrem Pianisten Ben in beglückende musikalische Poesien mit Tiefsinn zu folgen. Denn: „Wir haben vergessen, wie entsetzlich profan Glück sein kann.“

Hoffentlich nehmen sie viele beim Weg in den nächsten Lockdown beim Wort und riskieren die „Revolution der Lust, Mündigkeit und Poesie“. Auch dafür gab es zum Schluss Dauerapplaus. Der war sicherlich auch als kleine Kraftspende gedacht, denn gerade der Kultur droht jetzt erst recht eine kapitale Krise. Das kulturelle Kraftpaket Tina Teubner haben alle jedenfalls dankbar aufgesaugt als Reserve für die jetzt wieder dürren Kulturzeiten. DANKE!




Kunst als Nahrung für das Innenleben mit „inside out“

Geometrien, die in den Raum wachsen: Auch das ist „inside out“.

 

Landschaft oder doch nicht? Genau hinschauen ist gefragt.

Ist es nun eine Landschaft oder ein komplett verwischtes EKG, in dem sich der Raum mit allen Menschen und Masken spiegelt? Die Formen darauf scheinen sich wie Windräder in den Raum zu drehen. Die gesamte Szenerie verändert sich beim nächsten näheren Hinschauen schon wieder. Nichts, was der Betrachter am Sonntag zu sehen meinte, blieb das, was es schien. „Inside out“ war mehr als nur der Titel der ersten Ausstellungseröffnung in der sohle 1 seit Corona. Es war ein Versprechen, das eingehalten wurde.

Bürgermeister Roland Schäfer bei seiner letzten Ausstellungseröffnung – „mit ein bisschen Wehmut“.

Besonderheiten hat die sohle 1 seit Sonntag aber noch weit mehr zu bieten. Es war die letzte Ausstellungseröffnung für Roland Schäfer als Bürgermeister, nicht aber als kunstbegeisterte Person: „Ich werde mich auch weiter der Kunst eng verbunden fühlen“, versicherte er. Mit den beiden Künstlern präsentiert die Galerie auch eine „besondere Zusammenarbeit“, so Schäfer. Denn sämtliche Werke von Annette Riemann und Magnus von Stetten treten in den Dialog, sind aufeinander bezogen. Und es gibt in diesem Corona-Jahr erstmals viel weniger Wechselausstellungen als das sonst übliche halbe Dutzend – ausgerechnet im Jubiläumsjahr als älteste kommunale Galerie. Dass es diese Ausstellung überhaupt gibt, ist der kollektiven Überzeugung geschuldet, „dass wir das Leben nicht komplett zum Stillstand bringen wollen“, so Schäfer.

Dr. Ellen Markgraf erläutert engagiert, was sie hinter der Kunst sieht.

Dr. Ellen Markgraf übernahm als Kunsthistorikerin, was den meisten nicht auf Anhieb gelang: Sie fasste in Worte, was Auge und Gehirn beim Betrachten erlebten. Denn hier treten ausnahmslos die inneren Bilder nach außen in den Reflexionen, den dreidimensionalen Formen und Assoziationen. Was auf den ersten Blick als Fotografie daherkommt, sind bei Annette Riemann zusätzlich Farben auf Fotopapier. Da wächst das Quadrat bei Magnus von Stetten in den Raum, verursacht einen Sog und wird nahtlos vom benachbarten Bild mit seinen Horizontlinien aufgenommen, um auf das nächste Bild von Annette Riemann weitergeleitet zu werden und sich damit regelrecht in eine Raumskulptur zu verwandeln. Wer hier meint, Traditionelles in der Natur zu entdecken, wir mit den Geometrien in die Technologien der Zukunft gezogen, begleitet von den Lichtreflexionen des gegenwärtigen Raums.

Wer sich darauf einlässt, kann regelrecht in der Ausstellung versinken.

Also auch ein Spiel mit den Zeiten und Bewusstseinsebenen, auf das sich jeder einlassen kann. Ganz nebenbei auch für die Kunstexpertin ein „mutgebender Impuls“, denn die Kultur leidet gerade besonders unter Corona. Und natürlich auch „Nahrung für das eigene Innere“, indem sich das Äußere der Kunst öffnet und sein Innenleben freilässt. Zu erleben noch bis zum 8. November, Corona zum Trotz.

 




Mit Florian Schroeder die Welt minimal als „Neustart“ verrücken

Florian Schroeder hielt im studio theater beim „Neustart“ unerbittlich den Finger auf manche moralische und gesellschaftliche Wunde.

Ist das noch Satire? Oder ist Florian Schroeder ein philosophierender Psychologe, der die hegelsche Dialektik mit Konfrontationstherapie in ein Bühnenprogramm verwandelt? Er hofft jedenfalls unerschütterlich auf die moralisch-mentale Heilung einer von Viren, Diktatoren, Migrationsfluten und selbstgebastelten Wahrheiten leicht verrutschten Welt. Auch in Bergkamen, wo ein „Neustart“ nach der Corona-Pause bitter nötig war. Der Titel von Schroeders neuem Programm war deshalb mehr als perfekt. Und seine Botschaft vielleicht auch.

Tja, so sieht sie nunmal aus, die Wahrheit: Florian Schroeder kann womöglich auch nichts dafür.

Der Weg dorthin war allerdings mehr als schmerzhaft. Gelegentlich wussten die virusbedingt mit Sicherheitsabständen platzierten Zuschauer im studio theater nicht so genau, ob das nun zum Lachen war, was der Berliner dort verbal aus dem dialektischen Hut zauberte, oder doch eher zum Heulen. Nichts soll so sein wie vor Corona, aber eigentlich soll sich auch nichts ändern. Der Messias kommt, oder auch nicht. Wer dachte, moralisch und dialektisch besser gewappnet zu sein als die Querdenker auf der Demo der Coronaleugner, die Florian Schroeder unlängst ratlos zurückgelassen hatte, der hatte sich getäuscht. Auf die gleichen Fragen fehlten auch den Bergkamenern in der direkten Konfrontation schlicht die Antworten oder auch nur ein Weg dorthin.

Zauderndes Applaudieren dort, wo es vom Damaskus-Erlebnis nahtlos von den en vogue-Beispielen und der aktuell gefährlichen Tasse Tee nach Analogistan und zur Urteilskraft der im Glasfaserkabel versackten Bildung ging. Virologen-Gurus hielt Schroeder ebenso ihre eigene Widersprüchlichkeit vor Augen wie den Corona-Leugnern. Digitale Testergebnisse gingen mit dem Telefonhörer auf abstruse Reisen und die propagierte Achtsamkeit verwandelte sich in gefährliche Blockwart-Moral.

Launig entblößten sich bei „Markus Lanz“ die parodierten Gäste.

Weil aber auch die Bergkamener ein bisschen traumatisiert sind, ging Schroeder bald in die leichter verdaulichen gesellschaftlichen Sphären über. Männer waren da die wahren Opfer der Gegenwart, ein wenig bipolar vor allem im verqueren Paardialog oder mit der ökologisch korrekten Lastenkarre vor der Elterninitiativen-Kita, wo es am Ende dann doch nicht den diversen schwulen Erzieher of colour mit Wickelverbot gab. Auch als Markus Lanz ging er launig durch den Gegenwartswahnsinn der Lauterbachs und Laschets und ließ seinem parodistischen Talent freien Lauf.

Die Pause lüftete nicht nur das studio theater, sondern auch die mit dem Neustart sichtlich verjüngten Köpfe der Besucher. Jetzt waren alle bereit für die bittere Wahrheit: Es gibt keine Helden mehr. Von Kant über Hegel bis Hoeneß haben sie alle zum Teil heftigen Dreck am Stecken. Ob wir nun wirklich mit Hirschhausen, Wohlleben und Grönemeyer weiter durch die Krise und eine bittere Zukunft mit künstlicher Intelligenz in ein Zeitalter der Desinformation schleudern müssen? Ob wir am Ende Kutscher oder Pferd sind, als kritiklose Sklaven der Technik nur noch einfache Antworten verarbeiten können und von Kabarettisten-Virologen gelenkt werden, um schlussendlich von Bill Gates endlich das Windows-Update implantiert zu bekommen, sei dahingestellt.

Auch ein Profi braucht beim Start eines neuen Programms ein paar Gedankenstützen – ganz und gar analog.

Schroeders Forderung nach Meinungspflicht war vielleicht sogar ernst gemeint. Man weiß es nicht so genau. Was nun Wahrheit und was Wahnsinn ist, ließ er ebenso im Wagen. „Ich bin nur der Spieler, der die Masken aufsetzt“ – als moralisch-philosophische Immunisierung gegen die absolute Wahrheit. Eins jedenfalls steht fest: „Wir leben in einer Zeit des Endes der alten Gewohnheiten.“ Und: „Wir müssen die Welt minimal verrücken, um nicht an ihr verrückt zu werden.“

Der zögernde Applaus hatte sich da längst in tosenden verwandelt – so weit die großen Abstände das zuließen. Diverse Zugaben mussten her und natürlich noch eine ausgiebige Parodie-Jukebox. Mitnehmen konnte jeder ein stattliches Rüstzeug gegen das, was Corona und der Wahnsinn der Welt noch für uns bereithalten werden.




Beim Picknick-Konzert mit zitternden Fingern ganz neue Kultur-Perspektive erobern

Spaß hatten die Besucher bei beim Picknick-Konzert mit Kulturgenuss unter freiem Himmel.

Ungewohnte Kulisse für Straßenmusiker „Radiolukas“.

Da gehorchen die Finger auch beim besten Pianisten nicht mehr in außergewöhnlichen Zeiten. Radiolukas war und ist Straßenmusiker und kennt die Performance unter freiem Himmel. Dass ihm dabei allerdings ausnahmslos alle andächtig zuhören, brachte ihn am Freitag kurzfristig aus der Bahn. Denn beim 2. Picknick-Konzert im Römerpark war nicht nur der Hunger nach leckeren Picknick-Snacks groß. Auf den Picknick-Decken hatte sich auch eine immense Sehnsucht nach guter Kultur in dörren Corona-Zeiten angesammelt.

Radiolukas in Aktion.

Dass der Mann am Klavier angeblich 13 Mal hintereinander danebengegriffen und einen neuen persönlichen Fehlerrekord aufgestellt hatte, bemerkte garantiert niemand. Viel zu groß war die Freude, endlich mal wieder Live-Musik von einem echten Musiker aus Fleisch und Blut zu hören. Richtig gut war beides ganz nebenbei auch noch. Zusätzlich schmeckten die gesponserten Snacks zusammen mit den in Einkaufskarren oder Körben mitgebrachten Leckereien vorzüglich. Und das letzte Augustwochenende entpuppte sich anders als prognostiziert zudem als außerordentlich lauschig. So streckten sich die meisten entspannt ganz ohne Mundschutz auf ihren Decken aus und ließen es sich einfach nur gut gehen.

Beste Picknickstimmung auch auf den weiter entfernten Decken im Römperpark.

Das war auch nicht schwer, zumal Radiolukas nach den anfänglichen Irritationen durchweg echten Ohrenschmaus auch in die weiter entfernte Picknickecken schickte. Elton John, Billy Joel, Simon & Garfunkel, John Lennon: Es war eine zauberhafte Reise durch die Rock- und Popmusik, garniert mit melancholischen Eigenkompositionen. Wer es sich jetzt allzu bequem gemacht hatte, der saß nach gut einer Stunde schnell wieder senkrecht auf den karierten Decken. Denn Quichotte war zwar irgendwann einmal angeblich Lehrer. Was er begleitet von der Gitarre und selbst getunten Digitalsounds in Worte fasste, war dann aber ganz und gar nicht mehr pädagogisch.

„Quichotte“ holte Bitterböses aus dem Picknick-Korb.

Der Vater mit dem tätowierten Namen des Sohns auf dem Arm bekam ebenso sein Fett weg wie die die Generation der Mitdreißiger, die schnell noch ein Kind bekommt und sich dann über das Kümmernmüssen wundert. Bitterböse ging Quichotte ins Gericht mit den aktuellen Phänomenen, wenn er „gebt die Kinder ins Heim“ sang, Killer-Country-Karsten ins Rennen schickte oder sich selbst und die verpassten Chancen mit sarkastischem Rap bedachte. Launig ging es beim improvisierten Rap zu, der spontan aus zugerufenen Worten wie Kreißsaal und Kastration zu überraschenden Reimen zusammengeschustert wurde. Ein Feuerwerk aus Pointen, das meist unverhofft aus der Hüfte auf die Zuschauer abgefeuert wurde, die ihre sichtliche Freude daran hatten.

Volle Hingabe nicht nur an der Gitarre.

Da hatte sich allerdings bereits der Herbst zu Wort gemeldet und war über die klamme Picknickdecke ungemütlich in anfällige Körperregionen gekrochen. Damit war die unschöne Realität leider wieder allzu präsent, nämlich dass der Sommer zu Ende geht und mit ihm auch die Möglichkeit für einigermaßen unbeschwerten Kulturgenuss unter freiem Himmel. Damit werden auch die wenigen Auftrittschancen für Künstler wieder rarer. Hinter denen, darauf wies Quichotte ebenfalls diesmal sehr ernst hin – stehen unzählige Menschen in der Technik und anderen Gewerben, die gerade mehr als ums Überleben kämpfen.