„Die letzten Heuler“: Musikfilm „Astoria“ feiert Premiere

Die Schauspieler*innen des Musikfilms Astoria. Foto: Privat

Der Musikfilm ‚Astoria‘, den der Kamener Chor ‚Die letzten Heuler‘ produziert hat, ist fertig und erlebt bald seine Premiere. In Anwesenheit der Schauspieler, des Regisseurs und des Film- und Ton-Teams wird er am 12. Februar ab 20 Uhr am Ort seiner Entstehung, in der Ökologiestation in Bergkamen-Heil, gezeigt. Im ersten Teil des Programms werden die ‚Heuler‘ und die Combo ‚Die wilde 7‘ live den zweiten Teil ihres ‚jung und wild‘ Konzertes vom 31. Oktober letzten Jahres musizieren. Nach der Pause wird dann der 42-minütige Musikfilm gezeigt, dessen Produktion mehr als 16.000 Euro gekostet hat und der nur mit Hilfe großzügiger Sponsoren und erheblich reduzierter ‚Freundschaftsgagen‘ der bekannten Schauspieler möglich wurde.

Corona verlangt dabei besondere Vorsichtsmaßnahmen: Nur bis zu 70 Personen auf mit Abstand angeordneten Sitzplätzen dürfen an der Premiere teilnehmen. Die Veranstaltung findet unter 2 G+ – Regeln statt (FFP2-Masken bis zum Platz). Wenn die am 9.2. zu erwartende neue Coronaschutzverordnung eine solche Veranstaltung nicht zulässt, wird sie kurzfristig auf einen späteren Termin verschoben. Die Anmeldungen für ein Ticket zu 15 Euro erfolgen direkt (online oder telefonisch) und verbindlich bei folgender Ansprechpartnerin: Sandrine Seth 0 23 89 – 98 09 11 oder umweltzentrum_westfalen@t-online.de

Dort werden auch die Kontaktdaten aufgenommen, nicht zuletzt, damit eine Benachrichtigung bei Verlegung kurzfristig möglich ist. Die Buchungen erfolgen in der Reihenfolge des Eingangs, die Zahlung für die Tickets wird aber erst an der Abendkasse geleistet.




Blues, Boogie und Rock’n Roll beim Sparkassen Grand Jam

Nachdem der Januar ohne feine Live- Musik für die Fans des Sparkassen Grand Jam Bergkamen verkraftet werden musste, geht es am 2. Februar 2022 wieder los. In der beliebten Konzertreihe im Thorheim stehen dann, mit Roger Wade und Till Seidel, zwei der führenden Blues Musiker Deutschlands auf der Bühne. In den letzten 25 Jahren hat sich Roger C. Wade (harp/Gesang) als herausragender Mundharmonikaspieler unter den Bluestraditionalisten etabliert. Sein ebenso kraftvoller wie sensibler Stil, eindringliches Bluesfeeling, gepaart mit einem gesunden Maß an Virtuosität,begeistern den Bluesspezialisten und das Partypublikum gleichermaßen.

Mit 14 Jahren griff Till Seidel erstmals zur Gitarre. Zunächst war es vorwiegend Musik der härteren Gangart. Später galt die Musik von Howlin‘ Wolf, Muddy Waters, Little Walter für ihn wie eine Offenbarung.Präsentieren werden sie eine frische Mischung aus traditionellem Blues, Boogie und Rock
‘n Roll, Klassiker aus den 40ern und 50ern oder Rock ́N Roll aus den 60ern. Was die Konzerte von Roger and Till auszeichnet, ist ihre unglaubliche Spielfreude. Sie schaffen es blitzschnell, dieses so ganz besondere Flair der Livemusik ihrem Publikum nahe zu bringen. Niemanden hält es bei ihren Auftritten ruhig auf den Stühlen. Beide zeichnen sich durch eine erstklassige Gesangsstimme aus. Ihre Qualitäten als Instrumentalisten stehen dem in nichts nach. Roger and Till sind Garanten für einen ebenso kurzweiligen wie begeisternden Livemusik Abend.

Roger Wade ist zudem die treibende Kraft hinter der CD „Lockdown Sessions“ (Unter dem Label: CrossCut Records). Wegen der globalen Pandemie durften auch Bluesmusiker nicht auftreten. Daher kamen einige der weltbesten Bluesmusiker virtuell zusammen, um eine außergewöhnliche Doppel-CD aufzunehmen. Mit dabei waren 32 Musiker, von Abi Wallenstein bis Victor Puertas. 25 Titel wurden eingespielt. Diese CD war so erfolgreich und
außergewöhnlich, dass sie sogar im „Haus der Geschichte“ einen Platz gefunden hat.

Sparkassen Grand Jam
Roger and Till
MI, 02.02.2022 / 20.00 Uhr
Thorheim, Landwehrstraße 160, Bergkamen
Tickets: VVK: 14 € (erm.11 €) AK: 16 € (erm.13 €)
Kartenvorbestellungen und weitere Infos unter: 02307/ 965 300 oder k.petersdorf@bergkamen.de

Die Zahl der Besucher ist auf 80 Personen festgelegt. Am Veranstaltungsort gilt die 2G+ Regel. Das Tragen einer Maske am Sitzplatz wird empfohlen.




„mittwochsMix“ mit Andrea Bongers wird auf September verschoben

Für den 9. Februar 2022 war in der Reihe „mittwochsMix“ ein Abend mit Andrea Bongers geplant. Diese Veranstaltung wird verschoben. Doch der neue Termin steht schon fest: Am Mittwoch, 21. September 2022, wird die Veranstaltung mit Andrea Bongers nachgeholt.




Bergkamen aus der Sicht von Zeichnern

Bergkamen soll sich zu einem Standort für die Urban Sketchers Bewegung entwickeln. Deshalb plant die Jugendkunstschule Bergkamen regelmäßige Zeichentreffen mit dem Dortmunder Künstler und Dozenten Guido Wessel. Er wird ab dem 9. Februar jeden Mittwoch um 17.30 bis19.30 Uhr mit
Interessierten am ZOB (ZentralenOmnibusBahnhof) Bergkamen starten, um persönliche Ansichten von Bergkamen zeichnerisch zu dokumentieren.
Urban Sketchers ist eine international agierende Community, die seit 2007 aktiv ist. Urban Sketchers ist ein Netzwerk von Menschen, die die Städte, in denen sie leben und zu denen sie reisen, zeichnen. Die Bilder werden möglichst online veröffentlicht. So entsteht mit jeder Zeichnung ein neues Bild der Welt aus Sicht der Zeichnerin oder des Zeichners.

Guido Wessel wird ab dem 9. Februar jeden Mittwoch um 17.30 bis19.30 Uhr mit Interessierten am ZOB (ZentralenOmnibusBahnhof) Bergkamen starten, um persönliche Ansichten von Bergkamen zeichnerisch zu dokumentieren. Foto: Stadt Bergkamen

Jeder kann mitmachen, egal ob mit Vorerfahrungen oder ohne. Auch Bergkamen soll ein Standort für Urban Sketchers werden. Deshalb wird Guido Wessel in Zusammenarbeit mit der Jugendkunstschule ab Februar regelmäßig zu den offenen und kostenlosen Zeichentreffs einladen. Darüber hinaus wird Guido Wessel Workshops zur zum Schreibzeichnen anbieten, einer Methode für den neuen Spaß am Zeichnen. Diese Methode hat sich aus dem Urban Sketching entwickelt undbildet einen lockeren Einstieg in die Welt des Skizzierens. Die ersten Schreibzeichnen Workshops finden sonntags von 14:00 bis 16.30 Uhr statt am 6. März, 3. April und am 15. Mai. Das Teilnehmerentgelt für die Schreibzeichnen Workshops beträgt 10,00 Euro.

Für beide Angebote sollten die Teilnehmenden handliches Zeichenmaterial mitbringen wie Skizzenblock oder Skizzenbuch. Zum Zeichnen selbst reichen etwa Bleistifte oder Füller. Praktisch ist auch ein Klapphocker.Für weitere Informationen steht die Jugendkunstschule unter der Telefonnummer 02307 288848 oder per Email unter jugendkunstschule@bergkamen.de zur Verfügung.




Adventskranz leuchtet wieder im Rathausquartier

Toller Anblick: Das Rathaus als Lichtinstallation.

Kerzen, Orangenschalen, hübsche Accessoires und bunte Farben: In Bergkamen gibt es den Adventskranz frei Haus. Aufwändig basteln und etwas tiefer in die Tasche greifen mussten andere dafür, damit für jeden auf dem Weg zum Weihnachtsabend eine neue Kerze brennt – freiwillig. Denn schon im vergangenen Jahr sorgte die ungewöhnliche Lichtinstallation am und rund um das Rathaus dafür, dass die wieder heftigeren Corona-Sorgen wenigstens ein wenig abgelenkt wurden.

Lichter flammen choreographiert in den Rathausbüros neben dem illuminierten Baum auf.

Unzählige Lichter und eine komplette Choreographie tauchen das Rathaus, den Ratstrakt, den Busbahnhof, das Stadtfenster mit der Sparkasse, die Seilscheibe und Bäume in ein strahlendes Lichtermeer, sobald die Dunkelheit da ist. 66 Lampen leuchten allein in den Rathausbüros abwechselnd auf: Die digitalen Signale kommen vom Schaltpult. 350 Meter lang sind die Lichterketten, die sich an den Fassaden der Rathausgebäude entlangschlängeln, allein 30.000 LED-Lämpchen glühen hier an den Lichterketten.

Der Busbahnhof trägt die Adventskerzen auf dem Dach.

Am Busbahnhof bilden die Pylonen wieder stilisierte Adventskerzen, in der Mitte glüht ein Kranz. Die Busse und Autos kreisen wie eine Spielzeugbahn drumherum. Orange flammt die Seilscheibe auf und erinnert an eine halbe Orangenscheibe. Jeder, der Lust hat, kann jetzt tagtäglich mitten hindurch spazieren durch den begehbaren Adventskranz und aus jedem Winkel eine andere Perspektive entdecken.

Die Seilscheibe macht sich gut als Orangenscheibe.

Die Anziehungskraft ist jedenfalls magisch. Wer eigentlich auf den Bus wartet, erkundet jetzt neugierig alles, was hier leuchtet und läuft mindestens einmal um die Installation herum. Kinder fassen fasziniert die Betonwellen an, auf denen Lichterschnee rieselt. Passanten bleiben stehen und verfolgen verdutzt, wie sich Weihnachtsgrüße Zeile für Zeile in allen erdenklichen Straßen auf der Rathausfassade aus Lichtstrahlen formieren.

Weihnachtsgrüße gehören auch wieder dazu – in allen Sprachen.

So kommt doch wieder ein wenig Licht in das zunehmende Pandemie-Dunkel. Und der abendliche Spaziergang dürfte für viele jetzt obligatorisch sein. Die Jugend hat das Lichtermeer längst für sich entdeckt und verabredet sich mit und ohne Fahrräder, um sich hier oftmals spektakulär in Szene zu setzen. Ganz im Sinne der Initiatoren von Sparkasse, Stadtmarketing und Kultur aus dem Rathaus und der Firma „SmartLite“ aus Kamen mit der Technik.

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Wo Dogensuppe mit Einlage Worte mit Schall und Rauch hinterlässt

Kurz mal Luftholen vor dem nächsten verbalen Angriff: Jochen Malmsheimer.

Wortakrobatik ist noch eine fast despektierliche Verniedlichung. Das, was Jochen Malmsheimer dort beim Kabarett im studio theater am Donnerstag zelebrierte, spottet wortwörtlich jeder Beschreibung und passt in kein Genre. Schon der Versuch, die Explosionen aus Stimme, Tonalität und Sprachorgiastik gleichzeitig zu verarbeiten, musste im Ansatz scheitern. Dabei nahm das regionale Kabarett-Urgestein seine Zuhörer eigentlich nur mit auf eine Busreise – als „Dogensuppe Herzogin – ein Austopf mit Einlage“ getarnt.

Dieses Buch hatte es in sich.

Die Reise begann auf dem Tanzboden der männlichen Eherealität in Person der Gattin, machte atemlos Halt bei protestantisch unbeugsamen Knien, bebenden Brusteistüten im Konsum der Jugend und irrsinnigen Bildungstalkshows, um kartoffelsalatvergiftet im Literatur-Delirium zwischen Winne one, tou und three zu enden, umnebelt von Luthers Flatulenzen und Captain Ahabs Psychosen. Wie da noch die „Entidiotisierung der nationalen Jauche“ flankiert von Pegida als Abraumhalde enzyphaler Blödel reinpasste, bleibt das Geheimnis des Autors.

Wer es genau wissen will, braucht ohnehin das Buch, aus dem Jochen Malmsheimer erbarmungslos einen Pointe nach der anderen verbal hervorholte. War man gedanklich noch mit dem ersten, vornehmlich hochliterarisch angesiedelten Teilsatz beschäftigt, eilte er längst mit wehenden Wortfahnen uneinholbar voraus. Friedlich rezitierte er dabei am Pult, ohne auch nur hörbar Luft zu holen. Höchstens hob sich mal ein Arm oder verzog sich der bärtige Mund, während die Zunge scharfe Treffer im Publikum versenkte.

Kapitulation mit Kryostase und mehr

Sieht friedlich aus, ist aber mit bedrohlichen Wahrheiten gefüllt: Malmsheimer am gefürchteten Rezitationstisch.

Mancher kapitulierte schon früh mit Lachkrämpfen hinter den Gesichtsmasken, als es im jugendlich jubilierenden Zimt nicht beige genug auf die Reise ging, mit Kryostase im Luftstrahl der Klimaanlage und fremden jungen Lebensformen samt gedaumten Texten, die aus der Handy-Piepse zirpten. Bevor der Erstickungstod im Blasenmützenmoos drohte, holte der Meister jedoch jeden gnädig ab, der intellektuell oder physiologisch auf der Strecke blieb. Spontan ging es auf das griechische Kriegsschiff, bevor die Mitbussenden dem mit Bleistift 2B gefärbten Pubertierendenbart Auge in Auge mit Paulas engen Hosen ablösten und nahtlos in den Bildungskanon mit Multi-G und Kürbiskernen übergingen. Auf intellektuelle Orgien folgte immer auch ein leicht verdaulicher Schenkelklopfer oder auf normalem Comedy-Niveau angesiedeltes Appetithäppchen tollkühner Wortverdrehungen.

Ausholen für den nächsten Halt auf der Busreise durch den ganz normalen Wahnsinn.

Die Pause war eine Erlösung. Doch wer sich in Sicherheit wähnte, dem bereitete jetzt der Tupper-Exzess im Bus den Garaus. From Kriemhild with love kamen die Seitenhiebe auf das feierliche Urständfeiern der Nationalismen zwischen all den Helden der Literarischen Bildung. Ganz sicher kommt jeder nach diesem knapp überlebten Abend dem Wunsch von Jochen Malmsheimer nach und greift daheim nach einem echten Buch, sogar unter den Augen der konsternierten Kinder. Denn Bildung heilt, davon ist der Unverbesserliche einfach nicht abzubringen. Nicht ohne noch eine Prise seniler Trinität aus Amerika samt Entlastungstext für den Nahtfraß und unverständliches Geseim blitzbirniger Politclowns als Alternative für diskutanten Informationsverzicht anzubieten.

Natürlich applaudierten die Bergkamener Malmsheimer 2G-konform auf die Bühne für eine saftige Zungenbrecherzugabe zurück. Natürlich holte jeder heimlich das Wörterbuch hervor, um noch nie gehörte Ungetüme nachzuschlagen. Natürlich hallt Jochen Malmsheimer noch lange nach.




Endlich wieder Weihnachtsvarieté mit mutiger Akrobatik

Poetischer Tanz mit den Eisenring vom Profi.

„Ab jetzt ist aber Ruhe – absolute Ruhe!“, kämpft sich der Gruppenleiter durch das wilde Gerufe und Geschnäbbel seiner aufgeregten Gruppe. Die zieht gerade geschlossen vom Aufwärmen in der Turnhalle zum Hintereingang des studio theaters. Gleich geht es ins Scheinwerferlicht auf der Bühne. Für die meisten zum ersten Mal überhaupt. Zu lange musste das Weihnachtsvarieté auf seine 10. Auflage warten. Alle sind restlos aufgeregt.

Die Gruppen des „Balu“ zeigten eindrucksvoll, was sie können.

Seit der letzten Aufführung der kleinen und größeren Akrobatik-Künstler aus dem Balu im Jahr 2019 hat es längst viele Neuzugänge gegeben. Neue Gruppen wie die Trampolin-Truppe haben sich gegründet. Überhaupt konnten die gut 30 jungen Artistinnen und Artisten erst seit den Sommerferien wieder richtig trainieren. Davor wurde während der Lockdowns und Schließungen mit Video-Training improvisiert. „Das ging zwar auch irgendwie – nichts kann aber die Arbeit am Mann ersetzen“, sagt Aurel Islinger. „Es sind alle einfach nur froh, dass dieser Abend heute stattfinden konnte und alle zeigen durften, was sie können.“

Coole Akrobatik mit dem Diabolo und dem Licht.

Das ist vor allem angesichts der schwierigen Bedingungen unter Corona mehr als beeindruckend. Kein Wunder, dass Rainer Maria Rilke quasi Schirmherr des Abends wurde und seine Weisheiten das fröhliche Treiben auf der Bühne nur noch betonten. „Tu was du nicht kannst“, lautete das Motto. Mutig sein, das ausprobieren, was hinter Hürden der Angst scheinbar unerreichbar ist. Den Schrecken und den Respekt als Herausforderung sehen und einfach sein Ding machen: Viele berühmte Persönlichkeiten im Foyer zeigten mit ihren Lebensläufen in einer kleinen Ausstellung, dass dies immer wieder klappen kann. Albert Einstein, Nikolaus Kopernikus, Bob Beamon: Sie sind nur einige, die mit Mut und Entschlossenheit neue Wege geebnet haben.

Mutig ins Scheinwerferlicht

Ganz neu ist die Trampolingruppe im Balu. Sie zeigte zum ersten Mal, was sie gelernt hat.

Mutig war jeder einzelne, der am Samstag ins Scheinwerferlicht trat. Egal ob es die ganz kleinen waren, die entschlossen Anlauf nahmen und auf ausgestreckte Arme oder kopfüber ins Trampolin sprangen. Egal, ob es die „Neulinge“ waren, die sich mit dem Springseil über die Bühne katapultierten oder ob sich die „Profis“ von einem Arm in die Höhe stoßen ließen. Sie alle überwanden sich und die eine oder andere Hemmschwelle. Ein großes Strahlen lag auf jedem Gesicht, wenn die Landung sicher war und der Applaus riesig – selbst dann, wenn sich das Seilchen mal an den Füßen verheddert hatte oder das Gleichgewicht im Handstand auf den Händen der anderen nicht so lange hielt, wie es sollte.

Beeindruckende Körperkunst gab es mit preisgekrönter Akrobatik zum Abschluss.

Respektvollen Applaus gab es auch von den Profis. Die tanzten betörend und poetisch mit Stahlreifen, zauberten faszinierende Bilder mit den Diabolos in die Dunkelheit, verbogen ihre Körper auf magischen Würfeln, die sie dabei ganz nebenbei auch noch farblich in die die richtige Ordnung brachten. Oder sie zeigten Körperbeherrschung mit kraftvoller Akrobatik, die regelrecht sprachlos machte. Das alles humorvoll begleitet von Daniel Reinsberg, seiner Zauberkunst und seinen frechen Freunden, die tief aus seinem Bauch heraus zum Publikum sprachen. Ein fantastischer Abend, der manchen Erwachsenen inspirierte. „Ich trainiere jetzt ein Jahr, dann seht ihr mich auch auf der Bühne“, meinte ein beeindruckter Zuschauer und meinte es wohl nicht ganz so ernst.

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Im Kunst-Container Kultur berühren und den Ruf nach Wandel kreativ umsetzen

 

Baustellenkunst, entstanden aus dem Material des Abrisses.

Zwei von ihnen kamen jeden Tag vorbei. Mindestens zwei Jungs der sechs Kinder der Familie aus der City waren Stammgäste im Kunst-Container von Manfred Webel. Eigentlich sollten sie nur kurz nachschauen, ob es mit der Baustelle jetzt endlich losgeht. Dass dort Kunst drinsteckte im vermeintlichen Baustellencontainer, war eine Überraschung. Dass die reichlich Spaß macht, noch viel mehr.

Der Kunstcontainer an der Baustelle, mit einem Original-Einkaufswagen vom längst verschwundenen Wal Mart.

Die meisten der 158 Gäste, die spontan im Container-Atelier von Manfred Webel an insgesamt 9 Tagen vorbeischauten, malten ein Bild. Andere versuchten sich am Ton oder Plastilin. Viele kamen auch einfach nur, um die Kunst, die hier ausgestellt ist, zu berühren. „Bitte berühren“ steht es schließlich ausdrücklich außen dran, an den Containertüren. „Kunst ist für mich nur dann Kultur, wenn sie zum Dialog einlädt“, sagt Manfred Webel. Deshalb ist er auch seit 35 Jahren mit seiner Kunst unterwegs. Anfangs mit dem Motorrad, zwischendrin mit dem Zug. Seit gut 10 Jahren mit seinem Container, der so genormt ist, dass er auf jeden Zug oder in jedes Containerschiff passt.

Bitte eintreten: Der Kunst-Container lud 9 Tage lang zum Berühren ein.

Der Container ist für ihn auch ein Symbol für die globalisierte Welt. Ganz nebenbei kann er sein eigenes Atelier mitnehmen und erlebt mit weit geöffneten Türen „einen ganz anderen Schnack“. Die Gespräche und Begegnungen laufen lockerer als im eigenen Kosmos des festen Ateliers. Die Hemmungen, einfach einzutreten in den Container, sind aber trotzdem da. Sie sind allerdings auch schneller überwunden, wenn schon Besucher am Werk sind und viele befreundete Kunst-Helfer dazukommen.

Der Ruf nach Wandel

Viele Möglichkeiten für Kreativität stecken im Container.

Bevor Manfred Webel seinen Container aufstellte, stattete er Bergkamen einen Besuch ab. „Ich kannte die Stadt gar nicht“, sagt der Paderborner. Seinem Navi misstraute er zunächst gehörig, als es das Rathaus meldete. „Das kann doch nicht sein“, sagte er sich. Schnell erschloss sich ihm aber das Potenzial des Ortes mit seiner „prekären Lage“. „Die Bauten aus den 70er-Jahren, die City, die Baustelle mit dem Abriss – da steckt viel drin vom Versuch, eine Mitte zu bilden. Viel Geschichte und viel Vergangenheit, aber auch viel Zukunft“, schildert er. „Der Ort ruft ja geradezu nach Wandel und Veränderung.“ Zumal hier früher der erste Standort der ersten kommunalen Kunstgalerie in NRW überhaupt war.

So sah die Skulptur aus, als sie noch als Überrest eines Pfeilers in der Baustelle steckt. Foto: Manfred Webel

Potenzial steckte auch rein materiell in der Baustelle. Die kapitalen Stahlstreben, die aus den zertrümmerten Pfeilern des einstigen Wal Mart-Centers deformiert in den Himmel starren, haben es Manfred Webel besonders angetan. Mit ihnen hat er gespielt, das Schweißgerät herausgeholt und eine Skulptur geschaffen. Die wurde am Samstag im kleinen Kreis „enthüllt“. Was genau sie am Rande der Abriss-Baustelle darstellt, hängt von der individuellen Perspektive ab. Für den einen ist ein Rind, für den anderen ein Schwein, wieder andere sehen eine mit wogenden Kleidern wirbelnde Tänzerin im verformten Stahl. Ob die Skulptur den Abriss überdauert, wird sich zeigen.

Manfred Webel zieht mit seinem Kunst-Container jedenfalls weiter. Er hat insgesamt 12 Standorte in diesem Projektjahr in ganz NRW.

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Kunstlese mit viel Rhythmus, Kohle und Jubiläen

Auch im Kunstrhythmus hinterlässt Corona seine Spuren.

Auch die Kunst hat Corona gepackt – thematisch, seelisch und organisatorisch. Im letzten Jahr war die Jahresausstellung „Wegmarke“ nur mit farbigen Kärtchen abgezählt erlebbar – in diesem Jahr aufgrund des Museumsumbaus gar nur digital. Die Kunstlese ist hat die Kunstwerkstatt sohle1 dafür ausfallen lassen. Diesmal aber nicht. Jetzt geht es zwar auch nur mit Maximalbesucherzahl, Maske und 3G, dafür aber ohne Kärtchen und ganz und gar kunstvoll zu in der Ökologiestation. Doppelt, sozusagen.

Rhythmus ist das Thema nicht nur der Wegmarke, sondern auch der Kunstlese.

Denn die „Wegmarke“ gibt es von den 22 Künstler zusätzlich auch noch für alle dazu, die an den Ausstellungswänden vorbeischlendern. Alles ist hier im Rhythmus – endlich mal wieder, nach so vielen unrhythmischen Querschlägern in den vergangenen Jahren. Da wird getanzt, musiziert, im Gleichtakt über das Eis geglitten. Da bilden Formen und Farben einen Rhythmus, Bewegungen und Oberflächen. Füße stapfen im Rhythmus über die Stufen, fische fliegen rhythmisch durch das Wasser und die Jahreszeiten geben den Rhythmus vor. Fast möchte man hineingreifen in das Foto, wo der Tropfen einen visuellen Rhythmus auf der Wasseroberfläche ausbreitet.

Mit Maske und 3G auf Kunstentdeckung gehen.

Besonders ist die Kunstlese auch deshalb, weil die 25. Wegmarken-Ausstellung mit drinsteckt. Sie schickt das 25-jährige Jubiläum des Vereins im kommenden Jahr voraus. Mit Hettstedt ist die sohle1 auch schon seit 5 Jahren engstens befreundet. Diesmal sind 5 Bilder aus der Partnerstadt mitsamt befreundeten Künstlern angereist. Ein Bild wurde schon im Vorfeld digital „weggekauft“. „Wir sind richtig baff, denn wir sind ja eigentlich nur Laienkünstler“, schildern Christina Kraus und Andreas Lieding. Sie haben die Bilder daheim ausgewählt, zur Auswahl eingereicht, schließlich ins Auto gepackt und sind für dieses Wochenende nach Bergkamen gereist.

In der Kunstlese zählen Austausch und Freundschaft

Sind stolz, dabei sein zu können: Die befreundeten Künstler aus Hettstedt.

„Unser Ziel ist es nicht, zu verkaufen, sondern uns und unseren Verein in Hettstedt bekannt zu machen – und tolle Gespräche hier in Bergkamen zu führen“, schildern die Beiden. Sie sind restlos begeistert, denn die Unterstützung ist famos. „Viele hatten ernsthafte Selbstzweifel, als sie sich zum Thema Rhythmus an die Arbeit machten. Schließlich sind hier in Bergkamen Profis am Werk“, erzählen sie lachend. Mut wird aber stets belohnt: Die Hettstedter Beiträge werden den neuen Raum in der sohle1 im Stadtmuseum schmücken. Hilfreich sind auch die Gespräche über die Tücken der Vereinsarbeit, die Zusammenarbeit mit der Stadt.

Kunst-„Brikett“ gab es als Andenken zum Mitnehmen.

Und die Kunsteindrücke, die sie mit nach Hause nehmen werden. Denn hier in Bergkamen haben die Gäste aus Hettstedt ein volles Programm. Die Eröffnung des temporären Lichtkunstwerks „Virtual Fairground“ gehört ebenso dazu. Sonntag früh geht es schon wieder zurück in die Heimat. Ganz sicher mit viel Rhythmus und tollen Eindrücken im Gepäck.

Die nahmen auch die übrigen Besucher mit nach Hause. Beat-Rhythmen, zum Beispiel. Oder den Gezeitenrhythmus. Oder poetischer Rhythmus als Weg im Gedicht. Wer wollte, konnte auch mit einem Kunst-„Brikett“ ein Andenken mit „Kunst von der Sohle für wenig Kohle“ einpacken. Auch diese Aktion wurde erfolgreich nachgeholt.

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Virtueller Jahrmarkt wirbelt kunterbunt über den Herbert-Wehner-Platz und bietet Lichtkunst für alle

Offiziell eröffnet: Die Künstlerin mit Bürgermeister und Kulturreferentin auf dem „Virtual Playground“.

Ein kleiner Junge schaut sich vorsichtig um, legt beide Hände auf das Rad und schon ist er hinaufgeklettert. Fröhlich wälzt er sich oben auf dem weißen Holzkasten auf dem Rücken. Femke Schaap beobachtet das, zuckt kurz und lächelt. Sie winkt dem Aufpasser zu und gibt ihm ein Zeichen: „Lass ihn ruhig“. Heute wird ihr Lichtkunstwerk auf dem Herbert-Wehner-Platz eingeweiht und es funktioniert schon, bevor es überhaupt offiziell eröffnet ist.

Mitten drin stehen macht Spaß: Der „Virtuelle Jahrmarkt“ lädt zum Erleben ein – auch mittendrin in den Farben und Formen.

Kinderhände streichen fasziniert über das bunte Licht, das sich auf den Rechtecken, Kreisen und Quadraten dreht. Männerhände drehen Videos und kommentieren es live im Social Media Kanal. Ältere Passanten halten verdutzt an, stoppen und setzten sich auf die Bänke direkt neben dem „Virtual Fairground“. Der virtuelle Rummelplatz aus Licht zieht alle Aufmerksamkeit wie ein Magnet auf sich. Nicht nur der. Die Drehorgeln direkt daneben sehen aus wie aus der Zeit gefallen. Eine hat neben der riesigen gusseisernen Kurbel mit dem Holzknauf sogar eine Trommel und auf der anderen Seite ein weiteres mechanisch passend zur Musik angetriebenes Instrument. So wie es vor vielleicht 100 Jahren auf dem Rummel ganz normal war.

Farbspiele aus der Nähe: Das neue Lichtkunstwerk hat eine eigene Magie.

Bis zum 22. November leuchtet der „Virtual Fairground“ Tag und Nacht. Hier drehen sich die Farben und wechseln ständig ihr Muster. Die sechs Elemente, insgesamt gut vier Meter hoch, sind fest verankert im Boden, beschwert mit Steinen. Sie lassen Platz, um dazwischen herumzustreifen, zum Anfassen und genau hinschauen. Genau das soll es auch. Femke Schaap will, dass ihr Werk mittendrin ist im Leben. Dass es begehbar ist und erlebt werden kann. „Es soll morgens früh die Leute begleiten, die hier morgens müde und allein zur Arbeit gehen.“ Es soll abends dazu verlocken, kurz anzuhalten und sich auf das muntere Spiel der Farben einzulassen.

Ein Jahrmarkt entsteht im Studio

Die Künstlerin erzähkt zusammen mit Teampartner und Ehemann, wie das Kunstwerk entstanden ist.

Entstanden ist der „Virtual Fairground“ in den Niederlanden im Studio. Die Künstlerin hat Bergkamen zuvor einmal bereist, bekam eine Führung, lernte die Geschichte und die Örtlichkeiten kennen. Aus Holz entstanden dann seit dem Sommer Schritt für Schritt die einzelnen Teile. Mehrere weiße Farbschichten folgten. Dann folgte der wesentliche Teil: Das Licht, die Farben, die Abfolgen der wechselnden Muster, die Projektion auf die einzelnen Elemente, die stimmige Gesamtkonzeption. Ein ausgefeiltes Stück Arbeit, das erst vor Ort seine endgültige Form erhielt. „Wir haben hier auf dem Platz alles so angepasst, dass es perfekt war“, schildert Femke Schaap. Die Teile sind flexible Module, die sich auch noch in letzter Sekunde verändern, verschieben und anpassen lassen. Die Gebäude, der Baum, der Brunnen, das Pflaster, das Licht, die Schatten: Alles spielt hier zusammen und prägt am Ende das Gesamtkunstwerk. Zur Faszination aller Passanten, die regelmäßig anhielten und die Künstlerin beim Aufbau mit neugierigen Fragen löcherten.

Gut besucht war die Eröffnung des Kunstwerks auf dem Herbert-Wehner-Platz. Die Besucher hatten viele Fragen.

Fragen konnten die Besucher der Künstlerin auch am Samstag bei der Einweihung stellen. „Wie plant man so etwas?“, wollten sie wissen. „Aus welchen Materialien ist das Kunstwerk?“ und „Was wollen Sie den Menschen damit sagen?“. Femke Schaap war restlos begeistert. „Die Menschen hier sind viel aufgeschlossener als bei uns in Holland, wo es oft eine ängstliche Distanz gibt“, sagt sie. „Die Leute sind neugierig, fassen das Kunstwerk an, wollen alles genau wissen – sie gehen nah ran und setzen sich damit auseinander – das ist ein Traum!“ Immerhin haben die Bergkamener Erfahrung, wie auch Bürgermeister Bernd Schäfer bei der Begrüßung betonte. „Es ist ein bisschen wie in den 70er-Jahren, als alles begann“ mit der der Kunst in Bergkamen“, erinnerte er. Mit der Artothek war die Stadt Pionierin – später auch mit der Lichtkunst. Mit Femke Schaap kommt eine Pionierin des „Videomapping“ und setzt neue Kunstakzente mit ebenso komponierten wie zufälligen Videosequenzen aus Farben und Formen, für die das dreidimensionale Werk samt Umgebung die Leinwand bietet. Irgendwie schließt sich damit ein Kreis – wenn auch nur temporär.

Stilecht gab es Jahrmarktmusik dazu – vom Drehorgelorchester Dortmund.

Femke Schaap konnte am Samstag übrigens gleich doppelt erlebt werden. Es war die 5. Nacht der Lichtkunst und gleichzeitig 20-Jähriges des Internationalen Lichtkunstzentrums in Unna. Ein weiteres von ihr gestaltetes Werk war bei einer Ausstellung in der Innenstadt zu sehen. Ein Bustour führte von Bergkamen dorthin. Gut 20 Interessierte starteten vom Herbert-Wehner-Platz, um dieses doppelte Lichtkunst-Vergnügen zu genießen. Vorher gab es noch einen Ausflug mit Stadtführer Klaus Holzer zur Lichtkunst von Rochus Aus und seinem unterirdischen Flughafen. Popcorn inklusive, wie es sich für einen echten Jahrmarkt gehört.

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In Rünthe die Orte und „Unorte“ im anderen geschulterten Straßenlicht sehen

Romantisch: Mit Sonnenuntergang vor Kanalbrücke, Hafen und Kraftwerk.

Der Hund hält leicht konsterniert inne und wundert sich, wo mitten im Wald in Rünthe plötzlich eine Straßenlaterne herkommt. Daran hängt auch noch ein knatternder und stinkender Motor-Generator. Er entscheidet sich dann aber doch für den Baum und läuft weiter. Ein anderer Hund geht mitten im Stadtteil keinen Schritt mehr weiter, als der Jan Philip Scheibe mit seiner Laterne sieht. „Was ist das eigentlich?“, fragen seine Besitzer irritiert und schauen der kleinen Prozession hinterher, die Laterne und Mensch hinterherläuft.

Spektakulärer Auftakt mit kraftvollem Sonnenuntergang in der Marina.

Was das war, konnte der Künstler nicht in wenigen Sätzen beschreiben. Dafür brauchte es schon längere Erklärungen. Aus einer einmaligen Aktion ist inzwischen ein fast schon weltweiter Shouldered Streetlights Act geworden, dessen „Kreise weiter werden“. „Die emotionalen Reaktionen der Menschen, denen ich mit der Laterne begegnet bin, haben mich bestärkt und animiert, daraus etwas Langfristiges zu machen“, erzählt er. Seit inzwischen zwölf Jahren geht er mit Laterne und Generator auf Wanderschaft. Bis an den Polarkreis im Norden und Lanzarote im Süden.

Mit fast 30 Kunstinteressierten auf dem Weg.

Zuhause in Lemgo hieß es in seiner Kindheit wie bei so vielen: „Wo die Straßenlaterne steht, ist Schluss“. Sie grenzte die kindliche Freiheit und gleichzeitig die sicheren Heimatgefilde ein. Später hieß es: „Wenn das Licht der Straßenlaternen angeht, seid ihr zuhause.“ Tatsächlich ist es auch jetzt, näher und weiter entfernt von seiner Heimat so, „dass ich mich verorte, wenn ich die Laterne hinstelle“. Sie ist ein Stück „temporäre Heimat“, die mit ihm auf Wanderschaft geht.

Abmarsch über die Straße hinweg.

Auch bei seiner zweiten Bergkamener Tour am Freitag in Rünthe. Dabei hatte er wie immer seinen Anzug an. Der Anzug, der für ihn das Büro symbolisiert, „aus dem ich einfach nur fortgehen wollte“. Er geht immer noch, jetzt mit einer Mission. Jan Philip Scheibe erhellt mit Laterne und Generator Orte und „Unorte“, die für ihn die Stadt ausmachen, die er besucht. In Rünthe ist es der „schon fast abgeschlossene Strukturwandel“, Natur, Wasser, Tourismus, Leben. Deshalb geht es los in der Marina, in der schon längst Lichtkunst zum Anziehungspunkt geworden ist.

Stopp am Kiosk.

Den ersten Halt legt er neben der Fabrik im Hafen ein, den zweiten direkt neben einem von vielen Motorbooten, die abseits lagern. Schnurstracks geht es über die Straße hinauf auf die alte Zechenbahn. Die Laterne steht mal an eine Birke gelehnt, mal auf einer Anhöhe, mal in einer Abzweigung. Dann lehnt sie sich an eine „Schwester“ vor dem Schacht III – wo früher die Steinkohle gefördert wurde. Dann sitzt Jan Philip Scheibe auf einer alten Lore und lehnt den Kopf an den Alupfosten seiner Begleiterin. In der Bushaltestelle hält er nur kurz an. Nebenan vor einem der letzten Kioske bekommt er einen Stuhl und lässt sich nieder. Dann steht die Laterne zwischen zwei geparkten Marktständen. Kurz darauf verschwindet er mit dem Tross hinter sich in Feld und Wiese, schlägt sich mit einem kurzen Anstieg im Dunkeln durchs Gebüsch auf den Kanaldeich und stellt sich vor die Kanalbrücke, hinter der die roten Lichter des Kraftwerks leuchten. Ein Frachtschiff zieht leise vorbei. Kurz noch ein paar kleine Verschnaufpausen unter der Brücke und auf dem nächsten Radweg, schon sind alle nach zwei Stunden wieder im Hafen.

„Man muss sich schon darauf einlassen“, sind sich die meisten Teilnehmer einig. „Aber wenn man es macht, dann sieht man die Orte, an denen er seine Laterne aufstellt, tatsächlich einmal in einem anderen Licht“. Einfach mal selbst ausprobieren. Es muss ja keine Straßenlaterne sein…

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