Erste LOL-Runde schaut tief in die Comedy-Abgründe

Alle drei Hauptakteure der ersten LOL-Runde beim Abschluss-Applaus auf der Bühne.

Kein Trump, keine Ampel, kein Scholz-Lindner-Desaster: Wohltuend sinnfrei kam der erste LOL-Abend der Saison in einem fast ausverkauften studio theater daher. Die Botschaft der vier Comedians war glasklar: „Kein Bock auf den Scheiß“ und „Geh mir nicht auf den Sack“ gab es zuhauf und bis zu einem gewissen Grad auch zu Recht. Ob Ablacher im Genitalbereich wie am Fließband allerdings das richtige Mittel in aktuell eigenartigen Zeiten sind, mag jeder selbst entscheiden. Lustig war es allemal. Bis zu einem gewissen Grad.

Der Reiz der Comedy-Reihe: Man hat keine Ahnung, was überhaupt auf einen zukommt. Die Hauptakteure bleiben unbenannt, bis sich der Vorhang hebt oder ganz Neugierige sich in den Sozialen Medien schlau machen. Diesmal blieb der Aha-Effekt überwiegend aus. Die meisten kannten Jakob Heymann, Katharina Block, Tobias Born und Michal nicht. Dabei sind sie dort, wo sich echte Fans von Stand Up-Comedy tummeln, durchaus ein Begriff. Eines hatten sie jedenfalls alle gemeinsam: Sie nehmen kein Blatt vor den Mund, legen die Finger auf die nicht immer ganz offensichtlichen Wunden und sind mehr oder weniger heftig durchgeknallt.

Multitalent Jakob Heymann am Flügel als Singer-Songwriter, Dichter und Wortjongleur.

Jakob Heymann war eigentlich „nur“ der Conférencier: Er sollte moderierend die Bühne für die eigentlichen Hauptdarsteller ebenen. Er nahm es wörtlich, kam mit Gedichten, Anekdoten und Chansons im von Kopf bis Fuß selbstgestrickten Outfit herangeschlurft und verteilte hinter der Softie-Fassade tief eindringende Spitzen. Mit dem Pfeiflied verbreitete er therapeutische Wirkung, das politische Sommerhitlied eignete sich tatsächlich prächtig zum Mitsingen gegen alle Traumzerstörer dieser Welt. Auch der Pädagogen-Song am Flügel durfte nicht fehlen. Er war der heimliche Star des Abends.

Katharina Block beugte sich tief hinab in manchen Alltagsabgrund.

Katharina Block stürzte sich betont schielend und kurzsichtig als Juristin mit fünf Kindern ins mehrfache soziale Abseits, buddelte sich den Malle-Urlaub in den Sandkasten und kämpfte gegen anhängliche Daddies mit Schaukel-Defekt. Vor allem in der zweiten Hälfte ging es dann aber doch etwas zu oft und zu tief in die DickPic-Abgründe mit Tiny Häusern im Unterleib. Dort fühlte sich auch Tobias Born als betont queer-

Tobias Born kam im Glitter-Outfit.

feministischer Comedy-Vertreter pudelwohl: Mit Kindheitstraumata verursacht von ungeouteten Schreinermeistern mit Toy Boys (Pumuckl), nicht-binären Latex-Kreaturen (Sams) und „dicken Eiern als Gegengewicht für sehr hohle Köpfe“ vor allem bei alten weißen Männern. Ob prüfungsrelevante Hoffnungslosigkeit der weiblichen Sexualität oder Eierlikör-Party-Rausch mit Kinderwunsch-Kati: Gegen Ende war es dann doch too much.

Michal rappte und hip-hopte sich durch den ganz normalen Wahnsinn.

Ein ganz besonderer Geschmacksfall war „Michal“, die sich verklemmt zwangslässige Party-Maus, die sich mit HipHop auf kaputte Heizkörper, Multivitamin-Songs und Gangster-Rap im Hundekopf mutig ganz dicht an die Grenzen heranwagte.

Die Bergkamener machten keinen Unterschied: Sie nahmen alles bereitwillig und dankbar, wie es kam und hatten unüberhörbar großen Spaß. Für jeden gab es begeisterten Beifall und zum Schluss frenetischen Abschiedsapplaus für alle. Karten für die nächste Auflage am 14. Februar dürften jedenfalls wieder knapp werden.




Lichtermarkt geht elementar unter die Haut

Poetische Lichtkunst in der Kirche.

Wem die letzten verregneten und kalten Lichtermärkte noch in den Knochen steckten, rieb sich am Freitag bei T-Shirt-Temperaturen die Augen. Überall Menschen. Wo sich ein Lichtereignis anbahnte, war kein Durchkommen mehr. Walking Acts mit Licht oder Percussion oder als Orchester auf Rädern: Sofort bildeten sich Menschentrauben. Wer zu spät kam, musste mehrere Runden drehen, um einen Parkplatz weitab vom Hauptgeschehen zu ergattern.

Fantastische Walking-Acts.

Man musste schon auf Zack sein beim randvollen Lichtermarkt-Programm. Denn wer sich zu viel Zeit ließ, der bekam manche Attraktion nur aus der Ferne mit. Vor dem Zelt mit Zaubershow drängte sich eine ganze Menschentraube. Seifenblasen und Pyrografie fiel bei manchem dem Hauptprogramm zum Opfer. Denn in der St. Elisabeth-Kirche und auf dem Stadtmarkt musste man sich schon frühzeitig einen Platz sichern.

Feurige Show unter dem Marktdach.

Das lohnte sich allemal. Die kunstvolle Lichtmalerei von „Lukero“ Krč nahm die Zuschauer mit auf eine poetische Reise in die Erdentstehung vom „Urknall“ bis zu dem, was uns heute blühen mag. Der Appell „Save the planet“ jagte vielen einen Schauer über den Rücken und sorgte für tosenden Applaus. Den beantwortete der Künstler wortlos mit einem großen grünen Herzen. Die Vorstellungen waren so begehrt, dass die Kirchentüren manchem vor der Nase geschlossen wurden.

Foiah-Volk und leuchtende Elemente

Da flogen die Feuerbälle.

Noch drubbeliger ging es auf dem Stadtmarkt zu. Hier quetschen und drängten sich die Zuschauer, um die feurigen Auftritte des „Foiah-Volks“ mit urigen Ritualen rund um die sechs Meter hohe Feuerskulptur zu erleben. Da flogen Feuerkugeln durch die Luft, wurden Feuerspeere geworfen, Feuerfontänen gespuckt und im wahrsten Sinne mit dem Feuer getanzt.

Leuchtende Bäume, Kreativaktionen der Jugendkunstschule, Lichtkunstführungen für die ganz Unternehmungslustigen und Märchen in der Stadtbibliothek: Wer hier alles erleben wollte, musste sich ganz schön ranhalten. Da brauchte man locker viereinhalb Stunden, bis das Feuerwerk das Spektakel wieder beendete.

Auf dem Rückweg blinkte jedenfalls manches Gefährt und fast jeder Fußgänger fröhlich in vielen bunten Farben. Fast so elementar wie das Motto dieses Lichtermarktes, der einmal mehr viel zu bieten hatte. Erst recht in Zeiten, die mit klammen öffentlichen Kassen jetzt zunehmend auch der Kultur den Hahn abdreht.

Ein Video gibt es hier

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Eckenga zieht im studio theater nicht nur die Wärmepumpe blank

Ganz besondere Lektüre aus frischen Druckfahnen: Eckengas Biografie „Gesang der Köttelfische“.

Endlich mal kein hilfloses Herumhantieren mit dem Realitätswahnsinn. Wo selbst große Kabarett-Namen aktuell in flachen Wortsümpfen einsinken, steht Fritz Eckenga im studio theater souverän über den Dingen. Er schickt Putin, Palästina und Thüringen einfach knallhart dorthin, wo sie hingehören: In die Strafecke, abgewatscht mit deutlichem Sarkasmus. Die fein gereimte Ironie hebt er sich für das auf, was vielleicht noch heilbar ist: Die ganz alltägliche Hirnschmelze hinter der Wärmepumpe. Und die ist schon schlimm genug.

Dem Nervenzusammenbruch nach Programm-Albträumen nah.

Wenn Howard Carpendale beim Intro Metallica ablöst, sind die Begrenzungspfähle schon gesetzt. Es geht vom Drehhocker mit Fast-Nervenzusammenbrüchen und stehender Anbetungsakrobatik weiter an den Schreibtisch und dann auch ganz flugs ab in die Tonne. Mit Eckenga steigen die Bergkamener in eine Geschwindigkeitsachterbahn, bei der mancher gelegentlich aus der Kurve fliegt. Gerade noch wird sachte sinniert, dann geht auch schon ein Sturzbach aus Satzgebilden ungebremst hernieder. Hemmungsloses Headbanging kann ohne Vorwarnung nahtlos auf die beschauliche KI-Gedicht-Rezitation folgen. Dabei passt der äußere Rahmen selten zum Inhalt. Auf Zack muss der bleiben, wer hier am Ende noch eine Inhaltsangabe zustande bringen will.

Ihr seid gemeint: Fritz Eckenga zieht blank.

Denn Fritz Eckenga zieht unablässig „blank“ und „die Buchse runter“ für „relevantes Kabarett“. Den zu hohen Wirklichkeitsverbrauch kuriert der Humor-Heilpraktiker mit Einblicken in seine tiefsten Kabarett-Albträume vom Nachttischzettel. Es geht um „Authenzität pur“ mit Weiterbildung in den Konzerthallen der gleichnamigen Pop-Gruppe. Dabei finden sich nicht nur die verlorenen Indigenen, sondern es brechen auch verkrustete innere Strukturen auf. Spätestens bei einem Blick in die Memoiren zeigt sich, dass früher beim Angeln an der Emscher auch nicht alles besser war zum „Gesang der Köttelfische“, mit Zäher-Zosse-Deputat und Grubengaulhufhorngebiss aus der Kaue.

Ungechipt im KI-Gedichte-Albtraum unterwegs

Als Humor-Heilpraktiker unterwegs: Fritz Eckenga.

Nenas Wunder geschehen nur im Corona-Verschwörungswahnsinn mit ungechipter Freiheitskämpfer-Fangemeinschaft oder als Momentum mit Ausnahme-Plural beim Live-Fußballkommentar der Wurst-Bruderschaft. Die plästernden Wortverluste zu Starkregenereignissen und Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnungen erfordern dann doch dringend endlich mal ein echtes Gedicht – auf Deutschland und den Abgesang, die Retraumatisierung, die Blutsdeutschen und eine Caren Miosga, die aus der Wacken-Wolke steigt. Da hilft nur noch die Erdung mit Ruhrplatt-Sprachkurs mitten im Publikum.

Probieren geht eben über Transformieren. Deshalb durfte Fritz Eckenga auch nicht schnell zurück in die Umkleide, wo er in der Pause bereits das Borussia-Spiel verfolgte. Es mussten noch einige Zugaben mit Abschiedsgedichten samt erschreckender Rassismus-Aktualität von zwei Jahre alten Werken her. Und ein Autogramm am Büchertisch, dorthin kam er fast direkt von der Bühne.

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Klaus-Peter Wolf begegnet in Bergkamen seiner Autoren-Anfangszeit

War mit viel Spaß, Humor und Anekdoten bei der Sache: Klaus-Peter Wolf.

Dass scheinbar alle 13,5 Millionen Käufer seiner Bücher und 110 Millionen Zuschauer der Verfilmungen seiner Krimis ins studio theater stürmen, damit konnte der Erfinder der Ostfriesland Krimis rechnen. Eindeutig überrascht war Klaus-Peter Wolf von seiner Vergangenheit, die ihn auf der Bühne von „Mord am Hellweg“ am Samstag einholte. Ein kleines, abgegriffenes Heftchen erschien plötzlich aus dem Nichts, mit der Hand zusammengeheftet aus Matrizen. Veröffentlicht in der „Proleten-Presse“ für 3 Mark. Sein erster Erfolg.

Herbert Knorr holt die Rarität aus der Anfangszeit für eine ganz persönliche Signierstunde hervor.

Aus der Jackentasche zog die Rarität niemand anders als der Ideengeber des größten internationalen Krimifestivals persönlich. Herbert Knorr hatte diebische Freude daran, das verblüffte Gesicht des längst erfolgreichen Krimiautors zu beobachten, als er das betagte Werk viele Jahrzehnte nach seiner Entstehung signierte. Erstanden hatte Knorr das Buch zu einer Zeit, „als Klaus-Peter Wolf noch niemand kannte“. Der erzählte hingerissen, wie er damals in dem Gelsenkirchener Verlag mit Helfern unentwegt um den Tisch im Wohnzimmer rannte, in dem der Verlag seinen Sitz hatte. „Wir sammelten alle Seiten mit der Hand auf und hefteten sie zusammen“, erzählt er. Höchstselbst klapperte er dann alle Gelsenkirchener Buchhandlungen ab, um sein Buch auszulegen. Als es wenige Tage später vergriffen war und Nachschub angefordert wurde, war er einfach nur stolz.

Lange Schlangen im Foyer des studio theaters: Alle wollten eine Unterschrift und ein Selfie.

Heute ist er mehr als das. „Wir sind erfolgreich und haben auch noch Spaß dabei – das ist ein Tabubruch!“, witzelte er und schüttelte sich gemeinsam mit Lebensgefährtin Bettina Göschl vor Lachen. Drei Filme werden gerade gedreht, zwei Drehbücher entstehen, drei Bücher sind in diesem Jahr erschienen. Krimis, Romane, Kinderbücher: Nach einem preisgekrönten und bewegten Schriftstellerleben genießt Wolf den Erfolg in vollen Zügen. Davon erzählte er auch im studio theater mit voller Begeisterung. Etwa wie er während der Fahrt nach Bergkamen mit Bettina Göschl den Fall des nächsten Krimis diskutierte, und die Abfahrt verpasste. Oder wie beide ihre Meinungsverschiedenheiten zwischen die Buchseiten verlegen, ihr persönliches Erfolgsrezept.

Viele Anekdoten und ganz persönliche Einblicke

Auch Körpereinsatz war bei der Lektüre gefragt.

So dauerte es satte 40 Minuten, bis Klaus-Peter Wolf überhaupt zum ersten Buch griff und die Lesung eröffnete. Dazu gab es immer wieder heitere Anekdoten, etwa die Hintergründe zu den Sätzen auf den ersten Seiten. Das sind „gekillte Darlings“: Sätze, die er persönlich liebt, die aber herausgekürzt werden mussten. Oder wie es zuhause zugeht, wenn er sich mit Leib und Seele in seine Protagonisten hineinversetzt und plötzlich weiblich herumstarkst oder seinen Tee ganz anders trinkt. Oder wie er ein ganzes Drehteam mit durchdringendem Deichregen und Kluntje mit Sahne nachhaltig „einnordet“, damit die Filme über seine Bücher auch den richtigen Zungenschlag bekommen.

Am Ende war es fast nicht mehr wichtig, worum es in den verschiedenen Büchern, aus denen er vorlas, eigentlich ging. Wo die Ermittlerin an der falschen Haustür klingelt und mitten in einem Ehestreit landet. Wie Gendern, Gleichberechtigung und „Dickpics“ zusammenhängen, ein Jugendbuch die eigene Sicht des Sohnes zum Seitensprung des Vaters offenbart oder ein Gang ins Wasser auf Wangerooge enden kann: Wolf las aus mehreren Büchern vor und amüsierte sich dabei mindestens so königlich wie das restlos gefüllte studio theater.

Bettina Göschl hatte neben ihren Büchern als Co-Autorin und Lebensgefährtin auch wunderbares Liedgut im Gepäck.

Eine besondere Note bekam die Lesung auch durch die Lieder von Bettina Göschl. Sie gab nicht nur das Titellied der Filme zum Besten, inklusive Entstehungsgeschichte des Summens bei einer Teepause mit durchnässtem Filmteam. Ein Liebeslied an Ermittler Frank Weller war ebenso dabei wie ein wundervolles Lied auf ihren Lebensgefährten und seinen verschiedenen Verwandlungen beim Schreiben.

Am Ende gab es tosenden Applaus und Unmengen verzückter Besucher, die ein signiertes Buchexemplar glücklich an die Brust pressten – Selfie für die Ewigkeit inklusive. Es gibt noch weitere spannende Krimi-Lesungen mit Mord am Hellweg in Bergkamen: am 13. Oktober mit Jan Beck in der Trauerhalle am Parkfriedhof, am 20. Oktober als Klima Thrill Abend mit mehreren Autoren in der Ökologiestation und am 4. November mit Ingo Bott und Arno Strobel im Stadtmuseum.




Sehr erfreut: Therapie- und Biografie-Stunde mit Ingolf Lück

Mischung aus Schauspiel und Comedy: Multitalent Ingolf Lück gab tiefe Einblicke auf der Bühne des studio theaters.

Ein bisschen Therapiestunde. Ein wenig Kalaurer-Geplauder an der Supermarktkasse. Zwischendrin mal eine bitterböse Abrechnung. Dann ging es wieder hinter oder vor den Tisch im Klassenraum. Der Start in die Kabarett-Saison des studio theaters mit Ingolf Lück war so etwas wie eine Biografie-Stunde als Erklär-Spiel mit Comedy- und Schauspieleinlagen. Ein launiger Auftakt mit einem routinierten Branchen-Hasen, der seinen Promi-Status nicht ernsthaft hinter Jogginghose, zerrissenem Pulli, grauem Haupt und Lesebrille zu verstecken versuchte.

Mimik und Gestik: Auch das war zum Einstieg in die Kabarett-Saison ein Highlight.

Der Schauspieler, Moderator, Komiker, Regisseur und Synchronsprecher schien punktuell absichtlich mit dem Vorhang im Bühnenhintergrund verschmelzen zu wollen. Denn allzu viele im Publikum warteten ganz offensichtlich auf eine Tanzeinlage, auch wenn der „Let’s Dance“-Sieg inzwischen einige Jahre zurück liegt. Dennoch ging es mit „I wanna dance with somebody“ und offensichtlichen musikalischen 80er-Jahre-Reminizenzen an den Formel Eins-Einstieg auf die Bühne. Immerhin gab es ein paar Anekdoten aus der Tanzshow für die allzu Erwartungsfrohen. Ansonsten prägten das Altern, Einblicke in das Privatlebeben und die aktuelle Lage in allen Bereichen den Abend.

Ganze Hingabe auf voller Bühnenbreite.

Da Pulli und Jogginghose perfekt vom Hintergrund absorbiert wurden, konzentrierte sich alles automatisch auf die rastlose Mimik und ständig in allen Himmelsrichtungen agierenden Händen. Schmerz, Wut, Verzweiflung und Empörung ergossen sich auf die Bühne, wenn sich die Zählhilfe an der Supermarktkasse aufdrängte, die Machtübernahme der Thüringer AfD Böses ahnen ließ und der Rückfall der Grünen hinter die Ideale der 80-er zusammen mit den AfD-Kanzlerabsichten Sympathien für CDU-Kandidaten in ungeahnte Höhen schnellen ließen. Die Bergkamener Ganztagsbetreuung mit Mettbrötchen war da ein echter Lichtblick. Da trägt sich die Vintage-Patina gleich leichter.

Genau hinschauen und hinhören war bei Ingolf Lück gefragt.

Veggie Days mit Fleischsalat, von Nazis gemolkene Milch aus Brandenburg, Zyklopen-Bauern mit Reichsflagge und tiefe Einblicke in die Seele des Ostwestfalen, bei dem sich Ost und West gegenseitig aufheben und das restliche „falen“ zur Mentalität wird, verdeutlichten: „Heute wird’s richtig ernst“. Mit Selbstsuboptimierung ging es zurück auf die Schulbank zu rektalen Kaugummi-Psychosen. Da endet man schnell in einem schlechten Haschisch-Trip mit Einhörnern im Dunkeln. Die überzivilisierten Barbaren mit Haaren auf dem Rücken waren nach der Pause nur die logische Konsequenz. Die Möglichkeiten wurden zur Wirklichkeit und Veith, der personifizierte Vater-Horror und Freund der Tochter, lebte gefährlich angesichts von Rolltreppen mit Falltüren und Schlössern ohne Schlüssel an störenden Rädern im Regionalexpress. Da war das Zettelknibbeln an der Banane als optionaler Kassenterror noch die sanfteste Rachevision am ganz normalen Gegenwartswahnsinn.

Natürlich verlangten die Bergkamener eine Zugabe und noch eine. Dass nur wenige Abo-Inhaber in der Pause gegangen waren, war für Ingolf Lück ein weiterer Erfolg, denn daran misst sich der wahre Promi-Status. Sehr erfreut, Herr Lück!




Kulturpicknick verabschiedet sich mit fulminantem Körperknäuel-Finale

Auch die Natur wurde beim letzten Kulturpicknick der Saison zum Akteure mit einem fulminanten Regenbogen.

Das Finale der Sommerpicknicks hatte am Freitag alles im Angebot. Vom schwülen Sommerabend bis zum Regenschauer: Nichts kann die Bergkamener mehr davon abhalten, die Arena im Römerpark fast bis auf den letzten Grashalm zu füllen. Zum letzten Mal in diesem Sommer war das Parkgelände randvoll mit ganzen Familien, Picknickdecken, Leckereien und vor allem mit guter Sommerlaune. Und: Der Jubel war weithin zu hören. Denn dieses Finale hatte einiges zu bieten. Vor allem äußerst flexible Gliedmaßen. Wer schon immer restlos verknäulte Körper sehen wollte, war hier richtig aufgehoben. Sie schoben sich unter Feuerstäben hindurch, wirbelten durch die Luft, verkeilten sich ineinander, tanzten durch die Menge. Vor allem aber steckten sie alle mit ihrer guten Laune an.

Herr Nils schiebt eine Tür auf: Ein echtes Ereignis.

Es ging schon gut los mit Herr Niels. Der schlurfte schlaksig auf die Bühne und manövrierte seinen Körper eindrucksvoll mit pantomischen Mitteln in beeindruckende Körperhaltungen. Situationen des Alltags verwandelte er mit Hut und Malerrolle in mehr als heitere Situationskomik. Er hätte problemlos allein den Abend mit seiner „Physical Comedy“ gestalten können.

Sehr verknäulte Körperkunst präsentierte „Afrobatic“.

Der Hauptteil war jedoch für „Afrobatic“ reserviert. Als die Gruppe geschlossen mit Trommeln und afrikanischen Instrumenten quer durch das Publikum hindurch einmarschierte, hatte sie das Publikum bereits für sich gewonnen. Vor allem die Kinder versammelten sich geschlossen vor der Bühne, um die wirbelnden traditionellen Tänze zu bestaunen. Die gingen ganz selbstverständlich und nahtlos in Akrobatik über, die Münder offenstehen ließ. Urplötzlich stapelten sich Leiber übereinander oder quer in der Luft. Mittendrin im Gliedergetümmel jonglierten sie mit Hüten und kreiselnden afrikanischen Schüsseln oder falteten sich derart kompakt zusammen, dass sie unter einer brennende Fackelstange hindurch passten. Besser nicht nachmachen sollte man die Kunst, den ganzen Körper durch einen Tennisschläger zu quetschen.

Zum Schluss wurden auch die Kinder in die Akrobatik-Kunst integriert.

Absoluter Höhepunkt war jedoch das sich langsam hochschaukelnde Finale. Ein Kind nach dem anderen wurde auf die Bühne geholt, um allein durch die Luft gewirbelt zu werden, zu zweit in eine Körperpyramide integriert zu werden oder spontan einen Salto rückwärts zu lernen. Am Ende feierten alle Kinder zusammen mit der überwiegend aus Ghana stammenden Truppe ein großes Bühnenfest mit schallenden Zugaberufen. Spätestens jetzt war klar, warum sogar der Bundespräsident die Künstler in seinen Amtssitz geholt und das Fernsehen sie zu „Supertalenten“ auserkoren hatte.

Ein toller Abend, der zwischendrin mit einem fulminanten Doppelregenbogen nach einem kurzen Regenguss im wahrsten Sinne gekrönt wurde. Über den Herbst, Winter und Frühling werden die Bergkamener dieses schöne Kulturformat garantiert vermissen.

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Auch die Natur wurde beim letzten Kulturpicknick der Saison zum Akteure mit einem fulminanten Regenbogen.
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Wo die kleinen Dinge im Kino-Open-Air den Regen wegwärmen

Tolle Kino-Kulisse auf dem Gelände der Overberger Bogenschützen – auch im Regen.

Es sind tatsächlich die kleinen Dinge, die ein Kino-Open-Air unvergesslich machen. Die Bergkamener nahmen den Titel des Films, der am Samstag auf dem Gelände der Overberger Bogenschützen gezeigt wurde, wörtlich. Sie freuten sich über die regenfreien Phasen und sogar darüber, dass es manchmal zwischen den richtigen Schauern nur nieselte. Regenschirme und Capes erhielten eine ganz neue Wertschätzung. Und trockene Popcorn wurden ebenso hoch gehandelt wie noch nicht aufgequollene Nachos.

Noch konnten die Instrumente der Mobilband eine Pause auf dem trockenen Rasen machen.

Die S.O.S. Mobilband hatte noch Glück. Sie konnten ihre Instrumente bequem auf der Wiese oder vor der Riesenleinwand ablegen, denn da war alles noch trocken. Bereits um 18 Uhr hatte das Kino-Open-Air begonnen und die Bergkamener nutzten das Angebot für intensiven Austausch und familiäre Treffen in der Ferienzeit. Hier gab es leckere holländische Pommes, Pizza und einen Getränkewagen. Das Organisationsteam hatte da schon sorgenvoll den Regenradar im Blick, denn der verhieß nichts Gutes.

Der Rote Teppich war wieder für die Besucher ausgelegt.

Es war jedenfalls gut, dass die die Kinokarten für das Lichtspielhaus in Werne gleich zu Beginn unter den gut 300 Stühlen entdeckt werden mussten. Denn pünktlich zum Filmstart hatten sich beachtliche schwarze Wolkentürme über dem Gelände aufgebaut. Die Handlung rund um das winzige Dorf in der Bretagne im Kampf um eine eigene Bäckerei, Kneipe und den Erhalt der Schule hatte sich gerade voll entfaltet, da verwandelten sich die zunächst vereinzelten Tropfen in einen stattlichen Dauerguss. Einige Stühle wurden abrupt und dauerhaft verlassen. Andere richteten sich unter den Vordächern der Verpflegungsstände ein.

Schirme und Regencapes waren während des Films gefragt.

Viele waren aber auch gut vorbereitet, klappten die Regenschirme auf und packten sich in professionelle Regencapes ein. Die Capes der Stadt waren rasch ausverkauft. Die kostenlosen Decken sogen sich in ebenso flottem Tempo komplett voll und versagten ihren wärmenden Dienst. Warm ums Herz wurde den Zuschauern aber trotzdem. Denn inzwischen bereicherte auf der Leinwand ein schrulliger Rentner die kleine Grundschule des Dorfes. Nach dem Tod seines Bruders war er als Analphabet hilflos und wollte endlich den Buchstabensalat unter Kontrolle bekommen. Aus dem skurrilen Sonderling wurde am Ende der heißgeliebte Star der Schule, der wie ein Löwe mit der Bürgermeisterin und Lehrerin nicht nur um den Erhalt kämpfte. Er hatte auch ein Auge auf die kleinen Außenseiter und half ihnen durch die großen und kleinen Unsicherheiten.

Eben: „Es sind die kleinen Dinge“. Wie der Regen der pünktlich zum Abspann aufhörte. Und die Wärme fürs Herz, die alle mit nach Hause nahmen.

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Kulturpicknick verwandelt den Römerpark in eine riesige lebende Beat-Box

Notenlose Musikkunst im gut gefüllten Römerpark

Wolken und Regenprognosen: Nichts hält die Bergkamener davon ab, den Picknickkorb zu packen. Auch beim zweiten Kulturpicknick der Saison strömten am Freitag wieder Hunderte in den Römerpark und verwandelten die Arena samt Resten der Lagermauer in eine riesige Picknickfläche. Dabei gab es noch genug Muße, um das komplette Abendprogramm mitzugestalten.

5 Bälle fliegen spielend durch die Luft.

Denn es war wieder Mitmachen angesagt, diesmal auf ganzer Linie. Drop Bert war zwar ein alter Bekannter, kaperte diesmal aber mit der Loop-Station die Bühne und verwandelte alle Annäherungsversuche des Publikums in einen verrückten Hip-Hop-Mix inklusive Jonglage. Da war ganz und gar „Bergkamen in the house“, wenn Gebrabbel mit wenigen echten Worten, Kehlkopflauten, Gesang und Synchron-Jonglage auf die Bühne niederprasselten.

Leckerchen für das begeisterte Publikum – nicht nur musikalisch.

„Das ist echte Arbeit und es sieht nur so aus, als ob alles gleichzeitig stattfindet“, erläutert Drop Bert hinter den Kulissen. „Jeder Schritt wird ganz langsam und allein für sich einstudiert bis alle Elemente so dicht aneinanderrücken, dass es sich fast synchron anhört“, sagt er. Da verwandelt sich auch schon mal „Morgen früh, wenn Gott will“ in einen fetzigen Mitmach-Renner unter dem Motto „I believe I can fly“. Zum Abschied gab es den ganz persönlichen Handschlag fürs Publikum inklusive Tänzchen und Cocktailklau.

Notenlos: ein vielseitiges Duo an Keyboard und Drums inklusive mechanischer Schreibmaschine.

Was danach kam, spielte sich auf einer ganz anderen Ebene ab. Die beiden Hauptakteure von „Notenlos“ bewegen sich ganz selbstverständlich gesanglich in allen Sphären und Tonlagen. Handwerklich bringen sie alles mit, um sowohl die Opernsparte als auch den Hard Rock zu bedienen. Dass daraus ein abendfüllender Mix entstehen kann, wenn ganz allein das Publikum das Sagen hat, stellten sie eindrucksvoll unter Beweis. Die Yellow Submarine verwandelt sich dabei so ganz ohne Noten in eine Reggae-Variante, die ganz selbstverständlich in Udo-Jürgens-Manier in „Hänschen klein“ übergeht. Egal ob Ballermann oder Techno: Kevin aus Buxtehude erlebte eine abgefahrene Geschichte – ebenso wie Walter, der Grashüpfer in der Westernhagen-Variante.

Notenlos gab alles.

Ein Konzept, das von der guten Laune und von der Kreativität des Publikums lebt. So verlor sich der Inhalt irgendwann zunehmend im Absurden und die Gespräche auf dem Gelände übertönten irgendwann fast das Geschehen auf der Bühne. Die muss inzwischen von einer kleinen Absperrung vor Begeisterungsübergriffen insbesondere durch das ganz junge Publikum geschützt werden. Denn die sind so fasziniert von Jonglage und lebenden Beat-Boxen, dass sie schon mal spontan auf der Bühne mitmachen wollen.

Das Kulturpicknick ist jedenfalls inzwischen längst ein Selbstläufer und ein absoluter Publikumsliebling mit stetigen Besucherrekorden. Da hat auch ein fulminantes Olympia-Eröffnungsspektakel in Paris keine Chance.

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Theater Open Air eröffnet mit viel guter Laune und echter Straßen-Kunst den Sommer in Bergkamen

Schattenboxen auf dem Drahtseil: Das „Boardwalk Theater“ hatte einiges zu bieten.

Es ist wieder „Sommer in Bergkamen“, auch wenn der zum Auftakt am Samstag etwas stürmisch fast herbstlich frisch daherkam. Beim Theater Open Air mussten die Besucher auf dem Albert-Schweitzer-Platz zumindest die Pizza-Servietten gut festhalten. Die Akteure hatten mit den gelegentlichen Böen weniger Probleme, schließlich ist das „Boardwalk Theater“ ein waschechtes Straßentheater, das mit allen Widrigkeiten unter freiem Himmel zurechtkommt.

Exklusiv-Gesang für die Besucher von „Las Polkas“.

Gleich zwei Aufführungen wurden den Bergkamenern geboten – Zaubervorführungen und Band-Auftritte inklusive. Nachmittags war die Premiere. Einen satten Sonnenuntergang bekamen die Besucher der Abendvorstellung als Hintergrundkulisse geboten. Es gab gediegenen Wein, Toast, Nachos und Pizza. Bis zu den Vorstellungen war die Stimmung bereits blendend, auch wenn vor allem am Abend einige Plätze frei blieben. Der Sänger von „Las Polkas“ setzte sich auch gern mal an die Tische, um hier richtig gute Musik mit alten und neuesten Hits zu präsentieren. Zauberer Fred Funke ließ simple Gummibänder vor den Augen fassungsloser Zuschauer von einer Hand auf die andere wandern und knete zauberhafte Luftballonwesen.

Nachmachen nicht empfohlen: Ungewöhnlicher Umgang mit dem Strandstuhl.

Was dann folgte, war gute Laune pur. Comedy, Akrobatik, Stummfilm-Ambiente und Hochleistungs-Artistik: Es war ein temporeiches Erlebnis, das vom Straßentheater-Trio vor ihrer Bulli-Bühne geboten wurde. So ging es passend zum Ferienanfang zunächst mal an den Strand mit reichlich verhedderten Erfahrungen im Liegestuhl. Der Beach-Ball flog ins Publikum und zurück. Am Ende mussten zwei stattliche Männer aus dem Publikum für die Fotosession mit dem „Loverboy“ herhalten.

Poetischer Tanz mit dem Punching-Ball.

Es folgte ein Ausflug ein Charly-Chaplin-hafter Ausflug in den Boxring. Hier stand nicht nur die stummfilmartige Auseinandersetzung mit den Boxhandschuhen, Zahnschutz und Punching-Ball auf dem Programm. Es ging auch hoch hinaus aufs Drahtseil mit fast schon poetischen Einlagen auf Zehenspitzen, sinnlichen Schaukel-Eskapaden und Rückwärts-Saltos durch die Luft. Spektakulär war der Auftritt des Rasta-Man mit Berliner Schnauze, der die Diabolos wie ein Derwisch hoch in den Bergkamener Himmel oder mit Höllentempo in allen Varianten über das dünne Führungsseil tanzen ließ.

Diabolos im diabolischen Tanzeinsatz.

„Es hätten durchaus mehr Besucher sein können“, resümierten Karsten Quabeck und Karsten Rockel vom Stadtmarketing etwas enttäuscht. „Nachmittags war es noch gut besucht, abends wäre noch mehr möglich gewesen.“ Etwas entsetzt waren alle über den Sommer zu Ferienbeginn: „Wir haben sogar Decken mitgebracht – es ist in diesem Jahr wirklich extrem“, meinten beide. Für diejenigen, die dem Wind trotzten, sich abends warme Jacken überzogen und den Fußball einen Abend hintanstellten, war es jedenfalls ein mehr als gelungener Abend mit richtig guter Laune, die einige Tage lang vorhalten dürfte.

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Erste Kulturpicknick füllt (fast) den letzten Winkel im Römerpark

Die Hände hoch: Die Bergkamener brauchten im fast schon überfüllten Römerpark keine spezielle Aufforderung.

Das war nun wirklich ein Kurzurlaub! Und was für einer! Der Römerpark verwandelte sich beim ersten Kulturpicknick der Saison in einen riesigen Strand für die ganze Familie. Picknickdecken und Strandstühle, wohin die Augen reichten. Es war fast schon schwierig, mittendrin zwischen Salaten, Kuchen und Snacks noch die Bühne mit den Akteuren zu erkennen. Die hatten für ein Rekordpublikum auch das passende Programm aus Comedy, Jonglage und A-Capella-Gesang dabei. Und das perfekte Hochsommerwetter.

Exquisite Auslagen konnten auf den Picknickdecken bewundert werden.

Randvoll gepackte Bollerwagen, überfüllte Fahrradanhänger, Picknickkörbe und Stühle unter den Armen: Die Bergkamener waren am Freitagabend mit Kind und Kegel Richtung Römerberg unterwegs. Längst hat sich herumgesprochen, dass die Kulturpicknicks ein echtes Sommerereignis sind. Plätze sind Mangelware für alle, die zu spät kommen. Die Atmosphäre: Einfach nur gut gelaunt und gelassen. „Greifen Sie ruhig zu!“, hieß es von den Picknickdecken, wenn Mitzuschauer erstaunt vor der eigenen Auslage anhielten. „Wir haben genug dabei!“ Im Sand der Arena hatten sich längst besonders begeisterungsfähige Fangruppen im jüngsten Alter gefunden. Sie begleiteten die Darsteller eskortenartig, wenn die sich jonglierend unter das Publikum mischten. Hunde bellten synchron zum Applaus. Und für die besonders spektakulären Darbietungen wurden auch das ausgelassene Spiel auf dem Spielplatz kurz unterbrochen.

Achtung, Comedy-Zauberei: Drop Bert brauchte keine Worte, um das Publikum zu begeistern.

Das Publikum war ausdrücklich zum Mitmachen angehalten. Und es ließ sich nicht lumpen: Engagiert wurde mitgeklatscht, mitgesungen, mitgetanzt, mitkommentiert und mitjongliert. Wenn der schlappe Teddybär zurück auf die Bühne geworfen werden musste, fehlte es nicht an Freiwilligen. Kegel flogen schnurgerade durch die Luft. Die Bergkamener haben eindeutig Artistenqualitäten. „Drop Bert“ gab als Vorprogramm aber auch alles, um seine Zuschauer in Stimmung zu bringen. Dafür braucht er nur hin und wieder echte Worte. Der Rest bestand aus Gebrabbel und abenteuerlichen Geräuschen aus der Beatbox. Die begleiteten ein clowneskes Gestolper mit Pseudo-Zauberei über die Bühne und ins Publikum hinein. Jede Reaktion wurde in die Show integriert. Als am Ende fünf Kegel synchron durch die Luft flogen, hatte fast jeder Bergkamener daran mitgewirkt.

A-Capella-Kontrast mit dem ganz normalen Alltagswahnsinn

Die fünf Jungs von „Anders“ waren wirklich anders – mit richtig guter Musik.

Fast schon ein Kontrast dazu war die A-Capella-Boygroup „Anders“ aus Freiburg. Auch sie begeisterten mit ungewöhnlichen Geräuschen zu lupenreiner Sangeskunst. Die Liedtexte waren aber zunächst vordergründig romantisch und melancholisch, wenn sie „Schau mir in die Augen“ sangen oder „Du fehlst!“ beklagten. Es gipfelte jedoch stets in einer satten Portion Selbstironie und entpuppte sich als ganz normaler Alltagswahnsinn, was dort Hip-Hop-mäßig durchexerziert wurde. Jede fühlte sich angesprochen, wenn „Unangenehmes“ am Fließband ausgepackt wurde und alles mitsingen konnten. Oder wenn die Feiernerds ihren Eigenbrötler zur Party überredeten. Und wenn sich die Welt der Probleme nicht nur im Wartesaal frei entfaltete. Tosenden Applaus gab es für Solo-Einlagen mit der Beat Box, die als Mitmach-Übung getarnt waren.

Auch Gesang auf der Bühne kann actiongeladen sein.

Alle Hände waren in der Luft, wenn mitgeklatscht werden sollte. Dazu musste eigentlich niemand konkret aufgefordert werden. Die Bergkamener waren so gut gelaunt, dass sie selbst den Takt vorgaben. Auch wenn in dem Getümmel der eine oder die andere verloren ging. Die tränenreiche Wiedervereinigung vom panisch verirrten Sohn, der seinen Papa und die richtige Picknickdecke nicht mehr wiederfand, wurde mit frenetischem Applaus belohnt. Mancher wischte sich verstohlen ein Tränchen aus dem Augenwinkel, als sich alle glücklich in die Arme fielen.

Das nächste Kulturpicknick auf keinen Fall verpassen: Am 26. Juli gibt es das „Wunschkonzert der Extraklasse“ – wieder mit „Drop Bert“ im Vorprogramm. Und: Es ist kostenlos!

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Wegmarke „Menschenbilder“ blickt vor und hinter die Gesichter-Fassaden

Gut besuchte Eröffnung der Jahresausstellung der Künstlergruppe sohle 1 in der gleichnamigen neuen Galerie: Es zählte nicht nur erste Blick.

In der neuen Galerie „sohle 1“ durfte man am Sonntag dem ersten Eindruck nicht immer trauen. Bei der Jahresausstellung der Künstlergruppe kam es oft auch auf den zweiten und dritten Blick an. Auch wenn es sich um Porträts und Menschenbilder handelte: „Wir sehen immer nur das Bild eines Menschen, nicht den Menschen selbst“, mahnte Dr. Heinrich Th. Schulze-Altcappenberg bei der Einführung. Und der stv. Bürgermeister Kay Schulte stellte fest: „Bei Bildern geht es immer um das schnelle Reagieren – und wir es spielen Empathie, Sympathie, Abneigung oder Vorwissen eine Rolle.“

Porträts aus Pixeln: Hier musste der Betrachter mehrfach genau hinsehen.

Aus der Nähe waren es nur unzählige Pixel. Wer ein paar Schritte zurücktrat und einen zweiten und dritten Blick riskierte, vor dessen Auge formten sich langsam ganz andere Szenen. Graffiti aus anderen Welten waren hier abgebildet. Porträts der eigenen Art. Was der Betrachter zuerst zu sehen glaubte, verwandelte sich aus einer anderen Perspektive. 1998 fand die erste Jahresausstellung als „Wegmarke“ statt. Damals unter dem Motto „Visitenkarten“. Jetzt sind es Porträts und die sind ganz dicht dran an dem ersten Thema.

Auch kurz vor der Eröffnung wurde noch ein letztes Mal Hand an die Kunstwerke gelegt, um sie ins rechte Licht zu rücken.

Dabei war es die zweite Jahresausstellung in den neuen Räumen des Museums, das noch immer nicht vollständig umgebaut ist. Zum letzten Mal mit Simone Schmidt-Apel als Kulturreferentin. Anders als in den alten Räumen versammelten sich die vielen Gäste nicht mitten zwischen den Kunstwerken für die Ausstellungseröffnung. Sie mussten die ersten Eindrücke aus den Ausstellungsräumen mit in den Vortragsraum nehmen und konnten nur durch eine offene Tür einen Blick auf die weit entfernten Gemälde, Fotografien, Skulpturen, Drucke und Collagen erhaschen. „Wir sind gespannt, welche Eindrücke sich in unseren Köpfen am Ende mit dem Gesehenen decken, ergänzen oder verändern“, so Silke Kieslich vom Vorstand.

Gastkünstlerin aus der Ukraine

Auch auf die Perspektive kommt es bei dieser Wegmarke an.

Besonders eindrücklich waren die Porträts der Gastkünstlerin Anastasila Kononko. Die Ukrainerin hat in ihrer Heimat und bei ihren Reisen Menschen porträtiert und ihnen die Fotos geschenkt. Darunter auch ihre erste Lehrerin. Das Porträt selbst bildete sie stets noch einmal mit den Porträtierten ab. So entstand zusätzlich ein Bild im Bild. Ein interessantes Spiel mit Realitäten, die – egal ob in der kriegsgebeutelten Ukraine oder in Indien – besondere Assoziationen und Hintergrundwissen in die Beurteilung des Bildes einfließen lassen.

Angeregte Gespräche in den Ausstellungsräumen.

Nicht verabredet war die Abbildung des fremden, anderen Menschen in vielen Bildern, was sich schließlich zum Leitthema entwickelte. Wie immer gab es Werke, die unmittelbar für das Thema entstanden. Andere waren wie ein Porträt aus Serpentin schon vor 30 Jahren unter dem Einfluss der Begegnung mit einer Künstlergruppe in Afrika entstanden. Andersherum entwickelten sich mit ähnlichen Stillagen völlig andere Aussagen. „Die einzigartige Individualität des Menschen wird gezeigt – und die Tatsache, dass der Mensch selbst unbestimmbar bleibt“, so Schulze-Altcappenberg.

Buck Wolters begleitete die Ausstellungseröffnung mit der Gitarre.

Von Porträts einiger Berühmtheiten über Frauenporträts bis zu einbandagierten Köpfen oder abstrakten Körpern aus Holzelementen: „Es ist nur momenthaft, was wir sehen – der Schaffensakt und unsere Vorstellung vom gezeigten Menschen bzw. die des Künstlers.“ Wie viel mehr noch hinter dem vordergründigen Blick auf das Porträt steckt, zeigt eine kritische Auseinandersetzung mit der philosophischen Behauptung Blochs, der im menschlichen Gesicht die „einzige Sprache, die jeder versteht“ sieht. „Sehen wir wirklich, was wir sehen?“, fragte Schulze-Altcappenberg und warf das Pokerface Putins, das maskenhafte Lächeln des chinesischen Staatschefs oder das viel zu freundliche Gesicht der kundenorientierten Verkäuferin in die Waagschale.

Ob man dem Bild eines Menschen überhaupt trauen und hinter die Fassade schauen kann: Diese Beurteilung bleibt jedem selbst überlassen. Der Besuch dieser Wegmarken-Ausstellung hilft bestimmt dabei und bietet hervorragende Beispiele, gleich in mehrere Dimensionen abzutauchen.

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