Beim Römerfest ging es nicht nur in der Arena zur Sache

Nachwuchsgladiatoren verbreiten schon mit vier Jahren Respekt in der Arena.

Das Blut läuft, kaum dass die Spitze des Schwerts die Nase berührt hat. Der Kampf in der Arena ist abgebrochen. Die Nase ist angebrochen. „Das habe ich ein Mal im Monat, ist nicht schlimm“, sagt der Retiarius und hat mit dem modernen Taschentuch im Gesicht noch die Muße, Netz und Dreizack ordentlich aufzusammeln. Es ist Römerfest und es geht im Schatten der Holz-Erde-Mauer auf dem Gelände des einstigen Römerlagers zur Sache.

Auch Frauen zeigten im Sand der Arena, dass sie in der Antike gelegentlich die Oberhand hatten.

Leander lässt das Geschehen völlig kalt. Der Vierjährige steht mindestens zum vierten Mal in einer Arena und stürzt sich ebenfalls mit Netz und Dreizack unerschrocken auf einen fünf Mal so großen ausgewachsenen Kämpfer. Wenn er zum Gladiator wird, heißt er Priopas. Den Namen hat er ebenso von seinem Vater geerbt wie die Leidenschaft für das antike Spektakel. Sein Vater ist der Museumsleiter und hat all das organisiert. Mark Schrader hat an diesem Wochenende sein zweites Leben als Gladiator an den Nagel gehängt, jetzt ist der Nachwuchs dran. „Es tun einfach die Knochen weh – und ich möchte Zeit für die Kinder haben“, sagt er. Denn auch seine ebenfalls vierjährige Tochter Laetitia zieht es zur Geschichte und in die Arena. Viel zu tun, auch in der Freizeit.

Das Marschgepäck steht im Zeltlager bereit.

Die füllt sich für alle, die an diesem Wochenende auf dem Gelände in die Rollen von Gladiatoren, Legionären, germanischen Hilfskriegern und Handwerkern schlüpfen mit uralter Geschichte. Egal ob sie gebürtige Amerikaner, Belgier, Italiener oder Niederrheiner sind. Nichts, was hier zur Schau getragen wird, ist nicht originalgetreu. Fast alles orientiert sich an archäologischen Funden und wurde vor gut 2000 Jahren so in Oberaden getragen, benutzt, verwendet, hergestellt oder einfach nur angeschaut. Das reicht von der kleinsten Niete am Rüstungsteil bis zur Tinte im Fässchen.

Dokumentenechte Schreibkultur mit Ewigkeitsgarantie

Antike Schreibkunst konnte live beobachtet werden.

Einen Gallapfel hat der Junge aus Bergkamen jedenfalls noch nie gesehen. Er schaut sich das Produkt der Wespe, das am Eichenblatt als Nisthöhle wächst, neugierig an. Denn das runde Ding wird zermahlen, mit Essig vermengt, mit Rost angereichert und verwandelt sich mit Wasser und Gummi Arabicum in eine Flüssigkeit, die auf dem Papyrus erst schmutzig braun und mit der Zeit rabenschwarz wird. Sie bleibt mehr als 2000 Jahre frisch und dokumentenecht. Die Rezeptur hat sich deshalb bis heute kaum verändert. Damit zu schreiben, ist mit dem Kiel einer Gänsefeder auf rubbeligem Papier allerdings wiederum eine echte Kunst.

Beeindruckend: Reiterin und Reiter rüsten sich für die Lagerpatrouille.

Jetzt rüsten sich die Reiter der germanischen Hilfstruppen. Sie brauchen einen Schemel, um in voller Rüstung auf ihre Pferde zu kommen. Die eisernen Masken werden oben im Sattel auf die Gesichter gesetzt. Zum Schluss kommt der Köcher mit den riesigen Pfeilen dazu und ein gewaltiger Speer. Dann reiten sie los. Patrouille. Alles ist originalgetreu, von der kleinsten Schlaufe am Sattel bis zum Verzierungselement am Gürtel. Sie reiten an dem Legionär vorbei, der mit einem Rasenstück vor dem Zeltlager stehen muss. Eine demütigende Strafe, weil er angeblich einen Befehl missachtet hat.

Macht Spaß: Wagenrennen in Miniatur.

Es wird exerziert, gehämmert, gemeißelt, gehobelt, gefärbt, genäht, gehäkelt, gebacken, gekocht und gespielt. So, wie es vor 2000 Jahren im und am Lager zugegangen sein mag. Wagenrennen inklusive. Die modernen Spielkarten für die Kinder gab es damals wahrscheinlich noch nicht, oder zumindest in anderer Form. Spaß macht es jedenfalls allemal, einmal ein paar Tage lang in längst vergangene Zeiten einzutauchen. Die waren ganz ohne Frage spannend, aber auch anstrengend. Denn alt wurde man damals nicht, egal ob als Römer und Germane. Und alles, was im Alltag gebraucht wurde, musste noch weit mühsamer hergestellt werden als heute. Und vor allem: Es musste verteidigt werden, denn Kriegereien waren an der Tagesordnung.

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Macht Spaß: Wagenrennen in Miniatur.
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Frühmittelalterliche Krieger und Damen stellen sich und ihre Mode vor

Frühmittelalterliche Modenschau im Römerpark.

Geld gab es keins. Dafür reichlich Krieg und Waffen. Die Körbe wurden aus Brennnesseln, Schwertlilie oder Brombeere geflochten. Die Wolle färbte der Verwandte des Waldmeisters tiefrot. Und in der Schmiede konnte der Arm schonmal lahm gelegt werden, bis genug Luft in die Holzkohle gepumpt wurde, um das Eisen für Messer und Drechsel zu erhitzen. Im Frühmittelalter war das Leben alles andere als leicht. Aber es gab auch viele Parallelen zu heute. Davon konnten sich die Besucher am Wochenende mit eigenen Augen im Römerpark überzeugen.

Hausaltare waren auch im Frühmittelalter beliebt. Hier entsteht gerade einer.

Beispielsweise waren die Völker gehörig in Bewegung. Derjenige hatte die Macht, der am meisten Land besaß. Also gab es einen unablässigen Krieg und die Völkerscharen zogen kreuz und quer über den Kontinent – ​​und darüber hinaus. Migration der anderen Art. Und eine Vermischung der Kulturen, die einen regen Austausch bedeutet. Was heute die politischen Schlagzeilen prägt, ist also eigentlich nichts Neues – und hat es schon immer gegeben.

Beim Schmieden zählt nicht unbedingt die Kraft, sondern die Technik.

Merowinger, Franken, Burgunder, Bajuwaren: Das sind nur einige der Völker, die damals Schlagzeilen machten. Wie diese Menschen genau aussahen, zeigt vor allem die Archäologie und Funde aus Gräbern. Die Darsteller im Frühmittelalter-Camp haben alles, was sie am Leib trugen, diesen Funden nachempfunden. Oft haben Sie die Gürtelschnallen und Fibeln selbst gemacht, die Stoffe eigenhändig gefärbt und gewebt. Bei einer kleinen Modenschau zeigt sie den Zuschauern, was die Menschen kurz nach dem Verschwinden der Römer und der Verbreitung des Christentums taten.

Kulturvermischung und Kriegsmigration

Waffen prägt die Kleidung immer und überall.

Wer aus dem Thüringer Königreich stammte, war beispielsweise von Kopf bis Fuß für den Kampf vom Pferd aus ausgestattet – inklusive Bogen und Pfeilen, die besonders fiese Wunden hinterließen. Die Frauen trugen stets über die Jahrhunderte hinweg Schleiertücher und Mantelkleider. Und oft einen Gürtel, an dem alles baumelte, was die Frau für den Alltag brauchte – von Messer bis zum Kamm. Christliche Symbole wurden gleichzeitig mit Schmuck getragen, der noch an die heidnischen Zeiten angelehnt war. Die Franken kamen gar mit phrygischen Mützen, daher, die ursprünglich bei den Persern erfunden wurden – dort als lederne Variante aus der Haut von Ochsenhoden.

Von etwas Leben mussten auch die Menschen im frühen Mittelalter.

Auch die Dame und der Herr, deren Gräber vor einigen Jahren an der Autobahn in Bergkamen entdeckt wurden, stammten aus dem Frühmittelalter und hatten reichen Schmuck und Waffen als Beigaben im Grab. Vorbilder für die Modenschau waren auch Grabfunde aus Dortmund-Asseln oder dem nahen Dülmen. Ein spannender und anschaulicher Ausflug in die Zeit, der mit einer Präsentation der damaligen Waffen und Kriegskunst abgeschlossen wird.

Ausprobieren konnten sich die Besucher überall: beim Funkenschlagen und mit der steinzeitlichen Axt in der Steinzeit-Ecke oder am Blasebalg der Schmiede, in der zukünftig die Ausstattung der lagereigenen Werkstatt entstehen soll. Und das nächste Fest steht auch schon wieder kurz bevor, nach dem Drusus-Feriencamp vom 8. bis 11. Juli: Am 17. und 18. August wird das Mittelalterfest gefeiert.

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Mammuts und Nashornzähne: Museumsnacht lädt ein zum Blick hinter die Museums-Kulissen

 

Versteinertes Elfenbein aus der Urzeit: Im Museum wird gerade die Vorgeschichte bearbeitet.

Eigentlich ist es ja eine Museumsnacht. Die macht aber auch morgens gehörigen Spaß. Zumal sie am Sonntag zum ersten Mal im fast fertig umgebauten Oberadener Stadtmuseum stattfand, obwohl das noch nicht komplett geöffnet hat. Und: Es ging hinter die Kulissen. Da durften sogar die Exponate mit Samthandschuhen angefasst werden – im wahrsten Sinne.

Wird mit Handschuhen angefasst: Das gewaltige Gebiss eines Höhlenbären.

Wer da einen Mammutstoßzahn mal eben mit einer Hand greifen wollte, der wunderte sich nicht schlecht. Die versteinerten Verteidigungswerkzeuge der zotteligen Lebensgefährten unserer Vorfahren brauchen schon ein gutes Stück Kraft, auch wenn sie beileibe nicht von ausgewachsenen Exemplaren stammen. Imposant auch der Zahn eines Vorfahren heutiger Nashörner. Was Museumsleiter Mark Schrader dort aus dem Seidenpapier wickelte, bräuchte schon eine stattliche Sackkarre, um in fortzuschaffen.

Ganz schön groß: Nashornzähne aus der Urzeit.

Foto-Kameras stehen auf der Fensterbank, Reprostative, Handschuhe liegen herum. Überall Zettel für die Einordnung und spätere Beschriftung. Was von den vielen Fundstücken der Urgeschichte einmal in den Vitrinen landet, steht noch nicht fest. „Vieles müssen wir noch mit den Fachleuten genauer datieren“, so Schrader. Hier, auf diesen Tischen, passiert jedenfalls echte Museumsarbeit. Funde sind gerade aus Lünen zurück nach Bergkamen geholt worden. Dafür gibt es vieles, was andere Forscher hier deponiert haben, obwohl es von ganz anderen Fundorten stammt. „Datteln“, steht auf einem versteinerten Knochen. Der Grund: Früher war die Museumslandschaft noch ganz anders strukturiert als heute. Und Privatforscher spielten eine gesonderte Rolle.

Es ist jedenfalls spannend, was an den Ufern der Bergkamener Bäche zum Vorschein gekommen ist. Höhlenbären und winzige Urzeitpferde tummelten sich dort zusammen mit Nashörnern und Varianten der heutigen Elche. In den Vitrinen liegen bereits Steinwerkzeuge vom Beil bis zur Axt und Speeren, die von den Urmenschen für die Jagd und das bloße Überleben verwendet wurden. Zu sehen sein soll das alles noch in diesem Jahr, so der Auftrag. Vieles hat den Fortgang des Museumsumbaus als freiwillige Leistung bereits aufgehalten. Nach Corona kamen Baukostensteigerungen von bis zu 80 Prozent. Aktuell fehlt noch ein zweiter Rettungsweg, der Bauabschnitt vor der Tür macht immerhin schon Fortschritte, auch wenn die Ständer für die Fahrräder hinter den Bauzäunen noch unerreichbar sind.

Funde aus der Zigarrenkiste

Ein Scherbenhaufen? Von wegen: Die Keramik aus der Römerzeit verrät viel über den Alltag im Römerlager.

Spannend ist auch die römische Abteilung. Hier liegt überall das, was der Laie als Scherbenhaufen bezeichnen würde. Zerbrochene Tongefäße in allen Varianten. Doch auch hier können Forscher mit modernen Untersuchungsmethoden anhand der Isotope im Ton herausfinden, wo sie herkommen und was sie zu Zeiten von Kaiser Augustus und später alles enthielten. „Wein, Fischsauce, Oliven + Olivenöl“, steht auf den Notizzetteln in den Schachteln und Kisten. Einiges ist noch in den originalen Verpackungen abgelegt, darunter eine uralte Zigarrenkiste des Ausgräbers. Amphoren aus Spanien und von der Adria, feine Terrakotta-Teller, Lampen und Münzen: Es ist ein buntes Durcheinander, das viel über das Leben im Römerlager verrät.

Auch das ist Bergkamener Geschichte: Bomben aus dem Weltkrieg.

Direkt daneben liegt eine versinterte Holzleiter aus einem Bergbauschacht, eine Seltenheit ihrer Art. Ein paar Räume weiter stehen noch die Möbel aus verschiedenen Epochen der Neuzeit. Auch hier gibt es Geschichten zu erzählen. In der alten Schulklasse soll das Thema Nationalismus behandelt werden – von der Kaiserzeit bis zur heutigen brandaktuellen Entwicklung. Der entschärfte Blindgänger soll zur Diskussion mit der Kriegszeit, den Bomben auf die Bergwerke, die chemischen Werke und Hintergründe über das Konzentrationslager Schönhausen anregen. „Wir haben hier auch Integrationskurse zu Gast, darunter viele Teilnehmer aus der Ukraine. Die sehen hier oft zum ersten Mal, dass auch Deutschland eine schmerzhafte Kriegsvergangenheit hat“, erzählt Schrader.

Diskutieren wollten hier auch die Teilnehmer der Führung noch lange. Aber es gab noch weit mehr in Bergkamen in dieser Museumsnacht am Tage zu entdecken. Den Römerpark beispielsweise mit einigen Handwerkern. Oder eine Führung durch Rünthe und seine Bergbauvergangenheit. Eine spannende Zeitreise mit vielen seltenen Einblicken und Ausblicken.

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Versteinertes Elfenbein aus der Urzeit: Im Museum wird gerade die Vorgeschichte bearbeitet.
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Rasselnde Rüstungen und viel Handwerksgetöse zur Saisoneröffnung im Römerpark

Steinbildhauer schon in der Steinzeit? In Bergkamen zeigten sie, wie das ging.

Die Schilde und Schwerter sind am spannendsten. Und die rasselnden Rüstungen. Die glänzenden Helme mit den langen Federn müssen unbedingt mal angefasst werden. Richtig unheimlich ist dagegen die Wildschweinklaue, die auf einem Stück Leder befestigt ist. Und die komischen Kräuter in den Gefäßen sehen auch dubios aus. Nicht nur der Nachwuchs ging am Wochenende mit offenen Mündern und weit aufgerissenen Augen durch den Römerparkt. Mit wenigen Schritten konnte hier jeder fast die komplette Bergkamener Geschichte durchqueren.

Gewöhnungsbedürftig: Klauen als Schmuck.

Denn im wenige Meter entfernten Stadtmuseum finden sich bereits Funde aus der Steinzeit. Als die Bergkamener noch mit Fell um die Lenden durch die Landschaft zogen, waren sie vor allem auf der Jagd nach Essbarem. Oder sie suchten Material dafür. Denn irgendwie mussten Wildschwein und Co. ja schließlich erlegt werden, damit etwas auf den Tisch kam. Der wiederum musste auch erstmal hergestellt werden mit Beilen, Hobeln und anderen Werkzeugen. Immerhin gab es noch Muße, Steine mit schicken Mustern zu verzieren. Sogar Steinbildhauer gab es in der Steinzeit.

Schicker Schmuck aus der Bronzezeit.

Schon etwas filigraner ging es in der Bronzezeit zu. Hübsch geschmückt mit Fibeln und Gürtelschnallen waren die Bergkamener unterwegs. Die Kelten brachten Farben ins Spiel: Wie aus Schaffell Wolle entsteht, das wiederum zu Garn wird und nicht nur mithilfe von Zwiebelschalen und Walnüssen Farbe annimmt, bevor es mit viel Fingerfertigkeit zu Kleidung, Decken, Wandbehängen wird – auch das konnten die Besucher am Wochenende entdecken.

Große Zeitreise mit wenigen Schritten

Noch mehr Schmuck entsteht in mühseliger Kleinstarbeit.

Es war Saisoneröffnung am Wochenende im Römerpark und alle Vorfahren waren gekommen. Auch die Germanen durften nicht fehlen, vor allem mit Handwerkskunst. Da wurde gehämmert, geschnitzt, gesägt und genäht. „Sowas habe ich noch nie gesehen“, sagt eine Besucherin fasziniert. Sie beobachtet, wie sich die Nadel bedächtig durch das gegerbte Leder arbeitet. „Das ist ein Beutel, der komplett aus einem Stück entsteht, ohne genäht zu werden.“ Die Fäden, die hier gerade im Material verschwinden, sind nur zur Zierde gedacht. „Es war gar nicht so leicht, das Leder dafür zu finden“, sagt der Handwerker. „Zwei Jahre habe ich dafür gebraucht.“ Hier in Bergkamen hat er Käufer dafür gefunden.

Bereit zum Exerzieren: Ein Römer in Rüstung.

Die Römer rüsten sich derweil. Die Kettenhemden sind schon angezogen. Jetzt ist der Schuppenpanzer dran. Die Helme, Schilde, Lanzen und Schwerter kommen zuletzt. Schwerstarbeit ist es, sich für das Exerzieren zu rüsten. Das auch noch mit einer Ausrüstung, die von den Soldaten komplett selbst bezahlt werden musste. Der Militärdienst dauerte damals ewig und konnte in die entlegendsten Ecken des Reiches führen. Wie nach Oberaden, wo ständig Angriffe von feindlichen Stämmen drohten und langweiliger Wachdienst auf der Mauer des Römerlagers anstand.

Vieles davon können die Besucher jetzt wieder bis in den Herbst hinein an jedem Wochenende mit allen Sinnen im Römerpark erleben. Die Saison ist eröffnet!

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Handwerkerfest beendet die Römerparksaison mit allen Sinnen und Epochen

Funken flogen am Schmelzofen beim Handwerkerfest.

Egal ob Feuersteine wetzen als Steinzeitmann, Steine schleudern als iberischer Krieger der Antike, Wasserspeicher anbringen als Römer, Gürtel nähen als Skandinavier oder Kerzen ziehen, Leder stanzen, Bronze schmelzen und Holz hobeln als Mittelaltervertreter: Für alle, die ein Handwerk in der Tradition längst vergangener Zeiten ausüben, ist genau das ein wahres Fest. Deshalb saßen sie alle auch vor oder in ihren Zelten und Bauten und zeigten auf dem Gelände der Holz-Erde-Mauer, wie ihr Handwerk fasziniert. Zum Abschluss der Freiluftsaison, was ebenfalls schon längst eine Tradition hat.

Fachsimpeln und selbst mitmachen machte besonders großen Spaß.

Wenn die Besucher dann nicht nur zuschauen, sondern selbst mitmachen wollen, ist das Fest perfekt. Wie bei dem jungen Familienvater, der sich Stück für Stück selbst seine Fuchsschwanzkette aus winzigen Klammern bog. Stets unter geduldiger Anleitung, begleitet von spannenden historischen Erläuterungen. Oder wie die Kinder, die sich die Schwerter und Schilde schnappten und neben der Mauer so kämpften wie einst die Römer mit den Germanen. Oder wie der Jugendliche, der sich fast die Nase anbrannte bei dem Versuch, im Schmelzofen ganz genau mitzubekommen, wie das Metall bei stetiger Luftzufuhr aus dem Blasebalg immer flüssiger wurde und die Gussform füllte – über Jahrhunderte übrigens in fast unveränderter Weise.

Kerzen ziehen aus der Gussform – das gab es schon vor 100 Jahren in dieser Form.

Dann schmerzt auch der nächtliche Dauerregen nicht so sehr. Das Interesse und die vielen neugierigen Fragen der Besucher sind der größte Lohn. Irgendwann wird der Kessel für das Erhitzen des Bienenwachses für das Kerzengießen ausgetauscht gegen den Suppentopf und jeder der historischen Akteure bekommt seine Portion. Denn legt auch Museumsleiter Mark Schrader die Kelle mit dem frisch angerührten Lehm zur Seite und lässt das Fachwerk ein paar Minuten lang Fachwerk sein. Wer zwei Tage lang fast 24 Stunden lang in andere Zeiten eintaucht und ununterbrochen arbeitet, hat sich gerade diese gemeinschaftlich-gemütlichen Momente verdient.

Auch Hobeln will gelernt sein, selbst wenn sich die Geräte kaum verändert haben.

Die meisten machten aber auch dann nicht Pause. Der Hobel flitzte unter den Händen unbedarfter Besucher weiter über das Holz und zwischen den Suppenlöffeln gab es genaue Anweisungen, in welchem Winkel und mit welchem Schwung das Gerät am besten funktioniert. Die wilden Bienen übrigens verhielten sich ganz genauso wie ihre Kolleginnen vor mehr als 2.000 Jahren: Sie fielen geschlossen über die Rest-Waben her, die ihre domestizierten Verwandten auf dem Gelände fleißig mit Honig gefüllt hatten. Damit füllen sie ihre Speicher auf und bereiten sich auf den Winter vor.

Viel Arbeit ist ein Wasserspeier, den sich schon die Römer als fantastische Tiergestalten an den Dachfirst hängten.

Wie die menschlichen Historien-Darsteller übrigens auch. Jetzt kommt die Zeit, wenn neue Ideen daheim umgesetzt werden. Denn es gibt bestimmt wieder neue archäologische Funde von Wurfgeschossen, Schmuckstücken oder Holzbauteilen, die sich mit dem originalgetreuen Werkzeug genauso nachbilden lassen, wie es in den verschiedenen Epochen geschah. Die Kerzenzieherin geht garantiert wieder auf die Suche nach alten, gut 100 Jahre alten Formen, als die Massenproduktion allmählich begann. Solche Formen gibt es hierzulande kaum noch: „Ich habe sie in den USA, in Österreich und der Schweiz gefunden und bin ständig weiter auf der Suche“, erzählt sie.

Dann gibt es in der neuen Römerparksaison im nächsten Jahr bestimmt wieder ganz neue Handwerksprodukte aus uralten Zeiten zu sehen. So, wie es sie hier in den verschiedenen Zeiten gegeben hat.

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Römer feiern mit neuem Konzept und vielen Neuheiten

Gladiatorenkämpfe mit Profis und „Auszubildenden“ waren die spektakulärsten Aktionen beim Römerfest.

Die Schleuder macht einen gewaltigen Peitschenknall, dann klatscht der Stein donnernd an die Holzwand. Ein paar Meter weiter brüllt ein Mensch im Kettenhemd mit Federn auf dem Helm ein paar verhuschte Legionäre an: „Abmarsch, ihr faules Pack!“  In der Arena gehen Gestalten mit echten Dolchen und Holzwaffen aufeinander los – mit und ohne Schild. Unter einem Zeltdach werden Düfte gemischt, in anderen hämmern Handwerker Muster in Messing oder rühren in einer zähen Masse, die über dem Feuer köchelt. So ähnlich könnte es rund um die echte Mauer des römischen Legionslager in Oberaden vor über 2000 Jahren ausgesehen haben.

Abmarsch: Die Legionäre üben eine Formation auf den Resten der alten Lagermauer.

Beim Römerfest ging es am Wochenende jedenfalls deutlich natürlicher zu als mit straffem Programm in den Vorjahren. Hier übten die Gladiatoren, dort exerzierten die Legionäre. Mittendrin ganz normales Lagerleben. Jeder Besucher durfte fragen und sich etwas zeigen lassen – wie es gerade passte oder die Interessensgebiete ausgelegt waren. Mit rund 50 Helfern und Akteuren unter anderem aus Italien und den Niederlanden waren jedoch weniger Darsteller als zuvor nach Oberaden gekommen. Etwas familiärer war die Atmosphäre mit weniger Gedränge – und mit prachtvollem Spätsommerwetter.

Spatenstich für den Nachbau des Nordtores mit Römern.

Ein ideales Wochenende für den nächsten offiziellen Spatenstich. Das Nordtor, historisch als rückwärtiges Tor „Porta Decumana“ bezeichnet, soll in den nächsten Jahren nachgebaut werden – direkt neben der Rekonstruktion der Holz-Erde-Mauer. Museumsleiter Mark Schrader rammte dafür stolz den original römisch nachempfundenen Spaten mit einigen Helfern in den Boden. Gleichzeitig ging am Samstag auch die neue Kultur-App an den Start: „Bergkamen.Erleben“ führt virtuell und mit digital nachgestellter Realität durch die Bergkamener Vergangenheit. So kann man sich an der Holz-Erde-Mauer auch ein Selfie mit einem römischen Legionär gönnen.

Nachbau des Nordtores wird Jahre dauern

Museumsleiter Mark Schrader mit der neuen Kultur-App, die am Samstag jeder ausprobieren konnte.

Neben den beschilderten Rekonstruktionsplänen wird Mark Schrader ein wenig melancholisch. „Das Nordtor war das letzte Projekt von Dr. Kees Peterse, dem Fachmann auf dem Gebiet“, schildert er. Der Architekt, der schon zahlreiche römische Lagerbauten rekonstruiert hat, starb kurz nachdem er die Oberadener Pläne vollendet hatte. „Das Projekt bekommt so eine ganz besonders emotionale Note“, sagt der Museumsleiter, der gleichzeitig Archäologe ist und lange Zeit mit Peterse zusammengearbeitet hat. 5 Jahre wird es wohl dauern, bis zunächst das Fundament, anschließend das Gerüst und später mit viel Eigenabeit die „Verkleidung“ des Tores entstehen. „Dafür können wir jede Form von Unterstützung gut gebrauchen – als Spenden oder auch in Form von Muskelkraft und Know-how“, so Schrader. Das Tor soll auf jeden Fall praktisch genutzt werden – als Kasernenunterkunft und Lagerräume.

Wurfschleudern in Aktion.

Viel Neues also einerseits und zurück zu den Wurzeln andererseits. Das Römerfest machte auch in der neuen Form viel Spaß. Die Akteure erläuterten begeistert, wie Wurfschleudern auf den Balearen geflochten und die vorbeisegelnden Griechen in die Flucht geschlagen wurden. Oder wie die Römer mit den kompliziert aussehenden Messinstrumenten der Antike Geländesenkungen überwanden, Entfernungen berechneten und exakte rechte Winkel bauten. Die Besucher lernten, dass Gladiatoren durchaus aus in der Armee ihre Kunst an die Berufskämpfer vermittelten, denn ihre Fähigkeiten waren gefragt.

Nachwuchsarchäologen tummelten sich ebenso auf dem Gelände wie geschichtsinteressierte Laien oder spontane Spaziergänger oder jede Vorahnung. Sie alle nahmen vielfältige, bunte und spannende Eindrücke von dem mit, was sich hier vor gut 2000 Jahren abgespielt haben mag.

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Mittelalterwochenende mit heißen Einblicken in schaurig-schöne Alltagswelten

Blasebalg am Schmelzofen und blubbernder Färbetopf mit roter Krappwurzel: Mittelalter war Schwerstarbeit, auch ohne Klimawandel.

Die Bronzebarren dampfen noch am Rand der Esse aus. Sie sind erst vor kurzem mit den langen Zangen aus der feuerroten Glut herausgeholt worden. Jetzt steht eine Form mit einer anderen Metall-Legierung im Feuer und der Blasebalg ist im Dauerbetrieb. Kein Vergnügen für den Mann im mittelalterlichen Baumwoll-Outfit. Unter der Kappe fließt der Schweiß in Strömen beim Mittelalter-Wochenende an der Holze-Erde-Mauer im Römerpark. Nebenan am Färbetopf ist es nicht viel gemütlicher.

Sieht zumindest lecker aus: Der "heidnische Kuchen" auf dem Weg in den Ofen.Auch am mittelalterlichen Backofen macht es heute bei tropisch-schwülen Temperaturen wenig Spaß, den „heidnischen Kuchen“ aus Rindfleisch, Schmalz, Speck, Äpfeln, Thymian und Liebstöckel ins Feuer zu schieben. Selbst beim Hämmern der winzig kleinen Löcher auf dem Bronzeblech für den Gürtel rinnt der Schweiß in der Werkstatt ein paar Meter weiter. Und auch die Näherin hat so ihre liebe Mühe, mit den vielen dicken Stoffschichten samt Haube am Leib noch den Faden in das winzige Nadelöhr zu fädeln. Vor weit mehr als 1000 Jahren waren Klimawandel und Co. noch Fremdworte und es dürfte im Sommer deutlich luftiger als heutzutage gewesen sein.

Ganz schön anstrengend: Eine Molle aus Pappelholz hobeln.

Überhaupt war es damals deutlich anstrengender, heute selbstverständliche Dinge zu erledigen. Was flinke Maschinen für uns digital in Sekundenschnelle und spottbillig erledigen, dauerte damals halbe Ewigkeiten. Eine Molle, eine simple Schale aus Holz in allen beliebigen Größen, musste erstmal im wahrsten Sinne gefällt werden. Am besten eine Pappel, denn deren Holz hat schöne feine Fasern. Dann muss das Holz passend zersägt werden und der Hobel kommt stundenlang zum Einsatz. Bis eine schicke Damentasche für den Gürtel fertig war, musste erstmal das Leder her. Dafür musste ein Tier sein Leben lassen und die Haut gegerbt werden mit meist sehr unappetitlichen Zutaten. Dann kamen Scheren und Messer samt Nadel und Faden zum Einsatz, bis das Stück endlich nach Wochen fertig war.

Da darf niemand Berührungsängste haben, am Stand des „Arztes“.

Richtig schlimm dran war, wer gesundheitliche Probleme hatte. Die haarsträubenden Gerätschaften vom Spachtel über den Einlauf bis zur Aderlass-Schale und Schröpfglas dürften allesamt mehr als schmerzhaft gewesen sein. Zumal das Konzil von Tours 1162 allen Christen verbot, derart am menschlichen Körper herumzuwerkeln, dass Blut dabei floss. Die 4-Säfte-Lehre war mehr als nur Medizin, sondern Welterklärung und es kamen interessante Kräuter und Tinkturen zum Einsatz, wo heute eine simple Tablette wirkt.

Auch die Rüstung durfte nicht fehlen, immerhin war das Mittelalter reichlich kriegerisch.

Weben, Kochen, Spielen, Trinken, Dachdecken, Schlafen: Es fehlte nichts in und um die Zelte herum, was Einblick in das spannende aber nicht selten auch mehr als befremdliche mittelalterliche Alltagsleben bot. Da gab es zum Beispiel morgens schon Bier zum Frühstück auch für das Kind – weil es nahrhaft war und sicher vor tödlichen Verunreinigungen. Das könnte sich mancher womöglich auch heute gut gefallen lassen…

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Sieht zumindest lecker aus: Der "heidnische Kuchen" auf dem Weg in den Ofen.
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Städtebauprojekte öffnen sich mit Visionen und Realem

Die Wasserstadt Aden: Im Hintergrund schon in Ansätzen real, auf den Plänen in ihrer zukünftig bewohnten Form.

Die ersten Bewohner sind längst da. Schwäne schwimmen dort, wo der Adensee zumindest in der Silhouette bereits entstanden ist. Frösche quaken, der Kuckuck fliegt herum. Mit dem Plan in der Hand lässt sich erahnen, was hier in naher Zukunft nach langer Planung entstehen soll: „Lebendige Vielfalt am See“, so der Marketingslogan für 300 Wohneinheiten und 13,4 ha Wohnfläche, 7,5 ha Wasserfläche und 4,9 ha Gewerbefläche. Die Wasserstadt Aden nimmt beim Tag der Städtebauförderung in echt und auf den Plänen Gestalt an. Ebenso wie weitere Förder-Projekte. Zum Tag der Städtebauförderung zog es allerdings nur wenige auf die ehemaligen Bergbauflächen und in die Infozelte.

Von oben nimmt die Wasserstadt bereits beeindruckende Formen an.

Wer kam, hatte meist konkretes Interesse. Wie einer, der sich gezielt nach dem Nischenangebot auf der mit 1.322 Mio. Euro geförderten Fläche erkundigte: Die schwimmenden Häuser. Anfragen gibt es viele und regelmäßig für das Wohnangebot, das ab dem nächsten Jahr vermarktet werden soll. Dafür soll es, so die Mitarbeiter der Stadt im Rahmen der Führungen über das Gelände, noch eine neue Marktanalyse geben. Denn vieles hat sich im Vergleich zum Planungsstart erheblich verändert. Die Energieprobleme beispielsweise, die deutlich schmaleren Geldbörsen der Menschen, die Finanzierung allgemein.

Schwäne fühlen sich auf dem rudimentär gefüllten Adensee bereits wohl.

Vor diesem Hintergrund entsteht dort, wo früher der Bergbau voll und ganz das Bild prägte, viel Innovatives. Das Grubenwasserhebewerk der RAG ist aktuell als riesiges Gerüst eine Sehenswürdigkeit. Dort wird eine neue Grubenwasserleitung gebaut, die künftig unter der Wasserstadt hindurch das ständig gepumpte Grubenwasser Richtung Lippe befördert. Inklusive Hochwasserabschlagsleitung, denn auch das ist ein Thema, was brennend aktuell geworden ist. Hinzu kommt die gleichzeitige Nutzung für die Energieversorgung der künftigen Bewohner: Wärme und Kühlung, beides soll mit dem möglich werden, was ohnehin erforderlich ist. Ein Architektenwettbewerb wird das noch schönere, bald 30 Meter hohe Bauwerk mit modernem Fassaden-Design zieren.

Hübsche Aussicht bei bestem Wetter mit Liegestühlen. Leider nur wenig genutzt.

Hier entstehen Grünflächen, Gastronomie, ein Hotel, Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten sind am See geplant, der auch eine Gracht samt Grachtenviertel erhalten wird. Die Spundwand zum Kanal wird am Ende herausgebrannt. Dann gibt es eine Verbindung zwischen dem schiffbaren, bis zu 3 Meter tiefen, 840 m langen und 80 Meter breiten See und dem Kanal. Flanieren auf dem Adenboulevard, Radfahren auf dem IGA-Radweg, der direkt daran vorbeiführt, Naherholung auf den Haldenflächen. Es ist verlockend, was hier auf dem Werbematerial längst Formen angenommen hat.

IGA wirft ihre Schatten voraus – vor allem abstrakt

Informationen gab es auch in den Infozelten für die Internationale Gartenausstellung eine Etage höher am Fuße der Haldenlandschaft.

Nur mit Bussen war allerdings am Samstag das Areal erreichbar, das Teil der Internationalen Gartenausstellung der Metropole Ruhr 2027 sein soll – ein Hauptteil, wohlgemerkt. Ein Zukunftsgarten soll gemeinsam mit der Nachbarstadt Lünen entstehen. Noch wächst die Bergkamener Haldenlandschaft immer noch und verändert sich ständig. Bewegung und Erholung sind hier schon jetzt möglich. Fragen unserer zukünftigen Lebensformen sollen hier 2027 beantwortet werden als „Schaufenster“ und „Labore“ neben dem Schwerpunktthema Gärten. Der IGA-Radweg wird ein wichtiger Baustein sein, um die Halden samt „Willkommensbereich am Kanal“ mit der Wasserstadt, dem Bereich um den Volkspark Schwansbell, Seepark Horstmar und Preußenhafen mit der Lünener Innenstadt zu verbinden. Wie das alles praktisch aussehen soll, ist aktuell noch reine Abstraktion und Theorie.

Auch für eine spontane Besuchergruppe aus Münster, die eigentlich ein Boot aus der Nachbarstadt abholen wollte. Das klappte allerdings nicht. Die freie Zeit nutzte sie für einen Ausflug in die Wasserstadt. „Wir haben die Planungen mitbekommen, als wir einen Liegeplatz in der Marina hatten“, erzählen sie. Sie haben die landschaftlichen Veränderungen direkt mitbekommen. „Es ist schon spannend zu sehen, wie es jetzt wieder ein Stück weitergeht.“

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Zur Saisoneröffnung holt der Römerpark das Mittelalter an die Holz-Erde-Mauer

Original aus dem Kaukasus sind Pfeil, Bogen und Kleidung dieses Experten.

In einer Ecke geht es ganz schön kriegerisch zu. Schwerter und Schilde stehen an den Zeltwänden, der Bogen ist gespannt, die Pfeile sind akkurat im Köcher verstaut. Ein Helm, Kettenhemd, Messer, Fibeln, Dolche: Alle Zeichen stehen hier auf Krieg. Vor der Holz-Erde-Mauer geht es friedlicher zu. Jemand flickt mit Nadel Leinen und Faden sein buntes Beinkleid. Eine adrett gekleidete Frau schlürft aus einem tönernen Becher ein heißes Gebräu. Ein paar Meter weiter wird gemauert: Ein Stroh-Lehm-Gemisch ist zu Ziegeln geformt, mit einem ähnlichen Material in matschiger Form werden sie miteinander verbunden.

Kriegerisches Lager auf der anderen Seite der Holz-Erde-Mauer.

Die Epochen passen nicht immer zusammen. Die Holz-Erde-Mauer ist römisch und stammt aus dem 1. Jahrhundert. Das Empfangshaus, das gerade entsteht, ist aus derselben Zeit. Die friedlichen Wegelagerer kommen aus Schweden und aus dem Kaukasus aus dem 8./9. und aus dem 10. Jahrhundert. Ins 5. Jahrhundert gehören manche Requisiten der kriegerischen Experten. Mittendrin läuft jemand aus der Steinzeit herum. Vor allem das Frühmittelalter hatte zur Saisoneröffnung am Wochenende im Römerpark das Sagen. Die Darsteller trotzten den mächtigen Regenschauern am Freitag, bauten ihre Zelte auf und zeigten, was alle in akribischer Kleinstarbeit in vielen Stunden originalgetreu geschaffen hatten.

Hübsch anzuschauen bis ins Detail: Mittelalterliche Kleidung aus Schweden.

Steffi ist eigentlich Psychologin und interessiert sich schon immer für Fantasy und Mittelalter. Während des Studiums zog sie in eine neue Stadt und wollte Leute kennen lernen. Die Szene war der beste und schnellste Weg. Jetzt ist sie hier festgesetzt und hat alles, was sie am Leib trägt, detailgetreu an die unvollständigen Funde eines ganz bestimmten Fundorts in Schweden angelehnt. „Gerade das Fundorientierte finde ich spannend, denn wir sind ja schließlich alle irgendwie auch Wissenschaftler“, sagt sie. Wie ihr Begleiter. Der ist eigentlich Physiker und Datenanalyst. Jetzt flickt er gerade ein Loch in seiner bunten schwedischen Hose, die irgendjemand im 10. Jahrhundert tatsächlich genauso getragen hat.

Multikulturelle Gesellschaften schon im Frühmittelalter

Khazare und Schweden friedlich beieinander.

Knallbunt ist die spitze Mütze, die ein Khazare nebenan auf dem Kopf trägt. Sie ist kunstvoll aus Seide gewebt. Die kam im 8./9. Jahrhundert über die Seidenstraße in den Kaukasus. Händel, wie er noch heute die globalisierte Welt prägt. Überhaupt: Die Ur-Schweden mit ihren spitzen blauen Mützen sind immerhin im Rheinland nachgewiesen. Menschen aus dem Osten zog es immer schon in die hiesigen Gefilde. Völkerwanderungen waren im gesamten Mittelalter global unterwegs und sorgten für multikulturelle und durchmischte Gesellschaften. Das, worüber heute so heftig diskutiert wird, ist auch seit Jahrhunderten Fakt.

Auch gebaut wurde: Der Museumsleiter persönlich Hand am neuen Empfangshaus an.

So war die Saisoneröffnung eigentlich auch ein Stückweit topaktuell – und politisch. Das frühe Mittelalter hat jedenfalls auch in Bergkamen neben den allgegenwärtigen Römern Spuren hinterlassen. Mit einem prächtigen Merowingergrab, das vor einigen Jahren entdeckt wurde. Und mit der Bumannsburg sterben den Konflikt zwischen Sachsen und Franken veranschaulicht und schon lange bekannt ist.

Auch am Sonntag können die Besucher den Akteuren noch auf die Finger und in die Behausungen schauen. Nach dieser Eröffnung ist der Römerpark an jedem Wochenende samstags und sonntags von 12 bis 17 Uhr geöffnet und lädt zu weiteren Zeitreisen ein. Übrigens durchgängig betreut von Ehrenamtlern des Museumsfördervereins.

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32. Pflanzfest verewigt 32 Bäume und Erinnerungen auf neuer Pflanzfläche

Gar nicht so leicht mit Regen im Gesicht: Der neue Baum wird gleich österlich geschmückt.

Wer da eigentlich pflanzte, war nicht mehr genau zu erkennen. Es war vor allem ein Wald aus Regenschirmen, der sich dort an der Overberger Straße auf der inzwischen 3. Pflanzfläche formierte. Zwischen einem durchgehenden Wand aus Regenjacken, Regenstiefeln und Regenhosen: 32 Bäume beim 32. Pflanzfest.

Anbinden, Erde an die Wurzeln und schon waren die Bäume gepflanzt.

Genauer gesagt: 2 Bergahorn, 5 Spitzahorn, 2 Hainbuchen, 4 Rotbuchen, 3 Schwarznussbäume, eine Stieleiche, 8 Silberlinden und 7 Europäische Lärchen. Dem Wandel wird es damit ein bisschen schwerer gemacht und 32 Eigentümer freuen sich. Denn mit den Bäumen werden sich Erinnerungen, Emotionen, ganz besondere Menschen und Ereignisse im Boden ausbreiten. Das Angehen dürfte garantiert sein. An Wasser mangelte es jedenfalls nicht. „Das Grundwasser steht hier sehr hoch“, kommentierte Bürgermeister Bernd Schäfer seine im Morast komplett versunkenen Schuhe. An jedem Wurzelballen hatte sich eine stattliche Pfütze bis zur Rasennarbe gebildet.

Das macht Spaß: In der Klitschnassen Erde wühlen und Bäume pflanzen.

Ein Fest vor allem für die Kinder. Die waren für die Overberger Grundschule, für die Ketteler Grundschule und für das Familienzentrum Sprößlinge in stattlicher Zahl aufgelaufen. Denn für alle Einrichtungen gab es am Samstag einen eigenen Baum. Die Kinder waren nach Sekunden kaum noch zu erkennen. Wonnig wühlten sie mit Miniaturschaufeln und Zwergen-Harken in der flüssigen Erde und verteilten sie am ganzen Körper. Andere Veranstaltungen in der abseits aufgehäuften Erde ein regelrechtes Schlammfest. Das Duo „Ann Gets Rhythm“ trotzte den Regenströmen und sorgt für erstklassige musikalische Umrahmung. Auf konnten sich alle mit Reibekuchen und mehr an einem eigens aufgebauten Stand erwärmen.

3 Blindgänger auf der Pflanzfläche entschärft

Eigens einstudiert hatte die Kinder der Overberger Grundschule ein Lied für ihren Baum.

Erst vor kurzem waren hier noch insgesamt drei Blindgänger aus dem 2. Weltkrieg ausgegraben und entschärft worden. Der normalerweise sehr spärliche Bach am Rande der Pflanzfläche war auf stattlicher Größe dicht an einen Fluss herangewachsen und rauschte fröhlich an den Feiernden vorbei. Die Kinder der Overberger Grundschule ließen es sich nicht nehmen, ein eigens einstudiertes Lied an ihrem Baum vorzutragen. Die Walker des TLV Rünthe hatten Sekt und Gläser dabei, um auf ihren Baum anzustoßen. Die Mitarbeiter des Gartencenters Röttger begleiteten zusammen mit dem Baubetriebshof nicht nur die fachkundige Pflanzung. Sie setzten selbst 2 Bäume in den Boden: Einen für den verstorbenen Firmenchef, einen für den Gartencenter und die Belegschaft.

Prost: Der Walkingtreff des TLV-Rünthe stieß auf den eigenen Baum feierlich an.

Zur Geburt des Enkelkindes, in Erinnerung an die verstorbene Ehefrau, für das erworbene Abitur: Die Anlässe für die Baumpflanzungen waren vielfältig und immer verbunden mit Erinnerungen und starken Gefühlen. Jede Pflanzung erfüllt mit den sogenannten Klimabäumen aber auch einen guten Zweck angesichts immer problematischeren Klimabedingungen. Auf den beiden vorhandenen Pflanzflächen sind insgesamt schon 830 Bäume gewachsen.

Wer beim nächsten Pflanztermin am 11. November mitmachen wird: Ein Baum ist für 130 Euro zu haben – Baumschild und fachgerechte Begleitung inklusive, beispielsweise Behandlung der Baumwurzeln im Vorfeld für ein besseres Anwachsen. Bäume können im Bürgerbüro der Stadt bestellt werden.

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Prost: Der Walkingtreff des TLV-Rünthe stieß auf den eigenen Baum feierlich an.
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Eigens einstudiert hatten die Kinder der Overberger Grundschule ein Lied für ihren Baum.
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Mit Timm Ulrichs sattsam eintauchen in „Kunst und Leben“

Timm Ulrichs im engagierten Gespräch mit dem Publikum und mit seinem Weggefährten und Freund Dieter Treeck.

Am Ende waren seine Zuhörer fast schon froh, dass er schlecht sehen konnte. Sonst hätte Timm Ulrichs womöglich von einem Manuskript abgelesen. Und der Vortrag mit dem Thema „Kunst und Leben“ zur Eröffnung seiner  neuen Ausstellung  wäre bei weitem nicht das geworden, was es war: Eine ganz persönliche launige Improvisation zu einer Stadt, die ihn als „Totalkünstler“ ein halbes Jahrhundert geprägt hat. Mit Erlebnissen, die keiner Stichworte bedürfen, „weil vieles noch so lebendig ist“ – und „weil es unwichtigere Orte in meinem Leben gibt“.

Gut gelaunt trotz schlechter Augen und bevorstehender Augen-OP: Timm Ulrichs trägt Bergkamen und seine Kunst im Kopf, ganz ohne Manuskript.

Deshalb gibt er Bergkamen als seinem „Resonanzboden und Experimentierfeld“ nicht nur die inzwischen 9. Ausstellung in der sohle 1. Timm Ulrichs gibt der Stadt auch eine weitere Dauerleihgabe als echtes Geschenk für die künftige Dauerausstellung. „Berlin hat nichts von mir – und Bergkamen einen ganzen Saal“, freute er sich. Dem wird er demnächst noch Fotografien von den Originalstandorten der hier entstandenen Werke hinzufügen. Zeit hat er dafür noch genug, denn der noch knapp 82-Jährige wird schließlich „alle überleben und die Kunstgeschichte zu eigenen Gunsten umschreiben“. Nicht ohne einen Hauch von Eifersucht auf den Rollator des Weggefährten Dieter Treeck, mit dem ihn mehr verbindet als Erinnerungen und viele gemeinsame Kunstaktionen, sondern eine echte Freundschaft.

Der Frühstückstisch mit Manet-Anspielung im Tarnanzug.

Angefangen hatte es mit dem Bergkamener Bilderbasar und einem jungen Timm Ulrichs, der gerade seine Professur in Münster begonnen hatte. „Mit einem vorurteilsbeladenen Publikum, mit dem man heftig in den Kneipen über Kunst streiten konnte“. Damals „waren die Mädchen noch hübsch“ und die Inspiration grenzenlos. Anspielungsvoll tarnte er den Frühstückstisch im Grünen mit Wink zur Manet-Idylle im militärischen Outfit – als Abstraktion und Konkretion. Parallel dazu war der Globus auf Plakaten im Tarnanzug präsent. Denn da die Gottsuche längst aufgegeben worden war, musste man sich umgekehrt psychologisch kriegsgerecht wenigstens vor Angriffen aus dem All schützen.

Von der Realität verbrauchte Kunst

Verkehrsleitkegel als Kunst im Modell.

Seine Verkehrsleitkegel kamen in Bergkamen wieder zurück in den echten Straßenverkehr und wurden von der Realität verbraucht. Im Museum sind sie als Modell zu bewundern. Seinen Körperabguss, angefertigt von Prof. Kampmann als kopfstehendes Denkmal seiner selbst, eingelassen in die Erde, in der sich das eigentliche Bergkamener Leben damals noch abspielte, wurde Opfer eines Lkw-Angriffs. Ulrichs ließ das Werk in Bronze reproduzieren. Heute wartet es auf dem Künstlerfriedhof in Kassel darauf, mit seiner Asche und der seiner Frau gefüllt zu werden. Wer zuerst hier eingekehrt und ob am Ende „alles verrührt wird“, spielt fast keine Rolle. Die romantische Geste zählt.

Das Handlese-Kunstbuch.

Seine ebenfalls kopfstehende Erdpyramide am Rathaus gibt es in mehreren Versionen. Die erste wurde um ihre Lote und Buchstaben beraubt. Und die Abbildung seine Hände haben beileibe nichts mit den betenden Händen von Dürer zu tun. „Ich bin sehr ungläubig“, betonte Ulrichs und wies darauf hin, dass es sich um eine Handlese und ein Kunstbuch handle, das ihm sehr am Herzen liege. Und während die anderen ihn lobhudelten als „einen der wichtigsten Menschen in meinem Leben“, so Treeck, den er auch auf ewig mit einem seiner Symbole im eigenen Briefkopf verewigt habe, stapelte Ulrichs süffisant tief. „Ich habe ja gar kein Talent“, sagt er. Er habe nur den Mund aufgemacht und auch versucht, den Worten gerecht zu werden. „Ich bin mit dem Trick durchgekommen“, resümiert er mit der ihm eigenen satten Selbstironie.

Dass eines seiner Werke, seine ausgesparten Fußabdrücke in der Metallplatte, versehentlich mit echten Füßen getreten wurde und vorsorglich in Sicherheit gebracht werden musste, hat ihm gewiss gefallen. Ebenso die Tatsache, dass seine Werke zur Eröffnung ganz ungeschützt in den puren Kontakt mit den Gästen treten durften. Die waren jedenfalls so zahlreich, dass die Stuhlreihen verdoppelt werden mussten, damit auch alle Platz fanden. Der Applaus für seine Rede konnte es ebenfalls locker mit populärerer Kunst anderer Genres aufnehmen. Timm Ulrichs ist eben längst ein Bergkamener Original – auch wenn er es noch nicht wahrhaben will. Er hat ja noch reichlich Zeit dafür.

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