Beim Römerfest ging es nicht nur in der Arena zur Sache
Das Blut läuft, kaum dass die Spitze des Schwerts die Nase berührt hat. Der Kampf in der Arena ist abgebrochen. Die Nase ist angebrochen. „Das habe ich ein Mal im Monat, ist nicht schlimm“, sagt der Retiarius und hat mit dem modernen Taschentuch im Gesicht noch die Muße, Netz und Dreizack ordentlich aufzusammeln. Es ist Römerfest und es geht im Schatten der Holz-Erde-Mauer auf dem Gelände des einstigen Römerlagers zur Sache.
Leander lässt das Geschehen völlig kalt. Der Vierjährige steht mindestens zum vierten Mal in einer Arena und stürzt sich ebenfalls mit Netz und Dreizack unerschrocken auf einen fünf Mal so großen ausgewachsenen Kämpfer. Wenn er zum Gladiator wird, heißt er Priopas. Den Namen hat er ebenso von seinem Vater geerbt wie die Leidenschaft für das antike Spektakel. Sein Vater ist der Museumsleiter und hat all das organisiert. Mark Schrader hat an diesem Wochenende sein zweites Leben als Gladiator an den Nagel gehängt, jetzt ist der Nachwuchs dran. „Es tun einfach die Knochen weh – und ich möchte Zeit für die Kinder haben“, sagt er. Denn auch seine ebenfalls vierjährige Tochter Laetitia zieht es zur Geschichte und in die Arena. Viel zu tun, auch in der Freizeit.
Die füllt sich für alle, die an diesem Wochenende auf dem Gelände in die Rollen von Gladiatoren, Legionären, germanischen Hilfskriegern und Handwerkern schlüpfen mit uralter Geschichte. Egal ob sie gebürtige Amerikaner, Belgier, Italiener oder Niederrheiner sind. Nichts, was hier zur Schau getragen wird, ist nicht originalgetreu. Fast alles orientiert sich an archäologischen Funden und wurde vor gut 2000 Jahren so in Oberaden getragen, benutzt, verwendet, hergestellt oder einfach nur angeschaut. Das reicht von der kleinsten Niete am Rüstungsteil bis zur Tinte im Fässchen.
Dokumentenechte Schreibkultur mit Ewigkeitsgarantie
Einen Gallapfel hat der Junge aus Bergkamen jedenfalls noch nie gesehen. Er schaut sich das Produkt der Wespe, das am Eichenblatt als Nisthöhle wächst, neugierig an. Denn das runde Ding wird zermahlen, mit Essig vermengt, mit Rost angereichert und verwandelt sich mit Wasser und Gummi Arabicum in eine Flüssigkeit, die auf dem Papyrus erst schmutzig braun und mit der Zeit rabenschwarz wird. Sie bleibt mehr als 2000 Jahre frisch und dokumentenecht. Die Rezeptur hat sich deshalb bis heute kaum verändert. Damit zu schreiben, ist mit dem Kiel einer Gänsefeder auf rubbeligem Papier allerdings wiederum eine echte Kunst.
Jetzt rüsten sich die Reiter der germanischen Hilfstruppen. Sie brauchen einen Schemel, um in voller Rüstung auf ihre Pferde zu kommen. Die eisernen Masken werden oben im Sattel auf die Gesichter gesetzt. Zum Schluss kommt der Köcher mit den riesigen Pfeilen dazu und ein gewaltiger Speer. Dann reiten sie los. Patrouille. Alles ist originalgetreu, von der kleinsten Schlaufe am Sattel bis zum Verzierungselement am Gürtel. Sie reiten an dem Legionär vorbei, der mit einem Rasenstück vor dem Zeltlager stehen muss. Eine demütigende Strafe, weil er angeblich einen Befehl missachtet hat.
Es wird exerziert, gehämmert, gemeißelt, gehobelt, gefärbt, genäht, gehäkelt, gebacken, gekocht und gespielt. So, wie es vor 2000 Jahren im und am Lager zugegangen sein mag. Wagenrennen inklusive. Die modernen Spielkarten für die Kinder gab es damals wahrscheinlich noch nicht, oder zumindest in anderer Form. Spaß macht es jedenfalls allemal, einmal ein paar Tage lang in längst vergangene Zeiten einzutauchen. Die waren ganz ohne Frage spannend, aber auch anstrengend. Denn alt wurde man damals nicht, egal ob als Römer und Germane. Und alles, was im Alltag gebraucht wurde, musste noch weit mühsamer hergestellt werden als heute. Und vor allem: Es musste verteidigt werden, denn Kriegereien waren an der Tagesordnung.