AWO kritisiert bevorstehendes Ende des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“

Besuch bei der AWO (v.l.): Rainer Goepfert, Erika Terstiege, Michael Sacher und Daniel Frieling .

Nur wenige Wochen nach Amtsantritt des Bundestagsabgeordneten Michael Sacher folgte der Grünen-Politiker aus Unna der Einladung der AWO Ruhr-Lippe-Ems (RLE) zu einem gemeinsamen Austausch in der AWO-Kita „Sternstunde“ in Kamen. Mit Poltiker*innen aus der Region ins Gespräch zu kommen, sei der AWO sehr wichtig, betont Unterbezirks-Geschäftsführer Rainer Goepfert. Dabei lag ihm und den Gesprächsteilnehmenden Erika Terstiege (Kita-Einrichtungsleitung) und Daniel Frieling (Bereichsleitung Kindertagesbetreuung) ein Thema ganz besonders am Herzen: das angekündigte Ende des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“.  

Seit 2011 fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) die alltagsintegrierte sprachliche Bildung in der Kindertagesbetreuung. Dabei richtet sich das Programm vorwiegend an Kitas, die von einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern mit sprachlichem Förderbedarf besucht werden. 26 von den insgesamt 60 AWO-Kitas im Kreis Unna, Hamm und dem Kreis Warendorf sind Sprach-Kitas. Allein für das Jahr 2022 erhält die AWO RLE Fördergelder in Höhe von 853.000 Euro, um 33 Sprachfachkräfte und Fachberatungen zu finanzieren. Circa 2089 Kinder profitierten in den Sprach-Kitas der AWO RLE von der Arbeit dieser zusätzlichen Fachkräfte. Doch damit soll bald Schluss sein: Mitte Juli verkündete das Bundesministeriums, dass es im Jahr 2023 keine Förderung für „Sprach-Kitas“ mehr geben soll.

Rainer Goepfert: „Das Ende des Förderprogramms ist ein großer Fehler!“

Die Kita „Sternstunde“ ist eine der 26 AWO-Sprach-Kitas. Rund die Hälfte der 80 Kinder, die die Einrichtung besuchen, haben eine andere Muttersprache als Deutsch. Mit der Förderung wurde bisher eine halbe Stelle für eine Sprachfachkraft finanziert, die für das Team rund um Einrichtungsleiterin Erika Terstiege Gold wert ist: „Sie hat uns schon viele tolle Anregungen gegeben, wie wir den Kindern das Thema Sprache spielerisch näherbringen und auch wie wir Erzieher*innen durch unseren Umgang mit den Kindern zur Sprachförderung beitragen können.“ Die Sprachförderung ohne Unterstützung durch eine zusätzliche Fachkraft auf diesem hohen Niveau zu halten, sei nahezu unmöglich. Genau das ist auch die Sorge von Geschäftsführer Rainer Goepfert: „Das Programm und die qualitative Entwicklung frühkindlicher Bildung müssen erhalten bleiben! Wenn es keine Förderung für Sprachfachkräfte in den Kitas mehr gibt, wirkt sich das auf zahlreiche Kinder nachteilig aus – von Chancengleichheit kann dann keine Rede mehr sein“, ist er überzeugt. „Es ist ein großer Fehler, das Programm nicht fortzuführen – vor allem ausgerechnet jetzt, wo viele Kinder zusätzlich noch die auf die Pandemie zurückzuführenden Defizite aufarbeiten müssen.“

Bereichsleiter Daniel Frieling kann ihm nur beipflichten: „Jetzt all die Fortschritte, die in den elf Jahren erreicht wurden, einfach aufzugeben, macht keinen Sinn. Die Entscheidung der Bundesregierung hat weitreichendere Folgen als auf den ersten Blick erkennbar: Wenn wir jetzt in der frühkindlichen Bildung Abstriche machen, verschlechtern sich die Bildungschancen der Kinder ungemein. Da brauchen wir uns nicht wundern, wenn wir in einigen Jahren keine geeigneten Fachkräfte mehr finden.“ Rainer Goepfert ergänzt: „Die Sprachprobleme sind ja weiterhin da. Wenn die Erzieher*innen jetzt aber zusätzlich die Arbeit der wegfallenden Sprachfachkraft auffangen sollen, bringt sie das an ihre Grenzen – und das steigert nicht gerade die Attraktivität des Berufs.“

Michael Sacher zeigt Verständnis für Sorgen der AWO

Nachdem sich Michael Sacher vor Ort ein Bild von einer AWO-Sprach-Kita gemacht und sich die Sorgen der AWO angehört hatte, zeigte er sich verständnisvoll: „Ich kann voll und ganz nachvollziehen, dass das Ende des Förderprogramms ein großer Qualitätsverlust in der frühkindlichen Bildung mit weitreichenden Folgen wäre. Besonders ärgerlich ist, dass die Förderung so kurzfristig auslaufen soll.“ Obwohl das Thema nicht zu 100 Prozent in seinen Zuständigkeitsbereich falle, wolle er sich diesbezüglich mit seinen Kolleginnen und Kollegen austauschen. „Hierbei geht es nicht darum, der AWO einen Gefallen zu tun, sondern die Chancengleichheit und die Qualität der frühkindlichen Bildung aufrechtzuerhalten.“

Für die AWO war das Treffen damit schon ein Erfolg: „Uns ist es wichtig, auf das Thema aufmerksam zu machen und alles in unserer Macht Stehende zu tun, um das Ende des Programms zu verhindern“, sagt Rainer Goepfert. „Und wenn wir am Ende zum Protestieren auf die Straße gehen müssen, dann werden wir auch das tun!“