Anarchisch den Ungehorsam nicht nur für den Klimawandel proben

 

Den Globus immer im Blick: Anny Hartmann entlarvte scharfsinnig nicht nur Missverständnisse rund um den Klimawandel.Ganz schön wild war der Tanz mit „Klimaballerina“ Anny Hartmann zum Finale der Kabarett-Saison auf dem Globus. Der hatte vorsichtshalber aufgeblasen einen eigenen Stuhl als Nebendarsteller auf der Bühne des studio theaters. Das war fast auch besser so, denn beim analytischen Sezieren der gängigen Klimalügen ging es schon mal weit ab vom eigentlichen Thema, blieb aber immer scharfsinnig der Wahrheit auf den Fersen.

Was lässig im Plauderton daher kam, hatte es in sich.

Vieldeutig war schon die Herleitung über den neuen „Zweite-Wahl-Kanzler“ als lebenden Beweis für die Überflüssigkeit des Sauerlands und die Politik von Reichen für Reiche hin zur Entlarvung der Missverständnisse des Klimawandels. Als „Miss Verständnis“ ging es mit der Diplomvolkswirtin untermauert mit Daten und Fakten temporeich durch die Zweifel am menschengemachten Klimawandel nicht ohne Verweis auf die katholische Kirche, die nur 395 Jahre dafür gebraucht habe, die Theorie von der Erde als Kugel zu akzeptieren. Zusammen mit den USA sind wir Spitzenreiter im CO2-Pro-Kopf-Verbrauch – dem Stoff, er immer noch von Lobbyisten als natürlicher Stoff propagiert werde, während der Unterschied zwischen den anthropogenen und biogenen Varianten gezielt unterschlagen wird.

Sonderplatz nicht nur als Statistenrolle für den Globus auf der Bühne.

Das Prinzip, das Lachen im Halse stecken bleiben zu lassen, funktionierte durchgängig. Für Hirnschmelze sorgte die Wahrheit, dass Atomkraftwerke eben nicht klimaneutral argumentiert werden können, wenn sie Unmengen CO2 verschlingen. Anny Hartmann streute gezielt „Angst vor der Bajowarisierung der Gesellschaft“, um gleich nahtlos an das Missverständnis vom eigenen mitentscheidenden Konsumverhalten anzuknüpfen, hinter dem in Wahrheit die Mineralölkonzerne stecken. Das wiederum hängt irgendwie auch mit der Behauptung der Mächtigen zusammen, dass die Mehrheit den Klimaschutz gar nicht wolle. „Mit Physik kann man nicht verhandeln“, warnte Anny Hartmann und segnete die Mächtigen: „Die Würde des Rasers ist unantastbar.“

Auch als Kriegsgenerälin hinterließ Anny Hartmann bleibenden Eindruck.

Klimaschutz geht nicht ohne erneuerbare Energien und der Markt wird eben nicht alles richten: Manches kapitalistisch im Wettstreit der Systeme als Ersatzreligion verewigte Parole gehört auf dem Prüfstand. Anny Hartmann fordert den zivilen Ungehorsam, wie ihn auch das Grundgesetz erlaubt – und spürt dem wandernden Frieden vom Hindukusch in die Ukraine ebenso unerbittlich nach wie den Folgen des Siegs des Kapitalismus. Schuldige sind auch in den Religionen ausgemacht, die den Menschen als Krone statt als Teil der Schöpfung feiern. „Die Ausrottung ist rein menschlich“, sagt sie und verwandelt sich umgehend in den General „Goebels“, der kriegerisch auf Friedensmission für Konzerne und bombige Fußballvereine ist.

Die Theorie der Unvereinbarkeit von Kapitalismus und Demokratie und strategischen Angstverbreitung als Unterwanderung der letzteren endet mit Anny Hartmann nicht nur in den „praktischen“ Seiten der Corona-Isolation und der Anarchie als Gesellschaftsmodell. Es bleibt am Ende der Appell, wachsam zu bleiben, auch mal nach oben zu treten und sich ein Stück der Kindheit mit sturem Ungehorsam zu wahren. Ob das im gehorsamsgeübten Deutschland so gut ankommt, ist eine Sache. Den Bergkamenern gefiel es ausnehmend gut, auch wenn es ihnen immer mal wieder die Sprache verschlug.




Vom Schlager-Dschihad direkt ins Integrationsdesaster

Ein starkes LOL-Team zum Abschluss der aktuellen Stand-Up-Comedy-Reihe.

Dass die Profis sprachlos sind, kommt bei der Stand-Up Comedy nicht allzu häufig vor. Das Publikum des studio theaters hat sich jedenfalls schon derartig „eingegrooved“, dass genau das in der letzten Folge der aktuellen LOL-Reihe passierte. Die Akteure waren stellenweise fassungslos über das, was ihnen da aus den vollbesetzten Stuhlreihen entgegenschwappte. Und es gab am Ende Applaus von der Bühne für die Schlagfertigkeiten vom „Rande des Ruhrgebiets“.

Scharfzüngiges gab es von Henning Schmidke auch gern mal am Flügel.

Durchaus verdient, denn die Bergkamener hatten auf alles eine Antwort. Auf die Reizüberflutungslieder kam aus dem Publikum die spontane Zweitstimme oder auch vom ein fröhlicher Pfeifchor. -Auch die Feuerwehrfrauen-Fraktion in der ersten Reihe machte sich gut als Jubelchor. Besonders bestechend waren aber die via Social Media gelieferten Argumente für geschenkte Karten. Die lieferten neben Fotos von Hamstern auf Skateboards und mitleiderregenden Schilderungen von Katzen, die ihr Geschäft chronisch hinter dem Auto der Chefin erledigen bis zur dringend nötigen Bergkamen-Auszeit für Neuzugezogene Erschreckendes.

Lennard Rosar war „nur“ Moderator, hatte aber schon gleich einige Date-Anfrage via Social Media.

Das Publikum war also der eigentliche Star. Aber auch die Comedians machten sich ganz gut auf der Bühne. Das wie immer bis zum ersten Vorhang unbekannte Ensemble sorgte durchgehend für Jubel, Lachanfälle und Begeisterung. Mit Lennard Rosar als gutgelauntem Wikingertyp war die Moderation ein eigenes Highlight, das von den fehlenden saufenden Polit-Charakterköpfen quer durch die lokalen VIP-Gärten die Brand-Anfälligkeit des Nordbergs entlarvte und am Ende in beim Bambus-Björn-Pandabären in Island strandete. Danach ging es nahtlos mit Henning Schmidke weiter zum Schlager-Dschihad mit religiösem Gegenprogramm Marke „nach deiner Kreuzigung geht’s weiter“.

Als „Böse Zunge“ tat sich Djavid mit abstrusen Integrations-Erfahrungen hervor.

Djavid hatte mit persischen Wurzeln „seit dem letzten Booster den schwarzen Peter“ und hielt fleißig den Integrations-Spiegel als „Moslem light mit Tendenz zum Moslem zero“ hoch – dem Mett zuliebe. Mit Hildegart Scholten ging es in die ganz andere Ecke der Selbsterkenntnis: Mit Mutter am Smartphone-Ohr wuchs ihr Selbstbewusstsein im Stretchrock in ungeahnte Dating-Dimensionen. Hauptsache raus aus dem „Phantasialand für Katholiken“ in „spacker Bluse“ mit Handy im Schritt.

Gab alles – vom Tanz bis zum Gesang und begeisterte nicht minder: Hildegard Scholten.

Nach der Pause fiel die Wahl zwar schwer, aber für eine der 80 Social Media-Nachrichten gab es dann doch die Gratis-Eintrittskarte. In umgekehrter Auftrittsreihenfolge nahm das Stand-Up-Feuerwerk sogar noch Fahrt, auf, ging rasant von der Hauptschule über den Stuhlkreis im Park zum Gerdi-Boy-Song in den Irrsinn der Arbeitsvermittlungsbehörde und mündete im Wettlauf mit DHL unter dem „Geilheitsradar“ beim Illuminat sowie dem Song fürs wiederum vom Publikum inspirierten Elektrikerhandwerk

Ein wieder einmal durchweg amüsanter LOL-Abend mit reichlich Überraschungen, Zwerchfell-Krämpfen und der unbändigen Lust auf die Fortsetzung.




Vom improvisierten Nordberg-Geheimnis zum Bergwerk-Unglück

Carsten Höfer und Irmhild Wellenbrink von „Impro 005“ in Aktion.

Der Nordberg hat jetzt ein unaussprechliches Geheimnis, ist schon vor Ostern übersät mit Eiern und die Stadt hat eine Wellenbrecherin. Das alles „aus der Lameng“. Dafür genügten gute zwei Stunden pure Improvisation mit dem Ensemble von „Impro 005“. Die Münsteraner überrollten bei ihrer Premiere im studio theater das Publikum mit atemberaubendem Tempo und vielen Überraschungen im wahrsten Sinne auf Kommando. Denn die Inhalte gab einzig und allein die Zuschauer vor.

Das Publikum half nicht nur mit Zurufen, sondern auch direkt auf der Bühne als „Puppenspieler“ mit.

Auf die war wie immer Verlass, denn die vorgegebenen Objekte, Gefühle, Musikrichtungen oder Hobbies hatten es durchweg in sich. So kamen Carsten Höfer, Irmhild Willenbrink und Marcus Fischer regelmäßig aus dem Staunen über die kreativen Einwürfe nicht hinaus. Die eigens erkorene „Wellenbeauftragte“ Bea hatte jedenfalls alle Arme voll zu tun, um die La-Ola-Welle bei allen Höhepunkten durch die Sitzreihen rollen zulassen. So war es kein Wunder, dass sich die erste Sitzung beim Körperscannen zum Fettschmelzen mit Teekannen-Syndrom, tropfender Nase und viel „heißem Inhalt“ abspielte. Auch das Tennis-Hobby-Outing hatte keine Chance, ertrankt es doch hoffnungslos in abstrusen hineingerufenen Wendungen von Juckreiz über Panikattacken bis zur unbändigen Lust auf Erbsensuppe.

Das Kennenlernen im Club hat es in sich.

Zum Renner des Abends avancierte aber das aus verschiedenen Perspektiven inszenierte „Geheimnis des Nordbergs“, der sich als Nato-Schutzgebiet mit Eierabfall-Fluch gespickt von Popel-Problemen auf dem gefährlichen Südhang entpuppte. Die Idee einer Seilbahn entzückte dabei die Bergkamener besonders. Es tauchte hernach in jeder improvisierten Geschichte wieder auf, angefangen vom Kennenlernen eines Publikums-Paares mit Rum-Cola und Mama-Begleitung im Dortmunder Club bis zum besonders viele La-Ola-Wellen auslösenden Einkaufserlebnis auf dem Nordberg als Horrorerlebnis, Western-Episode und Karate-Style.

Unheimliche Science-Fiction-Episode.

Beängstigend dicht ran an die Bergkamener Seele rückte die Improvisations-Künstler mit ihrem Bergmann-Musical, das mit einem eingebrochenen Stollen und eingeschlossenen Kumpeln kurzfristig für Totenstille sorgte. Da wurde das Grimberg-Unglück schlagartig greifbar. Gut, dass es schnell zum Ikea-Schrankaufbau mit wechselnden Rollen und einer beliebten Puppenspieler-Episode überging, bei der zwei Helfer aus dem Publikum die Schauspieler über die Bühne dirigierten. Schlittschuhlaufen durfte ebenso wenig fehlen wie ein Science-Fiction-Ausflug und das Schlager-Finale.

Ein mehr als vergnüglicher Abend, der Zugaben erforderte. Und der zeigte, dass die Bergkamener in manchen Bereichen offen sind wie ein Buch und gleichzeitig ihre Geheimnisse auf keinen Fall verraten…




Wiedersehen mit alten LOL-Bekannten

Ein munteres LOL-Team mit alten Bekannten bei der 9. Auflage im studio theater.

Es ist immer ein bisschen wie ein großer Kindergeburtstag für Erwachsene: Harmlos, albern, stellenweise gefährlich und es gibt ständig knallbunte, lustige Überraschungen. Auch das 9. Gastspiel von „LOL“ in Bergkamen blieb diesem Standard am Freitag treu. Längst ist das Comedy Start-Up aus den bescheidenen Anfängen im Stadtmuseum herausgewachsen: Die Plätze im studio theater reichten wieder einmal nicht aus. Es war ausverkauft.

Hielt die Fahne des Publikums beim Schweden-Urlaub hoch: Matthias.

Das könnte auch daran liegen, dass hier weit und breit kein Sterbenswörtchen über Politik zu hören ist. Eine Woche vor einer höchstwahrscheinlich umwälzenden Bundestagswahl ein echtes Kunststück. Es schien auch niemand die im sonstigen Alltag dominierenden Sorgen über bedenkliche Wahltendenzen zu vermissen: Das Publikum amüsierte sich königlich, engagierte sich mit Feuereifer als Stichwortgeber vor oder als Geräuschkulisse auf der Bühne und lieferte rekordverdächtige Lachanfälle. Dabei waren fast alle Akteure alte Bekannte.

Till Frömmel als Nordlicht im Friesennerz.

Einen eigenen Höhepunkt bildete einmal mehr derjenige, der eigentlich „nur“ moderieren sollte. Till Frömmel watschelte als Nordlicht stilecht im Friesennerz auf die Bühne, entlarvte lokale Rivalitäten und echte Ehe-Rekorde ebenso im Publikum wie Talente als Geräusch-Imitator. Matthias ging stellvertretend für das gesamte Publikum mit ihm auf Urlaubsreise nach Schweden, schickte ihm Möwen im Stimmbruch, verstopfte Dampfer, kaputte Wellen und Entenfische im Kampf mit queeren Robben hinterher.

Hat immer das Publikum scharf im Blick: Toby Freudenthal.

Ein LOL-Wiedersehen gab es mit Tobias Freudenthal aus Köln, der schon bei einem der ersten Bergkamen-Stopps dabei war. Mit ihm ging es kreuz und quer durch ein Leben ohne Ehre, immer dicht am Break-Even-Point der Stoppellänge hart am Wind der Ostsee, der „aus einem CDUler einen Punker-Linken macht“. Es gab Begegnungen mit End-Gegnern im Schnarchen und einen exzessiven Ritt durch den alltäglichen Irrsinn der falsch betonten Wörter.

Ganz schön anti: Josepha Walter.

Ihre Bergkamen-Premiere gab Bühnenschauspielerin Josepha Walter als personifiziertes Anti-Ausrufezeichen mit erst eineinhalb Jahren Comedy-Erfahrung. Ihre ZDF-Fernsehgarten-Gebärmutter hinterließ ebenso verblüffte Totenstille beim Publikum wie ihre kinderhumorfreie Zone, die Hinrichtung der Zukunft mit Liegefahrrad auf dem Campingplatz, sexistische Einparkversuche und Therapieexkursionen.

Ein echtes Stimmwunder ist Alice Köfer.

Alice Köfer ist ebenfalls eine alte Bekannte in Bergkamen. Sie hat sich schon als Teil eines Trios in der Kabarett-Reihe einen Namen gemacht. Wer hier dabei war, konnte noch einmal ihre musikalischen Künste bewundern. Immerhin Dozentin an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock, beherrscht sie nicht nur isländische Lieder, die sich rückwärts als „Alle meine Entchen“ entpuppen. Sie beteiligt sich auch aktiv an Zoom-Meetings im Zug, liebt die Dead-Lines bei Löffellisten und die Tempo-90-Welle an der Siegessäule mit Car-Sharing. Immerhin inspiriert von der aktuellen Politik war ihre eindrucksvolle Vertonung der Wärmepumpen-Bauteile mit dem Piaf-Kompressor, dem Streisand-Kondensator, dem Cyndi-Lauper-Expansionsventil und Carla-Bruni-Verdampfer.




Doc Esser räumt mit Chia-Samen und Gesundheitsmärchen auf

 

Macht auch an der Gitarre eine gute Figur: Arzt, Moderator, Kabarettist, Buchautor und Podcaster Doc Esser.

Am Ende beklatschten alle begeistert die eigenen Gesundheitssünden. So mancher soll direkt im Anschluss bei der Entsorgung von Tiefkühlpizza-Stapeln beobachtet worden sein. Andere wurden am nächsten Tag beim Metzger und beim Kauf von frischem Sauerkraut ertappt. Keine Frage: Doc Esser brauchte im studio theater nur knapp drei Stunden, um die Gesundheitsgewohnheiten der Bergkamener elementar zu wandeln. Mit viel Musik, Mitklatsch-Gymnastik und stehenden Ovationen.

Voller Begeisterung bei der Sache, wenn es um Studien und Gesundheitsaufklärung geht.

Schließlich ging es hier unter dem Motto „Gesund gestorben ist trotzdem tot“ um nichts Geringeres als das eigene Ableben. Als Jahresauftakt ein perfekter Coup, auch für die guten Vorsätze und das schlechte Gewissen. Ausnahmslos jeder fühlte sich ertappt und entlarvt: Zu wenig Sport, zu viel schlechtes Essen, zu großer Glaube an Werbung, Studien und Gesundheitsmärchen – und Großeltern, die es auch nicht besser wussten. Heinz-Wilhelm Esser ging allem an die Substanz, worin sich der Normalsterbliche gemütlich eingerichtet hatte.

Konzentriert mit kompletter Band im Rücken.Dass er dazu mit der „Magnum“-Titelmelodie Einzug im studio theater hielt, war gleichsam Programm. Unerbittlich fahndete er nach den Mängeln und Makeln im allgemeinen Gesundheitsgefüge. Seine Verbündete war die vierköpfige Band aus hochkarätigen Musikern, die gut gelaunt das Loblied auf den Privatpatienten anstimmten. Immerhin war hier eine First-Line-Behandlung versprochen jenseits vom siechenden Gesundheitssystem mit garantiertem Facharzttermin und schaffbaren Wegen zum nächsten Krankenhaus.

Sag ich doch: Doc Esser genießt die Überraschung seiner Zuhörer.

Die alten weißen Männer der Medizin von Prof. Brinkmann bis Dr. Best und Dr. Sommer wurden beerdigt und Galilei samt Paracelsus als Vorreiter der Studien gefeiert, „in einer Zeit, wo viele Männer Behauptungen von sich geben“. Aber es gibt noch Hoffnung: Sport macht schlau, auch wenn viele Fußballer-Zitate eindrucksvoll das Gegenteil bewiesen. Das Loblied auf das Grugabad feierte die letzten verbliebenen einer hinweggekürzten Sportstättenkultur. Finger weg vom Rotwein, auch wenn es beim Hausarzt noch nicht angekommen ist. Dafür ist Kaffee wieder erlaubt, selbst wenn fast keine Studie dazu irgendeine Basis erlaubt.

Mit Zuschauern auf der Bühne beim Gesundheitsquiz althergebrachtes Gesundheitswissen entrümpeln.Richtig Spaß machte das Gesundheitsquiz, bei dem sich die Zuschauerinnen auf der Bühne zwar gut schlugen, aber ebenso oft beim Raten um das richtige Oma-Gesundheitsrezept daneben lagen. Besser nicht Luft an die Wunde und kaltes Wasser auf die Verbrennung lassen. Vitamin C-Vorräte nützen gar nichts bei Grippe und mit nassem Haar sollte man tatsächlich lieber nicht in den eiskalten Winter marschieren. Auch dem Superfood bereitete Doc Esser einen gründlichen Garaus: Chiasamen sind randvoll mit todbringenden Bioziden, wenn sie erschwinglich um den halben Erdball hierher gekarrt werden. Dann doch lieber Leinsamen und frisches Sauerkraut vom Metzger, die sind auch viel gesünder.

Und: Immer schön auf die Seele achten, sonst hat alle Resilienz und Selbstwirksamkeit samt Ambiguitätstoleranz in der neurogenen Plastizität keine Chance. Wem das nicht gelingt: Einfach mal lachen. So wie am Freitag mit Doc Esser. Gern bald wieder!




Mit Lars‘ Christmas hemmungslos den Weihnachtswahnsinn abfeiern

Auch ohne echte Bühne ein Weihnachts-Renner: Bijan Azadian und Lars Redlich.

Sich schon mehr als 30 Tage vorher eine ordentliche Weihnachtspackung abholen, kann funktionieren. Vor allem, wenn so viele Überraschungen drinstecken wie an diesem Comedy-Abend mit Lars Redlich. Allein die Parkplatzsuche war bei ungeplant verschlossenen Schranken ein kabarettistisches Erlebnis für sich. Dann hatte sich auch noch die Brandschutzwand im studio theater unwiederbringlich direkt vor dem Bühnenrand herabgesenkt. Statt Vorhängen gab es also auf einen schmalen Bühnenstreifen komprimierte Weihnachtsaction vom Feinsten – direkt zum Anfassen.

Mal Entertainer, mal musikalischer Tausendsassa an allen erdenklichen Instrumenten: Lars Redlich.

Denn die Bewegungsfreiheit ließ sich das hyperaktive Multitalent der Nachwuchs-Comedy-Szene nicht nehmen. Da sprang er mit seinem musikalischen Partner eben auch spontan ins Publikum hinein, rannte durch das gesamte Theater zur Bühne oder zog eine kleine Weihnachtsprozession vor der ersten Reihe durch. Der Flügel wurde irgendwie auf die Mikro-Bühnen-Spalte gequetscht. Da passten auch noch ein Weihnachtsbaum und unzählige Instrumente drauf. Drehen und wenden konnte sich da eigentlich niemand mehr so richtig. Nicht aber der Gast aus Berlin. Er zwängte sich an allen Unwegbarkeiten vorbei und lieferte ab – vom Feinsten.

Volle Hingabe beim Gesang in ungeahnten Höhen.

Wie viele Varianten es vom inzwischen arg überstrapazierten „Last Christmas“-Hit von Wham! gibt, hätte sich vor diesem Abend wohl niemand träumen lassen. Von der Opern-Version in Mozart-Manier ging es frech in die Rap-Version über, und auch das bayerische Pendant durfte nicht fehlen. Das bildete aber nur den Rahmen für ein Musik-Comedy-Programm, das wohltuend frei von allen Tagesaktualitäten war. Mit Zuckerstange am Piano schraubte sich Lars Redlich problemlos in die Mariah Carey-Höhe, um nahtlos das Publikum in seinen Weihnachtschor beim Weihnachtslied-Level-Contest zu verwandeln. Die Bergkamener bestanden auch diese Lernpädagogik-Einheit, nahmen dankbar „Schweinkram“ in Strapsen in Empfang und ließen sich vom Wunschzettel-Song inspirieren.

Bergkamen Philharmonie und Blockflötenkonzert

Klezmer-Weltrekord nur knapp mit der Klarinette verpasst.

Den größten Spaß hatten die Gäste aber als Bergkamen-Hintergrund-Philharmonie einer mehr als abstrakten Schlager-Umwandlung. Loriot wurde rezitiert, dann mussten das Publikum wieder als Dirty-Dancing-Chor ran. Menschenverachtende Tinnitus-Blockflötenkonzerte durfte ebenso wenig fehlen wie der knapp verpasste Klezmer-Rekord mit der Klarinette. Vivaldi vierhändig am Piano und Blockflöten-Melodica-Einzug in direkter Folge: Für Lars Redlich und seinen Partner Bijan Azadian kein Problem.

Auch Rappen ist kein Problem.

Das Christmas-Feuerwerk ging unaufhaltsam weiter – mit dem Traum des Schneemanns vom Sommer und der Wahrheit über die unverkauften Schoko-Nikoläuse, auferstanden als verzartbitterte Osterhasen. Das Lukas-Evangelium gab es auf berlinerisch und auf den Influencer-Jesus mit seinen zwölf Followern folgte ein ernsthaft beeindruckendes Ave Maria mit einem ernstgemeinten John-Lennon-Appell zum Abschluss. Mit Leonhard Cohen verabschiedete sich das erstklassige Duo in einem Halleluja-Lichtermeer und in eine endlose Zugabenrunde. So macht Weihnachten richtig Spaß!




Erste LOL-Runde schaut tief in die Comedy-Abgründe

Alle drei Hauptakteure der ersten LOL-Runde beim Abschluss-Applaus auf der Bühne.

Kein Trump, keine Ampel, kein Scholz-Lindner-Desaster: Wohltuend sinnfrei kam der erste LOL-Abend der Saison in einem fast ausverkauften studio theater daher. Die Botschaft der vier Comedians war glasklar: „Kein Bock auf den Scheiß“ und „Geh mir nicht auf den Sack“ gab es zuhauf und bis zu einem gewissen Grad auch zu Recht. Ob Ablacher im Genitalbereich wie am Fließband allerdings das richtige Mittel in aktuell eigenartigen Zeiten sind, mag jeder selbst entscheiden. Lustig war es allemal. Bis zu einem gewissen Grad.

Der Reiz der Comedy-Reihe: Man hat keine Ahnung, was überhaupt auf einen zukommt. Die Hauptakteure bleiben unbenannt, bis sich der Vorhang hebt oder ganz Neugierige sich in den Sozialen Medien schlau machen. Diesmal blieb der Aha-Effekt überwiegend aus. Die meisten kannten Jakob Heymann, Katharina Block, Tobias Born und Michal nicht. Dabei sind sie dort, wo sich echte Fans von Stand Up-Comedy tummeln, durchaus ein Begriff. Eines hatten sie jedenfalls alle gemeinsam: Sie nehmen kein Blatt vor den Mund, legen die Finger auf die nicht immer ganz offensichtlichen Wunden und sind mehr oder weniger heftig durchgeknallt.

Multitalent Jakob Heymann am Flügel als Singer-Songwriter, Dichter und Wortjongleur.

Jakob Heymann war eigentlich „nur“ der Conférencier: Er sollte moderierend die Bühne für die eigentlichen Hauptdarsteller ebenen. Er nahm es wörtlich, kam mit Gedichten, Anekdoten und Chansons im von Kopf bis Fuß selbstgestrickten Outfit herangeschlurft und verteilte hinter der Softie-Fassade tief eindringende Spitzen. Mit dem Pfeiflied verbreitete er therapeutische Wirkung, das politische Sommerhitlied eignete sich tatsächlich prächtig zum Mitsingen gegen alle Traumzerstörer dieser Welt. Auch der Pädagogen-Song am Flügel durfte nicht fehlen. Er war der heimliche Star des Abends.

Katharina Block beugte sich tief hinab in manchen Alltagsabgrund.

Katharina Block stürzte sich betont schielend und kurzsichtig als Juristin mit fünf Kindern ins mehrfache soziale Abseits, buddelte sich den Malle-Urlaub in den Sandkasten und kämpfte gegen anhängliche Daddies mit Schaukel-Defekt. Vor allem in der zweiten Hälfte ging es dann aber doch etwas zu oft und zu tief in die DickPic-Abgründe mit Tiny Häusern im Unterleib. Dort fühlte sich auch Tobias Born als betont queer-

Tobias Born kam im Glitter-Outfit.

feministischer Comedy-Vertreter pudelwohl: Mit Kindheitstraumata verursacht von ungeouteten Schreinermeistern mit Toy Boys (Pumuckl), nicht-binären Latex-Kreaturen (Sams) und „dicken Eiern als Gegengewicht für sehr hohle Köpfe“ vor allem bei alten weißen Männern. Ob prüfungsrelevante Hoffnungslosigkeit der weiblichen Sexualität oder Eierlikör-Party-Rausch mit Kinderwunsch-Kati: Gegen Ende war es dann doch too much.

Michal rappte und hip-hopte sich durch den ganz normalen Wahnsinn.

Ein ganz besonderer Geschmacksfall war „Michal“, die sich verklemmt zwangslässige Party-Maus, die sich mit HipHop auf kaputte Heizkörper, Multivitamin-Songs und Gangster-Rap im Hundekopf mutig ganz dicht an die Grenzen heranwagte.

Die Bergkamener machten keinen Unterschied: Sie nahmen alles bereitwillig und dankbar, wie es kam und hatten unüberhörbar großen Spaß. Für jeden gab es begeisterten Beifall und zum Schluss frenetischen Abschiedsapplaus für alle. Karten für die nächste Auflage am 14. Februar dürften jedenfalls wieder knapp werden.




Lichtermarkt geht elementar unter die Haut

Poetische Lichtkunst in der Kirche.

Wem die letzten verregneten und kalten Lichtermärkte noch in den Knochen steckten, rieb sich am Freitag bei T-Shirt-Temperaturen die Augen. Überall Menschen. Wo sich ein Lichtereignis anbahnte, war kein Durchkommen mehr. Walking Acts mit Licht oder Percussion oder als Orchester auf Rädern: Sofort bildeten sich Menschentrauben. Wer zu spät kam, musste mehrere Runden drehen, um einen Parkplatz weitab vom Hauptgeschehen zu ergattern.

Fantastische Walking-Acts.

Man musste schon auf Zack sein beim randvollen Lichtermarkt-Programm. Denn wer sich zu viel Zeit ließ, der bekam manche Attraktion nur aus der Ferne mit. Vor dem Zelt mit Zaubershow drängte sich eine ganze Menschentraube. Seifenblasen und Pyrografie fiel bei manchem dem Hauptprogramm zum Opfer. Denn in der St. Elisabeth-Kirche und auf dem Stadtmarkt musste man sich schon frühzeitig einen Platz sichern.

Feurige Show unter dem Marktdach.

Das lohnte sich allemal. Die kunstvolle Lichtmalerei von „Lukero“ Krč nahm die Zuschauer mit auf eine poetische Reise in die Erdentstehung vom „Urknall“ bis zu dem, was uns heute blühen mag. Der Appell „Save the planet“ jagte vielen einen Schauer über den Rücken und sorgte für tosenden Applaus. Den beantwortete der Künstler wortlos mit einem großen grünen Herzen. Die Vorstellungen waren so begehrt, dass die Kirchentüren manchem vor der Nase geschlossen wurden.

Foiah-Volk und leuchtende Elemente

Da flogen die Feuerbälle.

Noch drubbeliger ging es auf dem Stadtmarkt zu. Hier quetschen und drängten sich die Zuschauer, um die feurigen Auftritte des „Foiah-Volks“ mit urigen Ritualen rund um die sechs Meter hohe Feuerskulptur zu erleben. Da flogen Feuerkugeln durch die Luft, wurden Feuerspeere geworfen, Feuerfontänen gespuckt und im wahrsten Sinne mit dem Feuer getanzt.

Leuchtende Bäume, Kreativaktionen der Jugendkunstschule, Lichtkunstführungen für die ganz Unternehmungslustigen und Märchen in der Stadtbibliothek: Wer hier alles erleben wollte, musste sich ganz schön ranhalten. Da brauchte man locker viereinhalb Stunden, bis das Feuerwerk das Spektakel wieder beendete.

Auf dem Rückweg blinkte jedenfalls manches Gefährt und fast jeder Fußgänger fröhlich in vielen bunten Farben. Fast so elementar wie das Motto dieses Lichtermarktes, der einmal mehr viel zu bieten hatte. Erst recht in Zeiten, die mit klammen öffentlichen Kassen jetzt zunehmend auch der Kultur den Hahn abdreht.

Ein Video gibt es hier




Eckenga zieht im studio theater nicht nur die Wärmepumpe blank

Ganz besondere Lektüre aus frischen Druckfahnen: Eckengas Biografie „Gesang der Köttelfische“.

Endlich mal kein hilfloses Herumhantieren mit dem Realitätswahnsinn. Wo selbst große Kabarett-Namen aktuell in flachen Wortsümpfen einsinken, steht Fritz Eckenga im studio theater souverän über den Dingen. Er schickt Putin, Palästina und Thüringen einfach knallhart dorthin, wo sie hingehören: In die Strafecke, abgewatscht mit deutlichem Sarkasmus. Die fein gereimte Ironie hebt er sich für das auf, was vielleicht noch heilbar ist: Die ganz alltägliche Hirnschmelze hinter der Wärmepumpe. Und die ist schon schlimm genug.

Dem Nervenzusammenbruch nach Programm-Albträumen nah.

Wenn Howard Carpendale beim Intro Metallica ablöst, sind die Begrenzungspfähle schon gesetzt. Es geht vom Drehhocker mit Fast-Nervenzusammenbrüchen und stehender Anbetungsakrobatik weiter an den Schreibtisch und dann auch ganz flugs ab in die Tonne. Mit Eckenga steigen die Bergkamener in eine Geschwindigkeitsachterbahn, bei der mancher gelegentlich aus der Kurve fliegt. Gerade noch wird sachte sinniert, dann geht auch schon ein Sturzbach aus Satzgebilden ungebremst hernieder. Hemmungsloses Headbanging kann ohne Vorwarnung nahtlos auf die beschauliche KI-Gedicht-Rezitation folgen. Dabei passt der äußere Rahmen selten zum Inhalt. Auf Zack muss der bleiben, wer hier am Ende noch eine Inhaltsangabe zustande bringen will.

Ihr seid gemeint: Fritz Eckenga zieht blank.

Denn Fritz Eckenga zieht unablässig „blank“ und „die Buchse runter“ für „relevantes Kabarett“. Den zu hohen Wirklichkeitsverbrauch kuriert der Humor-Heilpraktiker mit Einblicken in seine tiefsten Kabarett-Albträume vom Nachttischzettel. Es geht um „Authenzität pur“ mit Weiterbildung in den Konzerthallen der gleichnamigen Pop-Gruppe. Dabei finden sich nicht nur die verlorenen Indigenen, sondern es brechen auch verkrustete innere Strukturen auf. Spätestens bei einem Blick in die Memoiren zeigt sich, dass früher beim Angeln an der Emscher auch nicht alles besser war zum „Gesang der Köttelfische“, mit Zäher-Zosse-Deputat und Grubengaulhufhorngebiss aus der Kaue.

Ungechipt im KI-Gedichte-Albtraum unterwegs

Als Humor-Heilpraktiker unterwegs: Fritz Eckenga.

Nenas Wunder geschehen nur im Corona-Verschwörungswahnsinn mit ungechipter Freiheitskämpfer-Fangemeinschaft oder als Momentum mit Ausnahme-Plural beim Live-Fußballkommentar der Wurst-Bruderschaft. Die plästernden Wortverluste zu Starkregenereignissen und Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnungen erfordern dann doch dringend endlich mal ein echtes Gedicht – auf Deutschland und den Abgesang, die Retraumatisierung, die Blutsdeutschen und eine Caren Miosga, die aus der Wacken-Wolke steigt. Da hilft nur noch die Erdung mit Ruhrplatt-Sprachkurs mitten im Publikum.

Probieren geht eben über Transformieren. Deshalb durfte Fritz Eckenga auch nicht schnell zurück in die Umkleide, wo er in der Pause bereits das Borussia-Spiel verfolgte. Es mussten noch einige Zugaben mit Abschiedsgedichten samt erschreckender Rassismus-Aktualität von zwei Jahre alten Werken her. Und ein Autogramm am Büchertisch, dorthin kam er fast direkt von der Bühne.