Virtueller Jahrmarkt wirbelt kunterbunt über den Herbert-Wehner-Platz und bietet Lichtkunst für alle

Offiziell eröffnet: Die Künstlerin mit Bürgermeister und Kulturreferentin auf dem „Virtual Playground“.

Ein kleiner Junge schaut sich vorsichtig um, legt beide Hände auf das Rad und schon ist er hinaufgeklettert. Fröhlich wälzt er sich oben auf dem weißen Holzkasten auf dem Rücken. Femke Schaap beobachtet das, zuckt kurz und lächelt. Sie winkt dem Aufpasser zu und gibt ihm ein Zeichen: „Lass ihn ruhig“. Heute wird ihr Lichtkunstwerk auf dem Herbert-Wehner-Platz eingeweiht und es funktioniert schon, bevor es überhaupt offiziell eröffnet ist.

Mitten drin stehen macht Spaß: Der „Virtuelle Jahrmarkt“ lädt zum Erleben ein – auch mittendrin in den Farben und Formen.

Kinderhände streichen fasziniert über das bunte Licht, das sich auf den Rechtecken, Kreisen und Quadraten dreht. Männerhände drehen Videos und kommentieren es live im Social Media Kanal. Ältere Passanten halten verdutzt an, stoppen und setzten sich auf die Bänke direkt neben dem „Virtual Fairground“. Der virtuelle Rummelplatz aus Licht zieht alle Aufmerksamkeit wie ein Magnet auf sich. Nicht nur der. Die Drehorgeln direkt daneben sehen aus wie aus der Zeit gefallen. Eine hat neben der riesigen gusseisernen Kurbel mit dem Holzknauf sogar eine Trommel und auf der anderen Seite ein weiteres mechanisch passend zur Musik angetriebenes Instrument. So wie es vor vielleicht 100 Jahren auf dem Rummel ganz normal war.

Farbspiele aus der Nähe: Das neue Lichtkunstwerk hat eine eigene Magie.

Bis zum 22. November leuchtet der „Virtual Fairground“ Tag und Nacht. Hier drehen sich die Farben und wechseln ständig ihr Muster. Die sechs Elemente, insgesamt gut vier Meter hoch, sind fest verankert im Boden, beschwert mit Steinen. Sie lassen Platz, um dazwischen herumzustreifen, zum Anfassen und genau hinschauen. Genau das soll es auch. Femke Schaap will, dass ihr Werk mittendrin ist im Leben. Dass es begehbar ist und erlebt werden kann. „Es soll morgens früh die Leute begleiten, die hier morgens müde und allein zur Arbeit gehen.“ Es soll abends dazu verlocken, kurz anzuhalten und sich auf das muntere Spiel der Farben einzulassen.

Ein Jahrmarkt entsteht im Studio

Die Künstlerin erzähkt zusammen mit Teampartner und Ehemann, wie das Kunstwerk entstanden ist.

Entstanden ist der „Virtual Fairground“ in den Niederlanden im Studio. Die Künstlerin hat Bergkamen zuvor einmal bereist, bekam eine Führung, lernte die Geschichte und die Örtlichkeiten kennen. Aus Holz entstanden dann seit dem Sommer Schritt für Schritt die einzelnen Teile. Mehrere weiße Farbschichten folgten. Dann folgte der wesentliche Teil: Das Licht, die Farben, die Abfolgen der wechselnden Muster, die Projektion auf die einzelnen Elemente, die stimmige Gesamtkonzeption. Ein ausgefeiltes Stück Arbeit, das erst vor Ort seine endgültige Form erhielt. „Wir haben hier auf dem Platz alles so angepasst, dass es perfekt war“, schildert Femke Schaap. Die Teile sind flexible Module, die sich auch noch in letzter Sekunde verändern, verschieben und anpassen lassen. Die Gebäude, der Baum, der Brunnen, das Pflaster, das Licht, die Schatten: Alles spielt hier zusammen und prägt am Ende das Gesamtkunstwerk. Zur Faszination aller Passanten, die regelmäßig anhielten und die Künstlerin beim Aufbau mit neugierigen Fragen löcherten.

Gut besucht war die Eröffnung des Kunstwerks auf dem Herbert-Wehner-Platz. Die Besucher hatten viele Fragen.

Fragen konnten die Besucher der Künstlerin auch am Samstag bei der Einweihung stellen. „Wie plant man so etwas?“, wollten sie wissen. „Aus welchen Materialien ist das Kunstwerk?“ und „Was wollen Sie den Menschen damit sagen?“. Femke Schaap war restlos begeistert. „Die Menschen hier sind viel aufgeschlossener als bei uns in Holland, wo es oft eine ängstliche Distanz gibt“, sagt sie. „Die Leute sind neugierig, fassen das Kunstwerk an, wollen alles genau wissen – sie gehen nah ran und setzen sich damit auseinander – das ist ein Traum!“ Immerhin haben die Bergkamener Erfahrung, wie auch Bürgermeister Bernd Schäfer bei der Begrüßung betonte. „Es ist ein bisschen wie in den 70er-Jahren, als alles begann“ mit der der Kunst in Bergkamen“, erinnerte er. Mit der Artothek war die Stadt Pionierin – später auch mit der Lichtkunst. Mit Femke Schaap kommt eine Pionierin des „Videomapping“ und setzt neue Kunstakzente mit ebenso komponierten wie zufälligen Videosequenzen aus Farben und Formen, für die das dreidimensionale Werk samt Umgebung die Leinwand bietet. Irgendwie schließt sich damit ein Kreis – wenn auch nur temporär.

Stilecht gab es Jahrmarktmusik dazu – vom Drehorgelorchester Dortmund.

Femke Schaap konnte am Samstag übrigens gleich doppelt erlebt werden. Es war die 5. Nacht der Lichtkunst und gleichzeitig 20-Jähriges des Internationalen Lichtkunstzentrums in Unna. Ein weiteres von ihr gestaltetes Werk war bei einer Ausstellung in der Innenstadt zu sehen. Ein Bustour führte von Bergkamen dorthin. Gut 20 Interessierte starteten vom Herbert-Wehner-Platz, um dieses doppelte Lichtkunst-Vergnügen zu genießen. Vorher gab es noch einen Ausflug mit Stadtführer Klaus Holzer zur Lichtkunst von Rochus Aus und seinem unterirdischen Flughafen. Popcorn inklusive, wie es sich für einen echten Jahrmarkt gehört.

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Premiere des Handwerkerfestes verwandelt den Römerpark in eine Zeitkapsel

Töpferkunst auf dem 1. Handwerkerfest an der Holz-Erde-Mauer.

Mit römischen Würfeln aus Knochen knobeln, geheimnisvolle Wikinger-Tinkturen aus Geweihen träufeln oder wie Napoleon den Damen das originalgetreue Riechsalz aus Indonesien unter die Nase halten? Kein Problem, vor und hinter der Holz-Erde-Mauer lässt sich gerade das Handwerk aus allen Epochen fast gleichzeitig entdecken. Das 1. Handwerkerfest im Römerpark ist eine echte Zeitreise.

Parfum aus der Zeit Napoleons.

Wer mit Matthias de Le Ney plaudert, hate es quasi mit einem Zeitzeugen zu tun. Er empfängt die Besucher seines Parfum-Zeltes nicht nur in originalgetreuer Gewandung des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Er ist auch noch Chevalier, Marquis und ein Graf zu Berg, außerdem Spross einer Familie, die sich seit 1640 in der Kunst der Duftherstellung übt. Was er mit Perücke in kleinen und großen Gefäßen dem Geruchssinn kredenzt, hat jahrhundertealte Tradition. Und ist höchstselbst erforscht. Beispielsweise die Inhaltsstoffe des Riechsalzes, das aus Muskatnuss, Patschuli und Ylang-Ylang besteht. Oder die Tatsache, dass der Mensch schon mehrfach die Nase hinhalten muss. Denn: „Wir riechen zunächst nur mit der rechten Nasenhälfte. Nach einigen Minuten öffnet sich auch die linke Hälfte, und wir nehmen den Duft ganz anders wahr.“ Zum Glück, denn ohne Riechen „ersticken wir“.

Schon mal Schweifharfe gespielt? Im Römerpark kann man es sich erklären lassen.

Wer sich ein paar Meter weiter genauer anschaut, wie römische Schuhe aus wertvollem Ziegenleder entstehen, dem dringen schon mal die Laute der Schweifharfe ans Ohr. Oder der Rauch weht aus dem Zelt herüber, in dem Reseda oder Färber-Wau in einem großen Kessel vor sich hin köchelt. Eine Stunde braucht es, bis das Kraut im Wasser den richtigen Sud hinterlässt, damit sich darin die Schafwolle knallgelb färbt. Mittendrin drechselt eine Fachfrau kunstvoll eine kleine elfenbeinfarbene Dose und schnitzt in akribischer Arbeit römische Alltatszenen auf die weiche Oberfläche.

Löcher in den Bauch fragen ausdrücklich erwünscht!

Schnitzen wie in der Steinzeit mit Flintsteinen.

Hier ist nicht einfach nur Anschauen gefragt. Die Besucher dürfen den Steinzeitmenschen, Römern, Wikingern, Slaven und mittelalterlichen Gestalten auch Löcher in den Bauch fragen. Wie lange braucht es, um einen Schuh mit den nur noch sehr raren Originalwerkzeugen herzustellen? Sagenhafte 2 Wochen bracht der Sattler dafür, der sich immerhin in seiner Kunst schon geübt hat. Aus welchem Material sind die spätantiken Schmuckstücke, wie werden steinzeitliche Flintsteine geschlagen, damit ein knorriger Ast in akribischer Arbeit in einen glatten Speer verwandelt wird? Welche Blüte und Pflanze erzeugt welchen Duft und wie heißen die vielen Werkzeuge, mit denen sich Holz bearbeiten lässt?

Auch die Ritter durften nicht fehlen.

So kann der Besuch im Römerpark ganz schön lange dauern. Am Ende verlässt niemand das Gelände ohne eine komplette Ritterausrüstung, ein Stück von der römischen Legionärsausstattung oder etwas schmuckem für den Hals aus der Wikingerzeit. „Nächstes Jahr werden wir den Markt vielleicht als Vorweihnachtsmarkt weiterentwickeln“, überlegt Museumsleiter Mark Schrader. Der ist voll und ganz zufrieden mit der ersten Saison nach Corona. Mehr als 2.600 Besucher erkundeten den Römerpark. Und auch die Premiere des Handwerkerfestes zieht viele Neugierige zum Abschluss der Saison an. Kein Wunder, zog das Wetter nach stürmischen Tagen doch mit goldener Oktobersonne voll und ganz mit. „Wir hatten schon Sorge, dass es ins Wasser fällt, nachdem wir noch am Vortag beim Aufbau ordentlich nasse geworden sind“, so Schrader.

Wer auch auf Entdeckungs- und Zeitreise gehen will: Am Sonntag ist das von 12 bis 17 Uhr auch noch möglich – mit 3 G-Regeln, versteht sich.

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In Rünthe die Orte und „Unorte“ im anderen geschulterten Straßenlicht sehen

Romantisch: Mit Sonnenuntergang vor Kanalbrücke, Hafen und Kraftwerk.

Der Hund hält leicht konsterniert inne und wundert sich, wo mitten im Wald in Rünthe plötzlich eine Straßenlaterne herkommt. Daran hängt auch noch ein knatternder und stinkender Motor-Generator. Er entscheidet sich dann aber doch für den Baum und läuft weiter. Ein anderer Hund geht mitten im Stadtteil keinen Schritt mehr weiter, als der Jan Philip Scheibe mit seiner Laterne sieht. „Was ist das eigentlich?“, fragen seine Besitzer irritiert und schauen der kleinen Prozession hinterher, die Laterne und Mensch hinterherläuft.

Spektakulärer Auftakt mit kraftvollem Sonnenuntergang in der Marina.

Was das war, konnte der Künstler nicht in wenigen Sätzen beschreiben. Dafür brauchte es schon längere Erklärungen. Aus einer einmaligen Aktion ist inzwischen ein fast schon weltweiter Shouldered Streetlights Act geworden, dessen „Kreise weiter werden“. „Die emotionalen Reaktionen der Menschen, denen ich mit der Laterne begegnet bin, haben mich bestärkt und animiert, daraus etwas Langfristiges zu machen“, erzählt er. Seit inzwischen zwölf Jahren geht er mit Laterne und Generator auf Wanderschaft. Bis an den Polarkreis im Norden und Lanzarote im Süden.

Mit fast 30 Kunstinteressierten auf dem Weg.

Zuhause in Lemgo hieß es in seiner Kindheit wie bei so vielen: „Wo die Straßenlaterne steht, ist Schluss“. Sie grenzte die kindliche Freiheit und gleichzeitig die sicheren Heimatgefilde ein. Später hieß es: „Wenn das Licht der Straßenlaternen angeht, seid ihr zuhause.“ Tatsächlich ist es auch jetzt, näher und weiter entfernt von seiner Heimat so, „dass ich mich verorte, wenn ich die Laterne hinstelle“. Sie ist ein Stück „temporäre Heimat“, die mit ihm auf Wanderschaft geht.

Abmarsch über die Straße hinweg.

Auch bei seiner zweiten Bergkamener Tour am Freitag in Rünthe. Dabei hatte er wie immer seinen Anzug an. Der Anzug, der für ihn das Büro symbolisiert, „aus dem ich einfach nur fortgehen wollte“. Er geht immer noch, jetzt mit einer Mission. Jan Philip Scheibe erhellt mit Laterne und Generator Orte und „Unorte“, die für ihn die Stadt ausmachen, die er besucht. In Rünthe ist es der „schon fast abgeschlossene Strukturwandel“, Natur, Wasser, Tourismus, Leben. Deshalb geht es los in der Marina, in der schon längst Lichtkunst zum Anziehungspunkt geworden ist.

Stopp am Kiosk.

Den ersten Halt legt er neben der Fabrik im Hafen ein, den zweiten direkt neben einem von vielen Motorbooten, die abseits lagern. Schnurstracks geht es über die Straße hinauf auf die alte Zechenbahn. Die Laterne steht mal an eine Birke gelehnt, mal auf einer Anhöhe, mal in einer Abzweigung. Dann lehnt sie sich an eine „Schwester“ vor dem Schacht III – wo früher die Steinkohle gefördert wurde. Dann sitzt Jan Philip Scheibe auf einer alten Lore und lehnt den Kopf an den Alupfosten seiner Begleiterin. In der Bushaltestelle hält er nur kurz an. Nebenan vor einem der letzten Kioske bekommt er einen Stuhl und lässt sich nieder. Dann steht die Laterne zwischen zwei geparkten Marktständen. Kurz darauf verschwindet er mit dem Tross hinter sich in Feld und Wiese, schlägt sich mit einem kurzen Anstieg im Dunkeln durchs Gebüsch auf den Kanaldeich und stellt sich vor die Kanalbrücke, hinter der die roten Lichter des Kraftwerks leuchten. Ein Frachtschiff zieht leise vorbei. Kurz noch ein paar kleine Verschnaufpausen unter der Brücke und auf dem nächsten Radweg, schon sind alle nach zwei Stunden wieder im Hafen.

„Man muss sich schon darauf einlassen“, sind sich die meisten Teilnehmer einig. „Aber wenn man es macht, dann sieht man die Orte, an denen er seine Laterne aufstellt, tatsächlich einmal in einem anderen Licht“. Einfach mal selbst ausprobieren. Es muss ja keine Straßenlaterne sein…

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Mit geschulterter Straßenlaterne auf poetischer Wanderschaft

Streetart im Wasserpark mit Laterne.

Einsam wandert er dahin. 22 Kilo wiegen die Straßenlaterne und der 800 Watt-Generator. Die eine liegt auf seiner Schulter, den anderen trägt er in der Hand. Traurig sieht er aus, wenn er die Laterne auf dem Parkdeck aufrichtet, den Kopf an den Stahl lehnt und im Wasserpark die Hochhäuser betrachtet, auf einem Schutthaufen auf der Baustelle in der City steht und in die Ferne blickt. Verwundert schauen ihm die Kinder nach, wenn er Zebrastreifen überquert. Köpfe stecken tuschelnd zusammen, wenn er auf einer Verkehrsinsel vor dem Busbahnhof eine kurze Rast einlegt.

Eindrucksvoll vor den Säulen des Stadtmarktes.

„Was macht der denn da?“, fragen manche laut, bleiben stehen und blicken ihm staunend hinterher. Solche Reaktionen kennt Jan Philipp Scheibe bereits. Als Performance-Künstler ist er mit seiner geschulterten Straßenlaterne schon seit Jahren in der ganzen Welt unterwegs. Skandinavien, Hamburg, Berlin – unendlich viele Städte hat das ungewöhnliche Trio aus Mensch, Laterne und Generator schon gesehen. Immer schick im Anzug. Immer marschierend, innehaltend, nachdenklich, einsam, ein bisschen melancholisch.

Balancierend auf dem Weg vom Parkdeck.

Andere nennen es vielleicht poetisch, wenn er mit seiner Last, die er nicht nur im wahrsten Sinne trägt, hier und dort Halt macht. Diese Stationen sind wohlkalkuliert. Einen halben Tag lang brauchte Jan Philipp Scheibe, um sich Bergkamen genau anzuschauen und dort die Haltepunkte zu „designen“, die er auf seiner Route inszenieren wollte. Das sind markante Orte wie die City-Baustelle als visuelle Landmarke für die nächste Phase des Strukturwandels. Das ist natürlich das Rathaus mit seinem 70er-Jahre Charme und den sichtbaren Versuchen, der Stadt nach der Kommunalreform ein individuelles Gesicht zu geben.

Fast schon historisch auf der City-Baustelle.

Der Friedhof als Ort mit langer Geschichte. Der Busbahnhof als Zeichen dafür, das Bergkamen sich weiter wandelt. Der Stadtmarkt mit seinen Säulen, „die mich ein wenig an das Bundeskanzleramt in Berlin erinnert haben“. Es sind „Unorte“ dabei, mit der sich Stadt und Einwohner schwer tun. Es sind Treffpunkte und Orte voller Leben dabei. Jan Philipp Scheibe inszeniert, was er spürt: „Stadt, die nicht strukturschwach ist, sondern im Vergehen und Werden steckt – es ist Entwicklung möglich, ein angenehmer Zustand“, erzählt er nach dem ersten Spaziergang durch das, was er „Altstadt“ nennt.

Ein Hauch von Beatles auf dem Zebrastreifen.

Das alles im Anzug, der für ihn ebenfalls Symbolkraft hat. Jahrelang übte er im Anzug einen Bürojob aus, „bei dem ich mich fragte, was ich hier eigentlich mache – ich wünschte mir einfach nur, loszulaufen“. Das tut er jetzt, seit 20 Jahren. Bewusst mit einem Generator, denn in dem steckt für ihn ein weiteres Stück politischer Debatte. „Der Strom muss irgendwo herkommen. Dafür sind harte Arbeit und Landschaftsveränderungen wie etwa im Braunkohletagebau nötig.“ Der Generator ist laut, er sondern Emissionen ab. Auch darüber sollen die Menschen nachdenken, die ihn sehen.

Poetisch war es allemal, ihn dabei zu beobachten. Manchmal auch befremdlich, immer aber nachdenklich und absolut beeindruckend. Er schafft Szenen, die als Bilder im Kopf bleiben. Auch mit einer zweiten Route, die heute um 18 Uhr durch Rünthe führt.

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Im Escape Room die Geheimnisse des Mittelalters lösen

Ganz schön ausgetüftelt: Rätsel über Rätsel lauerten im mittelalterlichen Escape Room

Einmal als Spion in das Mittelalter eintauchen und dunkle Intrigen spinnen. Im Geheimbund „Das Schwarze Kreuz“ ging es am Wochenende Graf Adolf III. von der Mark an den Kragen. Einige zogen sich deshalb schwarze Umhänge über, schoben den schweren Wandteppich zur Seite und betraten den „Escape Room“ an der Römermauer. Sie wollten dem Mann eine gemeine Falle stellen, der vor mehr als 700 Jahren die Geschicke der Region mit nicht weniger hinterhältigen Tricks unter seine Fittiche brachte. Ganz so leicht war das allerdings nicht.

Sind wir auf der richtigen Fährte: Es gab historische Betreuung für die Teilnehmer.

„Es ist noch schwieriger, als es aussieht“, gibt ein Teilnehmer zu, der sich an einem Kästchen mit vielen Knöpfen, Schrauben, Schubladen und Rädchen abmüht. Eigentlich ist er aus Bielefeld zu einem Verwandtenbesuch angereist. Seine Begleiterin hat sich eigens aus Halle auf den Weg gemacht. Hier wartete die spontane Idee für einen Ausflug in den Escape Room auf sie. „Wir haben sowas schon ein paar Mal gemacht. Das hier ist aber eine echte Herausforderung“, meint die Älteste im Team und liest immer wieder die Anweisung für das nächste Rätsel. Die Scheiben am Stehpult sind noch nicht in die richtigen Positionen gedreht.

Stilecht: Das Feldlager Adolf III. Graf von der Mark als Escape Room.

Was war da eigentlich genau los um 1388, als sich Adolf III. aufmachte, um die benachbarte Stadt Dortmund zu belagern und zu erpressen? Die „Dortmunder Fehde“ ist in die Geschichtsbücher eingegangen. Weniger der Versuch, den Grafen in dem blutigen Getümmel mit einer heimlichen Liebschaft in die Falle zu locken. Es ging um Macht und Einfluss. Der eine häufte immer mehr Ländereien an und war gleichzeitig Bischof von Münster. Der Kontrahent Friedrich von Saarwerden war Kölner Bischof und ein echter Erzfeind. Da wurden schwere Geschütze aufgefahren, um die Pfründe zu sichern.

Stilecht verfasste Rätsel und Hinweise.

Eines ist jedenfalls sicher: Der Graf von der Mark prägt die Region bis heute. Die Städte Bergkamen, Kamen, Werne und Lünen waren damals Schauplätze haarsträubender Ereignisse – und haben ihr heutiges Stadtbild entwickelt. „Wir suchten nach einem gemeinsam historischen Thema für eine gemeinsame Aktion. Was bietet sich da besser an?“, meint Museumsleiter Mark Schrader. Zusammen wollen alle vier Museen und Städte die gemeinsame Geschichte erlebbar machen mit einem Angebot, das es so noch nicht gab. Fertig war die Idee vom Escape Room. Historisches Material haben die Museen reichlich.

Statisten spielen das Leben im Mittelalter nach.

So mutete der Raum, der in Wahrheit ein Zelt war, waschecht an. Schon im Eingang mussten die vier ersten Rätsel gelöst werden, um die korrekte Reiseroute mit den Stadtwappen und finaler Mathe-Aufgabe nachzubilden. Erst damit war der Weg frei ins Schlafgemach des Grafen. Ein ausgetüfteltes Rollenspiel mit echten historischen Ereignissen, spannenden Requisiten und anspruchsvollem Denksport. Das Team aus Bielefeld, Halle und Bergkamen brauchte eine gute Stunde, um das Geheimnis zu lüften und aus dem Feldlager wieder herauszukommen.

Draußen warteten noch weitere Eindrücke aus dem Mittelalter mit Statisten, die den Alltag von Damals nachspielten. Wer den Historien-Spaß verpasst hat: Der Escape-Room ist mobil und macht an den nächsten Wochenenden auch in den übrigen drei Nachbarstädten in Werne, Lünen und Kamen Station.




Pestalozzihaus feiert das Heimatgefühl mit Familienfest zum Projektabschluss

Die Gewinner des Fotoprojektes.

Heimat bedeutet für ihn: Bäume, Natur und Freiheit. Die Arme ausstrecken und sich mittendrin im Kreis drehen „Da bin ich“, ruft er quer über den ehemaligen Schulhof und zeigt Heimatministerin Ina Scharrenbach stolz das große Foto in der Außengalerie. Einem anderen jungen Mann fehlen fast die Worte, als die Ministerin ihm das Mikro hinhält. Viele deutsche Worte kennt er noch nicht. Eines aber schon: „Fußball“, sagt er stolz. Und einfach nur Leben dürfen und tun könne, was woanders mit Verfolgung und Schlimmerem bedroht ist. Deshalb sieht man ihn auf dem Foto den Ball kicken – mit Kopfhörern im Ohr und voller Energie im Körper.

Fotos überall, sogar hinter dem Baugerüst.

Die Hand auf dem Kopf der Kühe, das Fernglas in die Natur gerichtet, das Cello vor der Musikschule, das Stück Kuchen im eigenen Garten: Oft sind es die kleinen Dinge, die in der Fotoausstellung zum Abschluss des Heimatprojekts „Mein Ding! Bergkamen“ das Heimatgefühl ausmacht. Über 100 Fotoeinsendungen hat es dazu gegeben, es fanden Heimatwerkstätten statt. 42.000 Euro gab vom Heimatministerium für das Projekt am Pestalozzihaus. Übergeben von der Ministerin, die am Samstag die Ergebnisse selbst in Augenschein nahm und Preise überreichte. Mit einem großen Familienfest ging das Projekt, das mit Corona viele Schwierigkeiten und Hürden überwinden musste, zu Ende.

Ministerin Ina Scharrenbach beim Interview.

„Ein solches Fotoprojekt ist Luxus, denn ein Foto kostet Zeit – und die haben wir bekanntlich immer weniger“, schilderte Ina Scharrenbach. „Ein Foto kostet einen Augenblick, den haben sich alle Teilnehmer genommen.“ Für Bürgermeister Bernd Schäfer waren die Ergebnisse eine echte Überraschung. „Es ist faszinierend zu sehen, wie wichtig Natur und Landschaft, Kultur und gesellschaftliches Engagement für die meisten sind.“ Und alle vereint die emotionale Bindung zu diesem Ort, der einst eine Grundschule war und jetzt alle kulturell auf mehreren Ebenen zusammenführt.

Engagierte Tänzerinnen beim Abschlussfest.

Musik gab es zum Abschluss. Tanzvorführungen ebenso. Kunterbunte Speisen luden zum Verweilen ein. Und es gab viele Mitmachveranstaltungen. Sandbilder zum Beispiel oder ein weiteres Fotoprojekt, bei dem sich jeder mit dem verewigt auf einer Schiefertafel fotografieren lassen konnte, was ihm an Bergkamen wichtig ist.

Sandbilder malen macht gemeinsam noch mehr Spaß.

Ein bunter Tag mit viel guter Stimmung, der die Ministerin auch mitten im Wahlkampfabschluss so viel Spaß machte, dass sie länger blieb. Auch sie nahm sich Zeit und mehr als nur einen Augenblick, immerhin bewegte sie sich als gebürtige Kamenerin auf fast heimatlichem Terrain. „Strukturwandel und Umbrüche – das prägt uns alle hier in der Region“, sagte sie. Und: „Ich freue mich auf die nächsten Projekte hier in Bergkamen.“

Preise gab es für folgende Einsender: Ismail Koc, Florian Kirsch, Nancy Krüger, Lenny Müller, Branka Schulte, Dietrich Worbs, Angelika Mahlzahn, Mani Sabokruh, Jesca Brandner und Henning Schäfer.

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Bumannsburg und Römerpark appellieren zum Tag des offenen Denkmals: Augen auf und Rücksicht nehmen!

Wo sind wir genau? An der Bumannsburg wollten es die Teilnehmer ganz genau wissen.

Mit dem Tablet konnte man vieles noch besser verstehen: Die Bumannsburg faszinierte bei der ersten Führung, die hier angeboten wurde.

Sie kam mit einem schicken neuen Mountainbike zur Führung. Ludwika Gulka-Höll würde als Museumsmitarbeiterin aber niemals damit über die Wälle der Bumannsburg fahren und springen. „Genau das ist unser Problem mit diesem Bodendenkmal“, sagte sie zum Auftakt der ersten Führung an den Resten der mittelalterlichen Burg am Tag des offenen Denkmals. „Es sind aktuell gerade die Mountainbiker, die hier vieles von den wenigen noch sichtbaren Spuren zerstören.“

Auch dafür wollten die beiden Führungen am Sonntag sensibilisieren. Sowohl die Bumannsburg als auch die sichtbaren Resten des Römerlagers in Oberaden können nur erhalten bleiben, wenn alle sorgsam damit umgehen. Beide sind echte Schätze, die viel über das Leben unserer Vorfahren verraten. Man muss nur genauer hinschauen.

Fragen über Fragen hatten die Teilnehmer. Wie kann man das eigentlich alles erkennen, was man kaum mit dem bloßen Auge sehen kann?

Das tat zunächst Ludwika Gulka-Höll an der noch neuen Beschilderung der Bumannsburg, unterstützt mit Tablet und digitalen Karten. Was sich genau im 8. und 9, später dann auch im 13. Jahrhundert unweit der Lippe abspielte, kann niemand mehr genau rekonstruieren. Ob hier ein Adliger wohnte, vielleicht sogar ein Ritter, oder ob das Ensemble aus Motte (Turm), Wirtschaftsgebäuden und mächtigen Schutzwällen als Fliehburg vor benachbartem Feindesland, gar auf Initiative von Karl dem Großen errichtet wurde, bleibt Spekulation. Die wenigen Ausgrabungen werfen immer neue Fragen auf.

Keramikfunde zeigen Besiedlung bereits in der vorrömischen Eisenzeit. Laseruntersuchungen brachten eine Holzkonstruktion als Fundament zutage. Lippearme zogen sich noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts dicht an dem Bauwerk vorbei. Am meisten staunten die Teilnehmer über die noch sichtbaren sogenannten Wölbäcker. Viele kleine Wälle, die für die landwirtschaftliche Nutzung dienten und offenbar die wankelmütigen Niederschläge besser nutzen konnten. Die Gäste hatten unzählige Fragen. Wie Archäologen all das sehen können, was sie selbst nie erkennen könnten. Warum hier nicht einfach einmal alles komplett ausgegraben wird. Welche Pläne für die touristische Nutzung die Stadt haben könnte. Fest steht: Das Interesse an der Burg ist immens. Viele wünschten sich, dass die Informationen noch umfangreicher und besser vermittelt werden.

An der Holz-Erde-Mauer kamen die Besucher nicht nur zur Führung, sondern den ganzen Tag über auch zu spontanen Besuchen vorbei.

Die Rekonstruktion der Holz-Erde-Mauer war auch im Römerpark in Oberaden nur der Startpunkt für genaueres Hinsehen. Museumsleiter Mark Schrader zeigte auf alten Fotos, was längst nicht mehr zu sehen ist. Dass beispielsweise der heute üppige Wald auf der Fläche des einstigen Lagers verhältnismäßig jung ist und erst vom Bergbau neu angepflanzt wurde. Dass die ersten Ausgrabungen um 1900 zwar außergewöhnlich umfangreich waren, aber auch nicht besonders wissenschaftlich. Hier ging es vor allem darum, die Museumsvitrinen zu füllen. Für Otto Prein, den ersten Initiator, stand die Suche nach Aliso, dem sagenhaften Kastell in Verbindung mit der nicht weniger sagenhaften Varusschlacht an erster Stelle.

Neben den Spuren im Boden gab es auch echte Menschen, die das Leben vor und hinter der Mauer des römischen Lagers nachspielten.

Spannend sind auch die neueren Recherchen. Mit Hilfe von Mathematikern hat das Museumsteam die 56 Hektar große Fläche genauer unter die Lupe genommen und festgestellt: Hier wären mehr Legionen untergekommen als bisher auf Basis der uralten Historiker-Berechnungen angenommen wurde. Rund 20.000 Soldaten hätten hier Platz gefunden. Die Legionen waren höchstwahrscheinlich kleiner und in der Größe schwankender, als die älteren Forschungen postulieren. Das Oberadener Römerlager ist jedenfalls nicht nur das größte nördlich der Alpen, sondern auch das zweitälteste erforschte. Und hier hat sich in wenigen Jahren von 11 bis 8/7 v. Chr. Wichtiges abgespielt rund um die römischen Eroberungszüge unter Drusus gegen die Sugambrer. Die Mauerreste sind im Gelände noch als sanfte Hügel zu sehen. Auch hier ist genaues Hinsehen gefragt – und Rücksichtnahme.

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Hundeschwimmen beendet die Freibadsaison mit maßloser Begeisterung

Egal ob Tennisball oder Profigeschoss: Was im Wasser landete, war heiß begehrt beim Hundeschwimmen.

Vielleicht gibt es noch ein Hundeschwimmen im nächsten Jahr. Vielleicht war es jetzt auch das vorerst letzte Mal. Das hängt vom Zeitplan für das neue Familienbad der GSW ab. Eine Badesaison wird das alte Wellenbad jedenfalls noch erleben. Die gut 200 Hunde, die sich am Samstag in die Fluten stürzten, kümmerte das herzlich wenig. Sie hatten grenzenlosen Spaß. Genauso wie ihre Besitzer.

Mit Vollgas in die Fluten.

Denn ein Tag lang gehörte das Becken des Wellenbades ganz allein ihnen. Die Chlorung war raus aus dem Wasser zum Ende der aktuellen Saison. Dafür hatten die gestiegenen Temperaturen das einstmalige Blau in sattes Grün verwandelt. „Deshalb ist der Eintritt heute auch frei“, erläutert der Bädermanager Sven Holtsträter. Die Hunde nahmen das Angebot dankbar an. Egal welche Größe, Farbe und Rasse: Das Wasser war einfach unwiderstehlich.

Bitte, bitte: Wirf endlich!

Der eine schritt ganz bedächtig in die Fluten und tastete sich behutsam vor. Der andere stürmte schon vom Eingang aus schnurstracks auf die Wasserfläche zu und versank ungebremst. Einer nahm Anlauf und landete mit einem gewaltigen Satz in den Wellen. Der nächste prüfte erst vorsichtig das Terrain, um sich dann gemächlich zum genussvollen Bad einzutauchen. Das Badeverhalten war äußerst unterschiedlich. Eines passte aber für alle Hunde: „Hier herrscht absolute Harmonie. Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut sich alle miteinander verstehen.“

Im Zweifel wird auch geteilt.

Nur ganz selten war mal ein wütendes Kläffen zu hören. Dann ging es meistens um vorwitzige Konkurrenten um schwimmende Wurfgeschosse. Vom einfachen Tennisball bis zum schwimmenden Leuchtturm und versinkenden Knoten reichten die Mitbringsel. In den meisten Fällen waren die Objekte heiß geliebt und ebenso begehrt. Viele Hunde sprangen auch ganz ohne jeden Anreiz ins Wasser. Einige interessierten sich mehr für die mitschwimmenden Vierbeiner.

Hier ist er, der Ball!

Zwei graue Terrier waren mit ihren Besitzerinnen zum zweiten Mal dabei. „Sie haben etwas Respekt vor den großen Hunden und machen jetzt eine kleine Pause“, sagen die Frauen. „Das ist aber ein großartiges Angebot hier, wir haben viel Spaß zusammen.“ Riesige Freude hatte auch Labrador „Balu“. Er war kaum noch herauszuholen aus dem Wasser. Seine Besitzer hatten schon nach kurzer Zeit lahme Arme vom vielen Werfen. „Wir sind jedes Jahr hier, mindestens zum 5. oder 6. Mal“, erzählen sie. Es ist inzwischen der zweite Hund, den das Weddinghofener Wasser magisch anzieht. „Der Vorgänger war schon am Eingang nicht mehr zu halten, Balu braucht einen Ball, damit es losgehen kann.“

Größenunterschiede spielen keine Rolle, auch wenn sie etwas beängstigend zu sein scheinen.

Eine kleine Bulldogge schaut derweil etwas düpiert, weil seine vorsichtige Annäherung an das Nass von wild spritzenden Nachbarn torpediert wird. Zwei Labradore rangeln um ein und dasselbe Spielzeug. Ein Hund schwimmt und schwimmt und schwimmt und scheint überhaupt nicht mehr aufhören zu wollen. Erst eindringliche Pfiffe holen ihn wieder zurück an Land.

Geschafft!

Dort konnten sich die zweibeinigen Schwimmer auch am Kiosk stärken. Die Wellen fehlten dieses Jahr, weil die Algenbildung schneller war als geplant. Auch war die Öffnung für die Hunde einigermaßen spontan: Corona macht alles noch schwierig zu planen. 3G-Regeln galten auch hier für die Menschen. Den Hunden war es egal: Sie konnten auf Tuchfühlung gehen, wie sie wollten – ganz ohne Abstand, Masken und lästiges Virus. Ganz anders wie die Menschen: Von denen kamen in dieser Saison so wenige wie noch nie. Die Auslastung lag bedingt durch das schlechte Wetter und Corona bei gerade mal 50 Prozent.

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Holz-Erde-Mauer strahlt bei der glänzenden Klassik-Premiere mit den 3 Tenören

Die Holz-Erde-Mauer erstrahl im vollen Scheinwerferglanz.

Am Ende nützte es auch nichts, die leuchtenden Sterne mit Puccinis „Tosca“ aus voller Seele zu besingen und mit Bizets Blumenarie aus „Carmen“ den Sommer zu beschwören. Kurz vor dem offiziellen Ende kam er doch noch, der Regen beim Klassik Open Air – und zwar so richtig. Die Premiere an der Holz-Erde-Mauer, die mit den drei Tenören bis dahin im wahrsten Sinne glänzend war, musste abgebrochen werden.

Schade: Kurz vor Schluss kam der Regen und der improvisierte Regenschutz half nicht mehr viel.

Vor allem der 70.000 Euro wertvolle Flügel konnte nicht noch mehr Feuchtigkeit vertragen. Mühevoll waren seine gut 400 Kilo Stunden zuvor von 8 Armen die Holzrampe hinaufgewuchtet worden. Techniker waren die Mauer von allen Seiten hinaufgeklettert, um Kabel und Scheinwerfer für eine atemberaubende Beleuchtung durch die Firma „Smart Lite“ zu sichern. Eine traumhafte Kulisse, die selbst für die Stars des Abends eine Premiere war. Auf dem Nachbau der antiken Umwehrung eines Römerlagers sind Stefan Lex, Thomas Heyer und Michael Kurz noch nie aufgetreten.

Eine einzigartige Kulisse bot der Nachbau der Lagerumwehrung – arrangiert von „mindestens genauso guten Künstlern wie wir“, so die Tenöre.

Das Ambiente war so außergewöhnlich, dass die ersten Zuschauer schon eine Stunde vor Beginn vor dem Eingang standen. Die Plätze mussten auf 300 aufgestockt werden, weil der Andrang so groß war. Die Frühbesucher genossen das Vorprogramm mit Johannes Wolff von der Musikschule am Flügel, Bratwürstchen vom Grill und Einblicken in das germanische Leben vor dem Lagertor. Auch dabei spielten, begleitet vom Besuch diverser Slaven, Musikinstrumente eine Rolle. Und wer genau hinschaute, konnte Schmuckherstellung und antike Tätowiertechniken beobachten.

Stilvoller Beginn: Aufmarsch der Stars über die Rampe.

Dann schritten sie die Rampe hinauf, die drei Freunde und Tenöre aus dem Ruhrgebiet. Am Flügel die Gattin des „Boygroup“-Conférenciers, Sigrid Althoff. Sogar einen eigenen „Umblätterer“ hatte sie dabei, um auf dem schmalen Steg in recht luftiger Höhe die Notenblätter im Griff zu behalten. Der eine oder andere Vierbeiner im Publikum bellte zwar noch bei den ungewohnten Tönen der Blumenarie oder Verdis „La donna e mobile“. Nach der „Bütterchenpause“ und den zwei Märchenaugen waren dann aber alle ganz gelassen.

Voller Engagement: Die drei Tenöre mit drei Tönen als drei Freunde in Aktion.

Auch als Flugzeuge über dem „Wolfgalied“ von Léhar kreisten, Treckerlärm ein wenig Robert Stolz Liebeserklärung untermalte und ein leicht alkoholisierter Waldbesucher im Hintergrund Verdis berühmtes Trinklied etwas zu wörtlich nahm. Die Mauer funkelte abwechselnd in bunten Farben, ebenso wie die Bäume im Hintergrund. Eine fantastische Kulisse zu umjubelten Stimmen. Die waren auch nach der Pause bestens aufgelegt. Ein paar Schlagereinlagen wie „Ein Freund, ein guter Freund“,„Die Mädis vom Chantant“ oder vom schweren Studium der Weiber heizten die gute Stimmung noch weiter an. Mit „drei Nüsse für Aschenbrödel“ schmolzen auch die letzten Herzen im Publikum dahin. Bei den drei Canzonen in Erinnerung an die echten Tenöre und die echten Römer klatschen alle im Takt mit.

Antike Töne von Germanen und Slaven im Vorprogramm.

Dann allerdings kam er, der Regen. Erst ganz leicht – dann prächtig klatschend und pladdernd. Da halfen auch die roten Tücher nicht mehr, die jeder Tenor von den Stühlen im Wartebereich riss und sich um Köpfe und Schultern schlang. Es setzte eine Massenflucht ein – nicht ohne Dauerapplaus und bedauernde Bravo-Rufe. Und nicht ohne die Versicherung, dass es ein unvergesslicher und schöner Abend war, auch wenn die geplanten drei Zugaben am Ende vom Regen verschluckt wurden.

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Dorfmeisterschaft weiht den neuen Kunstrasen am Schacht III in Rünthe ein

Auf geht’s: Anstoß zur Dorfmeisterschaft auf dem neuen Kunstrasen am Schacht III in Rünthe von Bürgermeister Bernd Schäfer.

Asche, echter Rasen, Kunstrasen: Im Fußball scheiden sich die Geister an Millionen Dingen, nicht aber am „Geläuf“. Hier gibt seit Jahren das künstliche Grün den Ton an – überwiegend aus praktischen Gründen, für viele aber auch aus philosophischen. Der SuS Rünthe gehörte zu den ersten, die in Bergkamen auf Kunstrasen spielen durften. Dass aber auch der seine Lebensdauer hat, war zuletzt nicht mehr zu übersehen.

Neue Bälle zum Neuanfang auf neuem Rasen.

18 Jahre hielt der Untergrund engagierter Spielfreude stand. Der SuS Rünthe nutzt den Platz am Schacht III, der 2003 komplett neugestaltet worden war, mit Junioren- und Seniorenmannschaften, einer Altherren- und einer Damen-Mannschaft. Auch TIU Rünthe spielt im Stadion, dessen Spielfeld damals in Ostwestrichtung verlegt wurde, mit massiven Erdbewegungen neue Höhen und eine Flutlichtanlage sowie einen Zaun bekam. Das hat Spuren hinterlassen. Deshalb musste jetzt ein neuer Kunstrasen her.

Alle Fraktionen gratulierten.

Die grünen Halme sind dabei nur die halbe Miete. Die elastische Tragschicht musste überarbeitet werden, Besandung brauchte der neue Belag. Und vor allem: Geld. Zuschüsse gab es nicht, aber Geld von der Stadt, für die der Rat den Beschluss fällte. Immerhin 300.000 Euro kostet ein neuer Kunstrasen. Mit den Firmen Strabag und Vennegeerts waren die Fachfirmen für das Vorhaben gefunden. Dann kam Corona. Und jetzt war es endlich so weit: Der neue Rasen konnte offiziell übergeben werden. Punktgenau zur 3. Dorfmeisterschaft, die ebenfalls eine Corona-Weile auf sich warten lassen musste.

12 Mannschaften traten bei der Dorfmeisterschaft an.

12 Mannschaften schauten dabei zu, wie der SuS-Vorsitzende Dietmar Wurst nicht nur einen Sack voll Fußbälle von Bürgermeister Bernd Schäfer entgegennehmen konnte. Den Pflegeplan gab es gleich dazu, denn auch Kunstrasen will wie seine natürlichen Vorbilder gehegt und gepflegt werden. Der obligatorische flachen Blumenstrauß der Fraktionen fehlte ebenfalls nicht. Und einen schwungvollen Anstoß vom Stadtoberhaupt.

Losglück am Rande der neuen Spielfelder.

Auf den Kleinspielfeldern ging es denn auch gleich nahtlos zur Sache – mit den neuen Bällen, versteht sich. Und mit mindestens einer Frau in jeder Mannschaft, damit die guten Sitten gewahrt bleiben. Wo das weibliche ausgleichende Element fehlte, mussten punktuell Schwimmreifen allzu viel Engagement in Schach halten. Das funktionierte gut: Gleich in der ersten Halbzeit fielen reichlich Tore und man trennte sich freundschaftlich vergnügt.

Engagement auf dem Spielfeld.

Bis sich die versprochene Sonne mitsamt deutlich wärmeren Temperaturen blicken ließ, hielten sich die Besucher am Glücksrad, mit heißen Würstchen, Kuchen oder beim Loseziehen an der Tombola warm. Und Besucher gab es einige, schließlich ist der SuS in Rünthe eine Vereinsgröße, die auch in Corona-Zeiten anders als andere Vereine noch zulegen konnte.

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Beim Kabarett explodiert der Signora-Vulkan mit Winkeflügeln und voller Mundorgel-Gewalt

Italien hat nicht nur geologische Vulkane. Es gibt auch kabarettistische, die mit einer Prise Ruhrgebiet mindestens genauso gefährlich werden, wenn sie auf die Bühne kommen. Am Freitag brodelte es im studio theater nicht nur. Die Lachsalven explodierten. Dabei stand dort nur eine kleine Frau mit Haarnetz, Friedhofsoutfit und Akkordeon „Allein unter Geiern“.

Ruhig stehen konnte „La Signora“ auf der studio bühne nicht.

Von „La Signora“ hatten wohl die wenigsten vorher gehört. Das war ein Fehler. Denn den meisten, die sich im inzidenzerweiterten Abstand unerschrocken in die „Spuckgrenze“ begaben, sollte Hören und Sehen vergehen. Die Signora stand nur ganz kurz still und sinnierte über Nacktschnecken für Professionelle. Umgehend fiel sie über die ersten Reihen her und sezierte die „gebrauchten Paare“ inklusive Bürgermeister A. D. Mit den „Irren“ von der Insel ging es zweisprachig-kreativ durch den Hit-Shanty. Schon wuchsen ihr schlaffe Winkeflügel beim wilden Vogeltanz und im Zeitraffer jagten alle zusammen johlend durch den „Straßenstrich der Nation“ mit lustigem Werbelieder-Raten.

Ständig in Bewegung – gern auch mal im geschmeidigen Vogeltanz.

Da konnte sich jeder gut vorstellen, dass sich der Gasometer dereinst ehrfurchtsvoll nach Pisa verneigen wird. Wer sich derart intensiv mit neapolitanischen Wurzeln der Mundorgel hingeben kann und das Publikum geschlossen zu euphorischen „Falleris“ und „Falleras“ treibt, hat genau das verdient. Da wird selbst der atemlose Ritt durch die deutsche Schlagerlandschaft zu Kultur. Und weltweite Hits offenbaren Ungeahntes „Unter nem Cordrock“. Alle machten begeistert mit, denn das befreite Lachen war schlichtweg lang vermisst und heiß ersehnt.

Mit offenen Armen empfing sie das Publikum.

Es hätte ein harmloser Schenkelklopferabend bleiben können, wenn da nicht auch die nachdenklichen Momente gewesen wären. Ticitoc für einsame Social-Seelen war ein kleiner Vorgeschmack auf das Projekt Corona, das die Signora lieber vorher mal kurz ausprobiert hätte, um es sofort abzusagen. Kurz war das Publikum mutterseelenallein mit der Frau, „die nicht nur Gehirn und Besserwisserei“ zu bieten hat, sondern auch reichlich „Stauraum für Enttäuschungen“. Wenn sie von Always Ultra zu Always Uralt mutierte, die Natur Inventur machte und die „Kacheln meines Erfolgs“ in den Ritzen auf dem Damenklo verborgen lagen.

Mit dem Akkordeon ein unschlagbares Duo.

„Ich bin keine Lady, ich nur eine Frau“, charmierte sie hingebungsvoll und setzte zum nächsten Tanz mit bewunderungswürdiger Beweglichkeit an. Nicht ohne noch eine gehörige Portion Misstrauen unter den Paaren in der Spuckgrenze zu verbreiten, über die sie nach gut zwei Stunden vom Flirtverhalten unter Weineinfluss und 42 Ehejahren inklusive Unterwasserradeln einfach alles wusste.

Die Bergkamener hätten gern noch mehr als nur eine Zugabe gehabt. „Das war wirklich eine Überraschung“, meinte der eine oder andere heiser vom Lachen und fehlenden Pausentrunk am Ausgang. Dort standen viele noch lange an, um sich hinter dem Spuckschutz das versprochene Foto von der Signora inklusive Autogramm abzuholen. Beim nächsten Mal gibt es dann hoffentlich wieder eine offene Mensa und Getränke zur Erholung. Am 1.10. kommt „Longjohn“ und schafft ausgleichenden Gerechtigkeit für die Männer.

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