Ausverkaufter Frauentag begeistert nicht nur mit Dirndlalarm
Mal eben einen Plausch mit Marie Juchacz halten. Wenige Meter weiter über Lohnungerechtigkeit bei Frauen, die Perspektiven der Rente oder häusliche Gewalt diskutieren. Im nächsten Moment das „Holz vor der Hütte“ mit eigenem Alpenpanorama und Assimilation als Ruhrgebietlerin im Bayernland bejubeln. Der internationale Frauentag in Bergkamen hat schon immer ungewöhnliche Ausrufezeichen gesetzt. Diesmal im wahrsten Sinne hochgehalten von Frauenhänden hinter einem aus Papier-Buchstaben zusammengesetzten Satz: „Die Hälfte der Welt gehört uns!“
In dem Satz steckte aber weit mehr als nur Buchstaben. Hinter jedem symbolisch gekauften Letter verbarg sich ein Stück Geschichte der Frauenbewegung. Das Wahlrecht beispielsweise, das sich zum 100. Mal jährt. Und die Tatsache, dass nur 27,1% der Abgeordneten in NRW Frauen sind und damit mehr als die Hälfte unserer Bevölkerung repräsentieren. Da braucht es auch 2019 noch eine Initiative für mehr Frauen in den Parlamenten. Oder das L für Lohngerechtigkeit: Frauen verdienen immer noch 21% weniger als Männer. H und G stehen für Häusliche Gewalt, die jede dritte bis vierte Frau in Deutschland erlebt. R für Ruhestand, der für Frauen die Hälfte des Geldes bedeutet, das Männer aus der gesetzlichen Krankenversicherung bekommen.
Alpenpanorama und Buchstaben-Rätsel auf der Bühne
Hätten die Frauen des Frauentagsteams tatsächlich alle Buchstaben als allen noch ungelösten Problemen der Frauenwelt zusammengetragen, wäre wohl ein ganzes Buch entstanden. So blieb es bei den dringlichsten Themen, viel Spaß im Publikum und auf der Bühne. Und einem zu erwartenden Rekorderlös, denn der Treffpunkt platzte vor lauter Besucherinnen fast aus allen Nähten. Ein paar farbige Briefumschlage der Ratsfraktionen und aus dem Rathaus gesellten sich noch dazu. So dürfen sich das Bergkamener Mädchen- und Frauennetzwerk und auch das Frauenforum im Kreis Unna mit seinem Projekt „Mobile Wohnungshilfen der FrauenRäume“ auf üppige Zuwendungen freuen.
Auf der Bühne herrschte ansonsten purer „Dirndlalarm“. Karin Zimny staunte als Zugereiste aus dem Ruhrpott in Bayern nicht nur über das „Amigo-Ding“ mit Trump-ähnlicher Familienfürsorge und sprach sich ihre Angst vor der Ausweisung als Sozialschmarotzerin von der Seele. Ohne Wanderdiplom geht in Bayern die Angst ohnehin immer mit – auch im Dirndl, mit dem man keinen Boden mehr unter den Füßen sieht. Sich mit Blicken anzuziehen macht auch mal Spaß beim artgerechten Wandern auf der Rolltreppe ohne bayerische „Tiere im Ganzen“. Wenn nur nicht die Ehe im digital wiederersteigerten Hochzeitskleid immer wieder als Staubsaugerterroristin und Locken in der Farbe der ehemännlichen Socken enden würde.
Während es mit gummibehandschuten Dirndl-Kabarettistin fröhlich durch alle weiblichen Baustellen ging, hob Bürgermeister Roland Schäfer noch einmal hervor, dass es für die Sache der Frauen noch immer genug zu kämpfen gebe. Denn so lang ist es noch nicht her, dass Frauen ohne Einverständnis ihres Mannes arbeiten dürfen und generell rechtlich gleichgestellt sind. Lohngleichheit war nur ein Stichwort, das er in den Raum warf – und das sicherlich auch beim nächsten internationalen Frauentag wieder ein Thema sein wird.