Mit dem Rad paradiesische Gärten und Mythen entdecken
Flammend rote Rosenmeere, duftende Blütenballen, Urwälder aus uralten Bäumen oder Gemüse in allen Varianten. „Das gibt’s ja gar nicht!“, entfleucht es manchem, der mit Fahrradhelm und Radlerhose durch einen Garten nach dem anderen spaziert. „Jetzt wohne ich schon so lange hier und hatte davon keine Ahnung!“ Die Radtour mit Gästeführer Gerd Koepe vorbei an sechs privaten Gärten und Anlagen hat neue Horizonte eröffnet.
Milch hat Gerd Koepe jahrzehntelang ausgefahren. Seit 1957, genauer gesagt. Dabei hat er viele Gärten und kleine Paradiese entdeckt. So entstand die Idee für eine ganz neue Radführung der anderen Art. „Ich hatte noch viel mehr Gärten zur Auswahl“, sagt er. Den eigenen Garten, in dem er viel Zeit verbringt, hatte er schon aussortiert. Sechs Anlagen blieben übrig. Die sorgten dafür, dass die 17 Teilnehmer mit ihren drei Begleitern am Samstag von einer Verzückung in die nächste gerieten.
Statt Roggen und Gerste Gartenidylle pur
Los ging es auf dem 1486 erstmals in den Schatzbüchern von Haus Reck erwähnten Hof Middendorf. Musste man früher aus dem Bauerngarten und von den landwirtschaftlichen Flächen Roggen, Gerste, Hafer, Weizen, Hühner, Gänse, Flachs und noch viel mehr als Abgaben abliefern, ist der historische Hof heute eine Wohnidylle mit parkähnlicher Umgebung. Der Anbau ist zum Leidwesen von Borussen-Fan Reinhard Middendorf in blau-weiß gehalten. Der Sitzrasenmäher, mit dem die riesigen Rasenflächen bewältigt werden, stammt ausgerechnet aus der Schalker Arena.
Ohne Rasenmäher kommt Helga Brandt aus. Ihr Garten ist ein wahres Rosenparadies. Alte Sorten ihrer Lieblingsblumen bringt sie hier zu prächtigster Blüte und „investiert viel Zeit“. Auf eine fahrbare Mähhilfe muss Gerd Behrens aktuell verzichten. Seine riesige Wiese muss er schadensbedingt mit dem Handmäher bewältigen. Noch mehr Zeit investiert er jedoch in die kleinen Kunstwerke, die rund um sein Haus wachsen. Herzen, Schildkröten, Sessel: Aus Bäumen, Hecken und Pflanzen werden „mit einer Heidenarbeit“ regelrechte Gebilde. Ganz nebenbei sorgt sein Garten alljährlich für üppige Kürbis-Gaben zum Erntedank für den guten Zweck in der Kirche.
Zu einem der ältesten Bergkamener Höfe gehört der von Klaus Güldenhaupt. Hier faszinierte neben idyllischen Obstwiesen und paradiesischen Teichinseln vor allem die Tierwelt. Die Radler verliebten sich durchgehend in die neugierigen Esel, die an den Radjacken knabberten. Die beiden Jungfalken, die Güldenhaupt gerade selbst aufzieht, weil die Eltern das Weite gesucht haben, gaben eindrucksvolle Flug- und Fütterungseinlagen. Kirschen frisch vom Baum warteten auch hier auf die Gäste – zusätzlich zu einem selbstgemachten Likör.
Gemüse und Nelken soweit die Augen reichen
Irene Höhne lässt sich ihr Gartenparadies nicht nehmen. Jedes erdenkliche Gemüse sät sie eigenhändig neben Teichanlagen und Nelkeninseln ein. Sie gab den Gästen viele gute Tipps für schmackhaften Selleriesalat oder prächtige Blumenpracht mittels Sägemehl zur Hand. Den Abschluss bildete ein Idyll der ganz anderen Art. Auf Gut Velmede stehen einige der ältesten und schönsten Bäume im Kreis Unna. Ganz nebenbei hat das 1135 erstmals erwähnte Rittergut, von dem zwei Staatsminister und weitere berühmte Persönlichkeiten stammen, Geschichte satt zu bieten.
Das Gut mit seinen „Ecken und Kanten“, in dem „die Uhren anders ticken“, ist auch für das Verwalterehepaar Jörg und Stefanie Rammlau zu einem zweiten Leben und wahren Paradies geworden. Auf 10.000 qm Rasenfläche wachsen nicht nur uralte Eichen mit 3 Meter Stammumfang in die Höhe oder dienen gut 300 Jahre alte Riesen als Blitzableiter. Hier wachsen auch Mythen wie eine uralte kaukasische Flügelnuss, die der Sage nach als Samen mit Alexander von Humboldt von einer Kaukasienexpedition nach Berlin kam und dort den Bodelschwinghs geschenkt wurde. In der Parkanlage, die im 18. Jahrhundert 45 Angestellte pflegten, ist sie zu gewaltigen Ausmaßen gediehen.
Die Teilnehmer waren begeistert und hätten sich beim abschließenden Kaffee mit Kuchen und Likören noch mehr als die geplanten 3 Stunden Zeit in den vielen schönen Gärten gewünscht. Denn: „Die Leute waren alle so nett und offen und hatten so viel zu erzählen!“ Eine Fortsetzung wird es also garantiert geben.