Internationaler Frauentag mit Facebook-Buckel und Stolz-Selbsthilfe

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Was ist geblieben von 100 Jahren Frauenwahlrecht? Die Mitleif-Kreisis bei 15-Jährigen, Dauertelefonate und Facebook-Buckel rund um die Diskussion über das durchsichtige Kleid der Nachbarin, Sprint-Kämpfe um den besten Platz an der Kasse und omnipräsente Strebertussi. So sieht jedenfalls der Alltag aus, wenn frau der Kabarettistin Vera Deckers beim Matinée zum Internationalen Frauentag durch die Probleme des fraulichen Alltags folgte. Der selbstironische Sprint durch die Problemskala machte gehörigen Spaß.

Stets das Handy am Ohr: Die Frau von heute hat auch 100 Jahre nach dem Frauenwahlrecht allerhand Probleme. Vera Deckers deckte sie auf. Sie ist prädestiniert dafür, hat sie doch am 8. März und damit am Frauentag Geburtstag.
Selbstironisch und gut gelaunt ging es mit der Kabarettistin und gelernten Psychologin schonungslos durch den ganz normalen Wahnsinn des Geschlechter-Alltags.

Clara Zetkin, Marie Juchacz und Co. hätte es allerdings Tränen der Verzweiflung in die Augen getrieben, hätten sie 100 Jahre nach ihrem erfolgreichen Kampf für erste Anzeichen der Gleichberechtigung Vera Deckers große und kleine Wahrheiten auf der Bühne im Treffpunkt erlebt. Dort kämpfte sie mit Meeresrauschen und Delfinstimmen gegen die Schlaflosigkeit und erntete dringenden Harndrang. Beim Flirt ließ sie sich vom virtuellen Ich ausbooten und kollidierte hernach mit der allgegenwärtigen Bescheidenheit der Frauen, für die Leistung verbal fast ausschließlich mit Glück zu tun hat. Es wurde auch tatsächlich ganz still im einmal mehr gut gefüllten Saal, als sie alles andere als ironisch forderte: „Habt doch einfach mal mehr Mut zum männlichen Selbstbewusstsein!“

Gut besucht war das Matinée zum Internationalen Frauentag und auch die Männer hatten ihren Spaß.

Während Jungs ganz offen aggressiv und selbstbewusst sein dürfen, lassen Frauen ihre Wut verdeckt beim Backen aus. Scheibenkleister-Selbsthilfegruppen gegen die weibliche Verbal-Erziehung, enttäuschte Betroffenheits-Mütter, die ihre Kinder auf Verdacht fördern mit dem Fahrradhelm in den Bus schicken, das wahre Glück der androgynen Menschen gegen die Haarspangen-Falle, die schon im kindlichen Alltag die Rollenbilder prägt: Nicht nur die vereinzelten Männer im Publikum hatten ihre wahre Freude an den gut gelaunten Geschlechter-Analysen der ausgebildeten Psychologin.

 

 

 

 

 

Ausstellung zum Frauenwahlrecht und Quiz

Die Gleichstellungsbeauftragte Martina Bierkämpfer hielt in ihrer Rede Rückschau und blickte appellierend in die Zukunft.

Da kam die Pause gerade recht, um sich im Foyer in einer kleinen Ausstellung noch einmal vor Augen zu halten, was sich 100 Jahre nach Erringung des Frauenwahlrechts alles verändert hat. Das ist doch immerhin einiges, wie auch die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bergkamen, Martina Bierkämper, in ihrer Rede hervorhob. Wurden Frauen in Frankreich noch für ihre Forderungen nach mehr Rechten geköpft, führte das 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung, Frauen als billigen Arbeitskräften und der Arbeiterbewegung doch auch indirekt in die Emanzipation. Es dauerte bis 1918, bis endlich das Frauenwahlrecht eingeführt war. Für Marie Juchacz als erste Frau in der Weimarer Nationalversammlung eine „Selbstverständlichkeit“. Eine Bundeskanzlerin, Ministerinnen, Frauenquote: In der Politik scheinen die Frauen formell Gleichberechtigung erreicht zu haben. Gleichgestellt sind sie aber längst noch nicht. Schon gar nicht im Alltag.

Ausstellung, Informationsstände, Literatur und ein Imbiss: Im Foyer des Treffpunkt gab es viel zu entdecken.

Gleichverteilung von Status, Macht und Einkommen forderte Martina Bierkämper deshalb. Mehr Frauen in Führungspositionen, Entgeltgleichheit, Schutz vor Gewalt, Veränderungen in der Familienpolitik und Rente sind nur einige Felder, die es weiterhin zu beackern gilt. Bürgermeister Roland Schäfer konnte da nur beipflichten: „Es kommt auf die tatsächliche Gleichstellung an“. Ansonsten hielt er sich vornehm zurück und überreichte vor allem zahlreiche mehrfarbige Umschläge von Verwaltung und Politik zur finanziellen Unterstützung des Frauentags. Dessen Erlös geht an das Bergkamener Mädchen- und Frauennetzwerk.

Nicht nur beim Cocktail und seinen diversen Bezeichnungen kamen Männer und Frauen beim Frauentag zusammen.

Im Foyer gab es nicht nur Equal Pay-Taschen, Anstecker und Kulis, Literatur und Flyer rund um das Thema Frauen und Gleichberichtigung, sondern auch einen Imbiss und frisch geschüttelte Cocktails, die Männer und Frauen in ihren Namensbezeichnungen unmissverständlich zusammenbringen. Und natürlich angeregte Gespräche über die inzwischen 34. Veranstaltung zum Frauentag in Bergkamen, seit mehr als 30 Jahren ungebrochenes Engagement des Frauentags-Teams, das von unzähligen Gruppen und Einrichtungen unterstützt wird. Während andernorts die Begeisterung merklich abgeflaut ist, ist das Engagement in Bergkamen ungebrochen. „Es kommt eben auch auf das richtige Konzept an – und das haben wir hier in Bergkamen“, ist Martin Bierkämper sich sicher.

Dass das Engagement weiterhin ungebrochen sein sollte, zeigte vielleicht auch das kleine Frauentags-Quiz. Es waren vor allem die älteren Frauen, die richtige Antworten über die Zitate berühmter Frauenrechtlerinnen zur Hand hatten und dafür kleine Präsente bekamen.