Ganz Rünthe und noch mehr wollen mit Stammzellen helfen

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Geht wahnsinnig schnell und tut überhaupt nicht weh: Typisierung für eine mögliche Stammzellenspende.

Sie halten sich an den Händen. „Ich hatte auch Leukämie – und ich habe es geschafft“, sagt die Frau, und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Ich bin gekommen, um Ihnen Mut zu machen.“ Marco Füllenbach drückt ihre Hand, wird ganz still und sagt, „das bedeutet mir sehr viel.“ Für ein paar Sekunden ist der Trubel um ihn herum ausgeblendet. Ganz Rünthe marschiert gerade geschlossen hinter ihm in die Turnhalle der Regenbogenschule. Sie alle sind gekommen, um ihm zu helfen.

Riesenandrang in der Sporthalle der Regenbogenschule in Rünthe.

Es ist mehr als nur Hilfe. Es könnte der Lebensretter und all den vielen Menschen sein, die ein kleines Stäbchen mit einer flauschigen Spitze im Mund kreisen lassen. Marco Füllenbach hat „MDS“, das Myelodysplastische Syndrom. Es hat seine Blutbildung komplett auf den Kopf gestellt. Es werden zu wenige rote Blutkörperchen gebildet – unter anderem. Im Gesicht, an den Händen: Die Folgen sind bei Marco Füllenbach nicht zu übersehen. Überall bilden sich Einblutungen. Die Krankheit ist lebensgefährlich. Die Prognosen für eine Heilung sind zwar deutlich besser als bei der verwandten Leukämie. Trotzdem ist die Behandlung mit Chemotherapie, Bestrahlung, Thrombozyten- und Blutplasmainfusionen die gleiche – und genauso belastend. Es muss ein Spender für geeignete Stammzellen gefunden werden, um zu überleben.

Eine potenzielle Spenderin steckt sich energisch das erste Stäbchen in den Mund und rührt fleißig in der linken Mundhälfte herum. Dann folgen das zweite und dritte Stäbchen. Ein paar Fragen auf dem Zettel der Helferin, ein paar Kreuzchen, eine Unterschrift – schon ist nach ein paar Minuten alles vorbei. „Es ist gar nicht schlimm, geht schnell und tut nicht weh“, sagt sie, die zum ersten Mal bei einer solchen Aktion dabei war. „Mein Sohn spielt im gleichen Verein, in dem sich Marco so großartig engagiert – da ist doch ganz klar, dass wir helfen wollen“, sagt Anna Zessner. „Und es ist ja nun wirklich keine große Sache. Ich denke dabei an meinen Sohn, an Freunde, an alle Nahestehenden, die vielleicht einmal in der gleichen Lage sein könnten und Hilfe brauchen.“

Riesengroßes Engagement für einen, der selbst viel hilft

Drei Stäbchen, in denen die Informationen über den lebensrettenden Spender stecken könnten.

Die Sporthalle brummt schon wenige Minuten, nachdem die Aktion begonnen hat. Die vielen Helfer haben alle Hände voll zu tun. 70 engagieren sich an diesem Samstag an allen Ecken und Enden, braten Würstchen, schenken Getränke aus, erklären den potenziellen Spendern, wie die Registrierung für die Stammzellenerkennung genau abläuft. „Für uns war es gar keine Frage, uns hier einzubringen“, sagt Dietmar Wurst, 1. Vorsitzender vom SuS Rünthe. Marco und sein Bruder engagieren sich derartig für unseren Verein, sind immer da, wenn man sie braucht. Jetzt brauchen sie unsere Hilfe.“ Die Stadt hat zusätzlich unterstützt. Die Maskottchen von Schalke und vom BvB kommen kostenlos, um noch mehr mögliche Spender anzulocken. Der Arbeitgeber von Marco hat sofort eine Spende an die DKMS überwiesen, die solche Typisierungen organisiert. Unzählige Menschen haben Kuchen gebacken und gespendet. Das Engagement im Stadtteil ist fast schon überwältigend.

Einfach in den Mund stecken und ein paar Mal umdrehen: So einfach ist es, Lebensretter zu werden.

Aber auch darüber hinaus hat das Schicksal von Marco Füllenbach etwas ausgelöst. Wie bei Hendrik Schnitzler. Er wohnt in Werne, wusste überhaupt nicht, wo die Sporthalle überhaupt ist, in der die Aktion stattfindet. „Ich bin mit dem Navi hierher geirrt“, sagt er. Seine Mutter hörte von der Hilfsaktion, schrieb ihm eine SMS. „Ich will einfach nur helfen“, betont er. Auch er lässt sich zum ersten Mal typisieren. „Das geht so schnell und ist ganz einfach“, ermutigte er andere, seinem Beispiel zu folgen. Der Mann, der vor ihm in der Schlange für die Abgabe der Formulare steht, sieht das genauso. „Meine Frau ist schon seit Jahren dabei – jetzt dachte ich, dass es auch für mich mal an der Zeit ist.“

Das Schicksal von Marco Füllenbach berührt umso mehr, als dass er selbst vor nicht allzu langer Zeit noch eine kleine Hilfsaktion für jemand anderen anstieß. Am Spielfeldrand unterhielt er sich mit einem Familienvater aus Somalia. Auch er litt unter Bluthochdruck. „Auch bei ihm wusste niemand, was er eigentlich hatte“, erinnert er sich. Eine Woche später war der Mann tot. Er hinterließ vier Kinder und eine Frau. Die Kinder spielen im SuS Fußball. Der Verein engagierte sich für finanzielle Unterstützung. „Ich war auch auf seiner Beerdigung – zum ersten Mal in meinem Leben in einer Moschee“, sagt Marco Füllenbach. Kurz darauf kam die schockierende Diagnose für ihn.

Von der Typisierung zum Spender: Es tut nicht weh!

Marco Füllenbach will nicht einfach nur zusehen. Wie immer packt er selbst bei der Aktion mit an, die ihm hoffentlich bei der Suche nach dem lebensrettenden Stammzellenspender helfen wird.

„Ich verdränge so gut wie möglich, was die Diagnose bedeuten kann“, sagt er und steht auch schon hinter dem Würstchengrill, um die vielen frisch Typisierten zu versorgen. Er strahlt dabei über das ganze Gesicht, versprüht Optimismus und Lebensfreude. Auch deshalb klopft ihm ausnahmslos jeder, der aus der Sporthalle kommt auf die Schulter. Oft wortlos und ein bisschen sprachlos.

Alle, die sich am Samstag registrieren ließen, sind jetzt potenzielle Lebensretter. Wenn alles passt, folgen weitere Untersuchungen. Dann wird Blut entnommen und die Stammzellen werden herausgefiltert. Wenn sich der geeignete Spender für Marco Füllenbach finden sollte, werden ihm die Stammzellen in einer Klinik in Münster „transplantiert“. Dann bekommt er nicht nur ein neues Leben, sondern auch eine neue Blutgruppe – hoffentlich. Und die Spenderdatei ist ein bisschen größer geworden: Noch immer haben sich nur 8 Mio. Menschen in Deutschland registrieren lassen.