Bergkamen war für Alfred Gleisner wie eins seiner Kinder

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„Bergkamen war wie ein Kind für ihn“, erzählt Ehefrau Elisabeth über den ersten Bergkamener Stadtdirektor Alfred Gleisner. Morgens, wenn er aufstand, habe er über die Stadt gesprochen, und auch noch abends beim Zubettgehen. Dass das Kind eines ihrer Väter durch die Benennung des Alfred-Gleisner-Platzes würdigt, hätte ihn sehr gefreut.

Alfred-Gleisner-Platz (6)Elisabeth Gleisner kommt am Mittwoch nicht allein zur Enthüllung der neuen Schilder. Begleitet wird sie von Sohn Horst, Tochter Monika und Schwiegertochter Katharina, als Bürgermeister Roland Schäfer symbolisch eines der Schilder enthüllt. Vor allem die jüngeren Bergkamener sollen so angeregt werden, nachzufragen: „Wer war eigentlich Alfred Gleisner?“

Als der für die damaligen Gemeinden Bergkamen, Rünthe und Overberge zuständige Amtsbürgermeister in Pelkum stellte er zusammen mit seinem Freund, dem Landrat des Kreises Unna Hubert Biernat, die entscheidenden Weichen für deren Zusammenschluss mit Weddinghofen, Oberaden und Heil zu einer großen Stadt. Als dies geschafft war (Nur Overberge ließ sich etwas mehr Zeit.) wurde er selbst Bergkamener Verwaltungschef. Dabei erledigte er nicht nur ein großes Arbeitspensum, sondern hat auch Weitblick bewiesen, wie sich Beigeordneter Horst Mecklenbrauck erinnert. Mecklenbrauck wie auch Manfred Turk gehörten 1966 zu den jungen Mitarbeitern Gleisners. Damals hab er ihnen erklärt: „Ihr habt den Marschall-Stab in euren Tornistern.“ Mecklenbrauck war damals noch nicht ganz klar, was Gleisner mit diesem militärischen Sprachgebrauch ausdrücken wollte. Den nächsten Aufstieg in der Beamtenhierarchie vielleicht? Heute ist das klar: Beide gehören dem Bergkamener Verwaltungsvorstand an.

Alfred-Gleisner-Platz (8)Überschattet wird die Enthüllungsfeier durch einen Vorfall, der sich in einer der Nächte davor ereignet haben muss. „Da hat sich doch jemand an das Schild gehängt und mutwillig verbogen“, ärgert sich Stadtarchivar Martin Litzinger. Das Schild muss jetzt repariert werden und die Enthüllung wurde von der Ebertstraße in die Nähe des Parkplatzes gegenüber der St. Elisabeth-Kirche verlegt. Dieser Parkplatz gehört übrigens nicht zum Alfred-Gleisner-Platz. Auch nicht die Gebäude an der Ost- und Westseite. Sie behalten ihre alte Adresse „Am Stadtmarkt“.

Martin Litzinger hatte im Vorfeld eine Menge über das Leben Alfred Gleisners zu Papier gebracht. Er schreibt:

„Alfred Gleisner war einer der „Gründungsväter“ der Stadt Bergkamen. Vom 1. Januar bis zum 14. Juni 1966 war er der erste Gemeindedirektor der Großgemeinde Bergkamen, seit dem 14. Juni 1966 (Verleihung der Bezeichnung „Stadt“) bis zu seiner Pensionierung im Juni 1973 dann erster Stadtdirektor der neu entstandenen Stadt Bergkamen.

Während seiner Amtszeit hat sich Alfred Gleisner stets mit sehr hohem und weit über dienstliche Pflicht hinausgehendem persönlichem Engagement für die Belange und Interessen der jungen Stadt  Bergkamen und ihrer Bürgerinnen und Bürger eingesetzt.

Alfred Gleisner wurde am 19. Juni 1908 in Kamen geboren. Er entstammte einer Bergmannsfamilie und war nach Schulbesuch und bergmännischer Lehrzeit zunächst auch als Bergmann berufstätig.

Begünstigt durch eigene Fort- und Weiterbildung konnte Gleisner 1928 einen neuen Berufsweg einschlagen. Er trat in den preußischen Polizeidienst ein und wurde nach Absolvierung der Kriminalpolizeischule in Potsdam 1932 Inspektor im polizeilichen Sicherheitsdienst.

Nach dem Regierungsantritt durch die Nationalsozialisten musste er 1933 den Polizeidienst  allerdings verlassen, weil er aktives Mitglied des demokratisch gesinnten republikanischen Polizeibeamtenverbandes war und den neuen Machthabern deshalb als politisch unzuverlässig galt.

Gleisner arbeitete dann für Versicherungen, als Organisationsleiter verschiedener Gesellschaften und schließlich kaufmännisch als Geschäftsführer einer Firma in Frankfurt. Während des Krieges war Gleisner als Offizier zunächst im Frontdienst eingesetzt, nach einer schweren Verletzung dann im Stabsdienst.

Geprägt vom Erleben von NS-Diktatur und Krieg entschied sich Alfred Gleisner schon sehr bald nach Kriegsende für ein politisches Engagement. Er trat in die SPD ein und war von 1946 bis1959 hauptamtlich als Parteisekretär des SPD-Unterbezirks tätig. Ein besonderes Anliegen war es ihm insbesondere während der ersten Nachkriegsjahre, die durch Nationalsozialismus und Krieg desillusionierten jungen Menschen für die Demokratie zu gewinnen. Er setze sich aber auch aktiv gegen die von den Alliierten geplante Demontage des „Chemischen Werke Bergkamen“ ein. Wäre dies letztlich nicht gelungen, sähe Bergkamen ganz anders aus. Näheres dazu gibt es hier.

Wichtige politische und parlamentarische Erfahrungen sammelte Gleisner schon sehr früh im Rat der Stadt Unna, im Kreistag des Kreises Unna und als Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen, in dem er stellvertretender Vorsitzender des Rechts- und des Justizausschusses besondere Verantwortung trug.

Am 14. August 1949 wurde Alfred Gleisner als Abgeordneter in den ersten Deutschen Bundestag gewählt. Hier fand er ein wichtiges neues Betätigungsfeld in den Ausschüssen „Innere Verwaltung“ und „Schutz der Verfassung“.

Bis 1959 gehörte Alfred Gleisner ohne Unterbrechung dem Deutschen Bundestag an. Zwei Jahre vor dem Ende seiner dritten Legislaturperiode legte er im April 1959 auf eigenen Wunsch sein Mandat nieder, um sich von nun an ganz der Kommunalverwaltung und Kommunalpolitik widmen zu können, nachdem er bereits 1958 Amtsdirektor des Amtes Pelkum geworden war.

Gleisner, für den Kommunalpolitik nach eigener Auffassung stets die gleiche Bedeutung wie Landes- und Bundespolitik hatte, war davon überzeugt, dass der Wunsch nach besserem Leben und größerer Gemeinsamkeit am ehesten durch und in der gemeindlichen Selbstverwaltung zu erfüllen sei.

Er wusste zugleich aber auch von der Leistungsschwäche vieler Gemeinden, die in ihrer Kleinteiligkeit und mit ihren veralteten Strukturen den Anforderungen der neuen Zeit nicht mehr  gewachsen waren und ihr nicht mehr gerecht werden konnten.

So wurde Gleisner gemeinsam mit seinem Freund Hubert Biernat, Landrat des Kreises Unna und später Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, zu einem Vorkämpfer einer dringend notwendigen allgemeinen Neuordnung der Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen.

Lange vor der allgemeinen kommunalen Neugliederung in Nordrhein-Westfalen warb und wirkte Gleisner tatkräftig – gleichsam als Modellfall  für die Zukunft – für den politischen Zusammenschluss der Gemeinden Bergkamen, Oberaden, Weddinghofen, Rünthe, Heil und Overberge zu einem neuen Gemeinwesen, dies aber nicht „von oben herab“ durch den Federstrich einer Behörde oder des Gesetzes, sondern freiwillig „von unten“ auf der Basis verantwortungsbewusster Mitgestaltung durch Gemeinderäte und Bürger.

Vor diesem Hintergrund war es dann schließlich nur folgerichtig, dass Alfred Gleisner nach der Bildung der Großgemeinde und späteren Stadt Bergkamen die Leitung der Amtsverwaltung Pelkum abgab und als Verwaltungschef in Bergkamen gemeinsam mit dem Bürgermeister und dem Rat der Stadt die schwierige und überaus wichtige erste Aufbauphase des neuen Gemeinwesens leitete.

Das Ziel der Wahrung und Förderung kommunaler Interessen und Belange verfolgte Gleisner aber auch überregional. So gehörte er zu dem Personenkreis, der den Zusammenschluss des nordrhein-westfälischen Städtebundes und des Gemeindetages herbeiführten. Er wurde Gründungspräsident des neuen Städte- und Gemeindebundes Nordrhein Westfalen und gehörte überdies auch dem Präsidium des Deutschen Städte-  und Gemeindebundes an.

Am 30. Juni 1973 trat Bergkamens erster Stadtdirektor Alfred Gleisner in den Ruhestand.

Für seine gesamte politische Tätigkeit und seine Verdienste um die Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden  wurde Alfred Gleisner 1973 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, die Stadt Bergkamen verlieh ihm in Anerkennung und Würdigung seines tatkräftigen und unermüdlichen Wirkens zum Wohle der jungen Stadt als bis heute einzigem Träger dieser Würde die Ehrenbürgerschaft.

Alfred Gleisner starb am 15. Februar 1991 in Unna.“